Verwaltungsrecht

Bundesbeamtenrecht, Einstellung, höherer Dienst, Bewerbungsverfahrensanspruch, Gleichbehandlung, Volljurist, Mindestnote

Aktenzeichen  6 ZB 21.197

Datum:
16.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3154
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 16 K 20.1503 2020-11-18 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. November 2020 – AN 16 K 20.1503 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 13.372,86 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
a) Die Klägerin ist Volljuristin und seit dem 1. März 2016 als Beamtin im gehobenen Dienst beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) tätig. Dieses schrieb unter der Kennziffer BAMF-2020-035 Stellen für „mehrere Volljuristinnen bzw. Volljuristen … (E 13 TV EntgO Bund bzw. A 13h bis A 14 BBesO)“ aus. Die Ausschreibung verlangt – unter der Überschrift „Ihr Profil“ – unter anderem „ein abgeschlossenes 1. und 2. Staatsexamen der Rechtswissenschaften mit mindestens 13 Punkten in der Summe der beiden Staatsexamina“. Angeboten wird eine unbefristete Einstellung in der Entgeltgruppe 13 TV EntgO Bund mit dem Zusatz, dass bei Erfüllung der beamtenrechtlichen Voraussetzungen eine Verbeamtung (BesGr A 13h BBesO) vorgesehen ist.
Die Klägerin bewarb sich auf eine dieser Stellen. Ihre Bewerbung scheiterte bereits bei der formalen Vorauswahl, weil sie die geforderte Mindestpunktzahl nicht erfüllt. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat sie Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, sie zur Teilnahme am Auswahlverfahren zuzulassen. Sie hat insbesondere geltend gemacht, das Bundesamt benachteilige bei der Einstellung in den höheren Dienst Volljuristen im Vergleich zu Nichtjuristen, weil es nur bei ersteren eine Mindestnote verlange. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 18. November 2020 für unbegründet erachtet und abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Ablehnung der Bewerbung verletze die Klägerin weder in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG noch in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung.
b) Der Zulassungsantrag hält dem erstinstanzlichen Urteil nichts Stichhaltiges entgegen, das Zweifel an seiner Richtigkeit begründet und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedarf.
aa) Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Dem Bewerber um ein öffentliches Amt vermittelt Art. 33 Abs. 2 GG einen subjektiven Anspruch, dass über seine Bewerbung in fehlerfreier Weise entschieden und sie nur aus Gründen zurückgewiesen wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Das gilt auch in der vorliegenden Fallgestaltung, in der das Bundesamt mehrere öffentliche (Einstiegs-)Ämter im höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst für Volljuristen aus einem gemischten Bewerberkreis von Berufsanfängern, Arbeitnehmern, Selbstständigen und Beamten ausgeschrieben hat und noch nicht feststeht, ob diese Ämter durch Verbeamtung oder im Wege des Arbeitsvertrags vergeben werden sollen (BVerwG, B.v. 17.3.2021 – 2 B 3.21 – juris Rn. 18 ff. zum einheitlichen öffentlich-rechtlichen Charakter des Bewerbungsverfahrensanspruchs, wenn – wie hier – eine Beamtin oder ein Beamter zum Bewerberkreis gehört).
Der Dienstherr kann im Rahmen seines organisatorischen Ermessens über die Eignung des Bewerberfeldes grundsätzlich auch in einem gestuften Auswahlverfahren befinden. Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden, dem dann grundsätzlich aktuelle dienstliche Beurteilungen zugrunde zu legen sind. Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist der Dienstherr aber an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und, soweit – wie hier – eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht, auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauswahl verpflichtet (BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 6 CE 16.2310 – juris Rn. 18 m.w.N.).
Diese Grundsätze gelten jedoch nur in einem Auswahlverfahren, das aufgrund einer im Rahmen der Organisationsgewalt des Dienstherrn zur Verfügung gestellten und für die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben gewidmeten Stelle durchgeführt wird. Die Zurverfügungstellung der jeweiligen Stelle ist dem Auswahlverfahren vorgelagert; sie ist nicht Anknüpfungspunkt des Grundsatzes der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG. Die einer Stellenbesetzung vorgelagerten Fragen, ob und ggf. wie viele Stellen (Ämter) mit welcher Wertigkeit geschaffen werden, unterfällt der Organisationsgewalt des Dienstherrn (BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 2 B 104.15 – juris Rn. 11 m.w.N.).
bb) Gemessen hieran hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass das Bundesamt die Klägerin ohne Rechtsfehler in einer ersten Auswahl ausschließen durfte, weil diese die in der Ausschreibung geforderte Mindestnote nicht erfüllt. Der Senat teilt die überzeugenden Erwägungen im angegriffenen Urteil und führt ergänzend aus:
(1) Im Ausgangspunkt ist es rechtlich nicht zu bestanden, dass lediglich Ämter für Volljuristen und nicht für sonstige Hochschulabsolventen ausgeschrieben worden sind. Mit dieser Beschränkung hält sich der Dienstherr, was der Zulassungsantrag nicht in Zweifel zieht, im Rahmen seiner Organisationsgewalt (vgl. OVG NW, B.v. 18.1.2013 – 1 B 1245/12 – juris Rn. 17 ff.).
Ebenso wenig ist es rechtlich zu beanstanden, dass das Bundesamt als notwendige (aber nicht hinreichende) Bedingung für die Einstellung als Volljuristin/Volljurist im höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst ein Mindestnotenniveau von 13 Punkten in der Summe der beiden juristischen Staatsexamina verlangt. Dieses konstitutive Anforderungsprofil ist mit dem Leistungsgrundsatz vereinbar. Mit der Festlegung einer Mindestnote als Voraussetzung für die Teilnahme am Auswahlverfahren verfolgt der Dienstherr keine eignungsfremden Zwecke, sondern konkretisiert die von Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BBG vorgegebenen Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in typisierender Weise. Damit hält sich der Dienstherr im Rahmen des ihm eingeräumten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums. Der Festlegung einer Mindestnote aus beiden juristischen Staatsexamina ohne Rücksicht auf eine mehrjährige Berufserfahrung, wie sie die Klägerin als Beamtin im gehobenen Dienst vorweisen kann, liegt die nicht zu beanstandende Annahme zugrunde, dass ein oberhalb der Grenze liegendes Notenniveau in der Regel auf eine bessere Eignung für das zu vergebende Amt hindeutet als eine darunter liegende. Für eine solche typisierende Grenzziehung in Anwendung des verfassungsrechtlich in Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen und einfachgesetzlich durch § 9 BBG ausgestalteten Leistungsgrundsatzes bedarf es auch keiner speziellen gesetzlichen Regelung (OVG NW, B.v. 16.7.2020 – 1 A 341/20 – juris Rn. 14 ff.).
(2) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist im Auswahlverfahren nicht zu ihrem Nachteil gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen worden.
Der Haupteinwand des Zulassungsantrags, Volljuristen würden gegenüber anderen nichtjuristischen Hochschulabsolventen mit Masterabschlüssen bei der Einstellung in den höheren Dienst ohne rechtfertigenden Grund benachteiligt, weil nur bei ersteren eine Mindestnote verlangt würde, kann nicht überzeugen. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist im konkreten Auswahlverfahren eine rechtswidrige Ungleichbehandlung der Klägerin schon deshalb ausgeschlossen, weil sich die Ausschreibung allein an Volljuristen richtet. Aber auch wenn man die von der Klägerin kritisierte allgemeine Einstellungspraxis des Bundesamts betrachtet, ist eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nicht zu erkennen. Eine Unterscheidung zwischen Volljuristen und anderen Bewerbern ist aus denselben Gründen gerechtfertigt, die eine gesonderte Ausschreibung allein für den erstgenannten Personenkreis tragen. Die zugrundeliegende Annahme, wegen der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz könnten die dem höheren Dienst obliegenden Aufgaben jedenfalls in mehr oder weniger großen Bereichen des Bundesamts ohne fundierte Rechtskenntnisse in rechtsstaatsgemäßer Weise nicht erfüllt werden, ist nicht zu beanstanden. Zudem erwirbt die Befähigung zum Richteramt (§ 5 Abs. 1 DRiG) und damit zugleich die Laufbahnbefähigung für den höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst (§ 21 Abs. 2 BLV) nur, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt. Damit ist eine dienstrechtliche Unterscheidung zwischen Volljuristen und anderen Hochschulabsolventen bereits gesetzlich angelegt.
Einen Gleichheitsverstoß kann die Klägerin auch nicht daraus herleiten, dass die Beklagte einen schwerbehinderten Bewerber trotz Unterschreitens der Mindestnote zum Auswahlverfahren zugelassen hat. Sollte diese Bevorzugung gerechtfertigt sein, kann die Klägerin keine Gleichbehandlung verlangen, weil sie selbst nicht schwerbehindert ist. Sollte sie ungerechtfertigt sein, kann sie keine Gleichbehandlung im Unrecht verlangen. Dem Klagevorbringen lassen sich auch (bei weitem) keine ausreichenden Belege für die Annahme entnehmen, in der Einstellungspraxis werde das Anforderungsprofil Mindestnote für Volljuristen in einem Ausmaß missachtet, dass es der Klägerin nach den Grundsätzen des „strukturellen Vollzugsdefizits“ im konkreten Auswahlverfahren nicht entgegengehalten werden dürfte.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen mit über den Einzelfall hinausgehender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höhergerichtlicher Klärung bedürfen. Die Darlegung dieser Voraussetzungen verlangt vom Kläger, dass er unter Durchdringung des Streitstoffs eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird.
Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Zum einen fehlt es schon an der Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage im Zusammenhang mit den gerügten „mehrfachen Grundrechtsverletzungen durch die bisherige Ausschreibungs- und Auswahlverfahrenspraxis“. In der Sache ist zum anderen kein grundsätzlicher Klärungsbedarf ersichtlich, weil die sinngemäß angesprochenen Fragen auf der Grundlage der Rechtsprechung ohne weiteres im Sinn des Verwaltungsgerichts zu beantworten sind.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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