Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  Au 5 K 19.30503

Datum:
24.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41417
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Kläger haben zu dem nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 AsylG, auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, § 4 AsylG, oder auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Libanon (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid ist – soweit er Gegenstand der Klage ist – auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Anordnung bzw. Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zur Begründung wird zunächst gem. § 77 Abs. 2 AsylG in vollem Umfang auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Bescheides Bezug genommen.
Im Übrigen wird Folgendes ausgeführt.
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylG.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559,560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen § 3c Nr. 1 AsylG, sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, § 3c Nr. 2 AsylG, oder von nicht staatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, § 3c Nr. 3 AsylG.
Dabei ist es Sache des Asylbewerbers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, sodass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dafür genügt aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
1.1 Danach haben die Kläger nicht glaubhaft gemacht, dass sie den Libanon vorver folgt im obengenannten Sinne verlassen haben.
Sie konnten insbesondere nicht glaubhaft machen, dass sie den Libanon aufgrund einer im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Ausreise stehenden, unmittelbaren, konkreten und asylerheblichen Verfolgung durch die schiitische Hisbollah verlassen haben.
Nach dem bewaffneten Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah im Sommer 2006 geriet der Libanon in eine langanhaltende innerpolitische Krise, die im Frühjahr und Sommer 2008 nach fast zwei Jahren in bewaffneten Auseinandersetzungen gipfelte. Auch wenn die verschiedenen innerstaatlichen Konflikte zwischenzeitlich institutionell gelöst scheinen, bestehen die hierfür maßgeblichen Ursachen aber weiter. Insbesondere die politische und militärische Rolle von Hisbollah bleibt im Libanon ein struktureller Streitpunkt. Die Hisbollah bildet zumindest in ihren Hochburgen in Teilen der Bekaa-Ebene, südlichen Beiruter Vororten sowie in Teilgebieten des Südens des Libanon weiterhin eine Art Staat im Staate und übernimmt dort neben sozialen und politischen Aufgaben faktisch auch die Funktion einer Sicherheitsbehörde (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 24. Januar 2020, (S. 7 u. 8.).
Die Kläger haben vorgetragen, dass es im Jahr 2008 Probleme zwischen den Schi iten und den Sunniten in dem schiitischen Viertel, in dem die Autowerkstatt des Klägers zu 1 gelegen habe, gekommen sei. Die Kläger machten geltend, sie seien danach in dem schiitischen Viertel nicht mehr erwünscht gewesen und die Geschäfte seien schlecht gegangen. Das hat die Kläger aber nicht davon abgehalten, von einer drei monatigen Schließung des Geschäfts abgesehen, die Autowerkstatt dort in den nächsten Jahren weiter zu betreiben. Eine asylerhebliche Bedrohung der Kläger ist insoweit nicht ersichtlich. Auch die von den Klägern behaupteten Schwierigkeiten, die sie als Sunniten in den Jahren 2013 und 2015 mit Schiiten wegen der in dem schiitischen Viertel gelegenen Werkstatt gehabt hätten, lassen nicht den Schluss zu, dass die Kläger gerade deswegen mehr als zwei Jahre später, nämlich nach ihren Angaben am 7. November 2017, den Libanon verlassen haben. Soweit die Kläger angegeben haben, ca. zwei Monate vor der Ausreise auch zu Hause Probleme mit Schiiten gehabt zu haben, lässt sich daraus eine asylerhebliche Vorverfolgung ebenfalls nicht ableiten. So hat der Kläger zu 1 hierzu ausgesagt, er habe einen Bewohner einer Nachbarwohnung, der Lärm gemacht habe, gebeten, leiser zu sein, woraufhin dieser zwei Männer von Hisbollah zu ihm nach Hause geschickt habe. Konkrete Angaben dazu, ob bzw. wie seine Familie dabei konkret bedroht worden sei, hat der Kläger aber weder in der Anhörung beim Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren gemacht. Im Übrigen hat der Kläger zu 1 selbst angegeben, er habe bereits seit dem Jahr 2008 aufgrund der Probleme im Libanon bzw. der wirtschaftlichen Situation geplant, mit der Familie das Land zu verlassen, es habe sich dann aber erst Ende 2017 die Möglichkeit dazu ergeben. Auch diese Angaben des Klägers zu 1 vermögen nicht glaubhaft zu machen, dass die Kläger den Libanon im November 2017 aufgrund einer unmittelbaren, konkreten und asylerheblichen Verfolgung verlassen haben.
Widersprüchlich und nicht glaubhaft sind auch die Angaben des Klägers zu 1 zu den Umständen, unter denen er seine Werkstatt verkauft haben will. So hat der Kläger in der Anhörung beim Bundesamt ausgesagt, er habe die Werkstatt im Jahr 2017 an einen Schiiten für 37.000 Dollar verkauft, obwohl sie 120.000 Dollar wert gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dagegen auf entsprechende Frage erklärt, er habe die Werkstatt bereits im Jahr 2015 für 120.000 Dollar verkauft, von denen die Familie seither gelebt habe. Auf den Vorhalt, dass der Kläger zu 1 in seiner Anhörung ausgesagt habe, die Werkstatt im Jahr 2017 verkauft zu haben, hat der Kläger sich nicht glaubhaft dahingehend eingelassen, er habe bereits im Jahr 2015 mit dem Käufer vereinbart, diesem die Werkstatt zu verkaufen, sie dem Käufer dann aber erst im Jahr 2017 übergeben. Auf den Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, dass der Kläger zu 1 in der Anhörung beim Bundesamt ausgesagt habe, für die Werkstatt lediglich 37.000 Dollar bekommen zu haben, erklärte der Kläger zu 1, er habe monatlich ca. 2.000 Dollar bis 4.000 Dollar Gewinn mit der Werkstatt gemacht. Wie hätte er da nur 37.000 Dollar bei einem Verkauf für die Werkstatt erlösen sollen. Das müsse ein Missverständnis bei der Anhörung gewesen sein.
Auch auf die mehrfache und konkrete Aufforderung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, den konkreten und unmittelbaren Grund für die Ausreise der Kläger im November 2017 zu schildern, hat sich der Kläger zu 1 lediglich dahingehend geäußert, es habe ab dem Jahr 2008 Probleme im Zusammenhang mit der Werkstatt in dem schiitischen Viertel gegeben und sie seien ständig bedroht worden bzw. wer wolle schon in einer Stadt leben, in der die Hisbollah die faktische Macht habe.
Zusammenfassend ist danach festzustellen, dass die Kläger nicht glaubhaft machen konnten, dass sie Beirut aufgrund von in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise stehenden, unmittelbaren, konkreten und asylerheblichen Verfolgungshandlungen verlassen haben.
Ungeachtet dessen liegt jedenfalls keine landesweite asylerhebliche Verfolgung i.S.d. § 3e Abs. 1 AsylG vor, der sich die Kläger nicht durch ein Ausweichen in andere Landesteile hätten entziehen können.
Zwar schränkt die Existenz nicht staatlicher Akteure die Zugriffsmöglichkeiten der Staatsorgane in verschiedenen Landesteilen insbesondere in den südlichen Vororten Beiruts, den schiitischen Siedlungsgebieten in der Bekaa-Ebene und im Süden des Landes ein, in denen die Hisbollah präsent ist und Druck auf staatliche Institutionen ausübt. Einer Verfolgung durch nicht staatliche Akteure kann aber in der Regel durch Verlegung des Wohnortes außerhalb des Einflussbereichs dieser Akteure umgangen werden. Beispielsweise ist der Einfluss der Hisbollah im christlichen Kerngebiet des Mont Liban oder im sunnitischen Tripoli sehr gering (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 24. Januar 2020, S. 18).
Danach wäre es den Klägern durchaus möglich gewesen, aus dem Erlös des Verkaufs der Werkstatt, sich in einem anderen Stadtteil Beiruts oder einem anderen Landesteil des Libanon eine Existenz aufzubauen.
1.2 Den Klägern droht auch bei einer Rückkehr in den Libanon nicht die konkrete Ge fahr einer asylerheblichen Verfolgung.
Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1.1 Bezug genommen.
2. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG.
2.1 Es ist nicht zu erwarten, dass den Klägern bei einer Rückkehr in den Libanon die Verhängung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AsylG droht.
Die Kläger haben nicht glaubhaft machen können, dass ihnen bei einer Rückkehr in den Libanon ein ernsthafter Schaden im obengenannten Sinne droht. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1. Bezug genommen.
2.2 Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schut zes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Danach ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes ausgesetzt ist.
Von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist im Libanon nicht auszugehen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 24.1.2020, S. 5, 7 und 8).
3. Es liegen für die Kläger auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
3.1 Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
3.1.1 Die Auskunftslage rechtfertigt nicht die Annahme, dass die humanitäre Lage im Libanon wegen Art. 3 EMRK zu einem Abschiebungsverbot wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung für den gesamten Libanon führen könnte.
Zwar leben trotz des relativ hohen Pro-Kopf-Einkommens ca. 28% der libanesischen Bevölkerung an oder unter der Armutsgrenze von ca. 4 Dollar pro Tag, wobei die Tendenz insbesondere aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage steigend ist. Insbesondere im Nordlibanon, in der nördlichen Bekaa-Ebene sowie im Südlibanon bestehen hohe Armutsraten. Für arme Libanesen besteht bislang nur ein rudimentäres System der sozialen Sicherung in Form des nationalen Armutsprogramms. Eine allgemeine Arbeitslosen- oder Rentenversicherung gibt es nicht. Wesentliches Element sozialer Sicherung ist die Familie, daneben caritative und religiöse Einrichtungen für die jeweilige Religionsgruppe. Spezielle Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht. Andererseits handelt es sich bei dem Libanon um ein Land mit einer relativ guten medizinischen Versorgung. Die Ärzteschaft umfasst auch Spezialisten, die zu einem großen Teil im westlichen Ausland studiert und auch praktiziert haben. Staatliche Krankenhäuser gibt es in allen größeren Städten. Neben der privaten und staatlichen Krankenversicherung können Behandlung und Medikation für Mittellose und/oder aus dem Ausland zurückkehrende Libanesen durch eine Überweisung des Gesundheitsministeriums an dessen Vertragskrankenhäuser und Vertragsärzte erfolgen. Die Vertragskrankenhäuser des Gesundheitsministeriums sind verpflichtet, vom Gesundheitsministerium zugewiesene Patienten im Rahmen einer monatlichen Quote aufzunehmen (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 24.1.2020, S. 21 und 22). Darüber hinaus steht den Klägern über die Rückkehrprogramme „REAG“ bzw. „GARP“ auch das „Bayerische Rückkehrprogramm“ (Bayerische Richtlinie zur Förderung der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland vom 30. August 2019 in der Fassung vom 1. Februar 2021) zur Verfügung.
3.1.2 Im Übrigen kommt es insoweit auf die Herkunftsregion und die individuelle Situ ation des jeweiligen Betroffenen an. Schlechte humanitäre Verhältnisse können nur in ganz außergewöhnlichen Fällen Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe zwingend sind (EuGH, U.v. 28.6.2011 – 8319/07 – NVwZ 2012, 618).
Diese Voraussetzungen liegen für die Kläger nicht vor.
Der Kläger ist ein ausgebildeter Kraftfahrzeugmechaniker und hat selbst über Jahre hinweg in Beirut eine nach seinen Angaben größere Kfz-Werkstatt geführt und mit dieser nach seinen Angaben monatlich zwischen 2.000 und 4.000 Dollar erwirtschaftet. Es ist danach davon auszugehen, dass es ihm bei einer Rückkehr möglich sein wird, den Lebensunterhalt für sich und die Kläger zu 2 und zu 3 aus eigener Tätigkeit sicherzustellen. Hinzu kommt, dass nach den Angaben des Klägers zu 1 in der Anhörung beim Bundesamt noch vier Brüder und eine Schwester von ihm im Libanon leben. Es kann daher auch davon ausgegangen werden, dass die Kläger bei einer Rückkehr jedenfalls für eine Übergangszeit auch mit einer entsprechenden Unterstützung der Familie rechnen werden können.
3.2 Auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegen nicht vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Dabei wird davon ausgegangen, dass der Kläger zu 1, seine Ehefrau, die Klägerin zu 2 und die noch minderjährige Tochter der Kläger zu 1 und zu 2, die Klägerin zu 3, allenfalls gemeinsam die Bundesrepublik Deutschland verlassen werden.
Gem. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind dabei Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebungsstopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Libanon aufgrund der derzeitigen dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden, auch Gefahren durch die schlechte Versorgungslage und Gefahren durch kriminelle Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Bei den durch die Corona-Pandemie drohenden Gefahren handelt es sich um allgemeine Gefahren i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG. Es ist nicht ersichtlich, dass bei den Klägern besondere Umstände vorliegen, die befürchten ließen, dass sie im Libanon wegen der Corona-Pandemie alsbald existenziellen Gefahren ausgesetzt wären. Auch wenn die Pandemie-Lage im Libanon angespannt sein sollte, zählen die Kläger nicht zu einem Personenkreis, bei dem zu erwarten wäre, dass sie im Falle einer Erkrankung mit lebensbedrohlichen Folgen rechnen müssten. Zudem ist es den Klägern zumutbar, durch geeignete Hygiene- und Schutzmaßnahmen selbst das Risiko einer Ansteckung möglichst gering zu halten.
Sonstige konkrete und individuelle Gefahren i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind für die Kläger zu verneinen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kläger bei einer Rückkehr jedenfalls ihr Existenzminimum werden sichern können. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2. und 3.1 Bezug genommen.
Für den Kläger zu 1 liegt auch keine konkrete erhebliche Gefahr aus gesundheitlichen Gründen vor. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Erheblich ist eine Gefahr, wenn der Umfang der Gefahrenrealisierung von bedeutendem Gewicht ist. Das ist dann der Fall, wenn sich durch die Rückkehr der allein unter dem Gesichtspunkt der Leibes- und Lebensgefahr in Betracht kommende Gesundheitszustand des Betroffenen wegen geltend gemachter unzureichender medizinischer Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung in einem angemessenen Prognosezeitraum wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – NvWZ 2007, 712).
Aus dem vom Kläger zu 1 vorgelegten vorläufigen Entlassbrief der Kreisklinik Wertingen vom 5. August 2021, in dem für den Kläger zu 1 eine orthosthatische Dysregelation bei guter systolischer LV-Funktion diagnostiziert wurde und darüber hinaus keine weitergehenden Erkrankungen festgestellt wurden, lässt sich danach das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses aus gesundheitlichen Gründen nicht ableiten.
4. Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung beruhen auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 AufenthG und sind rechtmäßig. Die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG bzw. dessen Befristung nach § 11 Abs. 3 AufenthG ist ebenfalls rechtmäßig. Die zuletzterer angestellten Ermessungserwägungen sind nicht zu beanstanden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist gem. § 83b AsylG gerichtskostenfrei.


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