Verwaltungsrecht

Bundesbeamtenrecht, Bundespolizei, Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe, Unberechtigte Datenabfrage in INPOL

Aktenzeichen  6 C 21.862

Datum:
19.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9508
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
BBG § 34 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 21a K 20.4877 2021-02-25 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 25. Februar 2021 – M 21a K 20.4877 – wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seines Rechtsanwalts für seine Klage vom 3. Oktober 2020 gegen den Bescheid der Bundepolizeidirektion München vom 17. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 27. August 2020, mit dem er gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 BBG aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen worden ist.
Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 25. Februar 2021 mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt. Der Kläger habe im Dienst als Kontrollbeamter der Bundespolizeiinspektion Flughafen M. im Bereich der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle am 19. Oktober 2017 auf Bitten seines Vaters drei Abfragen im polizeilichen Auskunftssystem INPOL zur Person des Herrn M. durchgeführt, wobei ihm jeweils ein Personentreffer zu Herrn M. angezeigt worden sei. Bei der dritten Abfrage habe er die entsprechende Fahndungsdatei geöffnet und zur Kenntnis genommen. Das Handeln auf Bitten seines Vaters ergebe sich aus vom LKA mitgehörten Telefongesprächen zwischen Herrn M. und dem Vater des Klägers. Die späteren Datenabfragen zu seiner eigenen Person seien nicht entscheidungserheblich. Die unbefugte Datenabfrage sei geeignet, das Ansehen der Bundespolizei sowie das Vertrauen in die Integrität der dort beschäftigen Beamten in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und habe zu einer erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Dienstherr und Kläger geführt. Damit habe der Kläger zugleich die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht bezüglich eines achtungs- und vertrauenswürdigen Verhaltens verletzt. Ein solches Dienstvergehen hätte nach der Rechtsprechung der Disziplinargerichte bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II.
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist zulässig, aber unbegründet, da die mit der Klage beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Das Verwaltungsgericht hat den Antrag daher zu Recht abgelehnt.
Mit dem Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Nr. 1 BBG für die Entlassung des Klägers – bei summarischer Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren – erfüllt sind. Der Kläger hat nach Aktenlage ein schweres Dienstvergehen begangen, das bei einem Beamten auf Lebenszeit eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge gehabt hätte. Auf die überzeugende Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses – und des dort in Bezug genommenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24. März 2020 – M 21a S 19.4505 – im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – wird verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Entscheidungsrelevante Aspekte, die dieser Beurteilung entgegenstünden, hat der Kläger im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Rechtsgrundlage für die Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe ist § 2 BPolBG in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Nr. 1 BBG. Danach können Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte. Die Prüfung, ob eine dienstliche Verfehlung bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte, ist eine hypothetische Prüfung anhand disziplinarrechtlicher Maßstäbe. Diese sind aus einer Gesamtschau der zum Disziplinarrecht ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu ermitteln. Fehlt es an einer einschlägigen Rechtsprechung müssen Behörden und Gerichte unter Heranziehung disziplinarrechtlicher Grundsätze und der in der Rechtsprechung erkennbaren Maßstäbe und Tendenzen eine eigene Bewertung des dem Beamten zur Last gelegten Verhaltens vornehmen. Dabei hat sich die Bewertung an § 13 BDG zu orientieren, wonach die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu bemessen ist (BeckOK Beamtenrecht Bund, BBG § 34 Rn. 7 ff; vgl. z.B. BVerwG, B.v. 28.8.2018 – 2 B 4.18 – juris Rn. 19).
Ein solch schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen im Sinn von § 77 Abs. 1 BBG dürfte der Kläger begangen haben.
Er hat am 19. Oktober 2017 im Dienst auf Bitten seines Vaters mindestens zweimal eine Datenabfrage zu Herrn M. im INPOL-System vorgenommen. Seine Behauptung, er sei mit diesen Abfragen nicht dem Ansinnen seines Vaters, sondern aus Neugier gefolgt, ist angesichts der Gesprächsinhalte zwischen seinem Vater und Herrn M. aus der Telefonüberwachung nicht glaubhaft. Denn sein Vater hatte Herrn M. bereits am 17. Oktober 2017 bestätigt, dass der Kläger am Flughafen M. arbeite. Am 18. Oktober 2017 fragte der Vater des Klägers nach Rücksprache mit dem Kläger bei Herrn M. nach, ob er seinen Pass in der Vergangenheit verloren habe. Als Herr M. dies verneinte, kündigte der Vater des Klägers Herrn M. an, dass „jemand“ das am nächsten Tag auf der Arbeit anschauen werde. Am 19. Oktober 2017 teilte der Vater des Klägers Herrn M. mit, sein Sohn habe zurückgeschrieben, er habe rumgewühlt, aber alles sei sauber und hübsch. Er sei in der Arbeit in die (Daten-) Bank rein. Aus diesem Sachverhalt folgt bei objektiver Betrachtung, dass der Kläger bei der ersten Datenabfrage auf Veranlassung seines Vaters gehandelt hat und er bewusst nach außen diesen Eindruck (gegenüber seinem Vater und Herrn M.) vermitteln wollte, wobei er aber seinem Vater ein falsches Ergebnis seiner Recherchen mitteilte, weil ihm ein Treffer angezeigt worden war. Erst beim kurz danach erfolgten erneuten Zugriff auf das INPOL-System öffnete der Kläger den Fahndungstreffer und erlangte weitere Informationen zum Grund der Ausschreibung. Nur dieser Zugriff kann, wie der Kläger behauptet, aus reiner Neugier erfolgt sein.
Damit hat der Kläger in besonderem Maße und schwerwiegend gegen seine innerdienstliche Grundpflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Das Bemessungskriterium der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 2 C 59.07 – juris Rn. 15). Ein Polizeibeamter darf im Interesse des Vertrauens seines Dienstherrn und der Öffentlichkeit nicht polizeiliche Datenbestände für private Zwecke nutzen. Dies gilt in besonderem Maße für Fahndungsdaten. Deutlich erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger Dritten gegenüber auch den Anschein erweckt hat, er greife auf polizeiliche Datenbestände im Interesse dieser Personen zu. Der pflichtgemäße Umgang mit polizeilichen Datenbeständen ist aber, insbesondere im Fall besonders sensibler Daten wie vorliegend, für einen Polizisten eine wesentliche, grundlegende Dienstpflicht. Das Vorbringen, der zweite Zugriff sei aus reiner Neugier erfolgt, entlastet den Kläger danach nicht. Auch das übrige dienstliche Verhalten des Klägers, sein Nachtatverhalten und seine monatelange Weiterbeschäftigung (aus Fahndungsgründen) sind vorliegend bei der Bewertung nach § 13 BDG nicht als entlastend zu bewerten (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2020 – 2 B 15.19 – juris Rn. 17; vgl. BVerwG, B.v. 20.11.2012 – 2 B 56.12 – juris Rn. 17).
Der Senat teilt daher die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass bei diesem Verhalten bei einem Lebenszeitbeamten disziplinarisch eine Kürzung der Dienstbezüge ausgesprochen worden wäre. Diese Bewertung entspricht der Rechtsprechung der Disziplinargerichte: Dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. September 2010 – D 6 A 467/09 -, auf das sich der Kläger beruft, liegt die Weitergabe der aus unzulässigen Recherchen gewonnenen Erkenntnisse zugrunde, welche mit einer schwereren Disziplinarmaßnahme, einer Zurückstufung, geahndet wurde. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. August 2008 – 16b DZ 07.2822 – hatte die Verhängung einer Geldbuße durch den Dienstherrn für eine unberechtigte Datenabfrage und -weitergabe nicht beanstandet, die der Polizeibeamte zur Ermittlung einer Kfz-Halterin vorgenommen hatte. Die Halterabfrage ist, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, in der Schwere der Dienstpflichtverletzung nicht mit der hier in Rede stehenden Fahndungsabfrage vergleichbar. Aus der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Februar 2012 – 16a D 10.107 – folgt, dass den dort getätigten Datenabfragen disziplinarisch jedenfalls erhebliches Gewicht zukommt (Rn. 108).
Die Entlassung des Klägers dürfte schließlich nicht wegen fehlerhafter Ermessensentscheidung rechtswidrig sein. In dem an die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen knüpfenden Ausspruch der Entlassung liegt in aller Regel – ohne dass dies ausdrücklicher Darlegung bedarf – kein fehlerhafter Ermessensgebrauch (BVerwG, U.v. 12.10.1989 – 2 C 22.87 – BVerwGE 82, 356 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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