Verwaltungsrecht

Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis

Aktenzeichen  10 C 18.1361

Datum:
20.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 19952
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 3, § 25 Abs. 5, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Ein Anspruch iSd § 10 Abs. 3 S. 3 AufenthG muss sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Ein derart strikter Rechtsanspruch setzt voraus, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat. Zu einem Anspruch führen daher nicht Regelansprüche oder Ansprüche aufgrund von Sollvorschriften. (Rn. 12 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 18.5 2018-06-04 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG weiter.
Der Kläger ist senegalesischer Staatsangehöriger, dessen Asylantrag mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. Februar 2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Am 15. März 2017 legte er eine Urkunde vor, wonach er die Vaterschaft für das am 4. März 2017 geborene Kind L* … … … anerkannt hatte. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 23. Mai 2017 wurde die elterliche Sorge auf beide Elternteile übertragen sowie eine Vereinbarung für den Umgang des Klägers mit seinem Sohn getroffen.
Der Kläger ist seit 31. März 2016 im Besitz eines bis 30. März 2021 gültigen senegalesischen Reisepasses. Er hatte gleichwohl mehrfach gegenüber der Regierung von Oberbayern erklärt, nicht im Besitz eines Reisepasses oder Passersatzes zu sein. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 7. Juni 2015 wurde der Kläger wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt.
Nachdem sich die Ausländerbehörde des Beklagten geweigert hatte, über den am 7. August 2017 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden und dem Kläger ab 21. November 2017 lediglich eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG aus familiären Gründen ausgestellt hatte, erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, über den Antrag des Klägers auf Familiennachzug zu entscheiden und diesem eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu erteilen (M 12 K 18.5). Gleichzeitig beantragte er, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Mit Beschluss vom 4. Juni 2018 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ab. Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG stehe § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. Die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei vorliegend auch nicht gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ausgeschlossen, da kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestehe. Erforderlich sei ein strikter Rechtsanspruch, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe und bei dem alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien. Der Kläger erfülle schon die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht, da schwerwiegende Ausweisungsinteressen gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a und b und Nr. 9 AufenthG bestünden. Auf § 5 Abs. 2 AufenthG komme es daher nicht mehr an. Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG bestehe nicht. Der Erteilung stehe § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegen, da der Asylantrag des Klägers gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei. Die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sei nicht gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ausgeschlossen. § 25 Abs. 5 AufenthG vermittle schon keinen strikten Rechtsanspruch, da es sich um eine Ermessensvorschrift handle. Selbst bei einer Ermessensreduzierung auf Null bestünde kein gesetzlicher Anspruch.
Zur Begründung seiner am 28. Juli 2018 erhobenen Beschwerde bringt der Kläger lediglich vor, dass er Vater eines deutschen Kindes sei und ein Umgangsrecht habe. Es sei eine Umgangsvereinbarung getroffen worden, die er regelmäßig wahrnehme. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2005 werde verwiesen.
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten im Verfahren M 12 K 18.5 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klage des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG oder § 25 Abs. 5 AufenthG im Zeitpunkt der Bewilligungsreife seines Prozesskostenhilfeantrags keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte.
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil die Verpflichtungsklage des Klägers bei summarischer Prüfung keinen Erfolg haben wird.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegensteht, weil der Asylantrag des Klägers unanfechtbar abgelehnt worden ist. Die Anwendung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist auch nicht durch § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG ausgeschlossen, da der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hat.
Ein Anspruch i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG muss sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Ein derart strikter Rechtsanspruch setzt voraus, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 1 C 31.14 – juris Rn. 20.; U.v. 10.12.2017 – 1 C 15.14 – juris). Zu einem Anspruch führen daher nicht Regelansprüche oder Ansprüche aufgrund von Sollvorschriften (BVerwG, U.v. 17.12.2015, a.a.O.).
Insoweit hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegensteht und daher kein Anspruch i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vorliegt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts besteht aufgrund der erfolgten Täuschung der Ausländerbehörde über die Identität (Vertauschen von Familiennamen und Vornamen) und die Nichtvorlage des vorhandenen Nationalpasses ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a und b AufenthG. Zudem hat der Kläger durch seine strafrechtliche Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln ein Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG erfüllt. Diesen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist der Kläger im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten. Anhaltspunkte dafür, dass die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dennoch erfüllt ist, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind für die Annahme eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG generalpräventive Gründe ausreichend (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – UA. Rn. 16, 20). Selbst wenn der Kläger insoweit einen Ausnahmefall für sich in Anspruch nehmen könnte, der schon auf der Tatbestandsseite ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfordern würde, fehlte es an einem gesetzlichen Anspruch i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG (vgl. NdsOVG, B.v. 5.9.2017 – 13 A 129/17 – juris Rn. 17 m.w.N.). Somit kommt es nicht mehr darauf an, ob der Kläger mit dem erforderlichen Visum eingereist ist.
Ebenso ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegensteht, weil der Asylantrag des Klägers nach § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Von der Anwendung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kann auch nicht wegen § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG abgesehen werden, weil die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen, keinen Rechtsanspruch i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG darstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfallende Gebühr streitwertunabhängig ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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