Verwaltungsrecht

Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutz, wasserrechtliche Untersagungsanordnung, Stau- und Wasserkraftanlage im Flusslauf, Absenken eines oberirdischen Gewässers, Altrecht für einen Schwellbetrieb (verneint), Auslegung eines Verwaltungsakts, Festsetzung eines Absenkziels, Inhaltsbestimmung, Auflagenvorbehalt

Aktenzeichen  8 CS 21.1056

Datum:
1.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2024
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, §§ 146
WHG § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1, § 100 Abs. 1 S. 2
BayWG Art. 58 Abs. 1 S. 2, 75
BayWG 1907 Art. 42, 43

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 9 S 20.2780 2021-03-23 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.125 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im vorläufigen Rechtschutzverfahren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine wasserrechtliche Untersagung des Schwellbetriebs an ihrem Wasserkraftwerk durch den Antragsgegner.
1. Die Antragstellerin betreibt das Wasserkraftwerk E … (Landkreis A … ), das mit ihren Wasserkraftwerken O …, R … und F … (alle Landkreis Donau-Ries) eine Kraftwerksgruppe im Lauf des L …s bildet. Die Stauhaltung in E … wird bei einem Schwellbetrieb an der Kraftwerkskette gemeinsam mit dem Stauraum am Kraftwerk O … (vgl. Az. 8 CS 21.1051) als sog. Kopfspeicher verwendet. Durch eine temporäre zusätzliche Wasserentnahme aus dem Kopfspeicher wird die Energieerzeugung in der Starklastzeit erhöht; in der Schwachlastzeit (nachts oder am Wochenende) werden durch Wasserrückhalt die Speicherräume wieder aufgefüllt.
2. Mit Beschluss des Landratsamts Neuburg a.d. Donau vom 20. Juni 1956 in der Fassung des Beschwerdebescheids der Regierung von Schwaben vom 16. Dezember 1959 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin zur Errichtung und zum Betrieb einer Stau- und Kraftwerksanlage am L … bei E … gemäß Art. 42, 43 BayWG 1907 in Verbindung mit § 106 ff. der Vollzugsbekanntmachung zum Wassergesetz (VBzWG) die Erlaubnis zur Wasserbenützung (vgl. dort Ziff. I Nr. 1). Die Erlaubnisbedingungen (Abschnitt A des Beschwerdebescheids) der Erlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer bis 31. Dezember 2050 (vgl. dort § 2 Ziff. I) sehen u.a. vor:
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Nutzungsbefugnis …
„IV Das Stauziel wird auf Höhe 425,03 m ü.NN festgelegt.
Zur Ermöglichung eines Schwellbetriebs in der Kraftwerkstreppe zwischen E … und F … sind Absenkungen des Stauzieles der Kraftstufe E … im Rahmen einer Betriebsvorschrift (siehe § 24 Ziffer II [richtig § 23 Ziffer II]) zulässig.
Das Absenkziel wird durch gesonderten Bescheid der Verwaltungsbehörde festgesetzt.
Ein Spitzenbetrieb in der Stufe E … ist jedoch nur zulässig, wenn die in der Stufe E … spitzenmäßig verarbeiteten Werkwassermengen in der Stufe O … oder bei Verlängerung der Kraftwerkstreppe in unterhalb gelegenen L …stufen unter Einhaltung der diesen Stufen eingeräumten Nutzungsbefugnisse so ausgeglichen werden, dass im Unterwasser der letzten Stufe die dem natürlichen Zufluss des L … entsprechende Wassermenge abfließt.“
3. Mit Schreiben vom 14. August 1962 beantragte die Antragstellerin die Festsetzung des Absenkziels für den Schwellbetrieb auf maximal 1 m durch gesonderten Bescheid gemäß § 7 Abs. 4 des Beschwerdebescheids vom 16. Dezember 1959.
Mit „Ergänzungsbescheid“ vom 11. Oktober 1968 erteilte ihr das Landratsamt Neuburg a.d. Donau die beschränkte widerrufliche Erlaubnis, den L … von der im Beschluss vom 20. Juni 1956 in der Fassung des Beschwerdebescheids vom 16. Dezember 1959 festgelegten Stauhöhe (425,03 m ü.NN) um höchstens 1 m auf die Höhe von 424,03 m ü.NN abzusenken. Die Erlaubnis war bis längstens 31. März 1969 befristet. In der Folgezeit, zuletzt mit Bescheid des Landratsamts A … vom 30. September 2015, erhielt die Antragstellerin weitere, jeweils befristete Gestattungen. Die zuletzt erteilte beschränkte Erlaubnis nach § 10 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG gewährte an der Staustufe E … eine Absenkung um bis zu 0,80 m; sie endete am 31. März 2018.
4. Flussaufwärts südlich des Kraftwerks E … liegt das FFH-Gebiet Nr. 7431-301 „L …auen nördlich A …“, das gleichzeitig als Naturschutzgebiet „L …auen bei T …“ ausgewiesen ist. Die Absenkung der Stauhöhe im Schwellbetrieb führt u.a. zu einer Verkleinerung der Wasserfläche im geschützten Altwasser des L …s.
5. Mit Schreiben vom 23. August 2019 beantragte die Antragstellerin beim Landratsamt A … die Neuerteilung der Erlaubnis gemäß § 10 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BayWG für einen Schwellbetrieb am Stützschwellenkraftwerk E … Das Landratsamt stellte aufgrund einer Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde nach § 5 UVPG fest, dass für das Vorhaben eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehe. Für den 9. Juli 2020 wurde ein „Scoping-Termin“ zur Festlegung des Untersuchungsrahmens des UVP-Berichts anberaumt.
6. Mit Schreiben vom 6. Juli 2020 teilte die Antragstellerin dem Landratsamt A … mit, sie sei auf Grundlage eines beauftragten Gutachtens zu dem – auch für sie überraschenden – Ergebnis gelangt, für den Schwellbetrieb am Kraftwerk E … keine zusätzliche Erlaubnis zu benötigen, weil sie ein altes Recht besitze. Ihren Antrag auf Neuerteilung einer Erlaubnis nahm sie unter dem 25. September 2020 zurück.
Das Landratsamt A … trat der Auffassung der Antragstellerin mit Antwortschreiben vom 29. September 2020 entgegen. Zur Vermeidung von Rechtsverstößen wurde dringend angeraten, von einer Wiederaufnahme des Schwellbetriebs abzusehen.
Mit Schreiben an das Landratsamt A … vom 24. November 2020 kündigte die Antragstellerin an, den altrechtlich zugelassenen Schwellbetrieb an der Staustufe E … ab 30. November 2020 wieder aufzunehmen. Die beigefügte Betriebsvorschrift sieht für den Schwellbetrieb in E … eine maximale Absenkung von 1,00 m vor.
7. Mit Bescheid vom 27. November 2020 untersagte das Landratsamt A … die mit Schreiben vom 24. November 2020 angekündigte Aufnahme und Durchführung des Schwellbetriebs in der Staustufe E … ab dem 30. November 2020 (vgl. Nr. 1). Bei Nichterfüllung der Anordnung in Nr. 1 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro angedroht (vgl. Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids wurde angeordnet (vgl. Nr. 3). Die Untersagungsanordnung wurde auf Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG i.V.m. § 100 Abs. 1 WHG gestützt. Die Gewässerbenutzung im Schwellbetrieb sei mangels Altrechts formell illegal. Selbst wenn ein altes Recht bestünde, sei die Untersagung notwendig, um erhebliche nachteilige Gewässerauswirkungen eines praktisch „ungeregelten“ Schwellbetriebs zu vermeiden.
8. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 22. Dezember 2020 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg (Az. 9 K 20.2777), über die noch nicht entschieden ist. Zudem beantragte sie sinngemäß, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Untersagung wiederherzustellen.
9. Das Verwaltungsgericht Augsburg lehnte den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 23. März 2021 ab. Die Untersagungsanordnung sei voraussichtlich rechtmäßig. Ob der Schwellbetrieb eine formell unzulässige Gewässerbenutzung darstelle, müsse im Eilverfahren nicht entschieden werden. Selbst wenn ein Altrecht bestünde, könne sich die Antragstellerin nicht darauf berufen, solange es dem Antragsgegner nicht möglich gewesen sei, nachträglich Inhalts- und Schrankenbestimmungen zur Vermeidung zu erwartender erheblicher nachteiliger Gewässereinwirkungen zu erlassen. Darauf gerichtete (fach-)behördliche Prüfungen seien wegen der kurzfristigen Ankündigung der Antragstellerin vor Bescheiderlass nicht möglich gewesen.
10. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtschutzbegehren weiter.
11. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
A. Der Verwaltungsgerichtshof prüft bei Beschwerden in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nur die rechtzeitig dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Erweisen sich die Beschwerdegründe als berechtigt, darf sich die angefochtene Entscheidung aber nicht aus anderen Gründen als richtig erweisen, was aus der entsprechenden Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO folgt (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2019 – 8 CS 18.2398 – ZfB 2019, 202 = juris Rn. 26 m.w.N.). Die Prüfung ist insoweit nicht auf die vom Beschwerdeführer thematisierten Aspekte beschränkt; die Beteiligten müssen hinsichtlich aller erstinstanzlich oder im Beschwerdeverfahren erörterten Aspekte mit der Möglichkeit rechnen, dass die Beschwerdeentscheidung auf andere als die vom Verwaltungsgericht tragend zugrunde gelegten Gründe gestützt wird (vgl. BayVGH, B.v. 16.6.2020 – 14 CE 20.1131 – juris Rn. 19 m.w.N.).
In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; B.v. 16.9.2014 – 7 VR 1.14 – NVwZ 2015, 82 = juris Rn. 10). Bei offenen Erfolgsaussichten findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 4 VR 1005.04 – BVerwGE 123, 241 = juris Rn. 12).
B. Nach diesem Maßstab überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse, weil der angegriffene Bescheid vom 27. November 2020 einer summarischen Prüfung standhält.
Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG und Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG. Hiernach ordnet die Kreisverwaltungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen.
1. Die Untersagung des Schwellbetriebs war notwendig, um eine vorherige behördliche Kontrolle der damit einhergehenden gestattungspflichtigen Gewässerabsenkung (§§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 WHG) sicherzustellen (§ 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG).
Die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 24. November 2020 angekündigte Wiederaufnahme des Schwellbetriebs an der Staustufe E … mit einer Absenkung von max. 1,0 m (vgl. Betriebsvorschrift S. 5) ist formell illegal, weil sich die Antragstellerin diesbezüglich nicht auf ein altes Recht oder eine alte Befugnis (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 WHG, Art. 75 BayWG, Art. 42, 43 BayWG 1907) berufen kann.
a) Der Antragstellerin wurde mit Beschluss des Landratsamts Neuburg a.d. Donau vom 20. Juni 1956 in der Fassung des Beschwerdebescheids der Regierung von Schwaben vom 16. Dezember 1959 zur Errichtung und zum Betrieb einer Stau- und Kraftwerksanlage am L … bei E … gemäß Art. 42, 43 BayWG 1907 in Verbindung mit §§ 106 ff. der Vollzugsbekanntmachung zum Wassergesetz (VBzWG vom 3.12.1907, BayBS II S. 490) die Erlaubnis zur Wasserbenützung erteilt (vgl. Nr. I.1).
Die Erlaubnis nach Art. 42, 43 BayWG 1907 stellt ein Recht im Sinne des Bayerischen Wassergesetzes vom 23. März 1907 (BayBS II, 471) dar, das unmittelbar durch § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG von der Erlaubnis- und Bewilligungspflicht freigestellt ist (vgl. Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Juli 2021, Art. 75 BayWG Rn. 21; Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, BayWG, Stand Februar 2019, Art. 75 Rn. 59; Riederer/Sieder, BayWG 1907, 1. Aufl. 1957, Art. 42 Rn. 12; BayVGH, U.v. 5.7.2005 – 8 B 04.356 – NuR 2006, 177 = juris Rn. 47). Abgesehen davon handelt es sich auch um eine Gewässerbenutzung, die aufgrund eines förmlichen Verfahrens nach Art. 42, 43 BayWG 1907 zugelassen worden ist (vgl. Art. 75 Abs. 2 BayWG).
b) Mit dem Beschwerdebescheid der Regierung von Schwaben vom 16. Dezember 1959 wurde der Antragstellerin aber kein Recht zur Gewässerbenutzung im Schwellbetrieb an der Stau- und Kraftwerksanlage in E … im angekündigten Ausmaß (Absenkung bis 1,0 m) erteilt. Der Regelung in A § 7 Abs. 4 des Beschwerdebescheids lässt sich entgegen ihrer Auffassung (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 15.7.2021 S. 2 und Schriftsatz an das Verwaltungsgericht vom 21.12.2020 S. 7 ff.) nicht entnehmen, dass ihr der Schwellbetrieb ohne festgelegtes Absenkziel erlaubt worden wäre.
Der Inhalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln zu ermitteln. Die Auslegung richtet sich nach dem erklärten Willen der erlassenden Behörde, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (stRspr, vgl. nur BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – BVerwGE 162, 382 = juris Rn. 25). Bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswerts ist in erster Linie auf den Entscheidungssatz und die Begründung des Verwaltungsakts abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 26.7.2006 – 6 C 20.05 – BVerwGE 126, 254 = juris Rn. 78). Von Bedeutung für die Auslegung sind aber auch die bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Begleitumstände, insbesondere die einer Bewilligung vorausgehenden Anträge und die ihr zugrundeliegenden Rechtsnormen (vgl. BVerwG, U.v. 24.7.2014 – 3 C 23.13 – NVwZ-RR 2015, 21 = juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 31.8.2020 – 8 ZB 20.801 – juris Rn. 11; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 62).
c) Gemessen an diesen Maßstäben ist nicht zu erkennen, dass der Antragstellerin der Schwellbetrieb in dem angekündigten Umfang erlaubt worden wäre. Die „Erlaubnisbedingungen“ in Abschnitt A § 7 (Nutzungsbefugnis) Ziff. IV legen das Stauziel auf Höhe 425,03 m ü.NN fest (Satz 1). Zur Ermöglichung eines Schwellbetriebs in der Kraftwerkstreppe zwischen E … und F … sind Absenkungen des Stauzieles der Kraftstufe E … im Rahmen einer Betriebsvorschrift zulässig (Satz 2). Das Absenkziel wird durch gesonderten Bescheid der Verwaltungsbehörde festgesetzt (Satz 3).
aa) Damit hat es sich die Erlassbehörde ausdrücklich vorbehalten, über das Maß der Benutzung (Absenkziel) erst später zu entscheiden. Das ist rechtlich als Entscheidungsvorbehalt zu werten (vgl. nach heutiger Rechtslage etwa auch Art. 36 Abs. 2 Nr. 5 oder Art. 74 Abs. 3 BayVwVfG). Die Wasserbehörden wollten bei objektiver Betrachtung nur über die grundsätzliche Zulässigkeit eines Schwellbetriebs entscheiden, die Genehmigung der Gewässerbenutzung jedoch einer gesonderten Prüfung und späteren Entscheidung vorbehalten (vgl. auch BVerwG, U.v. 26.10.2006 – 10 C 12.05 – Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 83 = juris Rn. 22; U.v. 29.3.1966 – 1 C 19.65 – BVerwGE 24, 23 = juris Rn. 24). Dies hat zur Folge, dass Inhalt und Umfang des Schwellbetriebs noch nicht behördlich festgelegt und damit ungewiss waren (vgl. auch OVG MV, B.v. 13.2.2006 – 3 M 116/05 – NordÖR 2006, 358 = juris Rn. 16). Da die von der Erlaubnis- und Bewilligungspflicht freigestellten alten Rechte nur mit ihrem bisherigen Inhalt und Umfang fortbestehen (vgl. Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Juli 2021, § 20 WHG Rn. 32), kann sich die Antragstellerin auf kein Altrecht im angekündigten Umfang (Absenkziel an der Staustufe E … von max. 1,0 m) berufen.
Die zugrundeliegenden Vorschriften des Art. 42, 43 BayWG 1907, nach denen die Entstehung, der Inhalt und Umfang eines alten Rechts zu beurteilen ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.11.1973 – 4 C.24.71 – DÖV 1974, 568 = juris Rn. 11; Berendes in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 20 Rn. 22), sahen – wie heute auch § 10 Abs. 1 WHG – vor, dass Art und Ausmaß der Benutzung in der Erlaubnis festzulegen sind (vgl. Art. 43 Abs. 1 Satz 2 BayWG 1907; vgl. hierzu auch Riederer/Sieder, BayWG 1907, 1. Aufl. 1957, Art. 43 Rn. 48 ff.). Bei der hier vorbehaltenen Festsetzung des Absenkziels handelt es sich nach der verwaltungsverfahrensrechtlichen Dogmatik um eine Bestimmung von Inhalt bzw. Maß der Gewässernutzung (vgl. heute § 9 Abs. 1 Nr. 2 WHG). Erst durch die Festsetzung des Absenkziels wurde die Gewässerbenutzung so konkretisiert, dass deren Folgen vorhersehbar wurden (vgl. auch Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2021, § 10 WHG Rn. 6). Bis dahin enthielt die Regelung der Nutzungsbefugnis zum Schwellbetrieb nicht alle Angaben, die wegen möglicher Folgen der Benutzung auf die im Erlaubnisverfahren zu prüfenden Belange von Bedeutung waren (vgl. unten Rn. 36; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 10 Rn. 8; Riederer/Sieder, BayWG 1907, Art. 43 Rn. 53).
bb) Der Senat versteht A § 7 Ziff. IV Satz 2 und 3 des Beschwerdebescheids auch nicht als (unbeschränkte) Zulassung eines Schwellbetriebs, verbunden mit dem Vorbehalt, ein Absenkziel nachträglich durch Auflage zu ergänzen (vgl. dazu auch § 5 WHG 1960). Ein Auflagenvorbehalt kommt insbesondere in Betracht, wenn im Erlasszeitpunkt bestimmte Auswirkungen der Benutzung noch nicht abschließend beurteilt werden können oder wenn sich die Behörde Reaktionsmöglichkeiten auf spätere Veränderungen offenhalten will (vgl. Weiß in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 36 Rn. 41). Durch den Vorbehalt weiterer Auflagen kann eine Beschleunigung des Erlaubnisverfahrens bewirkt werden. Allerdings enthebt die Möglichkeit des Auflagenvorbehalts die Erlaubnisbehörde nicht ihrer Pflicht, sich über nachteilige Wirkungen der Benutzung schon im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren soweit wie möglich Klarheit zu verschaffen (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2010 – 22 B 09.1949 – ZfW 2011, 146 = juris Rn. 31 zu § 8 Abs. 3, 4 WHG i.d.F.v. 19.8.2002). Die Behörde darf deshalb nicht vorzeitig zum Instrument eines Auflagenvorbehalts greifen. Sie hat vielmehr im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Amtsermittlung (vgl. hierzu auch Riederer/Sieder, BayWG 1907, Art. 43 Rn. 53; nunmehr Art. 24 BayVwVfG) nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, ob sie die Sachaufklärung weiterführt oder von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich nachträgliche Auflagen vorzubehalten (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2010, a.a.O.; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 13 Rn. 94).
Im Zeitpunkt des Erlasses des Beschwerdebescheids vom 16. Dezember 1959 waren die Auswirkungen des Schwellbetriebs an der Staustufe E … auf die in Art. 43 Abs. 2 BayWG 1907 angeführten Interessen, insbesondere die Fischerei, in Ermangelung eines konkreten Absenkmaßes nicht absehbar. Die befürchteten nachteiligen Wirkungen der Absenkung auf die Fischerei wurde mit Betroffenen und Fachstellen in der Folgezeit – im Rahmen der nachgelagerten Verfahren zur wasserrechtlichen Gestattung des Schwellbetriebs – eingehend und langwierig (bis zur Erteilung der Bewilligung vom 27.9.1976) erörtert und geprüft. Vor der Festlegung des Absenkziels hatten die Betroffenen keine Möglichkeit, begründete Einwendungen zu erheben (vgl. Niederschrift vgl. Niederschrift vom 21.8.1968 über die Verhandlungstagfahrt am 9.7.1968 S. 5, VG-Akte, Anlagenkonvolut Landratsamt, Anlage 12). Bei dieser Sachlage kann bei objektiver Würdigung nicht angenommen werden, dass der Schwellbetrieb schon mit Erlass des Beschwerdebescheids vom 16. Dezember 1959 erlaubt werden sollte.
Dieses Ergebnis wird auch vom Wortlaut des A § 7 Ziff. IV Satz 3 des Beschwerdebescheids gestützt; die Behörde behält sich darin nicht vor, das Ausmaß der Absenkung ggf. nachträglich zu begrenzen, sondern stellt unmissverständlich klar, dass das Absenkziel durch gesonderten Bescheid der Verwaltungsbehörde festgesetzt wird.
cc) Dem Senat erschließt sich auch nicht, inwiefern das Absenkziel für den Schwellbetrieb an der Staustufe E … indirekt festgelegt worden sein sollte, indem die Absenkung an der Stau- und Kraftwerksanlage in F … – zeitlich danach – auf 1,5 m begrenzt wurde (vgl. A § 7 Ziff. II des Beschlusses des LRA Neuburg a.d. Donau vom 25.2.1960). Die entsprechende Behauptung des Gutachters der Antragstellerin (vgl. Kurzgutachten vom 5.7.2020 S. 6 f.) ist nicht hinreichend belegt. Auch wenn sich die Staustufen in der Kraftwerkskette wechselseitig bedingen, ist nicht zu erkennen, inwiefern sich aus dem Absenkziel in F … ein solches in E … bestimmen lassen sollte. Aber selbst wenn ein solcher Rückschluss mit technischer Sachkunde möglich wäre, konnte dies von den Betroffenen nicht verlangt werden (vgl. oben Rn. 36).
dd) Soweit die Antragstellerin die Auslegung des A § 7 Ziff. IV des Beschwerdebescheids maßgeblich darauf stützen will, dass mit der Neufassung ihrer damaligen Beschwerde gegen den Beschluss des Landratsamts Neuburg a.d. Donau vom 20. Juni 1956 abgeholfen wurde, kann sie nicht durchdringen. Richtig ist, dass die Regelung des Nutzungsumfangs im Beschwerdeverfahren geändert wurde. Die frühere Fassung im Beschluss des Landratsamts Neuburg a.d. Donau vom 20. Juni 1956 hatte die Zulassung eines Schwellbetriebs in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellt (vgl. dort A § 11 Ziff. IV Satz 2: „Zur Ermöglichung eines Schwellbetriebes in der Kraftwerkstreppe zwischen E … und F … können Absenkungen des Stauzieles der Kraftstufe E … mit besonderer Genehmigung der Verwaltungsbehörde zugelassen werden“.). Die Antragstellerin hatte den Vorbehalt einer besonderen Genehmigung außerhalb des Bescheids und neben einer Betriebsvorschrift als „praktisch nicht veranlasst und auch rechtlich nicht zulässig“ erachtet (vgl. Beschwerdebescheid [BB] vom 16.12.1959 S. 43). Die bestandskräftig gewordene Neufassung wurde schließlich bei einer Besprechung in der Obersten Baubehörde des Staatsministeriums des Innern, an der auch Vertreter der Antragstellerin teilgenommen haben, erarbeitet. Die Änderungen in A § 7 Ziff. IV Satz 2 und 3 (Nutzungsbefugnis) werden in der Begründung des Beschwerdebescheids nicht näher erläutert. Allgemein findet sich dort aber der Hinweis, dass die Neufassung der Erlaubnisbedingungen in einer ganzen Reihe von Punkten nicht den Anträgen der Antragstellerin entspreche, die Neufassung aber durch Art. 42, 43 BayWG 1907 gedeckt sei und der Konzessionsvertrag zwischen dem Reich, Bayern, Baden und der R. D. AG vom 30. Dezember 1921 dem nicht entgegenstehe, weil dieser in Ziffer II 4 die erforderlichen wasserpolizeilichen Verfahren ausdrücklich vorbehalte (vgl. BB vom 16.12.1959 S. 50). Insgesamt lässt sich deshalb nicht feststellen, dass mit A § 7 Ziff. IV des Beschwerdebescheids dem Anliegen der Antragstellerin vollständig abgeholfen werden sollte. Noch viel weniger ist dies der endgültigen Fassung aus objektiver Empfängersicht zu entnehmen.
ee) Im Übrigen ging auch die Antragstellerin nach Erlass des Beschwerdebescheids vom 16. Dezember 1959 nicht davon aus, ohne weiteren behördlichen Bescheid zur Durchführung des Schwellbetriebs an der Staustufe E … befugt zu sein. In ihrem Schreiben vom 14. August 1962 (vgl. VG-Akte, Anlagenkonvolut Landratsamt, Anlage 9) an das Landratsamt Neuburg a.d. Donau beantragte sie vor Aufnahme des Schwellbetriebs eine entsprechende Festsetzung. Auch der Inhalt ihres späteren Schreibens vom 2. März 1972 an das Landratsamt Neuburg a.d. Donau deutet darauf hin, dass sie davon ausgegangen ist, zur Durchführung des Schwellbetriebs an der Staustufe E … eine gesonderte wasserrechtliche Bewilligung zu benötigen (vgl. VG-Akte, Anlagenkonvolut Landratsamt, Anlage 13).
2. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob die angegriffene Untersagungsanordnung auch im Einzelfall notwendig ist, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG).
Soweit das Verwaltungsgericht darauf abgestellt hat, dass die Antragstellerin das Landratsamt durch ihre kurzfristige Ankündigung des Schwellbetriebs vor vollendete Tatsachen gestellt hat, ohne dass die Prüfung der Zulässigkeit des Schwellbetriebs zeitlich noch möglich gewesen sei (vgl. BA Rn. 39), verkennt es den maßgeblichen Zeitpunkt bei der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit einer auf § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG, Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG gestützten Untersagungsverfügung. Bei einer solchen Untersagungsanordnung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, da sie sich nicht in einem einmaligen Verbot oder einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage in der Vergangenheit erschöpft, sondern sich das Verbot fortlaufend verlängert und aktualisiert. Ist aber ein behördlich verfügtes Verbot auf Fortwirkung und Dauer angelegt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit regelmäßig – soweit sich aus dem materiellen Recht nichts anderes ergibt – auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – NJW 2021, 1970 = juris Rn. 11; U.v. 7.11.2018 – 7 C 18.18 – DVBl 2019, 905 = juris Rn. 15). Dies gilt auch für die Untersagung einer Gewässerbenutzung aufgrund § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2018 – 8 ZB 17.1271 – juris Rn. 11; OVG SH, U.v. 23.6.2011 – 4 LB 2/10 – juris Rn. 30).
3. Die Beseitigungsanordnung erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig.
Für das wasserwirtschaftliche Einschreiten ist es grundsätzlich unerheblich, ob das der Wasserwirtschaftsordnung zuwiderlaufende Verhalten formell oder materiell illegal ist; eine Trennung zwischen formeller und materieller Illegalität ist im Wasserrecht – im Gegensatz zum öffentlichen Baurecht – mangels Rechts auf Gewässerbenutzung nicht vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2012 – 8 ZB 10.2343 – juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 14.5.2018 – 20 B 117/18 – UPR 2018, 397 = juris Rn. 11). Allerdings kann sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einzelfall ergeben, dass eine auf die bloße formelle Illegalität der Gewässerbenutzung gestützte Anordnung ausnahmsweise nur dann rechtmäßig ist, wenn eine Beeinträchtigung des Wasserhaushalts konkret zu erwarten ist und die Behörde zuvor die Möglichkeit der Gewässerbenutzung geprüft und verneint hat (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2017 – 8 ZB 15.2642 – juris Rn. 20; B.v. 19.3.2012 – 8 ZB 10.2343 – juris Rn. 14). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor; die Untersagungsanordnung war vielmehr notwendig, um eine vorherige behördliche Kontrolle der mit dem Schwellbetrieb einhergehenden gestattungspflichtigen Gewässerbenutzung sicherzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 8 CS 18.2411 – NuR 2019, 787 = juris Rn. 12, 27). Die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens der Antragstellerin kann auch deshalb nicht überprüft werden, weil sie ihren Antrag auf Neuerteilung der Erlaubnis gemäß § 10 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BayWG zurückgenommen hat und den vom Landratsamt A … am 9. Juli 2020 anberaumte „Scoping-Termin“ zur Festlegung des Untersuchungsrahmens des UVP-Berichts abgesagt hat (vgl. Schreiben vom 25.9.2020, Behördenakte Ordner 8 S. 2014 f.)
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
D. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs. Sie folgt der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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