Verwaltungsrecht

Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, Unterhaltung eines Gewässers dritter Ordnung, öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch, Dimensionierung von Entwässerungsanlagen, Anordnungsgrund (verneint)

Aktenzeichen  8 C 21.2510

Datum:
13.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41446
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123, § 146
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 8 E 21.1319 2021-09-16 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Unterhaltung bzw. provisorische Sanierung eines Bachs.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke FlNr. … und … Gemarkung H* …, die jeweils in südlicher bzw. nördlicher Richtung an den S* …bach angrenzen. Der S* …bach, ein Gewässer dritter Ordnung, verläuft dort auf Grundstück FlNr. …, das im Eigentum der unterhaltspflichtigen Antragsgegnerin steht.
Nach starken Regenfällen im Juni 2021, durch die u.a. das Bachbett am S* …bach durch übertretendes Wasser beschädigt wurde, forderte die Antragstellerin am 24. Juni 2021 von der Antragsgegnerin die Sanierung des Bachlaufs.
Am 6. Juli 2021 hat die Antragstellerin Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erhoben und beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Bachlauf langfristig so zu sanieren und abzusichern, dass es nicht mehr zu derartigen Schäden komme. Gleichzeitig begehrt sie im Eilverfahren, die Antragsgegnerin zu sofortigen provisorischen Sanierungen sowie Sicherungsmaßnahmen am Bach zu verpflichten, vor allem um die sichere Befahrung der beiden Überwege zu gewährleisten. Die Antragstellerin hat in beiden Verfahren Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag und den diesbezüglichen Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 16. September 2021 abgelehnt. Einzelne Anlieger hätten kein subjektiv-öffentliches Recht auf Gewässerunterhaltung; die begehrte Sanierung gehe wohl auch über den Umfang bloßer Gewässerunterhaltung hinaus. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Folgenbeseitigung oder Unterlassung sei nicht glaubhaft gemacht worden; Beeinträchtigungen durch ganz ungewöhnliche, seltene Starkregen seien der unterhaltspflichtigen Antragsgegnerin nicht zuzurechnen. Auch ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden; mit einer Wiederkehr vergleichbar starker Niederschläge sei durchschnittlich erst wieder in zehn Jahren zu rechnen.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die erstinstanzliche Ablehnung ihres Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
A. Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin zu Recht abgelehnt; die im Eilverfahren beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Ausgehend von dem grundgesetzlich geschützten Gebot (vgl. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG), dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Die Prüfung darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2014 – 1 BvR 1671/13 – NJW 2014, 1291 = juris Rn. 13). Deshalb genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit, die bereits dann gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso in Betracht kommt wie ein Unterliegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26 m.w.N.). Demgegenüber darf Prozesskostenhilfe verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2014 – 1 BvR 1671/13 – NJW 2014, 1291 = juris Rn. 13).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen bietet die Rechtsverfolgung der Antragstellerin im Eilverfahren nach § 123 VwGO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin habe einen Anordnungsgrund für sofortige Sicherungsmaßnahmen nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn es aus anderen Gründen nötig erscheint (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Dem Antragsteller muss es demnach unzumutbar sein, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (vgl. OVG NW, B.v. 13.4.2015 – 16 B 270/15 – DVBl 2015, 787 = juris Rn. 4; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 80). Dies setzt voraus, dass durch das Abwarten für ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen würden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, B.v. 11.7.2014 – 2 BvR 1006/14 – NVwZ 2014, 1572 = juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 8.9.2017 – 1 WDS-VR 4.17 – juris Rn. 15; NdsOVG, B.v. 3.12.2021 – 5 ME 92/21 – juris Rn. 7 m.w.N.).
aa) Das Verwaltungsgericht hat das Fehlen eines Anordnungsgrunds darauf gestützt, dass mit einer Wiederkehr eines Starkregenereignisses, das den schadensauslösenden Niederschlägen vom Juni 2021 entspricht, statistisch erst wieder in zehn Jahren zu rechnen sei (10-jährliches Ereignis, vgl. Beschlussabdruck [BA] S. 10). Dies ist rechtsfehlerfrei, soweit die Antragstellerin Maßnahmen zur Vermeidung künftig eintretender Schäden begehrt. Denn es ist nicht konkret absehbar, dass die Antragstellerin ohne Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vergleichbare niederschlagsbedingte Beeinträchtigungen ihres Grundeigentums hinnehmen müsste, bevor über ihre Klage entschieden ist (vgl. auch OVG NW, B.v. 30.9.2014 – 13 B 1013/14 – juris Rn. 15).
bb) Mit der weiteren Frage, ob die Antragstellerin einen Anordnungsgrund glaubhaft machen konnte, indem sie aufgezeigt hat, dass ihr durch eingetretene, (noch) nicht behobene Folgen des Starkregens vom Juni 2021 unzumutbare Nachteile entstehen, setzt sich der angegriffene Beschluss nicht auseinander. Die Antragstellerin hat sich insoweit auf die „Zerstörung“ ihrer zweiten Bachüberfahrt berufen, die sie bei der landwirtschaftlichen Nutzung ihrer Grundstücke gefährde. Mit diesem Vortrag hat sie ebenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass es ihr unzumutbar sei, die Hauptsacheentscheidung über ihre Anträge, die vorhandenen Schäden – vor allem an den Überwegen – zu beheben und den Bach „provisorisch zu sanieren“, abzuwarten. Das durch Schwemmgut verstopfte Rohr unter einer Bachüberfahrt der Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin im August ausräumen. Zudem ist nicht dargelegt oder erkennbar, dass die Erreichbarkeit der Grundstücke, insbesondere zur Ausübung der landwirtschaftlichen Nutzung, derzeit nicht gewährleistet wäre. Die Antragstellerin verfügt nach eigener Aussage über zwei Überfahrtsmöglichkeiten über den Bach. Nicht entscheidungserheblich ist deshalb, ob sie einen Anordnungsgrund überhaupt auf die Wiederherstellung der eigenen Bachüberfahrt, die von der Antragsgegnerin als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … bislang nur geduldet wurde, stützen kann. Im Übrigen hat die Antragstellerin ihre Beschwerde nicht auf die Behebung vorhandener Schäden gestützt, sondern auf den Schutz „vor weiteren Schäden den Winter über“.
b) Ob der Antragstellerin ein Anordnungsanspruch für die von ihr begehrten Maßnahmen an dem Gewässer zusteht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
aa) Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch Dritter gegen die Trägerin der Unterhaltungslast auf Vornahme bestimmter Unterhaltungsmaßnahmen an dem Gewässer zutreffend verneint (vgl. BA S. 7 f.; BayVGH, U.v. 2.2.2004 – 22 B 02.3084 – BayVBl 2005, 411 = juris Rn. 16; vgl. auch Schwendner/Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG, Stand September 2020, § 39 WHG Rn. 23 m.w.N.).
bb) Ob ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruchs schon deshalb ausscheidet, weil die Vernässung bzw. Beschädigung der Grundstücke nicht auf einer zu geringen Dimensionierung der Entwässerungsanlage (hier: 2-jährliches Regenereignis), sondern auf einem ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen („Katastrophenregen“, d.h. höhere Gewalt) beruht (vgl. BA S. 9), lässt sich auf Grundlage der im Beschwerdeverfahren vorliegenden Unterlagen nicht abschließend feststellen.
Bei der Beurteilung, ob ein Entwässerungssystem ausreichend dimensioniert ist, sodass keine Schadensursächlichkeit für Überschwemmungen gegeben ist, kann nicht nur schematisch vorgegangen werden. Vielmehr sind die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, insbesondere das Höhenniveau des jeweiligen Gebiets und die Wasserführung sowie die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß eines zu befürchtenden Schadens im Verhältnis zur Durchführbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Abwehrmaßnahmen. Allgemeine Regeln, etwa im Hinblick auf einen bestimmten „Berechnungsregen“, können dann nicht alleiniger Maßstab sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein darauf zugeschnittenes Ableitungssystem außerstande ist, das anfallende Wasser nicht nur in seltenen Ausnahmefällen, sondern darüber hinaus auch bei häufigeren Anlässen zu bewältigen (vgl. BGH, U.v. 11.10.1990 – III ZR 134/88 – NJW-RR 1991, 733 = juris Rn. 19 f.; U.v. 5.10.1989 – III ZR 66/88 – BGHZ 109, 8 = juris Rn. 12; U.v. 27.1.1983 – III ZR 70/81 – DVBl 1983, 1055 = juris Rn. 22 ff.; vgl. auch VG Regensburg, U.v. 3.6.2015 – RO 8 K 14.2163 – juris Rn. 23 ff.).
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das erstinstanzliche Prozesskostenhilfeverfahren ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
C. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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