Verwaltungsrecht

Beschwerde, Staatsanwaltschaft, Anordnungsanspruch, Streitwertfestsetzung, Anordnungsgrund, Ablehnung, Offenbarung, Grundschule, Einschreiten, Frist, Anordnung, Hochschule, Verwaltungsgerichtshof, Anspruch, einstweilige Anordnung, einstweiligen Rechtsschutz, ermessensfehlerfreie Entscheidung

Aktenzeichen  AN 15 E 19.01707

Datum:
3.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41162
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, vertreten durch ihre Mutter …, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung eine Entscheidung des Antragsgegners über geeignete Maßnahmen nach dem Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz.
Mit Schreiben vom 16. August 2019 stellte die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Ziffer 1 dieses Antrags richtete die Antragstellerin gegen das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Dabei beantragte die Antragstellerin den Antragsgegner zu verpflichten, unverzüglich eine Grundschule zu bestimmen, an der die Antragstellerin am 10. September 2019 eingeschult und fortwährend beschult wird. Die 2. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach lehnte diesen Antrag unter dem Aktenzeichen AN 2 E 19.01589 mit Beschluss vom 9. September 2019 als unzulässig ab und trennte die Ziffer 2 des Antrags ab. Die Ziffer 2 des Antrags, die gegen die Staatsanwaltschaft … gerichtet ist, wird unter dem Aktenzeichen AN 2 E 19.01707 fortgeführt. Die Antragstellerin beantragte insoweit, geeignete Maßnahmen nach dem Zeugenschutz -Harmonisierungsgesetz, die den Zugang zum Schulunterricht ab dem 10. September 2019 ermöglichen, zu verbescheiden.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, die Antragstellerin werde seit drei Jahren von einem geisteskranken Kinderschänder mit Mord bedroht.
Das Polizeipräsidium M. beantragte mit Schreiben vom 1. Oktober 2019 die Ablehnung des Antrags.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Im Übrigen wird auf das Schreiben des Polizeipräsidiums … vom 1. Oktober 2019 Bezug genommen.
Bereits mit Schreiben vom 18. September 2019 beantragte die Staatsanwaltschaft … die Ablehnung des Antrags.
Der Antrag sei mangels ausreichender Identifizierung der Antragstellerin bereits unzulässig. Auch sei die Staatsanwaltschaft … keine Zeugenschutzstelle im Sinne des § 2 Abs. 1 ZSHG.
Durch die 2. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach wurde die Antragstellerin mit Schreiben vom 28. August 2019 aufgefordert, ihre ladungsfähige Anschrift anzugeben. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin nicht nach. Das Gericht berichtigte den Antragsgegnervertreter dahingehend, dass der Freistaat Bayern durch das Polizeipräsidium …vertreten wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist bereits unzulässig, da die Antragstellerin eine ladungsfähige Anschrift nicht angegeben hat. Die 2. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach hat in ihrer Entscheidung vom 9. September 2019 insoweit ausgeführt:
„Der Antrag ist jedoch zumindest deswegen unzulässig, weil es an der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift der Antragstellerin fehlt.
Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO sowie gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO obliegt es dem Antragsteller als Zulässigkeitsvoraussetzung seines Antrags insbesondere, seine ladungsfähige Anschrift anzugeben (Aulehner in Sodann/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 82 Rn. 8, 10; Brink/Peters in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 50. Edition Stand 1.7.2019, § 82 Rn. 3). Ladungsfähige Anschrift ist diejenige, unter welcher der Antragsteller tatsächlich zu erreichen ist. Bei einer natürlichen Person ist dies in der Regel die Wohnungsanschrift (Aulehner a.a.O.). Gemeint ist hierbei der tatsächliche Wohnort des Antragstellers (BVerwG, U.v. 13.4.1999 – 1 C 24/97 – juris Rn. 30 m.w.N.; BayVGH, B.v. 9.11.2007 – 24 B 06.2067 – BeckRS 2007, 30740). Die Angabe eines Postfachs reicht nicht aus, auch wenn hierüber Zustellungen bewirkt werden können (BVerwG a.a.O. Rn. 31). Da die Angabe der (tatsächlichen) Wohnanschrift auch der sinnvollen Unterrichtung des Gerichts über die Erreichbarkeit der Parteien und der Sicherung gerichtlicher Kostenforderungen dient (BVerwG a.a.O. Rn. 37 f.), ist auch die bloße Angabe der Adresse eines Zustellungsbevollmächtigten unzureichend. Kommt ein Antragsteller der gerichtlichen Aufforderung, seine aktuelle Anschrift mitzuteilen, nicht nach, ist sein Antrag grundsätzlich unzulässig (BVerwG a.a.O. Rn. 41 f.). Lediglich ausnahmsweise kann auf diese Angaben verzichtet werden, etwa wenn diese dem Antragsteller unmöglich oder unzumutbar sind (Brink/Peters a.a.O.).
Nach diesen Maßstäben ist der Antrag hier unzulässig. Denn die Vertreterin der Antragstellerin hat trotz entsprechender gerichtlicher Aufforderung ihren tatsächlichen Wohnort nicht mitgeteilt. Auf diese Angaben kann vorliegend auch nicht ausnahmsweise verzichtet werden. Weder ist der derzeitige Aufenthaltsort der Antragstellerin und ihrer Mutter anderweitig bekannt noch bestehen Anhaltspunkte, dass ein solcher Wohnort nicht bestünde. Vielmehr ist nach dem Vortrag der Vertreterin der Antragstellerin, sie sei unbekannten Aufenthalts in …, davon auszugehen, dass die Antragstellerin und ihre Mutter ihren Lebensmittelpunkt an einem bestimmten Wohnort in … besitzen. Genauso wenig sind gegenüber Gericht oder dem Beklagten berechtigte Geheimhaltungsinteressen erkennbar. Vielmehr ist die Kenntnis vom tatsächlichen Wohnort der Antragstellerin in der Sache gerade notwendig, da hiervon abhängt, auf welcher Schule die Antragstellerin einzuschulen sein wird. Soweit die Vertreterin der Antragstellerin geltend macht, der Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts trachte ihrer Tochter und ihr selbst nach dem Leben, sind entsprechende Drohungen derzeit nicht substantiiert dargelegt. Darüber hinaus wäre auch im Fall einer solchen Bedrohungslage die Offenbarung des tatsächlichen Aufenthaltsorts gegenüber Gericht und Beklagtem schon deswegen erforderlich, um – wie ausgeführt – die zuständige Schule bestimmen zu können. Berechtigte Interessen an der Geheimhaltung des Aufenthaltsorts würden zudem durch das Recht der Akteneinsicht geschützt.
Nach alledem war der Antrag unzulässig und abzulehnen. Ob daneben weitere Unzulässigkeitsgründe bestehen, kann dahinstehen.“
Das erkennende Gericht schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen in vollem Umfang an.
Darüber hinaus ist der Antrag auch unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der streitige Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund für die Anordnung (Anordnungsgrund) müssen glaubhaft gemacht sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Vorliegend hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Soweit die Antragstellerin ihren Anspruch auf § 1 Zeugenschutz-Harmonierungsgesetz stützt, hat sie schon nicht glaubhaft gemacht, dass es sich bei ihr um eine Person handelt, ohne deren Angaben in einem Strafverfahren die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Somit ist nichts dafür erkennbar, dass der Anwendungsbereich des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes eröffnet ist.
Auch die Voraussetzungen eines Anspruchs auf ein polizeirechtliches Einschreiten hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
Grundsätzlich besteht insoweit für den Einzelnen nur ein subjektiv-öffentliches Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Dies steht allen in einem konkreten Fall in ihren Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich geschützten Interessen Gefährdeten zu. Der Antragsgegner hat vorliegend eine ermessenfehlerfreie Entscheidung in Bezug auf die Gewährung von Polizeischutz für die Antragstellerin getroffen, indem in der Antragserwiderung vom 1. Oktober 2019 dargelegt wurde, dass bezüglich der angeblichen Morddrohungen keinerlei Details genannt wurden, welche das Vorliegen einer Gefahr, die Voraussetzung für ein polizeiliches Tätigwerden ist, wahrscheinlich machen. Daraus wird deutlich, dass der Antragsgegner den Sachverhalt geprüft hat und unter Zugrundelegung der vorhandenen Informationen in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen ist, dass bereits in tatbestandlicher Hinsicht die Voraussetzungen für ein polizeiliches Tätigwerden nicht vorliegen. Auch die hilfsweise durch den Antragsgegner angestellten Ermessenserwägungen halten in Anwendung des § 114 Satz 1 VwGO, wonach Ermessensentscheidungen durch das Gericht nur im Hinblick auf das Vorliegen von Ermessensfehlern zur überprüfen sind, einer gerichtlichen Überprüfung stand. Die insoweit erfolgte Annahme des Antragsgegners, dass jede Form des Opferschutzes voraussetze, dass der zuständigen Polizeibehörde sowohl die zu schützende Person als auch Informationen hinsichtlich des Störers und der Gefährdung zugänglich gemacht würden, ist in jeder Hinsicht nachvollziehbar und mithin ermessensfehlerfrei. Zudem hat der Antragsgegner bei seiner Ermessensentscheidung und der getroffenen Gefährdungsanalyse zutreffend darauf abgestellt, dass das Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs gegen den Vater der Antragstellerin, Herrn …, nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde.
Auch bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin vor dem Hintergrund einer Ermessenreduktion auf Null über den Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hinaus einen Anspruch auf ein konkretes polizeiliches Einschreiten besitzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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