Verwaltungsrecht

bestandskräftige Nutzungsuntersagung, Zwangsgeldandrohung gegen Rechtsnachfolger, Erforderlichkeit einer Duldungsanordnung (offen), Interessenabwägung

Aktenzeichen  M 11 S 20.4129

Datum:
10.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38358
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwZVG Art. 21a
VwZVG Art. 38

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,- festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen eine Zwangsgeldandrohung, die zur Durchsetzung einer bestandskräftigen Nutzungsuntersagung betreffend eine neu errichtete Doppelhaushälfte erlassen wurde.
Ab Januar 2019 errichtete die Fa. … Bauträger GmbH & Co. KG (Bauträger) auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … die streitgegenständliche Doppelhaushälfte (* …-Str. 12e) im Rahmen eines Genehmigungsfreistellungsverfahrens, wobei entsprechend des geltenden Bebauungsplans „8. Änderung …-Ost B1“ zwei Wohneinheiten in den Eingabeplänen vorgesehen waren. Im Rahmen mehrerer Ortsbesichtigungen im November und Dezember 2019 wurde seitens des Landratsamts … (Landratsamt) festgestellt, dass abweichend von den Eingabeplänen eine dritte Wohneinheit im Obergeschoss entstehe. Daraufhin wurde gegenüber dem Bauträger mit Bescheid vom 9. Dezember 2019 eine erste Baueinstellung verfügt. Mitte Dezember 2019 teilte das Landratsamt dem Bauträger ferner mit, dass die nachträgliche Genehmigung einer dritten Wohneinheit nicht möglich und eine Nutzungsuntersagung für diese Wohneinheit beabsichtigt sei. Mit Schreiben vom 8. Januar 2020 bat der Bauträger um Aufhebung der Baueinstellung und erklärte, dass die Schaffung einer dritten Wohneinheit zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen sei. Mit Schreiben vom 24. Januar 2020 informierte das Landratsamt die Antragstellerin als Auflassungsvormerkungsberechtigte über den Sachverhalt und hörte sie zu einer Nutzungsuntersagung hinsichtlich der dritten Wohneinheit im Obergeschoss an. Die Antragstellerin äußerte sich hierauf nicht. Nach der Durchführung von Rückbaumaßnahmen im März 2020 wurde die Baueinstellungsverfügung vom 9. Dezember 2019 aufgehoben. Im Rahmen weiterer Ortsbesichtigungen im Mai 2020 wurden verschiedene weitere abweichende Bauausführungen festgestellt, woraufhin mit Bescheid vom 8. Mai 2020 erneut eine Baueinstellung gegenüber dem Bauträger verfügt wurde. Nachdem am 11. Mai 2020 eine Bezugsfertigkeit des Gebäudes festgestellt wurde, wurde die Baueinstellung mit Bescheid vom 14. Mai 2020 aufgehoben; Zugleich wurde der Bauträger zum Erlass einer Nutzungsuntersagung angehört und zur Bauantragstellung aufgefordert. Die Antragstellerin erhielt eine Ausfertigung und wurde ebenfalls zur geplanten Nutzungsuntersagung angehört, worauf sie sich nicht äußerte.
Mit bestandskräftigem Bescheid des Landratsamts vom 4. Juni 2020 wurde die Nutzung der Doppelhaushälfte gegenüber dem Bauträger unter Anordnung des Sofortvollzugs und Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,- EUR ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids untersagt. Gegenüber der Antragstellerin als Berechtigter einer Auflassungsvormerkung wurde unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 3.000,- EUR die Duldung der Maßnahmen verfügt. Der Bescheid wurde dem Bauträger am 8. Juni 2020 sowie der Antragstellerin am 6. Juni 2020 zugestellt.
Im Rahmen einer Ortsbesichtigung am 18. Juni 2020 wurde festgestellt, dass die Dachgeschosswohnung von Herrn. E. bewohnt wurde. Die beiden anderen Wohneinheiten waren nicht bezogen.
Mit E-Mail vom 19. Juni 2020 teilte der Bevollmächtigte des Bauträgers mit, dass das Haus in der Woche zuvor an die Antragstellerin übergeben worden sei.
An 29. Juni 2020 wurde die Antragstellerin als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.
Mit Bescheid vom 6. August 2020, der Antragstellerin zugestellt am 8. August 2020, drohte das Landratsamt der Antragstellerin ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR an, falls sie die Nr. 1 des Bescheids vom 4. Juni 2020 nicht innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung des Bescheids beachte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der inzwischen bestandskräftige Bescheid vom 4. Juni 2020 für die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin gelte. Derzeit werde die Wohnung im Dachgeschoss zu Wohnzwecken durch Herrn E. genutzt. Damit werde Nr. 1 des Bescheids vom 4. Juni 2020 nicht eingehalten. Das objektiv hohe Zwangsgeld von 5.000,- EUR sei das mildeste Zwangsmittel, bei dem davon auszugehen sei, dass sich die Antragstellerin an die Anweisung der Behörde halten werde. Hierbei sei insbesondere berücksichtigt worden, dass die Antragstellerin trotz Kenntnis des Bescheids vom 4. Juni 2020 bzw. der Anhörung zur Nutzungsuntersagung vom 14. Mai 2020 und damit im Bewusstsein der Unzulässigkeit die Nutzung der Wohnung im Dachgeschoss zugelassen habe. Auch müssten die möglichen Mieteinnahmen, die mit der Nutzung des Gebäudes erzielt würden bzw. bei einer Eigennutzung erspart blieben, bedacht werden. Die Frist sei angemessen. Die Antragstellerin habe vorsätzlich die Wohnung vermietet bzw. an den Mieter übergeben, obwohl sie seit dem 15. Mai 2020 gewusst habe, dass die Nutzung nicht legal sei. Die zu erwartende Einwendung, dass der Mieter nicht binnen 4 Wochen eine alternative Wohnung finden könne, führe nicht zu einer längeren Frist, da sonst jeder, der vorsätzlich eine Wohnung illegal noch schnell an Mieter übergebe, im Vorteil gegenüber demjenigen sei, der sich legal verhalte. Die zivilrechtlichen Folgen einer Nichterfüllung des Mietvertrags, wie z. B. Schadensersatz oder Hotelkosten des Mieters habe die Antragstellerin billigend in Kauf genommen. Eine Räumung sei binnen 4 Wochen möglich und durchführbar. Eine (übergangsweise) Anmietung einer Ferienwohnung oder eines Hotelzimmers sei in dieser Zeit möglich, sodass keine Obdachlosigkeit drohe. Sofern eine Duldungsanordnung oder Nutzungsuntersagung gegen den Mieter aufgrund eventueller mietrechtlicher Rechtsbehelfe oder Verweigerung des Auszugs unumgänglich sei, werde schnellstmöglich um Mitteilung gebeten, um dies zu veranlassen.
Zugleich wurde Herr E. mit Schreiben vom 6. August 2020 über den Sachverhalt informiert und zu einer beabsichtigten Nutzungsuntersagung angehört. Herr E. bat daraufhin mit Schreiben vom 26. August 2020 um Fristverlängerung, da er das Ergebnis einer von der Vermieterin in Auftrag gegeben anwaltlichen Stellungnahme abwarten wolle.
Gegen den Bescheid vom 6. August 2020 hat die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten am 3. September 2020 Anfechtungsklage erhoben (M 11 K 20.4128) und zugleich beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Bescheid vom 6. August 2020 stelle sich bereits wegen der für die Umsetzung gesetzten Frist als unverhältnismäßig dar. Die Frist zur Umsetzung von 4 Wochen ab Zustellung des Bescheids unterschreite die maßgebliche Klagefrist, sodass hierdurch der Antragstellerin die Möglichkeit des Rechtsschutzes im Wege der Klageerhebung genommen werde. Zugleich sei die Frist derart kurz bemessen, dass auch ein Rechtsschutz im einstweiligen Rechtsschutzverfahren realistischerweise nicht möglich sei. Die Frist sei daher unverhältnismäßig, was zur Rechtswidrigkeit des Bescheids insgesamt führe und rechtfertige, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Weiter stelle sich die Zwangsgeldandrohung auch deshalb als unverhältnismäßig dar, weil sich der Sachverhalt gegenüber der Baueinstellung vom 4. Juni 2020 maßgeblich geändert habe und im Übrigen auch die im Rahmen der Baueinstellung vom 4. Juni 2020 genannten Gründe nicht oder jedenfalls nicht mehr tragfähig seien. Der Bauträger habe zwischenzeitlich einen Bauantrag für die aktuelle Situation eingereicht, der genehmigungsfähig sei. Die Bauraumüberschreitung falle äußerst geringfügig aus und könne der Antragstellerin nicht zugerechnet werden. In Hinblick auf die Abstandsflächenwidrigkeit wurde vorgetragen, dass die Bauträgerin wohl bereits eine entsprechende Neuordnung der Grundstücksflächen vollzogen habe bzw. ein solche aktuell im Vollzug begriffen sei, sodass dieser vermeintliche Verstoß zwischenzeitlich bereits geheilt sei bzw. zeitnah geheilt werde. Die Hintergründe der vermeintlichen Überschreitung der GRZ wurden näher erläutert. Auch insoweit wurde auf eine erfolgte bzw. zeitnahe Lösung verwiesen. Von einer dritten Wohneinheit könne nach den Ausführungen im Schreiben vom 14. Mai 2020 (Aufhebung der Baueinstellung) nicht mehr die Rede sein. Im Übrigen sei das Gebäude lediglich im Dachgeschoss bezogen, sodass gerade keine Umsetzung von drei Wohneinheiten vorliege. Die Unverhältnismäßigkeit und Ungeeignetheit der Nutzungsuntersagung ergebe sich auch aus der Aufhebung der Baueinstellung vom 14. Mai 2020. Es stelle ein grob widersprüchliches Verhalten dar, wenn die Fertigstellung einer Baumaßnahme zum einen zugelassen werde, obwohl das Landratsamt bereits zum Zeitpunkt der Aufhebung der Baueinstellung über die von seiner Seite als rechtswidrig eingestuften Punkte Kenntnis habe, um dann im Anschluss die Nutzungsuntersagung des fertig gestellten Vorhabens aus exakt den gleichen Gründen anzuordnen, aus denen die ursprüngliche Baueinstellung verfügt worden sei. Lasse das Landratsamt hier die Fertigstellung eines Bauvorhabens zu, gehe der Effekt einer nachfolgend verfügten Nutzungsuntersagung im Hinblick auf eine Änderung des Baubestands (beispielsweise durch Rückbau) ins Leere, denn die Fertigstellung der Baumaßnahme sei infolge der Aufhebung der Baueinstellung zugelassen worden. Welche zusätzlichen Wirkungen daher eine Nutzungsuntersagung bringen solle, erschließe sich nicht. Insbesondere werde es dem Landratsamt kaum möglich sein, gerade im Hinblick auf die festgestellte Bauraumüberschreitung einen entsprechenden Rückbau der streitgegenständlichen Doppelhaushälfte durchzusetzen. Es sei damit noch nicht einmal klar, welches Ergebnis das Landratsamt durch die streitgegenständliche Verwaltungsvollstreckung letztlich erreichen wolle. Schließlich verstoße die Vollziehung der Nutzungsuntersagung vom 4. Juni 2020 gegen den Gleichheitsgrundsatz. Sämtliche gegen die Doppelhaushälfte der Antragstellerin angeführten Punkte würden auch für einige der umliegenden Doppelhaushälften gelten, die sich im Hinblick auf die vermeintlich GRZrelevante Hangsicherung und die Situierung der Bauräume in einer vergleichbaren Situation befänden. Weshalb bei sämtlichen ebenfalls betroffenen Doppelhaushälften die Nutzungsaufnahme ohne weitere Beanstandung zugelassen worden sei, erschließe sich nicht. Das Verhalten des Antragsgegners sei insofern gleichheitswidrig. Soweit das Landratsamt im Übrigen anführe, die Dachgeschosswohnung sei in Kenntnis der Nutzungsuntersagung vermietet worden, treffe dies nicht zu. Der Mietvertrag datierte vom April 2020 und sei damit weit vor der Nutzungsuntersagung und der verfügten Baueinstellung geschlossen worden. Aufgrund des geschlossenen Mietvertrags sei die Antragstellerin zur Verfügungsstellung der Wohnung verpflichtet gewesen. An einer Befolgung der Nutzungsuntersagung sei die Antragstellerin daher zivilrechtlich gehindert. Hierzu wurde die Kopie eines von der Antragstellerin unterschriebenen Mietvertrags, datierend auf den 14. April 2020, vorgelegt.
Das Landratsamt nahm mit Schreiben vom 9. Oktober 2020 Stellung und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die gesetzte Frist von 4 Wochen nicht unverhältnismäßig kurz sei und der Antragstellerin nicht die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen die Zwangsgeldandrohung nehme. Die Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids wurden wiederholt und vertieft. Der Vortrag eines Mietvertragsschlusses vom 14. April 2020 sei bislang nicht belegt, Verträge könnten auch rückdatiert werden. Selbst wenn der Mietvertrag so geschlossen worden sei, ändere dies nichts an einer rechtmäßigen Fristsetzung. Die Antragstellerin sei Rechtsnachfolgerin der Bauträgerfirma und somit wie ihr Rechtsvorgänger zu stellen. Ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der baurechtlichen Probleme infolge der Anhörung zur Nutzungsuntersagung vom 15. Mai 2020 sei eine Kündigung des Mietvertrags vor Vertragsbeginn möglich gewesen. Es sei das bewusst gewählte Risiko der Antragstellerin, einen Mietvertrag abzuschließen für ein Objekt, dass zur behaupteten Zeit noch nicht in ihrem Eigentum gestanden habe und das gegebenenfalls einen Schwarzbau darstelle. Ein absichtliches Zusammenwirken der Antragstellerin (wohl um durch Täuschung die Vermietungsziele bezüglich der 3. Wohneinheit zu erreichen) mit ihrer Rechtsvorgängerin könne zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Auch die Bauausführung spreche für ein solches Zusammenwirken der Antragstellerin mit der Bauträgerfirma. Es stehe daher aufgrund der Indizien zu befürchten, dass in planhaftem Vorgehen von Anfang an versucht worden sei, den Planungswillen der Gemeinde bezüglich der Wohneinheiten und des Bauraums zu umgehen und den Antragsgegner zu täuschen. Da dies bislang nicht habe bewiesen werden können, habe dies bei der Ermessensausübung jedoch keine Rolle gespielt. Auch die übrigen Ausführungen der Antragstellerseite können nicht zum Erfolg des Antrags führen. Gegenstand des Eilantrags und der Klage sei allein die Zwangsgeldandrohung vom 6. August 2020 und nicht die Nutzungsuntersagung oder die vorangegangene Baueinstellung. Zu den Einwendungen der Antragstellerseite wurde höchst vorsorglich Stellung genommen. Dabei wurde betont, dass gegen alle Flurnummern des Bauträgers bei diesem Projekt bauaufsichtlich eingeschritten werde, die Verstöße und die Lösungsmöglichkeiten jedoch jeweils unterschiedlich und nur in kleineren Fallgruppen vergleichbar seien. Eine Nutzungsaufnahme ohne weitere Beanstandung der Antragsgegnerin sei nicht erfolgt. Das Übereignen einer bestandskräftig nutzungsuntersagten Immobilie führe nicht zum neuen Anlauf großzügiger Fristen, erst recht nicht bei langer Kenntnis des Erwerbers. Die Voraussetzungen für die Androhung eines Zwangsgeldes lägen vor, da die festgesetzte Verpflichtung zur Nutzungsunterlassung nicht erfüllt worden sei. Die neue Androhung sei erfolgt, um die individuellen Umstände der jetzigen Zustandsstörerin bei der Frist und der Höhe des Zwangsgeldes umfassend zu würdigen.
II.
1. Der auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der nach Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung gerichtete Antrag ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise anordnen, wenn die vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse eines Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Hierbei ist in erster Linie auf die Erfolgsaussichten der Klage abzustellen. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung als rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt dagegen nach vorläufiger Betrachtung als voraussichtlich rechtmäßig, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, hängt das Ergebnis allein von der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung ab, wobei die gesetzgeberische Entscheidung, die aufschiebende Wirkung einer Klage auszuschließen, zu berücksichtigen ist.
Vorliegend können im Rahmen der gebotenen, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aber auch ausreichenden summarischen Prüfung die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2020 nicht abschließend beurteilt werden (nachfolgend 1.1.). Eine dies zugrunde legende Abwägung der gegenläufigen Interessen fällt indes zulasten der Antragstellerin aus (nachfolgend 1.2).
1.1 Die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren lassen sich derzeit nicht hinreichend verlässlich beurteilen.
Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG kann – soweit die Androhung nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden und dieser unanfechtbar geworden ist – die Androhung der Zwangsmittel nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Eine selbstständige Rechtsverletzung durch die Zwangsgeldandrohung vom 6. August 2020 lässt sich nach Aktenlage indes vorliegend nicht abschließend feststellen.
1.1.1 Die mit Bescheid vom 4. Juni 2020 gegenüber dem Bauträger verfügte Nutzungsuntersagung ist unstrittig bestandskräftig und gilt auch gegenüber der Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin im Sinn von Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO. Nicht rechtsnachfolgefähig ist aufgrund ihres individuellen Beugecharakters (vgl. Sadler/Tillmanns, VwVG/VwZG, 10. Aufl. 2020, § 13, Rn. 8) dagegen die gegenüber dem Bauträger im Bescheid vom 4. Juni 2020 verfügte Zwangsgeldandrohung, sodass das Landratsamt das gewählte Zwangsmittel gegenüber der Antragstellerin erneut androhen musste. Dies ist mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 6. August 2020 erfolgt. Wie sich aus der Begründung des Bescheids ergibt, wird die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin in Anspruch genommen und ihr gegenüber eine neue Frist zur Umsetzung der unanfechtbaren Nutzungsuntersagung gesetzt, sowie für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung dieser Verpflichtung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 € angedroht. Dieser Sachverhalt wird von der Antragstellerin auch nicht bestritten.
1.1.2 Vor diesem Hintergrund kann die Antragstellerin gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG mit gegen die Nutzungsuntersagung oder gar der vorausgegangenen Baueinstellung gerichteten Einwendungen, wie der behaupteten Geringfügigkeit der Bauabweichungen, Gleichheitsaspekten oder einem angeblich widersprüchlichen Vorgehen des Landratsamts, nicht durchdringen. Entsprechendes gilt für den Vortrag, etwaige der Nutzungsuntersagung zugrunde liegende Mängel seien zwischenzeitlich behoben oder in „Lösung begriffen“. Auch dieser Vortrag betrifft allein die Rechtmäßigkeit des (Fort-)Bestands der Nutzungsuntersagung, die jedoch keine Voraussetzung der vorliegenden Vollstreckung und daher im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen ist.
1.1.3 Nachdem die Wohnung im Dachgeschoss unstrittig von Herrn E. bezogen wurde und auch weiterhin bewohnt wird, liegt ein Verstoß gegen die im Bescheid vom 4. Juni 2020 verfügte Nutzungsuntersagung vor, mit der die Nutzung der (gesamten) Doppelhaushälfte auf dem Grundstück untersagt wurde. Der Vortrag der Antragstellerseite, wonach beim Bezug lediglich der Dachgeschosswohnung keine Umsetzung dreier Wohneinheiten vorliege, geht insofern am Inhalt des Bescheids vorbei.
1.1.4 Substantiierte Einwände gegen die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit die Antragstellerin vortragen lässt, die Frist von 4 Wochen sei unverhältnismäßig kurz, weil die maßgebliche Klagefrist unterschritten werde, gebietet Art. 19 Abs. 4 GG nicht, die Fristbestimmung einer Zwangsgeldandrohung als gegenstandslos zu behandeln oder die Androhung insgesamt aufzuheben, wenn das Verwaltungsgericht bei Ablauf der Erfüllungsfrist noch nicht über den Antrag der Betroffenen, die aufschiebende Wirkung herzustellen bzw. anzuordnen, entschieden hat. Die Rechte des Betroffenen können in diesem Fall bei der Ausübung des durch Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG eingeräumten Anwendungsermessen berücksichtigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2001 – 1 ZE 01.2820 juris). Dessen ungeachtet ist die Frist mit 4 Wochen zwar knapp bemessen, angesichts der Vorgeschichte und dem Umstand, dass die Antragstellerin bereits seit ihrer – vor Abschluss des Mietvertrags erfolgten – (ersten) Anhörung im Januar 2020 mit einer Nutzungsuntersagung rechnen musste, erscheint die Fristbemessung als solche jedoch noch als angemessen.
1.1.5 Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage lässt sich derzeit allerdings nicht abschließend beurteilen, ob möglicherweise ein Vollzugshindernis besteht.
Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung ist, dass der durch den zugrundeliegenden Verwaltungsakt Verpflichtete in der Lage ist, die ihm auferlegten Pflichten innerhalb der ihm gesetzten Frist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG zu erfüllen. Muss der Pflichtige zur Erfüllung seiner Verpflichtungen in die Rechte Dritter eingreifen und ist der Dritte nicht bereit, den Eingriff in seine Rechte zu dulden, so besteht ein Vollzugshindernis. Es bedarf dann einer Duldungsanordnung gegenüber dem Dritten zur Durchsetzung des bauordnungsrechtlichen Vollzugs einer Nutzungsuntersagung (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2017 – 15 CS 17.1675; U.v. 16.2.2015 – 1 B 13.649; BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – jew. juris).
Vorliegend hat die Antragstellerin erstmals im gerichtlichen Verfahren ein bestehendes Mietverhältnis vorgetragen und hierzu die Kopie eines Mietvertrags vorgelegt. Auffällig ist jedoch, dass der auf den 14. April 2020 datierte Mietvertrag lediglich die Unterschrift der Antragstellerin als Vermieterin aufweist, nicht aber die des Mieters. Weitere Unstimmigkeiten ergeben sich daraus, dass nach dem vorgelegten Mietvertrag das Mietverhältnis bereits zum 1. Juni 2020 beginnen sollte, nach Mitteilung des Bauträgers (E-Mail vom 19. Juni 2020) eine Übergabe der Doppelhaushälfte an die Antragstellerin jedoch erst in der 24. Kalenderwoche (8. – 12. Juni 2020) stattgefunden haben soll. Auffällig ist schließlich auch, dass sich der Mieter, der vom Landratsamt ausdrücklich angehört und um Vorlage eines Mietvertrags gebeten wurde, sich hierauf nur sehr zurückhaltend äußerte und in der Sache letztlich an seine Vermieterin verwiesen hat.
Selbst wenn ein Mietvertragsschluss im April 2020 stattgefunden haben sollte, bleibt angesichts der zurückhaltenden Äußerung des Mieters offen, ob eine Duldungsanordnung gegenüber Herrn E. vorliegend tatsächlich erforderlich ist. Von Seiten der Antragstellerin erfolgte hierzu bislang keinerlei Vortrag, obwohl das Landratsamt in den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids ausdrücklich einen entsprechenden zu erwartenden Einwand angesprochen und um schnellstmögliche Mitteilung gebeten hatte, wenn eine Duldungsanordnung oder Nutzungsuntersagung gegen den Mieter aufgrund eventueller mietrechtlicher Rechtsbehelfe oder der Verweigerung des Auszugs unumgänglich sei. Die Antragstellerin hat jedoch bislang weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren substantiiert vorgetragen, dass sie mit dem derzeitigen Mieter wegen einer Räumung der Wohnung überhaupt auch nur Kontakt aufgenommen hätte.
Die Klärung dieser Fragen muss letztlich der gerichtlichen Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, sodass die Erfolgsaussichten der Klage nach derzeitigem Stand als offen zu bewerten sind.
1.2 In der Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Zwangsgeldandrohung das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Nach dem gesetzgeberischen Willen haben Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung generell keine aufschiebende Wirkung (vgl. Art. 21a VwZVG). Hierdurch werden in einem gewissen Ausmaß die Gewichte bei der Interessenabwägung zugunsten des Vollzugsinteresses verschoben, auch wenn dies nicht bedeutet, dass sich das Vollzugsinteresse gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse automatisch durchsetzt. Die Abwägungsentscheidung wird vielmehr in der Weise vorstrukturiert, dass dem Vollzugsinteresse ein erhebliches Gewicht beizumessen ist, wenn auch die Abwägung nicht präjudiziert wird (vgl. BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 15 CS 17.2061 – juris zur Regelung des § 212a BauGB). Dies zugrunde gelegt, werden ohne Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vorliegend keine vollendeten oder nur schwer rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen. Der Antragsgegner hat vielmehr zurecht darauf hingewiesen, dass im Falle eines Obsiegens der Antragstellerin in der Hauptsache seitens des Landratsamts lediglich das Risiko einer Rückzahlungsverpflichtung bestehe. Die Antragstellerin selbst hat hierzu nichts dargetan und erzielt zudem aus der Vermietung der Wohnung seit Anfang Juni monatliche Mieteinnahmen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziff. 1.5, 1.7.1 des Streitwertkatalogs. Zugrunde gelegt wurde ein Viertel des angedrohten Zwangsgeldes.


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