Verwaltungsrecht

Bürgerbegehren, Unterschriftenliste, Formerfordernisse

Aktenzeichen  4 ZB 21.1255

Datum:
13.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34517
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 18a Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Bei einem Bürgerbegehren müssen die nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO erforderlichen Angaben auf jeder einzelnen Unterschriftenliste vorhanden sein.

Verfahrensgang

M 7 K 20.6694 2021-02-16 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht ausreichend dargelegt im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
a) Die Kläger machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend. Ernstliche Zweifel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 124 Rn. 7 bis 7d, m.w.N.). Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.). Eine „Darlegung“ eines Zulassungsgrundes im Sinn des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert die substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, d.h. eine Darlegung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Bürgerbegehren aus formalen Gründen unzulässig sei; die dazu beim Beklagten eingereichten Unterschriftslisten entsprächen nicht den gesetzlichen Vorgaben des Art. 18a Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 GO.
Dieser Auffassung des Verwaltungsgerichts treten die Kläger in ihrer Zulassungsbegründung auf den Seiten 2 und 3 entgegen. Die Ausführungen hierzu sind identisch mit der insoweit mit Schriftsatz vom 4. Februar 2021 eingereichten Klagebegründung beim Verwaltungsgericht (dort S. 3).
Eine bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens genügt aber den oben genannten Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrunds nicht (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2020 – 24 ZB 19.2439 – juris Rn. 8; B.v. 12.8.2019 – 6 ZB 19.778 – juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 22.12.2017 – 22 CS 17. 2261 – juris Rn. 27 ff. m.w.N.; B.v. 21.7.2016 – 12 ZB 16.1206 – juris Rn. 6; B.v. 21.10.2014 – 21 ZB 14.876 – juris Rn. 8; B.v. 19.4.2011 – 8 ZB 10.129 – juris Rn. 18 m.w.N.). Denn Ausführungen, die noch in Unkenntnis des Inhalts der angefochtenen Entscheidung getätigt wurden, können nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts beinhalten (vgl. BayVGH, B.v. 20.04.2012 – 11 ZB 11.1491 – juris Rn. 2; B.v. 9.1.2013 – 21 ZB 12.2586 – juris Rn. 4).
Darüber hinaus bestehen auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts richtig ist.
Nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO muss das Bürgerbegehren eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung und eine Begründung enthalten sowie bis zu drei Personen benennen, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten. Rechtsprechung und Kommentarliteratur sind sich einig, dass die nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO erforderlichen Angaben auf jeder einzelnen Unterschriftenliste vorhanden sein müssen (BayVGH, U.v. 25.7.2007 – 4 BV 06.1438 – BayVBl 2008, 82 = juris Rn. 42; B.v. 8.7.1996 – 4 CE 96.2182 – juris Rn. 10; B.v. 6.11.2000 – 4 ZE 00.3018 – juris Rn. 12 im Anschluss an VG Würzburg, B.v. 18.9.2000 – W 2 E 00.982 – juris Rn. 28; VG Bayreuth, B.v. 13.4.2011 – B 3 E 11.126 – juris Rn. 41; Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand: 2021, Art. 18a Abs. 4 GO, 1 a) bb; Suerbaum/Retzmann in BeckOK, Kommunalrecht Bayern, 5. Ed., Stand: August 2020, Art. 18a GO Rn. 34; Müller in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand: Februar 2021, Art. 18a Rn. 24; Wachsmuth in PdK Bayern, Art. 18a GO, 2.3.2.5.1; Bauer/Böhle/Ecker, Bayer. Kommunalgesetze, Stand: Juni 2020, Art. 18a GO Rn. 9). Der Senat hat zwar in seiner Entscheidung vom 4. Februar 1997 (Az. 4 CE 96.3435 – BayVBl 1997, 375) ausgeführt, dass es genügt, wenn Antrag, Fragestellung, Begründung und Vertretung eines Bürgerbegehrens auf der Vorderseite einer Unterschriftenliste aufgeführt sind, wenn sich die Unterschriften (auch) auf der Rückseite befinden. In diesem Fall bestehen keine Möglichkeiten einer nachträglichen Veränderung des Inhalts des Bürgerbegehrens. Nicht ausreichend ist demgegenüber die bloße Verwendung von Einlageblättern oder das Aneinanderklammern loser Listen, sofern dort nicht auf jedem Blatt neben den Unterschriften auch der Antrag, die Fragestellung, die Begründung und die Vertreter bezeichnet sind. Denn dann ist nicht sichergestellt, dass die geleisteten Unterschriften nicht nachträglich mit einem geänderten Text verbunden werden (ebenso HessVGH, B.v. 25.8.1997 – 6 TZ 2989/97 – NVwZ-RR 1998, 255 zu § 8 b Abs. 3 Satz 3 HGO; NdsOVG, U.v. 4.12.2019 – 10 LC 43/19 Rn. 25 zu § 32 NKomVG; a.A. zur Notwendigkeit der Benennung der vertretungsberechtigten Personen: OVG RhPf, U.v. 6.2.1996 – 7 A 12861/95 – NVwZ-RR 1997, 241).
Diesen Anforderungen entsprechen die von den Klägern eingereichten Unterschriftslisten, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (UA S. 13 ff.) zutreffend ausgeführt hat, nicht. Durch die Verwendung von bloß einseitig bedruckten, lose zusammengehefteten Blättern wird die notwendige stoffliche Einheit nicht gewahrt. Die Unterschriftslisten des klägerischen Bürgerbegehrens enthalten auf den Blättern 1 und 2 den Antrag, die Fragestellung und die Begründung; auf der oberen Hälfte des dritten Blattes werden die vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens benannt; auf der unteren Hälfte des dritten Blattes beginnen die Unterschriften. Auf weiteren – angehefteten – Blättern setzt sich die Unterschriftenliste mit Seitenzahlangabe (4, 5) fort. Auf diesen Blättern sind in der jeweiligen Kopfzeile die Kurzbezeichnung des Bürgerbegehrens und der Verweis auf die Seiten 1 bis 3 angebracht. Damit ist nicht gewährleistet, dass die Unterschriftleistenden die Seiten 1 bis 3 in der Fassung, wie sie beim Beklagten eingereicht wurden, zur Kenntnis genommen haben und sich ihr Wille darauf bezieht. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass insbesondere auf den Seiten 3 der Listen, auf denen sich eine Vielzahl von Unterschriften befindet, nur die vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens aufgeführt sind und das Bürgerbegehren, um das es geht, nicht weiter beschrieben wird.
Entgegen der Zulassungsbegründung hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt, dass das Bürgerbegehren keinen Begründungsmangel enthält. Diesbezügliche Ausführungen finden sich im Urteil des Verwaltungsgerichts nicht. Die entsprechenden Ausführungen in der Zulassungsbegründung sind der Tatsache geschuldet, dass im Zulassungsverfahren nur die Klagebegründung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu den Ausführungen im Bescheid des Beklagten wiederholt wurde.
b) Auch der Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist mangels Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des Verwaltungsgerichts nicht ausreichend dargelegt. Es liegen nach dem oben Ausgeführten – soweit entscheidungserheblich – auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache vor.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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