Verwaltungsrecht

Beschwerde, Aufenthaltserlaubnis, Beschäftigungszweck, Spezialitätenkoch, Versagung, Fiktionswirkung

Aktenzeichen  10 CS 21.1957

Datum:
25.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26078
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 19c
BeschV § 11 Abs. 2
AufenthG § 81 Abs. 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 25 S 21.2428 2021-07-05 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen vor dem Verwaltungsgericht erfolglosen Eilantrag weiter, die aufschiebende Wirkung seiner Klage hinsichtlich der Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Beschäftigungszwecken, der gleichzeitig erlassenen Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie eines Einreise- und Aufenthaltsverbots anzuordnen.
Der Antragsteller, ein chinesischer Staatsangehöriger, hielt sich in der Vergangenheit mehrfach zeitweise zur Ausübung einer Beschäftigung als Spezialitätenkoch im Bundesgebiet auf. Zuletzt reiste er am 15. Februar 2020 mit einem Visum gestützt auf § 19c AufenthG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 BeschV für eine Beschäftigung als Spezialitätenkoch in einem H. Restaurant in das Bundesgebiet ein, wobei das Visum bis zum 21. Februar 2020 gültig und auf die Beschäftigung in jenem konkreten H. Restaurant beschränkt war.
Am 24. Februar 2020 stellte die Ausländerbehörde der Freien und H. H. (im Folgenden: H.) dem Antragsteller eine bis zum 23. Juni 2020 gültige Fiktionsbescheinigung – geknüpft an die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu der Beschäftigung als Spezialitätenkoch nach § 11 Abs. 2 BeschV in jenem konkreten H. Restaurant – aus. Dazu bat sie den Antragsteller mit Schreiben ebenfalls vom 24. Februar 2020 sowie vom 6. Juli 2020 und 14. Oktober 2020 um eine Vorsprache beziehungsweise um Zusendung von Unterlagen. Mit E-Mail vom 3. September 2020 teilte der Geschäftsführer des H. Restaurants mit, dass der Antragsteller seinen Arbeitsvertrag bereits zum 10. September 2020 gekündigt hätte.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 erteilte die Bundesagentur für Arbeit die Zustimmung zu einer von dem Antragsteller beantragten Beschäftigung (Arbeitgeberwechsel) nach § 19c AufenthG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 BeschV als Spezialitätenkoch in einem Restaurant in R..
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 stellte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf “Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis” mit der Begründung, dass er nunmehr in einem Restaurant in R. arbeiten würde. Er erhielt daraufhin eine Fiktionsbescheinigung, die letztmals bis zum 3. Juni 2021 verlängert wurde.
Tatsächlich trat der Antragsteller seine Stelle in dem Restaurant in R. – aus gesundheitlichen Gründen – nicht an. Am 15. Februar 2021 teilte die Inhaberin des Restaurants in R. der Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller wieder arbeitsfähig sei und sie ihn einstellen würde, sobald das Restaurant wieder öffnen dürfte.
Mit Bescheid vom 20. April 2021 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin den Antrag des Antragstellers auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 1), forderte ihn zur Ausreise bis zum 15. Mai 2021 auf (Nr. 2), drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach China oder einen anderen Staat an, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 3), und setzte für den Fall der Abschiebung ein zweijähriges Einreise- und Aufenthaltsverbot fest (Nr. 4). Zur Begründung führte die Antragsgegnerin an, dass der Antragsteller die Arbeit nicht aufgenommen habe, der Lebensunterhalt nicht gesichert und der Antragsteller nicht mit einem ordnungsgemäßen Visum eingereist sei.
Mit Schriftsatz vom 29. April 2021 erhob der Antragsteller hiergegen Widerspruch.
Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2021 hat der Antragsteller im Wesentlichen beantragt, die aufschiebende Wirkung des zunächst eingelegten Widerspruchs anzuordnen.
Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2021 hat der Antragsteller zudem gegen den Bescheid Klage erhoben.
Mit angegriffenem Beschluss vom 5. Juli 2021 hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag des Antragstellers abgelehnt. Hierzu führt es zur Begründung aus, dass der Eilantrag gegen Nr. 1 des streitbefangenen Bescheides aufgrund des fehlenden Antrags des Antragstellers und daher mangels Fiktionswirkung bereits unzulässig sei, hinsichtlich der Nrn. 2 bis 4 zulässig, aber nicht begründet.
Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2021 hat der Antragsteller hiergegen Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, aus den Schreiben der Ausländerbehörde H. vom 24. Februar 2020 und vom 6. Juli 2020 ergebe sich, dass ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt worden sei. Die geführte Ausländerakte sei unvollständig. Es sei nicht davon auszugehen, dass eine Hamburger Behörde ohne Antrag eine Fiktionsbescheinigung erteile, einen Termin vergebe und mit weiterem Schreiben darum bitte, die Fiktionsbescheinigung am 5. September 2020 mitzubringen. Daher greife auch die Fiktionswirkung des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Dass der Antragsteller im Rahmen eines Arbeitgeberwechsels eine Umverteilung beantragt habe, sei unschädlich, weil die Bundesagentur dem zugestimmt habe. Auch den Fiktionsbescheinigungen vom 4. Januar 2021 und vom 1. April 2021 komme Fiktionswirkung zu. Der Antragsteller sei bereit, freiwillig sein Beschäftigungsverhältnis zu beenden und bis zum mit der Antragsgegnerin abgestimmten Termin am 30. September 2021 auszureisen, allerdings sei der Pass des Antragstellers nur bis zum 25. August 2021 gültig. Er habe ihn dem Generalkonsulat zur Verlängerung vorgelegt mit der Bitte um Empfangsbestätigung, aber lediglich eine Nachricht erhalten, dass eine solche nicht ausgestellt werden könne (unter Beweisangebot e. wörtlichen Übersetzung aus d. Chinesischen im Bedarfsfall, Anhörung d. Antragstellers als Partei, Hinzuziehung e. Dolmetschers sowie d. Ankündigung, dass eine eidesstattliche Erklärung nachgereicht werden könne). Es bestehe daher ein tatsächliches Ausreisehindernis. Es werde Mediation angeregt.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf die der Senat seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Der Eilantrag des Antragstellers, welcher sich ? der Sache nach – auf einen Anspruch auf (erstmalige) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Beschäftigungszwecken nach § 19c AufenthG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 BeschV bezieht, hat voraussichtlich keinen Erfolg.
a) Nicht durchdringen kann der Antragsteller insbesondere mit dem Beschwerdevorbringen, dass sein Eilantrag entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bezüglich der Nr. 1 des streitbefangenen Bescheides wegen einer nach § 81 Abs. 4 AufenthG eingetretenen und wegen der Versagung der Aufenthaltserlaubnis wieder erloschenen Fiktionswirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig ist.
Das Beschwerdevorbringen zeigt nicht substantiiert auf, dass der Antragsteller einen hierfür erforderlichen Antrag fristgemäß vor Ablauf der Gültigkeit des Visums nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gestellt hat. In der fortlaufend paginierten Behördenakte ist lediglich dokumentiert, dass dem Antragsteller am 24. Februar 2020 eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt wurde (vgl. Behördenakte, Bl. 450). Ein zugrundeliegender Antrag des Antragstellers fehlt hingegen, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend abgestellt hat (vgl. BA S. 6). Den Antrag oder eine Kopie hiervon oder auch – wie es üblich ist (vgl. Behördenakte, Bl. 408) – eine Quittung über die Einreichung des Antrags hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Er hat auch nicht vorgetragen, über ein solches Dokument zu verfügen. Genauso wenig hat der Antragsteller beschrieben, wann und unter welchen Umständen er den Antrag angesichts des bis zum 21. Februar 2020 gültigen Visums gestellt haben will. Die Antragstellerseite hat auch nicht erläutert, welchen Grund die Ausländerbehörde Hamburg gehabt haben soll, den Antragsteller um eine Vorsprache beziehungsweise die Vorlage von Unterlagen zu bitten, als den, diesen zu einem entsprechenden Antrag anzuhalten. Des Weiteren ist in dem Schreiben der Ausländerbehörde Hamburg vom 6. Juli 2020 in dem Katalog der von dem Antragsteller beizubringenden Dokumente – unter anderem – aufgeführt ein “vollständig ausgefüllter Formularantrag (Formular anbei)” (vgl. Behördenakte, Bl. 454). Damit ist erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass der Antragsteller einen solchen bislang noch nicht vorgelegt hatte.
Im Übrigen setzt sich die Antragstellerseite nicht mit der Erwägung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass eine Fiktionsbescheinigung nur deklaratorische, nicht indes konstitutive Wirkung entfaltet und daher nichts darüber besagt, ob Fiktionswirkung eingetreten ist oder nicht (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2020 ? 10 CE 20.1914 u. 10 CS 20.1915 – juris Rn. 24; B.v. 17.7.2019 – 10 CS 19.1212 – juris Rn. 6 m.w.N.). Damit kommt es auf die von der Ausländerbehörde Hamburg sowie von der Antragsgegnerin erteilten Fiktionsbescheinigungen nicht an. Auch eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich eines Arbeitgeberwechsels kann das Fehlen eines Antrags und demgemäß der Fiktionswirkung nicht kompensieren.
Nach alledem ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der am 16. Dezember 2020 gestellte Antrag des Antragstellers – nahezu zehn Monate nach Erlöschen des Visums – keine Fiktionswirkung ausgelöst hat, mit der Folge, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unstatthaft und daher unzulässig ist.
b) Der von dem Verwaltungsgericht hilfsweise zu Gunsten des Antragstellers vorgenommenen Prüfung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfahrensduldung zur Wahrung des geltend gemachten Anspruchs gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG und § 123 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 19c AufenthG sowie § 11 Abs. 2 BeschV und Art. 19 Abs. 4 GG setzt der Antragsteller nichts an Substanz entgegen. Hierbei kommt es auf etwaige tatsächliche Ausreisehindernisse – wie die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen, indes nicht substantiiert dargetanen und nicht glaubhaft gemachten Schwierigkeiten bei der Passbeschaffung ? nicht an.
c) Dass das Verwaltungsgericht die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als rechtmäßig erachtet hat, begegnet bei summarischer Prüfung ebenfalls keinen Einwänden. Danach war dem Antragsteller die Abschiebung unter Festsetzung einer Ausreisefrist anzudrohen, da er nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig ist und unter den Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG abgeschoben werden kann.
Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen, indes weder substantiiert dargetanen noch glaubhaft gemachten Schwierigkeiten bei der Passbeschaffung führen nicht dazu, dass die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung rechtswidrig werden. Duldungsgründe tangieren nicht deren Rechtmäßigkeit. Dies ergibt sich aus § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, wonach dem Erlass der Androhung Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2018 – 10 CS 18.1939 – juris Rn. 9 f.). Der Antragsteller ist darauf zu verweisen, bei der zuständigen Ausländerbehörde nach Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG einen Antrag auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) wegen eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu stellen.
d) Schließlich fehlt es auch im Hinblick auf das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG an substantiierten Ausführungen des Antragstellers.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 8. und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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