Verwaltungsrecht

Beschwerde, Leistungen, Dienstvergehen, Bescheid, Beurteilung, Antragsteller, Akteneinsicht, Unterlassung, Dienststellenleiter, Befangenheit, Ermessen, Bundeswehr, Verfahren, Rechtsbeschwerde, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, gerichtliche Entscheidung, weitere Beschwerde

Aktenzeichen  S 2 BLa 6/20

Datum:
25.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44313
Gerichtsart:
Truppendienstgericht Süd
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 5. August 2020 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der 1962 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, seine Dienstzeit endet planmäßig mit Ablauf des … März 2024. Er ist Wissenschaftsoffizier im Institut für XX der Bundeswehr (InstXXBw) in M., jedoch seit … Mai 2021 vorläufig des Dienstes enthoben.
Mit an die Kommandeurin Sanitätsakademie der Bundeswehr (Kdr’in XYAkBw) gerichtetem Schreiben vom 5. August 2019, das dort am selben Tag einging, erhob der Antragsteller Beschwerde gegen Oberstarzt Prof. Dr. T, Leiter (Ltr) des InstXXBw und nächster Disziplinarvorgesetzter, „wegen befohlener unrechtmäßiger Beurteilungszuständigkeit und unberechtigtem Zugriff von OTA Prof. Dr. W auf meine [seine] Sicherheitsakte“.
Dazu führte er zum ersten Beschwerdepunkt insbesondere aus:
Er habe Oberstarzt Prof. Dr. T am 2. August 2019 schriftlich mitgeteilt, dass er vom Dienstposteninhaber der Teileinheit 40 beurteilt worden sei und werde. Dies sei ihm als Dienststellenleiter seit Jahren gut bekannt. Entsprechender Dienstposteninhaber sei lange Prof. Dr. W gewesen, mittlerweile Oberfeldarzt (OFArzt) Privatdozent Dr. Wi. Seine Beurteilung sei daher durch diesen zu erstellen. Trotz besseren Wissens habe Oberstarzt Prof. Dr. T ihm befohlen, die Beurteilung (wohl gemeint: Beurteilungszuständigkeit) von Oberstarzt Prof. Dr. W zu akzeptieren. Andernfalls hätte er ihn als „nicht adäquat“ bezeichnet. Dieses Verhalten betrachte er als Dienstvergehen. Er fühle sich durch ihn zur Akzeptanz der als unrechtmäßig angesehenen Vorgehensweise genötigt. Ihm sei bereits am 9. Juli 2019 vom Leiter der S1-Abteilung der XYAkBw mitgeteilt worden, dass die Beurteilungszuständigkeit an den Dienstposteninhaber gekoppelt sei und nicht an Personen.
In Bezug auf den anderen Beschwerdepunkt äußerte der Antragsteller im Kern, dass Oberstarzt Prof. Dr. W ohne Berechtigung – auch in seiner Funktion als stellvertretender Dienststellenleiter – Zugriff auf seine Sicherheitsakte habe. Personal- und Sicherheitsakte müssten streng getrennt voneinander geführt werden.
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2019, dem Antragsteller ausgehändigt am 31. Oktober 2019, wies die Kdr’in XYAkBw, Generalstabsarzt Dr. K, die Beschwerde als unbegründet zurück.
Hinsichtlich der Beurteilungszuständigkeit führte sie aus, dass jene bei Oberstarzt Prof. Dr. W liege. Dies deshalb, weil der Antragsteller auf dem Dienstposten Sanitätsstabsoffizier Apotheker eingesetzte sei und der Teileinheit (TE) angehöre. Gemäß Befehl des Ltr InstXXBw vom 21. Februar 2008, der durch
„BMVg“ gebilligt sei, erfolge eine Beurteilung von Offizieren dieser TE durch den den TE-Führer 010. Letzterer sei Oberstarzt Prof. Dr. W. Ungeachtet dessen, erbringe der Antragsteller seit vielen Jahren seine Leistungen unter der Leitung dieses Oberstarztes. Das wurde näher ausgeführt.
Ein Dienstvergehen seitens Oberstarzt Prof. Dr. T habe sie nicht feststellen können. Bezüglich des anderen Beschwerdepunktes führte sie im Kern aus, dass Oberstarzt Prof. Dr. W selbst in seiner Vertreterfunktion als Ltr InstXXBw zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf die Sicherheitsakte des Antragstellers gehabt habe. Hierzu hätte er den versiegelten Umschlag („VS-Vertraulich“), in dem sich jene in einem Verwahrgelass befinde, öffnen müssen, was nachweisbar nicht erfolgt sei. Die alleinige Verantwortung für die Sicherheitsakte liege beim Dienststellenleiter – im Vertretungsfall bei seinem Vertreter -, der sich zur Unterstützung eines Sicherheitsbeauftragten bedienen könne.
Mit Schreiben vom 6. November 2019, das an den Inspekteur (Insp) gerichtet war und dort am 11. November 2019 einging, erhob der Antragsteller weitere Beschwerde. Eine Begründung kündigte er nach einer Akteneinsicht an; sie erfolgte, soweit aus der Beschwerdeakte erkennbar, nicht mehr.
Der Insp beschied die weitere Beschwerde nicht.
Mit an das Gericht gerichtetem Schreiben vom 5. August 2020, dort eingegangen am 11. August 2020, stellte der Antragsteller einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er wiederholte weitgehend seinen Sachvortrag aus seiner Erstbeschwerde.
Hinsichtlich des ersten Beschwerde-/Antragsgegenstandes führte er zusätzlich an, dass Oberstarzt Prof. Dr. W im Beurteilungszeitraum seine Funktionen als Führer der TE an OFArzt Dr. Wi übergeben habe. Da sein Aufgabengebiet seit Oktober 2015 in der TE liege, solle OFArzt Dr. Wi für seine Beurteilung zuständig sein.
Bezüglich des zweiten Beschwerde-/Antragsgegenstandes ergänzte er, dass es vorschriftswidrig sei, dass sich seine Sicherheitsakte bei Oberstarzt Prof. Dr. W befinde. Letzerer sei kein Sicherheitsbeauftragter und habe bereits Zugriff auf seine Personaldaten. Allein jener, mit dem ein jahrelanger großer Konflikt bestehe, habe – wie er durch den Beschwerdebescheid erfahren habe – Zugriff auf seine in einem Verwahrgelass befindliche Sicherheitsakte. Es gebe keine Kontrolle über das Öffnen und erneute Versiegeln seiner Akte. Es sei nicht zulässig, diesem Oberstarzt seine sensiblen Daten anzuvertrauen, zumal jener kein Sicherheitsbeauftragter sei. Die Sicherheitsakte habe vielmehr beim Sicherheitsbeauftragten aufbewahrt zu werden.
Auf Fragen des Vorsitzenden der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung antwortete Oberstarzt Prof. Dr. T mit E-Mail vom 15. April 2021, der Antragsteller mit Schreiben vom 6. Juni 2021, Oberstarzt Prof. Dr. W mit E-Mail vom 26. Juli 2021, der S1-Offizier der XYAkBw (Oberstleutnant R) mit EMail vom 26. Juli 2021 und der S2-Feldwebel der XYAkBw (Oberfeldwebel Wo) mit EMail vom 26. Juli 2021.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrens- und Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts ist hinsichtlich des ersten Antragsgegenstandes (Beurteilungszuständigkeit) unzulässig, bezüglich des anderen (Zugriff auf Sicherheitsakte des Antragstellers durch einen vermeintlich Unbefugten) zulässig, aber unbegründet.
1. Was die Zuständigkeit für die Erstellung der in Rede stehenden planmäßigen Beurteilung zum 30. September 2019 betrifft, folgt die Unzulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung bereits aus dessen fehlender Statthaftigkeit.
Die Frage der Zuständigkeit für die Erstellung einer Beurteilung kann nicht gesondert in einem Beschwerde-/Antragsverfahren zum Gegenstand gemacht werden, sondern wird inzident in einem solchen Verfahren gegen die Beurteilung selbst überprüft. Dies verhält sich ebenso wie beim Vorwurf der Befangenheit eines Beurteilers, der auch nur zusammen mit einer Beschwerde gegen die Beurteilung selbst geltend gemacht werden kann. In beiden Fällen liegt keine Maßnahme i.S.d. § 17 Abs. 3 der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) vor.
Der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt dabei nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Beschluss vom 14. Dezember 2017 – 1 WB 10.17 – Rn. 19) eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr voraus, die im Verhältnis der Über- und Unterordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt. Bloße Vorbereitungshandlungen oder Vorfragen – wie hier bezüglich der Beurteilungszuständigkeit – fallen nicht darunter. Der Antragsteller könnte den Gesichtspunkt der vermeintlich nicht zutreffenden Beurteilungszuständigkeit im Rahmen einer Beschwerde gegen die – hier noch nicht erfolgte – Beurteilung selbst geltend machen.
Ebenso unstatthaft wäre es, wenn der Antragsteller mit seinem Vortrag vorrangig ein mögliches Fehlverhalten des Ltr InstXXBw, Oberstarzt Prof. Dr. T, gerichtlich feststellen lassen wollte (vgl. seine Bemerkung in der Erstbeschwerde, dass jener Oberstarzt ein Dienstvergehen begangen habe). Denn dabei handelte es sich -selbst wenn es um ein Vorgesetztenverhalten geht – um eine Kameradenbeschwerde, die auf der Ebene der weiteren Beschwerde endet. Eine derartige Beschwerdeart enthält keinen Maßnahmecharakter. Vielmehr steht eine disziplinare Überprüfung im Rahmen eines einfachen oder gerichtlichen Disziplinarverfahrens im Vordergrund, da es sich bei einer Kameradenbeschwerde um die Anzeige eines Dienstvergehens handelt. Die Beschwerdestelle knüpft nach Konzeption der WBO lediglich an das Ergebnis des vorgenannten Verfahrens an und unterrichtet den Beschwerdeführer darüber, ob eine Disziplinarmaßnahme verhängt oder davon abgesehen wurde (vgl. § 13 Abs. 2 WBO, gegebenenfalls i.V.m. § 16 Abs. 4 WBO)..
2. Was den anderen Antragsgegenstand betrifft, ist von einer Zulässigkeit des anhängigen Rechtsbehelfs in Form eines Untätigkeitsantrags i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO auszugehen, auch wenn nach Auslegung der insoweit maßgeblichen Erstbeschwerde allein Oberstarzt Prof. Dr. T als sog. Betroffener (§ 4 Abs. 3 WBO) angegeben wurde. Diese Einschränkung ergibt sich aus der eindeutigen Überschrift in Fettdruck und dem Inhalt des Eingangssatzes der Erstbeschwerde, aus denen für einen objektiven Dritten nur jener Oberstarzt rechtlicher „Anknüpfungspunkt“ sein soll.
Als Ltr InstXXBw ist Oberstarzt Prof. Dr. T alleiniger Verantwortlicher für die korrekte Aufbewahrung der Sicherheitsakte des Antragstellers und zudem nächster Disziplinarvorgesetzter des Oberstarztes Prof. Dr. W, der nach Bewertung des Antragstellers unberechtigten Zugriff auf die Sicherheitsakte des Antragstellers habe. Insoweit könnte eine Maßnahme i.S.d. § 17 Abs. 3 WBO in Form einer Unterlassung (Duldung einer vermeintlich unzulässigen Zugriffsmöglichkeit auf die Sicherheitsakte des Antragstellers durch Oberstarzt Prof. Dr. W) vorliegen.
Bezüglich dieses Teil des anhängigen Rechtsbehelfs ist von einer Unbegründetheit auszugehen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Oberstarzt Prof. Dr. T als Ltr InstXXBw seinen Verpflichtungen als Verantwortlicher i.S.d. Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1130/3 („Militärische Sicherheit/Personeller Geheim- und Sabotageschutz“) Nr. 2801 f. nicht nachgekommen ist. Danach sind (unter anderem) Sicherheitsakten so aufzubewahren, dass sich Unbefugte keinen Zugang verschaffen können (Nr. 2801 Satz 1). Dem wurde dadurch Rechnung getragen, dass die Sicherheitsakte des Antragstellers in einem Verwahrgelass mit einem Siegel versehen gelagert wurde.
Da Oberstarzt Prof. Dr. W als stellvertretender Ltr InstXXBw in einem Vertretungsfall die Leiterfunktion innehat, erlangt er dadurch auch die Verantwortlichkeit für die Sicherheitsakte eines unterstellten Soldaten. In dieser Funktion hat er zulässigerweise Zugriff auch auf die Sicherheitsakte des Antragstellers. Ob der Ltr InstXXBw angesichts von Spannungen zwischen seinem Stellvertreter und dem Antragsteller – die übrigens nach Aussage des Antragstellers auch zum Ltr InstXXBw selbst bestehen – für den Fall einer Vertretung eine Zugriffsmöglichkeit auf die in Rede stehenden Sicherheitsakte ausschließen und sich allein vorbehalten sollte – außer der Zugriffsberechtigung der fachlich vorgesetzten Stelle in der XYAkBw -, obliegt mangels Festlegung in der einschlägigen ZDv seinem Ermessen.
Unabhängig von der geschilderten Rechtslage scheinen die Bedenken des Antragstellers, dass Oberstarzt Prof. Dr. W tatsächlich auf dessen Sicherheitsakte zugegriffen haben könnte, unbegründet. Die Truppendienstkammer schenkt den Erklärungen sowohl des Ltr InstXXBw als auch seines Stellvertreters Glauben, wonach Letzterer bisher nicht die Sicherheitsakte des Antragstellers einsah. Gleiches berichtete der S2- Offizier der XYAkBw als Fachvorgesetzter.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war daher aus den vorgenannten unterschiedlichen Erwägungen zurückzuweisen.
III.
Die Kammer hat dem Antragsteller keine Kosten des Verfahrens auferlegt, da nach ihrer Ansicht die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorlagen.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 22a Abs. 2 WBO gegeben ist.


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