Verwaltungsrecht

Corona-Selbsttest als Voraussetzung der Teilnahme am Präsenzunterricht

Aktenzeichen  AN 18 E 21.01084

Datum:
16.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 19480
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
13. BayIfSMV § 4 Nr. 1b, § 20 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

§ 20 Abs. 2 S. 1 der 13. BayIfSMV gebietet es bei summarischer Prüfung nicht, den Testnachweis gem. § 4 der 13. BayIfSMV allein mit einem Selbsttest nachzuweisen, der auf einem Nasenabstrich basiert und der von der Schule des Betroffenen beschafft worden ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin die nach § 20 Abs. 2 Satz 1 13. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung für die Teilnahme am Präsenzunterricht vorgesehene Verpflichtung zur Durchführung eines SARS-CoV-2-Selbsttests mit negativem Ergebnis in der Schule unter Aufsicht gleichermaßen erfüllen kann, indem sie den vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassenen Antigentest zum direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttests) „SARS-CoV-2 Ag Diagnostic Test Kit (Colloidal Gold)“ des Herstellers Shenzhen Watmind Medical Co. Ltd. auf eigene Kosten und unter Eigenbeschaffung des Tests durchführt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der im Antragsschriftsatz vom 10. Juni 2021 gestellte Eilantrag, durch Schriftsatz vom selben Tage modifiziert, hat Erfolg.
I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung ist zulässig.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden.
Inmitten steht vorliegend ein derartiges streitiges Rechtsverhältnis. Denn es geht entscheidungserheblich um die Frage, ob die Antragstellerin die in § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Nr. 1b) 13. BayIfSMV vom 5. Juni 2021 als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht vorgesehene Verpflichtung, einen unter Aufsicht vorgenommenen Antigentest zur Eigenanwendung mit negativem Ergebnis durchzuführen, auch dadurch erfüllen kann, indem sie unter Eigenbeschaffung und auf eigene Kosten den im Beschlusstenor bezeichneten Selbsttest unter Aufsicht vornimmt, der – im Gegensatz zu den von der Schule des Antragsgegners zur Verfügung gestellten Selbsttests – speichelbasiert ist und keiner Einführung eines Teststäbchens in die Nase bedarf.
In Abgrenzung zu § 47 Abs. 6 VwGO ist festzustellen, dass die Antragstellerin ein Rechtschutzbedürfnis für den gestellten Antrag besitzt. Ersichtlich geht es ihr gerade nicht darum, die Wirksamkeit der hier anzuwendenden Normen, nämlich § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Nr. 1b) 13. BayIfSMV in Frage zu stellen, sondern vorläufig deren Anwendungsbereich bezogen auf das von der Antragstellerin angestrebte Testverfahren zu definieren und somit eine bestehende Rechtsunsicherheit zu lösen.
Die Antragstellerin ist nach eigener – und vom Antragsgegner bestätigter – Darstellung zunächst an den Schulleiter der von ihr besuchten Schule herangetreten und hat sich um eine vorherige außergerichtliche Klärung bemüht. Ein Abwarten auf eine etwaige Antwort war ihr angesichts des Zeitablaufs und des nunmehr stattfindenden täglichen Präsenzunterrichts nicht zumutbar, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für den hier zur Entscheidung gestellten Antrag zu bejahen ist.
Dieses entfällt auch nicht unter dem Aspekt, dass es den Schülern freisteht, einen Test im Sinne des § 4 Nr. 1a) 13. BayIfSMV basierend auf einer Speichelprobe außerhalb der Schule bei einer entsprechenden Teststelle oder beim Arzt oder in einer Apotheke durchführen zu lassen und das negative Testergebnis in der Schule vorzuweisen. Denn § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 13. BayIfSMV lässt den Schülern zunächst die Wahl, ob der Test in der Schule durchgeführt werden soll oder der Nachweis basierend auf einer externen Testung geführt wird. Dieses Wahlrecht würde der Antragstellerin genommen, würde man sie auf eine externe Testung verweisen und ihr das Rechtsschutzbedürfnis auf diese Weise absprechen. Aus Sicht der Antragstellerin handelt es sich um ein klärungsbedürftiges Problem im Rahmen der Anwendung der§§ 20 Abs. 2 Satz 1, 4 Nr. 1 13. BayIfSMV, zumal eine externe Testung möglicherweise organisatorisch und praktisch für die Antragstellerin und ihre Eltern jedenfalls schwerer durchführbar ist. Der Vortrag der Antragstellerseite, wonach sinngemäß eine entsprechende Testung sonst im weiter entfernten … oder … nach Terminsabsprache und zudem teilweise am Wochendende erfolgen müsste, ist glaubhaft und von der Gegenseite nicht bestritten worden.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch in der Sache begründet.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Antragstellerin einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen kann, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Dies ist vorliegend nach Auffassung der Kammer der Fall und führt dazu, dass die Antragstellerin mit ihrem Begehren vollumfänglich durchdringt.
Dies stellt im Übrigen keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar. Vielmehr ist die getroffene Anordnung im Hinblick auf das grundgesetzlich verankerte Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geradezu geboten, wenn – wie vorliegend – ein Abwarten bis zur Entscheidung in der – noch nicht anhängigen – Hauptsache für den Betroffenen schlechterdings unzumutbar wäre. Insoweit ist hier zugunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen, dass ihr eine Teilnahme am Präsenzunterricht versagt ist, solange sie nicht berechtigt ist, den erforderlichen Testnachweis auf die von ihr begehrten Art und Weise, nämlich unter Anwendung des von ihr zur Entscheidung gestellten, auf der Basis einer Speichelprobe durchgeführten Selbsttestung, zu erbringen. Die Antragstellerin hier auf den (rechtskräftigen) Abschluss eines etwaigen Hauptsacheverfahrens zu verweisen, würde das Recht der Antragstellerin auf Teilhabe an den vorhandenen und momentan auch im Präsenzunterricht arbeitenden Bildungseinrichtungen beeinträchtigen. Somit ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass jeder Tag, den die Antragstellerin nicht die Schule besuchen kann, zu nicht wiedergutzumachenden Nachteilen und Schäden führen kann (vgl. zum Streitstand Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, RdNr. 102 bis 105 f., Beckonline).
Die Vorwegnahme der Hauptsache ist in Fällen wie in dem Vorliegenden auch dann gerechtfertigt, wenn die Erfolgsaussichten nach summarischer Prüfung durch das Gericht (korrelierend zum Erfordernis der Glaubhaftmachung) als hoch anzusehen sind.
Gemessen an diesen Voraussetzungen dringt die Antragstellerin mit ihrem Begehren durch.
Die Dringlichkeit, d. h. das Bestehen des Anordnungsgrundes, besteht für die Antragstellerin darin, dass jeder Tag, an dem sie die Schule aufgrund des vermeintlichen Nichterfüllens der Testobliegenheit nicht besuchen kann, einen Nachteil etwa im Hinblick auf Chancengleichheit sowie Teilhabegerechtigkeit mit sich bringt.
Die Antragstellerin hat zudem einen Anspruch auf Erlass der begehrten Anordnung glaubhaft gemacht. Denn die Erfolgsaussichten einer – hier noch nicht anhängigen – Hauptsache sind nach ausreichender, aber auch erforderlicher summarischer Prüfung durch das Gericht als hoch anzusehen. So hält die Kammer an ihrer bereits im Beschluss vom 2. Juni 2021 unter dem gerichtlichen Az. AN 18 E 21.00939 vertretenen Auffassung fest, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 13. BayIfSMV, welcher im Wesentlichen der Vorgängerregelung (§ 18 Abs. 4 12. BayIfSMV), auf deren Grundlage noch der Beschluss der Kammer vom 2. Juni 2021 ergangen war, entspricht, es nicht gebietet, den Testnachweis gemäß § 4 13. BayIfSMV allein mit einem Selbsttest nachzuweisen, der auf einem Nasenabstrich basiert und der von der Schule des Antragsgegners beschafft worden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die im Beschluss vom 2. Juni 2021 getätigten Ausführungen Bezug genommen und lediglich ergänzend im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten ausgeführt:
1. § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV in der Fassung der Änderungsverordnung vom 25. März 2021, auf dessen Grundlage die Entscheidung der Kammer vom 2. Juni 2021 im Verfahren AN 18 E 21.00939 ergangen war, lautete wie folgt:
„(4)1 Am Präsenzunterricht und an Präsenzphasen des Wechselunterrichts nach Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 dürfen nur Schülerinnen und Schüler teilnehmen, die zu Beginn des Schultages über ein schriftliches oder elektronisches negatives Ergebnis eines PCR- oder POC-Antigentests in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verfügen und auf Anforderung der Lehrkraft vorweisen oder in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben. […]“
§ 20 Abs. 2 13. BayIfSMV vom 5. Juni 2021 lautet wie folgt:
„(2)1 Die Teilnahme am Präsenzunterricht und an Präsenzphasen des Wechselunterrichts sowie an der Mittags- und Notbetreuung ist Schülerinnen und Schülern nur erlaubt, wenn sie zweimal wöchentlich einen Testnachweis nach § 4 mit der Maßgabe erbringen, dass die zugrundeliegende Testung oder der in der Schule vorgenommene Selbsttest höchstens 48 Stunden vor dem Beginn des jeweiligen Schultags vorgenommen worden ist; § 4 Nr. 2 und 4 findet keine Anwendung. […].“
In § 4 13. BayIfSMV ist folgendes geregelt:
„Soweit in dieser Verordnung für die Nutzung oder die Zulassung zu bestimmten Einrichtungen, Betrieben oder Bereichen die Vorlage eines Nachweises hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Testnachweis) vorgesehen ist, gilt:
1. Es ist ein schriftliches oder elektronisches negatives Testergebnis a) eines PCR- oder POC-Antigentests oder b) eines vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassenen, unter Aufsicht vorgenommenen Antigentests zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttests) nachzuweisen, das den Bestimmungen der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) entspricht. […]“
2. Auch nach der Änderung der BayIfSMV, die im Hinblick auf das vorliegende Verfahren vor allem hinsichtlich der Neuregelung des § 4 13. BayIfSMV maßgeblich ist, weil insoweit die Legaldefinition des Begriffes „Selbsttests“ aus der Regelung über den Besuch von Patienten und Bewohnern von Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen in den Teil 1 „Allgemeine Regelung“ übergegangen ist und somit nunmehr ohne Weiteres und kraft der gesetzlichen Formulierung in § 4 13. BayIfSMV auf sämtliche Tatbestände der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, soweit ein Testnachweis vorgesehen ist, anzuwenden ist, mithin auch auf die hier in Streit stehende Testung einer Schülerin, ergibt sich nach Auffassung der Kammer keine andere Auslegung als jene, welche in den Beschluss vom 2. Juni 2021 mündete.
So bestimmt § 20 Abs. 2 Satz 1 13. BayIfSMV wie die Vorgängerregelung, dass die Teilnahme am Präsenzunterricht nur erlaubt ist, wenn zweimal wöchentlich ein Testnachweis im Sinne des § 4 13. BayIfSMV erbracht worden ist.
§ 4 13. BayIfSMV sieht ausdrücklich vor, dass ein Testnachweis in einem schriftlichen oder elektronischen negativen Testergebnis eines PCR oder POC-Antigentest (Nr. 1 a)) oder eines vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassenen, unter Aufsicht vorgenommenen Antigentests zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttests) (Nr. 1 b)) zu sehen ist. Eine Beschränkung der hier inmitten stehenden Selbsttests auf Produkte, welche auf einem Nasenabstrich beruhen und von der Schule zur Verfügung gestellt werden, findet sich in § 4 13. BayIfSMV gerade nicht. Auf eine derartige einengende Kumulation der Voraussetzungen liefe jedoch die Haltung des Antragsgegners hinaus.
Allein maßgeblich ist vielmehr, ob der jeweilige Selbsttest vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassen ist. Davon geht im Übrigen auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus (vgl. BayVGH, B.v.12.5.2021, 20 NE 21.1303 – juris).
Dies ist bei dem von der Antragstellerin zur Entscheidung gestellten Test jedenfalls und unbestritten der Fall: Dieser ist auf der „Liste der Antigen-Tests zum direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2, die Gegenstand des Anspruchs nach § 1 Satz 1 gemäß 3. Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung – TestV) sind“, letzte Änderung: 9.6.2021, 16:37 Uhr (www.antigentest.bfarm.de, zuletzt abgerufen am 15. Juni 2021 um 17:00 Uhr) enthalten.
Für eine Auslegung dergestalt, dass ein Selbsttest, der auf einem anderen Verfahren als dem Nasenabstrich beruht und nicht von der Schule bereitgestellt worden ist, nicht unter den Testnachweis im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Nr. 1 13. BayIfSMV fallen würde, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr stünde eine derartig einengende Sichtweise der hier zugrundeliegenden Vorschriften im Widerspruch zu deren eindeutigen Wortlaut. Auch die Tatsache, dass die 12. BayIfSMV durch die 13. BayIfSMV vom 5. Juni 2021 hier im wesentlich einschlägig in § 4 13. BayIfSMV geändert worden ist, aber gerade die Modalitäten der Selbsttests keine Veränderung im Sinne des normgebenden Antragsgegners erfahren haben, zeigt auch, dass ein solches Verständnis dem Wortlaut und dem Sinne und Zweck der Vorschrift zuwiderliefe.
3. Die seitens des Antragsgegners vorgebrachten Einwände sind im Ergebnis nicht geeignet, die Rechtsauffassung der Antragstellerin zu widerlegen. Letztlich handelt es sich dabei sämtlich um praktische Erwägungen des Antragsgegners, die bei aller Berechtigung, einen reibungslosen Ablauf der Tests und damit auch des Unterrichts zu gewährleisten, nicht durchgreifen.
Dem Einwand, die Lehrkräfte könnten im Einzelfall nicht sicherstellen, dass auch jeder der derzeit zugelassenen 72 verschiedenen Tests korrekt durchgeführt werde, ist entgegen zu halten, dass dies auch bei unterstellter Verwendung nur eines einzigen Testes, nämlich dem von der Schule bereitgestellten, kaum der Fall sein dürfte. So ist zu berücksichtigen, dass momentan und so auch im Landkreis …, wo die Antragstellerin zur Schule geht, täglicher Präsenzunterricht stattfindet – ohne Einhaltung der Abstandsvorschriften. Dies bedeutet, dass eine Lehrkraft in der Regel die Testung von 20 bis 30 Schülern überwachen muss. Es dürfte auch bei Verwendung nur eines einzigen Testverfahrens nahezu unmöglich sein, dass eine einzige Lehrkraft bei sämtlichen Schülern sicherstellen kann, dass diese den Abstrich fachgerecht durchführen. Ob jeder einzelne Schüler das Teststäbchen beispielsweise tief genug bzw. lange genug in den Nasenraum einführt, dürfte für die Lehrkraft gar nicht feststellbar sein.
Aus Sicht der Kammer ist zudem nicht vorstellbar, dass eine Lehrkraft nicht in der Lage sein sollte, einen Selbsttest, der nicht auf einem Nasenabstrich beruht, sondern auf einer Speichelprobe, ebenso fachkundig zu beaufsichtigen wie den, für dessen Durchführung die Lehrkräfte eigens geschult sind. Selbsttests sind kraft ihrer Legaldefinition in § 4 Nr. 1b) 13. BayIfSMV „zur Eigenanwendung durch Laien“ bestimmt und entsprechend einfach konzipiert. Dies gilt auch für den von der Antragstellerin zur Entscheidung gestellten Test. Die Kammer hat sich nach Durchsicht der (im Internet unter www.antigentest.bfarm.de, zuletzt abgerufen am 15. Juni 2021 um 17:00 Uhr, zur Verfügung stehenden) Gebrauchsanweisung davon überzeugt, dass die Testdurchführung – bis auf die Probenentnahme – derjenigen eines Tests mit Nasenabstrich entspricht und ebenso leicht praktiziert werden kann. Ein eigener Schulungsbedarf lässt sich daraus nicht ableiten. Plausibel erscheint zudem der sinngemäße Vortrag der Antragstellerin, wonach sie in der Anwendung des Tests hinreichend geübt sei. Im Übrigen besteht gerade in Fällen, in denen Schüler Angst vor der Durchführung eines Tests mittels Nasenabstrich entwickeln – wie es hier geltend gemacht ist – die nicht unerhebliche Gefahr, dass ein solcher Test deswegen nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird.
Insoweit spricht einiges dafür, dass ein Testverfahren, welches wie das in Streit stehende eine Speichelprobe benutzt (sogenannter Lolli-Test) sogar gegenüber dem vom Antragsgegner favorisierten Testnachweis praktikabler und vorzugswürdig sein dürfte, was die Einfachheit und die Durchführbarkeit angeht.
Ausschlaggebend ist jedoch für die vorliegende Entscheidung, dass der Normgeber sämtliche Testverfahren, unabhängig von der Frage, ob diese einfach zu praktizieren und zu kontrollieren sind oder nicht, für zulässig erklärt hat. Nach dem klaren Wortlaut von § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 13. BayIfSMV besitzen Schüler ein Wahlrecht, einen zugelassenen Test unter Aufsicht durchzuführen, nicht dagegen, einen Test lediglich dann durchzuführen, sofern dieser beaufsichtigt wird.
Dass diese Entscheidung des Normgebers etwa von einem schulorganisatorischen Ermessen überlagert werden kann, ist nicht der Fall. Das schulorganisatorische Ermessen kann sich ausschließlich im Rahmen der aktuell gültigen Rechtslage bewegen und diese nicht etwa aushebeln.
4. Sollte der ablehnenden Haltung des Antragsgegners etwa die Sorge zugrunde liegen, dass die Freigabe der Art der Testung zu einem Durcheinander und einer Art „Rosinenpickerei“ führen könnte, ist dem entgegenzuhalten, dass dies im Hinblick auf die Antragstellerin und der konkreten Situation der Antragstellerin in ihrer Klasse und ihrer Schule nicht hinreichend konkret und substantiiert geltend gemacht worden ist.
Es ist vielmehr nach Auffassung der Kammer naheliegend, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler die vom Antragsgegner beschafften Testsets verwenden wird. Zunächst einmal ist wenig wahrscheinlich, dass mehr als einzelne Schüler tatsächlich Probleme mit der Durchführung eines Nasenabstrichs haben, wie es von der Antragstellerin vorgetragen worden ist. Zudem bedarf die Verwendung anderer als von der Schule bereitgestellter Tests eines gewissen organisatorischen und auch finanziellen Aufwandes. Mangels näherer Darlegung kann und muss diesem Einwand jedoch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht weiter nachgegangen werden.
5. Für den Antragsgegner ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass die Antragstellerin aufgrund der Reichweite des heutigen Beschlusses verpflichtet ist, den von ihr angestrebten Test jeweils selbstständig zu besorgen und durch ihre Eltern finanzieren zu lassen, kein finanzieller Nachteil und auch kein organisatorischer Mehraufwand, was die Beschaffung der Testsets angeht.
6. Der Einwand, dass selbstmitgebrachte Tests anfälliger für Manipulationen seien, greift ebenfalls nicht durch. Insoweit ist der Antragstellerseite recht zu geben, dass dies genauso zu befürchten ist, wenn die Schülerinnen und Schüler wie im vorliegenden Fall Testsets ausgehändigt bekommen und die einzelnen darin enthaltenden Tests jeweils zum angesetzten Testtermin in der Schule mitbringen müssen. Das Gericht hält die Gefahr etwaiger Manipulationen zudem für derart unwahrscheinlich, dass diesem – nicht näher substantiierten – Einwand nicht weiter nachgegangen werden muss. Insoweit hat der Antragsgegner keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen, die für eine gesteigerte Gefahr von Manipulationen im Falle selbstmitgebrachter Tests sprächen. Unklar ist dabei vor allem, inwieweit ein Laie einen solchen Test überhaupt manipulieren könnte.
7. Soweit der Antragsgegner etwa meint, dass das Lehrpersonal nicht verpflichtet sei, andere Tests als die von der Schule bereit gestellten zu beaufsichtigen, handelt es sich dabei allenfalls um ein dienstrechtliches Problem ausgelöst durch die entsprechende Weisungslage, die an den Vollzug der §§ 20, 4 13. BayIfSMV angepasst werden müsste. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
8. Vorliegend kommt es entscheidungserheblich nicht darauf an, dass die Antragstellerin hinreichend konkret und substantiiert vorgetragen hat, dass sie in ihrer körperlichen und seelischen Integrität durch das von der Schule praktizierte Testverfahren mittels eines Nasenabstrichs beeinträchtigt wird. Dass die Antragstellerin Schmerzen erlitten hat und bei ihr Nasenbluten aufgetreten ist, hat der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt, spielt jedoch nach hier vertretener Auffassung keine Rolle, weil allein die Verletzung der in §§ 20 Abs. 2 Satz i.V.m § 4 Nr. 1 13. BayIfSMV normierten Wahlfreiheit maßgeblich ist.
9. Nach alledem war dem Antrag im beantragten Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dabei macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben, weil der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.


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