Verwaltungsrecht

Bestimmtheit der Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  W 4 E 16.463

Datum:
11.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 1
VwZVG VwZVG Art. 31 Abs. 1, Art. 34 S. 2, Art. 35, Art. 36 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 37 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Androhung eines Zwangsgelds ist eindeutig auf eine Verpflichtung im Bescheid zu beziehen; anderenfalls verstößt sie gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Die Zwangsgeldandrohung in einem Bescheid, die sich auf eine Teilanordnung in einem Bescheid bezieht, genügt diesen Anforderungen nicht, wenn wegen einer anderen Teilanordnung in einem Änderungsbescheid vollstreckt werden soll. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Zwangsvollstreckung aus der Mitteilung des Antragsgegners vom 14. April 2016 wird einstweilen eingestellt.
II.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Fälligkeitsmitteilung eines Zwangsgelds.
Bei einer Ortseinsicht stellte die hauptamtliche Fachreferentin für Naturschutz des Landratsamts Rhön-Grabfeld fest, dass das Grünland auf dem Flurstück …40 der Gemarkung A. umgebrochen wurde. Da das Landratsamt Rhön-Grabfeld die Auffassung vertrat, dass mindestens die nördliche Hälfte des umgebrochenen Grünlands als grundwassernah i. S. d. Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG zu bezeichnen wäre und der Grünlandumbruch zudem gegen § 44 BNatSchG verstoße, da er die lokale Population des Dunklen Wiesenknopfameisenbläulings gefährde, ordnete es mit Bescheid vom 9. Oktober 2015 an, dass die mit Tagetes eingesäte Fläche zu mähen, ohne wendende Bodenbearbeitung einzuebnen und für eine Einsaat vorzubereiten sei (Ziffer 1.1 des Bescheids). Anschließend sei dünn mit der Regelsaatgutmischung 8.1 einzusäen (Ziffer 1.2 des Bescheids). Zur Entwicklung des vorherigen artenreichen Grünlandbestands sei eine Bewirtschaftung in Form einer zweimaligen Mahd im Jahr unter Verzicht auf den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln während der nächsten mindestens 5 Jahre erforderlich. Das Mähgut sei jeweils von der Fläche zu entfernen. Nach Ablauf dieses Zeitraums werde vor Ort durch die Untere Naturschutzbehörde geprüft, ob das Entwicklungsziel bereits erreicht sei oder ob die Anordnung zur Durchführung der Herstellungspflege verlängert werden müsse (Ziffer 1.3 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer 2 des Bescheids). Für den Fall, dass der Antragsteller die in Nr. 1 festgelegte Verpflichtung nicht erfülle, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Ziffer 4 des Bescheids).
Bei einer weiteren Vorortkontrolle wurde seitens des Landratsamts festgestellt, dass die Fläche zwar nicht eingeebnet und angesät worden war, allerdings waren auf der gesamten Fläche Anzeichen einer Regeneration der artenreichen Wiesenvegetation zu erkennen.
Daraufhin erließ der Antragsgegner unter dem 1. Dezember 2015 einen Änderungsbescheid dahingehend, dass die Durchsetzung der Erfüllung der Verpflichtungen aus Ziffern 1.1 und 1.2 des Bescheids vom 9. Oktober 2015 nicht weiter betrieben werde. Vielmehr sei die durch das tatenlose Zuwarten des Antragstellers bereits begonnene Regeneration des Grünlands bis zur vollständigen Wiederherstellung des Grünlands ohne die Vornahme weiterer Bodenbearbeitung abzuwarten (Ziffer 1.1 des Bescheids). Anschließend sei die Wiederherstellungspflege wie folgt durchzuführen: Zur Entwicklung des vorherigen artenreichen Grünlandbestands sei eine Bewirtschaftung in Form einer zweimaligen Mahd im Jahr und der Verzicht auf den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln während der nächsten mindestens fünf Jahre erforderlich. Das Mähgut sei jeweils nur von der Fläche zu entfernen. Nach Ablauf dieses Zeitraums werde vor Ort durch die Untere Naturschutzbehörde geprüft, ob das Entwicklungsziel bereits erreicht sei oder ob die Anordnung zur Durchführung der Herstellungspflege verlängert werden müsse (Ziffer 1.2 des Bescheids).
Bei einer weiteren Ortseinsicht am 3. März 2016 wurde durch die hauptamtliche Fachkraft für Naturschutz festgestellt, dass der Antragsteller der mit Änderungsbescheid vom 1. Dezember 2015 aufgegebenen Verpflichtung zur Wiederherstellung des umgebrochenen Grünlands in Form von Zuwarten, bis die bereits begonnene Regeneration des Grünlands sich vollständig wieder hergestellt habe, unter der Maßgabe des Verbots der weiteren Bodenbearbeitung nicht nachgekommen sei.
Mit Schreiben vom 14. April 2016 teilte der Antragsgegner daraufhin dem Antragsteller mit, dass er der Nr. 1 des Bescheids vom 1. Dezember 2015 zuwider gehandelt habe und das unter Nr. 4 des Bescheids vom 9. Oktober 2015 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR zur Zahlung fällig werde.
Unter dem 28. April 2016 ließ der Kläger Klage erheben (Az. W 4 K 16.462) und im vorliegenden Verfahren beantragen,
die Vollstreckung hinsichtlich des fällig gestellten Zwangsgelds einzustellen.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 4. Mai 2016,
den Antrag abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Es besteht ein Anordnungsanspruch, da es vorliegend offensichtlich bereits an einer Zwangsgeldandrohung seitens des Landratsamts Rhön-Grabfeld fehlt. Darüber hinaus ist auch ein Anordnungsgrund gegeben, so dass die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen war.
Statthafter Rechtsbehelf gegen die Fälligkeitsmitteilung eines Zwangsgelds ist in der Hauptsache die Feststellungsklage nach § 43 VwGO. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kommt daher ein Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht, mit dem sich der Antragsteller vorliegend auch durchsetzen kann.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO setzt voraus, dass der Antragsteller die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, und das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1, Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO) sowie, dass das Gericht bei Abwägung der für und gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gesichtspunkte zu dem Ergebnis kommt, dass die für den Erlass sprechenden Gründe überwiegen. Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Nach Aktenlage ist vorliegend ein Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht.
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist Art. 31 Abs. 1 VwZVG. Nach dieser Vorschrift kann die Vollstreckungsbehörde den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten, wenn dieser die Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt. Das Zwangsmittel, im vorliegenden Fall das Zwangsgeld, muss nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG unbeschadet des Art. 34 Satz 2 VwZVG und des Art. 35 VwZVG schriftlich angedroht werden. Die Androhung kann dabei nach Art. 36 Abs. 2 Satz 1 VwZVG mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird. Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 1 VwZVG kann das Zwangsgeld auch neben einer Strafe oder Geldbuße angedroht werden. Die ordnungsgemäße Androhung des Zwangsgelds ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Anwendung des Zwangsmittels nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG, im vorliegenden Fall also für die Fälligstellung eines Zwangsgelds im Schreiben des Antragsgegners vom 14. April 2016. Die Festsetzung und Anwendung von Zwangsmitteln ist nur rechtmäßig, wenn sie zuvor ordnungsgemäß angedroht sind. Fehlt die Androhung oder erfüllt sie nicht die Voraussetzungen des Art. 36 VwZVG, ist die Festsetzung bzw. Fälligstellung schon deshalb aufzuheben (vgl. Engelhardt/App, VwVG VwZG, Rn. 1 zu § 13 VwVG).
An einer ordnungsgemäßen Androhung des im Schreiben vom 14. April 2016 fällig gestellten Zwangsgelds fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. So enthält der Änderungsbescheid vom 1. Dezember 2015 im Tenor zwar die (bestandskräftige) Verpflichtung des Antragstellers, die bereits begonnene Regeneration des Grünlands bis zur vollständigen Wiederherstellung des Grünlands ohne die Vornahme weiterer Bodenbearbeitung abzuwarten. Nicht jedoch ist in diesem Bescheid die Androhung eines Zwangsgelds geregelt für den Fall, dass der Antragsteller diesem Zuwarten nicht nachkommt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Bescheidsgründen, denn die Zwangsgeldandrohung im Ursprungsbescheid (Ziffer 4 des Bescheids vom 9. Oktober 2015), auf die im Änderungsbescheid vom 1. Dezember 2015 Bezug genommen wird, gilt ausdrücklich nur für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffern 1.1 bis 1.3 des ursprünglichen Bescheids festgesetzten Verpflichtungen. Wenn der Antragsgegner nunmehr meint, die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 4 des Ursprungsbescheids gelte auch für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Nr. 1 des Änderungsbescheids festgelegte Verpflichtung fort, kann die Kammer dem nicht folgen, zumal dies eindeutig dem Bestimmtheitsgrundsatz widersprechen würde. Diesem ist nur dann genügt, wenn für den Vollstreckungsschuldner, hier also den Antragsteller, erkennbar ist, für welchen Fall der Nichterfüllung einer Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht ihm ein Zwangsgeld in welcher Höhe droht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend zweifellos nicht erfüllt, zumal vorliegend offensichtlich nicht erkennbar ist, dass die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 4 des Ursprungsbescheids für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Nr. 1 des Änderungsbescheids festgelegte Verpflichtung fortgelten soll.
Bedenken gegen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes bestehen seitens der Kammer nicht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert basiert auf § 52 Abs. 1 GKG. Die Streitwerthöhe bemisst sich nach der Höhe des zu vollstreckenden Zwangsgelds. Für das Eilverfahren war der so ermittelte Streitwert zu halbieren.


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