Verwaltungsrecht

Besetzung eines hälftigen orthopädischen Vertragsarztsitzes

Aktenzeichen  L 12 KA 12/17

Datum:
17.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8476
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
Ärzte-ZV § 18
BPIR-Ä § 26 Abs. 4
SGB V § 103 Abs. 4 S. 10
SGB X § 13

 

Leitsatz

Die Regelung des § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung – GKV – Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSGvom 16.07.2015) ist für das Zulassungsverfahren nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen in einem bisher überversorgten Planungsbereich nicht, auch nicht analog, anwendbar. (Rn. 70)

Verfahrensgang

S 1 KA 4/16 2017-01-25 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 23.6.2016 (Bescheid vom 21.7.2016) ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Das Gericht konnte auch in Abwesenheit der Beigeladenen zu 3.-8. entscheiden, da diese mit Ladung vom 13.11.2017 ordnungsgemäß über den Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.1.2018 informiert worden waren und in den Ladungen ein Hinweis auf die mögliche Verhandlung und Entscheidung auch in Abwesenheit enthalten war.
Für eine Verbindung mit dem Verfahren S 5 KA 17/17 lagen schon die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 SGG nicht vor, da die Verfahren nicht beim gleichen Gericht anhängig sind bzw. waren.
1. Der Widerspruch gegen den Bescheid des ZA vom 26.2.2016 war nicht unzulässig. Herr Dr. S. als Träger des MVZ Medic-Center A. wurde im Antrags- und Widerspruchsverfahren durch Herrn L. wirksam vertreten.
Beteiligtenfähig im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ist nur der MVZ-Träger, nicht aber die rechtlich unselbständige Einrichtung MVZ, die selbst nur eine Kooperationsform und einen vertragsärztlichen Status darstellt (BSG, Urteile vom 19.2.2014, Az. B 6 KA 8/13 R, Rn. 35 und vom 4.5.2016, Az. B 6 KA 21/15 R, Rn. 12 und B 6 KA 28/15 R, Rn. 12; BayLSG, Beschluss vom 26.8.2015, Az. L 12 KA 69/15 B ER, Rn. 15, und Urteil vom 21.10.2015, Az. L 12 KA 65/15, Rn. 24). Das MVZ, welches sich gemäß § 95 Abs. 2 S. 5 SGB V um die Zulassung bewerben kann, wird im Zulassungsverfahren durch seinen Träger vertreten. Auch der Träger seinerseits kann sich – anwaltlich oder anderweitig – vertreten lassen.
Die Vertretung von Herrn Dr. S. durch Herrn L. im Zulassungs- und Widerspruchsverfahren war nach § 13 Abs. 1 S. 1 SGB X zulässig. Die Vorlage einer Vollmacht war nach § 13 Abs. 1 S. 3 SGB X nur auf Anforderung durch den ZA oder den Beklagten notwendig. Eine solche Anforderung erfolgte jedoch nicht, sowohl ZA als auch Beklagter adressierten ihre Schreiben auch ohne Nachweis der Vollmacht an den Vertreter (etwa Ladung zur Sitzung des Beklagten).
Nach dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Nürnberg am 25.1.2017 vorgelegten Anstellungsvertrag zwischen Herrn Dr. S. und Herrn L. bestehen auch keine Zweifel an einer tatsächlich bestehenden Vollmacht. Ein etwaiger Mangel der Vertretungsmacht wäre im Übrigen durch die am 25.1.2017 erteilte Genehmigung sowohl des Zulassungsantrages vom 20.11.2015 als auch des Widerspruchs vom 18.3.2016 geheilt.
2. Der angefochtene Bescheid des Beklagten war nicht wegen Ablehnung der durch den Kläger beantragten Verlegung des Termins am 23.6.2016 rechtswidrig.
Zwar sieht § 45 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV vor, dass Entscheidungen über die Zulassung nach mündlicher Verhandlung des ZA und BA zu treffen und die beteiligten Ärzte zur mündlichen Verhandlung zu laden sind. Für das Verfahren vor dem BA ist allerdings auch nach § 45 Abs. 2 Ärzte-ZV zu berücksichtigen, dass der Widerspruch ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen werden kann, wenn der Berufungsausschuss die Zurückweisung einstimmig beschließt.
Die Beteiligung des den Zulassungsantrag stellenden Arztes an der mündlichen Verhandlung des Berufungsausschusses ist nicht durch Art. 103 Abs. 1 GG (rechtliches Gehör) geboten, der nach seinem Wortlaut nur für Gerichtsverfahren gilt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn an ein kurzfristiges Terminsverlegungsgesuch für die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsausschuss gleich hohe Anforderungen gestellt werden wie in einem Gerichtsverfahren. Der Beklagte hat in seinem Schreiben vom 22.6.2016 zutreffend auf die nach der Rechtsprechung etwa des BFH (10.4.2007, Az. XI B 58/06) bestehenden Anforderungen an einen kurzfristigen Terminsverlegungsantrag hingewiesen, die gleichermaßen auch in der Sozialgerichtsbarkeit gelten (etwa BSG, Beschluss vom 27.5.2014, Az. B 4 AS 459/13 B). Eine diesen Anforderungen entsprechende Begründung des Terminsverlegungsgesuchs wurde durch den Kläger auch nach dem zeitnah erfolgten Hinweis des Beklagten (mit Fax vom 22.6.2016, 11:44 Uhr) nicht nachgereicht.
Überdies hat der Kläger nicht dargelegt, aus welchen Gründen es ihm selbst nicht möglich gewesen ist, am Termin zur mündlichen Verhandlung des Beklagten teilzunehmen. Denn bei dem Bevollmächtigten handelte es sich nicht um einen Rechtsanwalt, sondern um einen Angestellten des Klägers, von dem nicht bekannt ist, dass er über besondere Kenntnisse und Erfahrungen im Zulassungsrecht verfügt und der Kläger zur Wahrung seiner Interessen auf die Vertretung im Termin zur mündlichen Verhandlung angewiesen gewesen wäre.
Darüber hinaus hätte selbst eine Verletzung von § 45 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV gemäß § 40 Abs. 1 SGB X nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheides des Beklagten zur Folge, da offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Ein nicht fristgerecht gestellter vollständiger Antrag hat nach § 26 Abs. 4 Nr. 3 S. 2 BPlR-Ä die Ablehnung des Antrages zu Folge (s. dazu auch unter 3. a)). Dem Beklagten war insoweit kein Ermessen eingeräumt. Die Nichtteilnahme des Klägers oder seines Bevollmächtigten am Termin zur mündlichen Verhandlung des Beklagten kann damit die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst haben.
3. Der Beklagte hat den Widerspruch zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Das MVZ des Klägers hatte nicht fristgerecht einen ordnungsgemäßen Antrag auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung am ausgeschriebenen hälftigen orthopädischen Sitz im Landkreis N. – Bad W. gestellt.
Rechtsgrundlage für Entscheidungen der Zulassungsgremien über Anträge auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in einem bislang überversorgten Planungsbereich sind § 95 Abs. 2 i.V.m. § 103 Abs. 3 SGB V sowie die konkretisierenden Bestimmungen des § 16b Ärzte-ZV und des § 26 BPlR-Ä. Gemäß § 95 Abs. 2 S. 1 SGB V kann sich um die Zulassung als Vertragsarzt jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arztregister nachweist. Gleichermaßen kann sich nach § 95 Abs. 2 S. 5, 7, 8 SGB V ein MVZ um die Zulassung bzw. die Genehmigung der Anstellung eines Arztes bewerben.
a) Das Zulassungsverfahren hat seine Grundlage in § 95 Abs. 2 S. 4 SGB V in Verbindung mit der Ärzte-ZV. Nach § 18 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV ist der Antrag schriftlich zu stellen. Dem Antrag sind nach S. 3 beizufügen:
a) ein Auszug aus dem Arztregister, aus dem der Tag der Approbation, der Tag der Eintragung in das Arztregister und gegebenenfalls der Tag der Anerkennung des Rechts zum Führen einer bestimmten Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung hervorgehen müssen,
b) Bescheinigungen über die seit der Approbation ausgeübten ärztlichen Tätigkeiten,
c) gegebenenfalls eine Erklärung nach § 19a Abs. 2 Satz 1, mit der der aus der Zulassung folgende Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränkt wird.
Ferner sind nach § 18 Abs. 2 Ärzte-ZV beizufügen
1.ein Lebenslauf,
2.ein polizeiliches Führungszeugnis,
3.Bescheinigungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, in deren Bereich der Arzt bisher niedergelassen oder zur Kassenpraxis zugelassen war, aus denen sich Ort und Dauer der bisherigen Niederlassung oder Zulassung und der Grund einer etwaigen Beendigung ergeben,
4.eine Erklärung über im Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse unter Angabe des frühestmöglichen Endes des Beschäftigungsverhältnisses,
5.eine Erklärung des Arztes, ob er drogen- oder alkoholabhängig ist oder innerhalb der letzten fünf Jahre gewesen ist, ob er sich innerhalb der letzten fünf Jahre einer Entziehungskur wegen Drogen- oder Alkoholabhängigkeit unterzogen hat und dass gesetzliche Hinderungsgründe der Ausübung des ärztlichen Berufs nicht entgegenstehen.
Die gleichen Anforderungen gelten für einen Antrag auf Erteilung einer Anstellungsgenehmigung, § 32b Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV.
Diesen Antragserfordernissen ist zu entnehmen, dass auch das MVZ, welches sich um eine Anstellungsgenehmigung in einem Planungsbereich nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen bewirbt, bei der Antragstellung anzugeben hat, welche Ärztin oder welcher Arzt auf der erworbenen Zulassung angestellt werden soll. Ebenso hat es die Unterlagen nach § 18 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV vorzulegen. Denn ohne diese personengebundenen Angaben und Unterlagen zur Person des Bewerbers wäre die nach § 26 Abs. 4 Nr. 3 BPlR-Ä zu treffende Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung insbesondere der Kriterien
– berufliche Eignung,
– Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit,
– Approbationsalter,
– Dauer der Eintragung in die Warteliste gemäß § 103 Absatz 5 Satz 1 SGB V,
Entscheidung nach Versorgungsgesichtspunkten (siehe z.B. Fachgebietsschwerpunkt, Barrierefreiheit, Feststellungen nach § 35).
nicht möglich.
Der am 20.11.2015 gestellte Antrag entsprach nicht den Anforderungen des § 18 Ärzte-ZV, weil er keine Angaben dazu enthielt, welche Ärztin bzw. welcher Arzt im MVZ angestellt werden sollte und auch die erforderlichen Unterlagen nicht beigefügt waren.
Bei der Antragsfrist nach § 26 Abs. 4 Nr. 2 BPlR-Ä handelt es sich um eine Ausschlussfrist, in die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist (BSG, Urteil vom 19.10.2011, Az. B 6 KA 20/11 R, Rn. 25; BayLSG, Urteil vom 11.3.2015, Az. L 12 KA 68/14). Bei Versäumung einer behördlich gesetzten Frist kommt zwar grundsätzlich eine Verlängerung der Frist in Frage. Dies liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Im formalisierten Zulassungsverfahren wird eine Verlängerung der Antragsfrist im Hinblick auf den Gleichbehandlungsanspruch der potentiellen Bewerber einerseits und das Interesse an einer funktionsfähigen vertragsärztlichen Versorgung andererseits regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn außergewöhnliche Umstände vorgetragen oder ersichtlich sind (BSG, a.a.O.). Solche außergewöhnlichen Umstände sind jedoch vom Kläger weder geltend gemacht worden noch sind Anhaltspunkte ersichtlich, dass solche außergewöhnlichen Umstände vorgelegen haben könnten, die den ZA zu einer Verlängerung der Bewerbungsfrist hätten veranlassen müssen.
Eine Vervollständigung des fristgerecht abgegebenen, jedoch unvollständigen Antrags nach Ablauf der Antragsfrist ist nicht vorgesehen. Im Übrigen wäre die bloße Mitteilung am 28.1.2016 per E-Mail, dass Frau Dr. C. für die Stelle vorgesehen sei, auch nicht ausreichend, da die nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Ärzte-ZV beizufügenden Unterlagen weiter gefehlt hätten. Zum 28.1.2016 war Frau Dr. C. auch noch nicht im Arztregister eingetragen.
Der Zulassungsausschuss hatte gemäß § 26 Abs. 4 Nr. 3 S. 2 BPlR-Ä bei dem Auswahlverfahren nur die nach der Bekanntmachung des Beschlusses des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Bayern vom 28.8.2015 fristgerecht und vollständig abgegebenen Zulassungsanträge zu berücksichtigen. Der vom MVZ des Klägers nicht vollständig abgegebene Zulassungsantrag durfte daher beim Auswahlverfahren unberücksichtigt bleiben und mit Beschluss vom 3.2.2016 abgelehnt werden. Dem ZA und dem Beklagten steht insoweit kein Ermessen zu (BSG, a.a.O., Rn. 24). Dementsprechend war auch Widerspruch vom 18.3.2016 als unbegründet zurückzuweisen.
b) Die Regelung des § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung – GKV – Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG – vom 16.7.2015) ist für das Zulassungsverfahren nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen in einem bisher überversorgten Planungsbereich nicht, auch nicht analog, anwendbar.
§ 103 Abs. 4 SGB V regelt die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll sowie vom Zulassungsausschuss nach § 103 Abs. 3a SGB V die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens beschlossen worden ist. Unter den nach Ausschreibung des Vertragsarztsitzes (§ 103 Abs. 4 S. 1 SGB V) eingehenden Bewerbungen hat der ZA einen Bewerber nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 103 Abs. 4 S. 4 SGB V) unter Berücksichtigung der Kriterien nach § 103 Abs. 4 S. 5 SGB V
1.die berufliche Eignung,
2.das Approbationsalter,
3.die Dauer der ärztlichen Tätigkeit,
4.eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach § 100 Absatz 1 das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat,
5.ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes ist,
6.ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde,
7.ob der Bewerber bereit ist, besondere Versorgungsbedürfnisse, die in der Ausschreibung der Kassenärztlichen Vereinigung definiert worden sind, zu erfüllen,
8.Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung
auszuwählen. Nach der vom Kläger beanspruchten Regelung des § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V kann bei der Bewerbung eines MVZ anstelle der in § 103 Abs. 4 S. 5 SGB V genannten Kriterien auch die Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots des medizinischen Versorgungszentrums berücksichtigt werden.
Bei dem von ZA durchgeführten Verfahren handelte es sich nicht um ein Nachbesetzungsverfahren i.S.d. § 103 Abs. 4 SGB V. Die Anwendung von § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V für das hier in Rede stehende Zulassungsverfahren ist nach den maßgebenden Bestimmungen der § 95 Abs. 2 i.V.m. § 103 Abs. 3 SGB V sowie den konkretisierenden Bestimmungen des § 16b Ärzte-ZV und des § 26 BPlR-Ä nicht vorgesehen.
c) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung liegen nicht vor.
Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus (u.a. BSG, Urteil vom 17.8.2017, Az. B 5 R 8/16 R, Rn. 40 unter Verweis auf BGHZ 149, 165, 174; BGH NJW 2007, 992, 993 und 2008, 1446 Tz 14; BAG NJW 2003, 2473, 2474 f; BFH NJW 2006, 1837) und darüber hinaus, dass der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (u.a. BGH, Urteil vom 14.12.2006, Az. IX ZR 92/05, Rn. 15 = BGHZ 170, 187-196 = NJW 2007, 992-994).
Hier sind auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/4095, BR-Drs. 641/14 und BT-Drs. 18/5123) keinerlei Anhaltspunkte zu finden, dass der Gesetzgeber in allen Zulassungsverfahren für zugelassene MVZ eine „Konzeptbewerbung“ im Sinne des § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V ermöglichen wollte. Schon die Gesetzesbegründung zu § 103 Abs. 4 S. 10 SGB (BT-Drs. 18/4095, zu Nr. 44 (§ 103) zu Buchstabe c), Doppelbuchstabe cc) – S. 109) spricht ausdrücklich nur vom Nachbesetzungsverfahren, in dem der ZA bei der Auswahlentscheidung auch das besondere Versorgungsangebot des MVZ berücksichtigen können soll. Dass der Gesetzgeber hier planwidrig übersehen haben könnte, dem G-BA aufzugeben, eine entsprechende Regelung auch für die übrigen Zulassungsverfahren zu schaffen, ist nicht ersichtlich und in Anbetracht der besonderen Anforderungen des Nachbesetzungsverfahrens auch nicht anzunehmen. Denn das Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs nach § 26 BPlR-Ä und das Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V unterscheiden sich erheblich. Diese Unterschiede sprechen dagegen, dass der Gesetzgeber auch hinsichtlich des Zulassungsverfahrens nach partieller Entsperrung des Planungsbereichs zu dem Ergebnis gekommen wäre, eine § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V vergleichbare Sonderregelung für die Bewerbung von MVZ zu schaffen.
Die maßgeblichen Unterschiede stellen sich wie folgt dar:
aa) Das Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung des Planungsbereichs setzt voraus, dass durch den Landesausschuss das Entfallen der Überversorgung festgestellt wird. In diesem Fall sind nach § 103 Abs. 3 SGB V die Zulassungsbeschränkungen aufzuheben, um das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne sachliche Erfordernisse einzuschränken. Die sich nach (partieller) Entsperrung des Planungsbereichs ergebenden Zulassungsmöglichkeiten müssen allen zulassungswilligen und entsprechend qualifizierten Ärztinnen und Ärzten unter gleichen Voraussetzungen offen stehen (BSG, Urteil vom 23.2.2005, Az. B 6 KA 81/03 R, Rn. 30 ff. („Windhundprinzip“ unzulässig) und vom 19.10.2011, Az. B 6 KA 20/11 R). Zur Wahrung des Grundrechts aus Art. 12 GG darf die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens keinem Bewerber einen Vorteil verschaffen (BSG, Urteil vom 23.2.2005, Rn 30). Damit verbietet es sich aus Gründen der grundrechtlich geschützten Chancengleichheit der Bewerber, bestimmten Organisationsformen in der vertragsärztlichen Versorgung, wie etwa MVZ, Erleichterungen im Zulassungsverfahren zu gewähren. Das gilt umso mehr, als die von Klägerseite dargestellten Schwierigkeiten, bereits bei der Bewerbung um eine Anstellungsgenehmigung eine Ärztin oder einen Arzt zu benennen, welche(r) die Beschäftigung zeitnah nach Erteilung der Anstellungsgenehmigung aufnehmen kann, sowohl MVZ als auch in Berufsausübungsgemeinschaften und Einzelpraxen tätige Vertragsärzte gleichermaßen treffen. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, aus dem MVZ im Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung Erleichterungen für die Bewerbung zwingend gewährt werden müssten.
bb) Das Nachbesetzungsverfahren bietet dagegen einen Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung in einem wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich. Zulassungswilligen Ärztinnen und Ärzten ist in überversorgten Planungsbereichen der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung im Regelfall verwehrt und im Wesentlichen ausnahmsweise u.a. im Wege des Nachbesetzungsverfahrens möglich. Diese Beschränkungen sind durch Gründe des Gemeinwohls hinreichend gerechtfertigt (BSG, Urteil vom 5.11.2003, B 6 KA 53/02 R). Das Nachbesetzungsverfahren dient jedoch nicht der Ermöglichung der Zulassung in einem überversorgten Planungsbereich, sondern hat seinen Grund im Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG des bereits zugelassenen Vertragsarztes an seiner Praxis. Da die Verwertung der Praxis faktisch dadurch beschränkt ist, dass ihre Ausübung ohne Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung – die selbst als öffentlich-rechtlicher Status nicht dem Eigentumsgrundrecht unterfällt – faktisch kaum realisierbar ist, ermöglicht das Nachbesetzungsverfahren die Fortführung der Zulassung durch den Erwerber der Praxis unter Inkaufnahme der Überversorgung. Ist die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht notwendig und gibt es keinen nach § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 4, 5, 6 SGB V privilegierten Bewerber, kann die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens durch den Zulassungsausschuss abgelehnt werden (§ 103 Abs. 3a S. 3 SGB V). In diesem Fall besteht für den Vertragsarzt nach § 103 Abs. 3a S. 13 SGB V Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes. Dies macht deutlich, dass die Interessen des „abgebenden“ Vertragsarztes im Vordergrund stehen, was einer Vergleichbarkeit des Nachbesetzungsverfahrens mit dem Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung entgegensteht.
Das Nachbesetzungsverfahren ist überdies geprägt durch die „Fortführung“ der bisherigen Vertragsarztpraxis. Durch den Zulassungsausschuss können nach § 103 Abs. 4 S. 4 SGB V grundsätzlich nur Bewerber ausgewählt werden, „die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen wollen“. Bewerber, die erklärtermaßen nur an der Zulassung interessiert sind und die Praxis nicht fortführen wollen oder nicht bereit sind, mit dem Praxisabgeber über eine Praxisübernahme zu verhandeln, dürfen keine Zulassung erhalten (Geiger in: Hauck/Noftz, SGB, 11/16, § 103 SGB V, Rn. 91; ebenso Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 103 SGB V, Rn. 89). Die Fortführung der Vertragsarztpraxis erfordert dabei die weitestmögliche Kontinuität des Praxisbetriebes, insbesondere die Fortführung der Praxis am bisherigen Praxisort und die weitere Sicherstellung der Versorgung, wie sie zuvor der die Praxis abgebende Leistungserbringer gewährleistet hat. Daraus folgt, dass die Bewerber im Nachbesetzungsverfahren – anders als im Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung – nicht frei sind, an welchem Ort und mit welchem Leistungsspektrum sie vertragsärztlich tätig werden, da dies durch die Fortführung der bisherigen Vertragsarztpraxis bereits vorgegeben ist.
Die zum 23.7.2015 in Kraft getretene Regelung des § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. Die Zulassungsgremien können bei der zu treffenden Auswahlentscheidung anstelle der Kriterien aus § 103 Abs. 4 S. 5 SGB V auch berücksichtigen, inwieweit die fortzuführende Vertragsarztpraxis das vorhandene Leistungsspektrum des MVZ ergänzt. Wegen der Fortführung der Vertragsarztpraxis steht von vornherein fest, u.a. über welche Qualifikationen Bewerber bzw. vom MVZ anzustellende Ärzte verfügen müssen, die im Wege des Nachbesetzungsverfahrens zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden sollen. Vergleichbare Einschränkungen bestehen im Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung nicht, was dagegen spricht, dass der Gesetzgeber eine § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V vergleichbare Regelung auch für das Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung getroffen hätte.
4. Die Unzulässigkeit einer Konzeptbewerbung nach § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V im Verfahren auf Neuzulassung nach partieller Entsperrung des Planungsbereichs verletzt den Kläger nicht in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Durch die Rechtsprechung ist bereits hinreichend festgestellt, dass die Beschränkung des Zugangs zur vertragsärztlichen Versorgung bei einer auf Grundlage der Bedarfsplanung festgestellten Überversorgung keine Verletzung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG bedeutet (BSG, Urteil vom 5.11.2003, Az. B 6 KA 53/02 R).
Auch auf eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG kann sich der Kläger nicht berufen. Art. 3 Abs. 1 verbietet nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG allgemein eine an sachwidrigen Kriterien ausgerichtete Differenzierung. Er ist dann verletzt, wenn eine vom Gesetz vorgenommene Differenzierung sich nicht auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund zurückführen lässt (Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 75. Lieferung 10.2017, Art. 3 GG, Rn. 21 unter Verweis auf BVerfGE 35, 335). Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss (Burghart, a.a.O. unter Verweis auf BVerfGE 1, 52; 12, 348; 14, 150; 15, 320; 18, 46, 124; 20, 33; 21, 9; 23, 60, 143, 263; 24, 215, 228, 357; 25, 105; 27, 9 f., 149, 386; 29, 298, 429 f.; 30, 413; 31, 218 f.; 32, 360; 33, 384; 36, 187; 38, 17, 134, 257; 39, 162 f.; 40, 115 f.; 44, 90; 45, 62; 47, 94; 49, 209, 271, 283; 51, 23, 76; 52, 262; 78, 278). Ein sachlicher Grund für die Differenzierung hinsichtlich der Kriterien für die Auswahlentscheidung im Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung des Planungsbereichs und im Nachbesetzungsverfahren liegt in den grundsätzlich unterschiedlichen Voraussetzungen beider Verfahren und der unterschiedlichen Gewichtung des Grundrechts aus Art. 12 GG in den Verfahren.
5. Eine Vorlage an das BVerfG war nicht erforderlich.
Nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält und es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V (in der Fassung vom 16.7.2015) verfassungswidrig ist. Denn die Bestimmung ist nach den obigen Ausführungen nicht auf die Zulassung nach partieller Entsperrung des Planungsbereichs, sondern nur im Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V anwendbar. Damit fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.


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