Verwaltungsrecht

Coronavirus, SARS-CoV-2, Anordnung, Vollziehung, Fraktion, Antragstellung, Antragsteller, Verletzung, Aufhebung, Auslegung, Verfahren, Landtag, Erlass, Feststellung, Organstreitverfahren, Arbeit, einstweiligen Anordnung, Erlass einer einstweiligen Anordnung, einstweilige Anordnung

Aktenzeichen  Vf. 37-IVa-21

Datum:
6.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10098
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.

Gründe

I.
1. Die Antragsteller zu 2 bis 5 sind Abgeordnete des Bayerischen Landtags und Mitglied der Antragstellerin zu 1, der Fraktion Alternative für Deutschland (AfDFraktion) im Bayerischen Landtag. Die Antragsteller zu 3 bis 5 sind durch ärztliches Zeugnis von der Verpflichtung zur Tragung einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) befreit. Die Antragsteller wenden sich in einer Verfassungsstreitigkeit gegen ein von ihnen als „Allgemeinverfügung“ bezeichnetes Schreiben der Präsidentin des Bayerischen Landtags (Antragsgegnerin zu 1) vom 14. April 2021 (Az. A III O-2081) und deren 3. Anordnung und Dienstanweisung „Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der durch die Ausbreitung des ‚Corona-Virus‘ bedingten besonderen Situation vom 25. März 2021, geändert am 14. April 2021“. Sie beanstanden darin getroffene Anordnungen dazu, dass von den Abgeordneten bei Sitzungen nunmehr auch am Platz eine Mund-Nasen-Bedeckung (medizinische Gesichtsmaske) zu tragen ist, dass für Abgeordnete, die vom Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung befreit sind, der Zutritt zu Sitzungen nur noch gewährt wird, wenn sie über ein aktuelles negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 verfügen, sowie dass in mehrfach belegten Büros das Ablegen der Mund-Nasen-Bedeckung nur noch bei zeitlicher Entzerrung der Nutzung gestattet wird.
Die von der Antragsgegnerin zu 1 im Einvernehmen mit dem Präsidium erlassene „Allgemeinverfügung vom 14. April 2021“, mit der die 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021 in den beanstandeten Einzelpunkten geändert wurde, ist auf das öffentlichrechtliche Hausrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 BV und § 16 Abs. 2 der Hausordnung für den Bayerischen Landtag vom 15. April 2019 sowie die dienstrechtliche Fürsorgepflicht gestützt und am 19. April 2021 in Kraft getreten. In der Allgemeinverfügung ist die sofortige Vollziehung der darin getroffenen Anordnungen festgelegt; sie tritt mit Ablauf des 31. Mai 2021 außer Kraft. Das angegriffene Schreiben der Präsidentin des Bayerischen Landtags vom 14. April 2021 weist unter Beifügung dieser Änderungsverfügung und einer Lesefassung der geänderten 3. Anordnung und Dienstanweisung auf die vorgenommenen Änderungen hin und enthält Erläuterungen.
2. Die Antragsteller beantragen im Hauptsacheverfahren festzustellen, dass „die Allgemeinverfügung vom 14. April 2021 sowie die Anordnung und Dienstanweisung vom 14. April 2021“ die Antragsteller in ihren Rechten aus dem freien Mandat sowie in ihren organschaftlichen Rechten verletzt (Antrag Nr. 1). Weiter beantragen sie die Feststellung, dass die Anordnungen der Antragsgegnerin zu 1, wonach von den Abgeordneten medizinische Masken auch am Platz zu tragen sind, auch in den Abgeordnetenbüros Masken zu tragen sind sowie eine Testpflicht für vom Maskentragen befreite Abgeordnete gilt, je gegen höherrangiges Recht verstoßen (Antrag Nrn. 2 bis 4). Im Weg der einstweiligen Anordnung wollen sie die Antragsgegner verpflichtet haben, „die Allgemeinverfügung vom 14. April 2021 und die Anordnung und Dienstanweisung vom 14. April 2021“ einstweilen nicht zu vollziehen (Eilantrag Nr. 1), stellen wortgleich die weiteren Feststellungsanträge zu den Einzelanordnungen aus dem Hauptsacheverfahren (Eilantrag Nrn. 2 bis 4) und beantragen, die Anordnungen insofern außer Vollzug zu setzen und zu Nummer 3 einen „Hängebeschluss“ zu erlassen (Eilantrag Nrn. 5 und 6).
Die Antragsteller sind der Auffassung, „die Verfügung“ verletze das Recht des freien Mandats und die Fraktionsrechte in erheblicher Weise.
Zur Begründung führen sie zunächst an, dass entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin zu 1 im angegriffenen Schreiben kein gesteigertes Pandemiegeschehen im Vergleich zum vorangegangenen Zeitraum bestehe und die „besorgniserregende“ Variante B.1.1.7 nicht nachweislich ein Infektionsrisiko in der Bevölkerung erhöhe. Ob Masken das Infektionsgeschehen eindämmten, sei nach Studienlage jedenfalls zweifelhaft; es mehrten sich Hinweise darauf, dass das Maskentragen das Infektionsgeschehen sogar negativ beeinflusse. Hinsichtlich der Gesamtrisikobewertung bestehe keine erhöhte Sterblichkeit, die Auslastung der Intensivstationen sei bundesweit und auch in Bayern konstant.
Als Fraktion sei die Antragstellerin zu 1 Trägerin öffentlichrechtlicher Statusrechte. Das zum Statuskern jedes Fraktionsmitglieds – der weiteren Antragsteller – gehörende freie Mandat sei verfassungsgemäß normiert und in der Rechtsprechung als wehrfähiges Innenrecht anerkannt. Aus diesem Grundsatz und dem organschaftlichen Status folge für die Fraktion und für den einzelnen Abgeordneten ein Abwehrrecht gegen andere Organe, die sie in ihrer Freiheit beeinträchtigten. Grundsätzlich stehe es dem einzelnen Abgeordneten frei, seinen parlamentarischen Alltag zu organisieren, wie er es für richtig empfinde. Ein Zutritt zum Parlamentsbetrieb dürfe dem Abgeordneten grundsätzlich nicht verwehrt oder an Bedingungen geknüpft werden. So liege es durch die neuen Anordnungen aber hier. Den Antragstellern werde bindend aufgetragen, den ganzen Tag über Masken zu tragen, eine Abwägung mit den damit verbundenen Gesundheitsgefahren fehle; die von der Tragepflicht befreiten Antragsteller zu 3 bis 5 sollten aus dem Parlamentsbetrieb ausgeschlossen werden, sofern sie sich nicht testen ließen, ohne dass eine Grundrechtsabwägung insbesondere mit Art. 1 und 2 GG wegen eines solchen körperlichen Eingriffs stattfinde. Unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit sei auch höchst zweifelhaft, ob die Maßnahme noch geeignet sei, zumal dafür, dass der parlamentarische Betrieb einen Infektionsherd darstelle, nichts dargetan sei. Grundsätzlich rechtfertige sich eine Verschärfung staatlicher Maßnahmen nur, wenn die bisherigen Maßnahmen erkennbar nicht ausreichend seien oder aber sich die Lage deutlich verschärfe, was nicht dargetan sei. Hierbei dürfe nicht verkannt werden, dass die Maske mehr als eine „bloße Lästigkeit “ sei. Neben den sozialen und psychischen Auswirkungen unterziehe sich der einzelne Abgeordnete damit auch einer medizinisch nachteiligen Maßnahme, die über ein bloßes „Berufsrisiko“ hinausgehe. Darüber hinaus erwachse aus der Maske zugleich eine politische Dimension, die über bloße neutrale Regelungen der Hausordnung hinausrage.
Für die maskenbefreiten Antragsteller sei zusätzlich nicht zumutbar, sich einem Test zu unterziehen, um Zugang zur Volksvertretung zu erhalten; als gewählte Vertreter stehe ihnen dieses Recht grundsätzlich voraussetzungslos zu. Dem maskenbefreiten Abgeordneten werde damit eine erhöhte Hürde zum Zugang zu der parlamentarischen Arbeit und im Plenum aufgebürdet. Die freie Mandatsausübung müsse jedoch bedingungslos gewährleistet sein und eine Unterscheidung von Abgeordneten sei überdies unzulässig. Ferner fehle es an jedweder Verhältnismäßigkeit, da maskenbefreite Abgeordnete jeden Supermarkt und jedes öffentliche Verkehrsmittel betreten dürften, während ihnen dies in den weitläufigen Räumlichkeiten des Landtags verwehrt werde. Anders als nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Testung von Schülern handle es sich auch nicht um eine bloße Obliegenheit.
Diese Bedenken gälten nicht nur für die einzelnen Abgeordneten, sondern gleichfalls für die Fraktion, deren öffentliche Darstellung und deren parlamentarische Arbeit durch die Maßnahmen gegenüber ihren Mitgliedern tiefgreifend beeinträchtigt würden.
Den Abgeordneten werde die Möglichkeit, innerhalb des Plenarsaals ihr Gesicht zu zeigen, und damit auch die Chance genommen, die Regierungspolitik etwa durch ablehnende Mimik zu kommentieren; durch die Verpflichtung, im Plenum eine Maske zu tragen, würden die Antragsteller, die (bekanntermaßen) eine kritische Position zur gegenwärtigen Corona-Politik und zum Maskenzwang einnähmen, dieser Regierungspolitik zwangsweise äußerlich unterworfen. Es handle sich mithin um eine Beeinträchtigung des Kernbereichs der freien Mandatsausübung, der sich vor allem im Plenum des Landtags abspiele, in dem bereits Abstandsregeln geschaffen seien. In den Fraktionsbüros und in den Abgeordnetenbüros verfügten die Antragsteller über ein eigenes Hausrecht, sodass ein Eingriff in ihre Rechte vorliege. Es müsse ihnen insofern selbst überlassen bleiben, wie sie den Infektionsschutz gewährleisteten. Die Antragsteller berufen sich weiter darauf, dass die Antragsgegnerin zu 1 nicht zuständig zum Erlass der Allgemeinverfügung in dem hier vorliegenden Umfang sei. Eine – notwendige – gesetzliche Grundlage sei insofern durch Art. 20 BV in Verbindung mit § 11 der Geschäftsordnung des Landtags nicht gegeben. Auch sei die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit rechtswidrig.
Zur Begründung des Eilbedürfnisses bezüglich einer einstweiligen Anordnung berufen sich die Antragsteller im Wesentlichen darauf, dass sie der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung seit deren Inkrafttreten unterworfen seien und die Verletzung ihrer Rechte bis zur Aufhebung unvermittelt fortbestehe. Daher sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile der Antragsteller erforderlich; die verfassungsmäßigen und organschaftlichen Rechte der Antragsteller würden ansonsten über einen langanhaltenden Zeitraum maßgeblich beeinträchtigt. Die bisherigen Regelungen hätten bislang genügt, um einen geschützten Betrieb des Landtags zu ermöglichen, der erkennbar zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen sei. Ein überwiegendes Interesse an einem noch intensiveren Infektionsschutz könne insofern nicht bestehen.
3. a) Die Präsidentin des Bayerischen Landtags tritt dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegen. Dieser sei schon (teilweise) unzulässig. Jedenfalls sei deswegen keine einstweilige Anordnung zu erlassen, weil das Begehren der Antragsteller im Hauptsacheverfahren offensichtlich keine Erfolgsaussichten habe.
b) Der Bayerische Landtag hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.
1. Nach Art. 26 Abs. 1 VfGHG kann der Verfassungsgerichtshof eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund dringend geboten ist. Diese Regelung bezieht sich auf alle Verfahrensarten im Sinn des Art. 2 VfGHG, also auch auf Verfassungsstreitigkeiten gemäß Art. 64 BV, Art. 49 VfGHG (VerfGH vom 4.2.1991 VerfGHE 44, 9/14; vom 14.9.2020 – Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 8; vom 9.11.2020 – Vf. 98-IVa-20 – juris Rn. 7; vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris
Rn. 10). Wegen der weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in der Regel auslöst, ist an die Voraussetzungen, unter denen sie erlassen werden kann, ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt insbesondere im Organstreitverfahren, da der Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit einen Eingriff in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans bedeutet (vgl. VerfGH vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 10; BVerfG vom 30.10.2018 BVerfGE 150, 163 Rn. 10; vom 17.9.2019 BVerfGE 152, 55 Rn. 16).
Die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Maßnahmen vorgetragen werden, haben im Regelfall außer Betracht zu bleiben. Wenn allerdings offensichtlich ist, dass die Anträge aus prozessualen oder sachlichen Gründen keine Aussicht auf Erfolg haben, käme eine einstweilige Anordnung von vornherein nicht in Betracht. Umgekehrt kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung dann geboten sein, wenn die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen offensichtlich ist. Ist ein Antrag nicht offensichtlich erfolgversprechend oder offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so hat der Verfassungsgerichtshof allein die Folgen abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Antragsteller aber in der Hauptsache Erfolg hätten, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag aber im Hauptsacheverfahren abzuweisen wäre (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 14.9.2020 -Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 8; vom 9.11.2020 – Vf. 98-IVa-20 – juris Rn. 7; vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 10).
Einstweilige Anordnungen können außerdem nur dazu dienen, eine vorläufige Regelung zu treffen; die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung darf die Hauptsacheentscheidung grundsätzlich nicht vorwegnehmen (VerfGH vom 19.7.1982 VerfGHE 35, 82/87; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 64 Rn. 18). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zudem regelmäßig unzulässig, wenn der Verfassungsgerichtshof eine entsprechende Rechtsfolge im Hauptsacheverfahren nicht bewirken könnte. Im Organstreit, der als kontradiktorische Parteistreitigkeit maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihrer Teile in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns dient, stellt der Verfassungsgerichtshof in der Regel lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme gegen verfassungsmäßige Rechte verstößt (vgl. z. B. VerfGH vom 27.6.1977 VerfGHE 35, 48; vom 6.6.2012 BayVBl 2011, 662; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 64 Rn. 13 m. w. N.; einschränkend für den Erlass einer Rechtsvorschrift betreffende Streitigkeiten Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 64 Rn. 21). Es obliegt sodann dem jeweiligen Verfassungsorgan selbst, einen festgestellten verfassungswidrigen Zustand zu beenden. Für eine über die Feststellung einer Verletzung der Rechte des Antragstellers hinausgehende Verpflichtung des Antragsgegners zu einem bestimmten Verhalten ist im Organstreit daher grundsätzlich kein Raum. Entsprechend kommt auch der Erlass einer auf eine solche Verpflichtung des Antragsgegners gerichteten einstweiligen Anordnung im Organstreit grundsätzlich nicht in Betracht; etwas anderes könnte allenfalls in vom Antragsteller darzulegenden Sonderkonstellationen gelten, wenn allein hierdurch die Schaffung vollendeter Tatsachen im Sinn einer endgültigen Vereitelung des geltend gemachten Rechts verhindert werden kann (vgl. VerfGH vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 18; BVerfG vom 12.3.2019 BVerfGE 151, 58 Rn. 13; vom 22.7.2020 NVWZ 2020, 1420 Rn. 40). Dafür ist dem Vorbringen der Antragsteller jedoch nichts zu entnehmen.
2. Nach diesen Maßstäben ist eine einstweilige Anordnung im vorliegenden Fall nicht zu erlassen. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist teilweise unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet.
a) aa) Unzulässig ist der Antrag im Verfahren gemäß Art. 26 Abs. 1 VfGHG, soweit er sich gegen den Bayerischen Landtag – den Antragsgegner zu 2 – richtet. Die Antragsteller wenden sich gegen „Vorgaben“ und Anordnungen, die von der Antragsgegnerin zu 1, der Präsidentin des Bayerischen Landtags, getroffen wurden. Die für die Zulässigkeit eines Antrags im Organstreit erforderliche Darlegung, dass die Antragsteller (auch) durch eine Maßnahme oder ein Verhalten des Antragsgegners zu 2 in einer ihnen durch die Bayerische Verfassung eingeräumten Rechtsposition verletzt oder gefährdet wären, erfolgt nicht ansatzweise. Damit fehlt es von vornherein an einer Grundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber dem Antragsgegner zu 2.
bb) Ebenfalls unzulässig ist der Antrag gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 insoweit, als in dessen Nummern 2 bis 4 – entsprechend der Antragstellung im Hauptsacheverfahren – die Feststellung begehrt wird, dass die beanstandeten Anordnungen der Präsidentin des Bayerischen Landtags, wonach „von den Abgeordneten medizinische Masken auch am Platz zu tragen sind“, „auch in den Abgeordnetenbüros Masken zu tragen sind“ und „eine Testpflicht für vom Maskentragen befreite Abgeordnete gilt“, je „gegen höherrangiges Recht“ verstoßen. Die darauf bezogenen weiteren Anträge unter Nummern 5 und 6 sind entsprechend unzulässig.
Das Begehren auf allgemeine Feststellung eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht ist kein zulässiger Gegenstand einer Verfassungsstreitigkeit gemäß Art. 64 BV, Art. 49 VfGHG. Wie oben unter 1. bereits dargestellt, dient der Organstreit als kontradiktorische Parteistreitigkeit maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihrer Teile in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns; Art. 64 BV eröffnet nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage. Demgemäß stellt der Verfassungsgerichtshof im Organstreit regelmäßig lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme gegen ein bestimmtes verfassungsmäßiges Recht des Antragstellers verstößt oder dieses verletzt. Prüfungsmaßstab sind also die (auch ungeschriebenen) verfassungsmäßigen Rechte des Antragstellers. Ein etwaiger (allgemeiner) Verstoß gegen „höherrangiges Recht“ kann zwar insoweit als Vorfrage eine Rolle spielen, aber nicht selbstständig zum Gegenstand der Antragstellung gemacht werden (vgl. auch BVerfG vom 2.3.2021 NVwZ 2021, 555 Rn. 57 zum bundesrechtlichen Organstreit). Im Übrigen wäre die begehrte Feststellung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Vorwegnahme der Hauptsache und würde dem Charakter des Eilverfahrens widersprechen, in dem nur eine summarische Prüfung der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen erfolgen kann.
cc) Auch der verbleibende Antrag im Verfahren gemäß Art. 26 Abs. 1 VfGHG unter Nummer 1, mit dem die Landtagspräsidentin einstweilen bis zu einer Entscheidung über die Organklage in der Hauptsache, längstens jedoch für die Dauer von 6 Monaten, verpflichtet werden soll, die Allgemeinverfügung vom 14. April 2021 und die Anordnung und Dienstanweisung vom 14. April 2021 nicht zu vollziehen, ist teilweise unzulässig.
(1) Hinsichtlich der Neuregelung zur erweiterten Maskenpflicht in mehrfach belegten Büros besteht keine eigene Rechtsbetroffenheit der Antragsteller. Wie die Antragsgegnerin zu 1 in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2021 dargelegt hat, betrifft diese Anordnung – entgegen der Annahme der Antragsteller im Hinblick auf die möglicherweise missverständliche Formulierung der Neuregelung – nur die Büros der Landtagsverwaltung, die Fraktions- und Abgeordnetenbüros werden hingegen nicht von ihr erfasst. Der insoweit behauptete Eingriff in verfassungsmäßige Rechte der Abgeordneten oder auch der Fraktionen liegt daher offenkundig nicht vor.
(2) Auch im Übrigen fehlt es teilweise an der Antragsbefugnis der Antragsteller.
Dies gilt zunächst für die Antragstellerin zu 1, die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag. Abgeordnetenrechte als solche kann sie nicht geltend machen, da das bayerische Verfassungsprozessrecht im Organstreit – anders als § 64 Abs. 1 BVerfGG – die Möglichkeit einer Prozessstandschaft nicht vorsieht (vgl. VerfGH vom 14.9.2020 – Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 10 m. w. N.). Die Antragstellerin zu 1 kann zwar als Fraktion und damit als ein Zusammenschluss von Abgeordneten selbst Trägerin verfassungsmäßiger Rechte sein, auf die eine Verfassungsstreitigkeit nach Art. 64 BV, Art. 49 VfGHG und demgemäß auch ein Antrag auf Erlass einer diesbezüglichen einstweiligen Anordnung gestützt werden kann. Dies setzt jedoch voraus, dass der Antragsteller im verfassungsgerichtlichen Verfahren – den grundsätzlichen prozessualen Anforderungen entsprechend – einschlägige in der Bayerischen Verfassung verankerte Rechte geltend macht (vgl. VerfGH vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 15). An dem dafür erforderlichen substanziierten Vortrag fehlt es hier. Die Antragstellerin zu 1 behauptet zwar, dass ihre öffentliche Darstellung und ihre parlamentarische Arbeit durch die Maßnahmen gegenüber ihren Mitgliedern tiefgreifend beeinträchtigt würden und beruft sich allgemein auf ihre öffentlichrechtlichen Statusrechte. Darin erschöpft sich ihr Vorbringen aber im Wesentlichen, zur näheren Begründung verweist sie pauschal auf das, was sie zu den einzelnen Abgeordneten ausgeführt hat. Das reicht nicht aus.
Die Anträge der Antragsteller zu 3 bis 5 sind mangels Antragsbefugnis unzulässig, soweit sie die in der Allgemeinverfügung und der geänderten 3. Anordnung und Dienstanweisung enthaltene Verpflichtung betreffen, bei Sitzungen im Plenarsaal, in den Ausschüssen und anderen parlamentarischen Sitzungen auch am Platz eine Mund-Nasen-Bedeckung (medizinische Gesichtsmaske) zu tragen. Diese Antragsteller sind durch ärztliches Zeugnis von der Maskenpflicht befreit und damit von der beanstandeten erweiterten Maskenpflicht jedenfalls derzeit von vornherein nicht in eigenen verfassungsmäßigen Rechten betroffen. Eine Prozessstandschaft ist im vorliegenden Verfahren, wie eben dargestellt, nicht zulässig. Daher ist ein Bedürfnis für eine Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Art. 26 Abs. 1 VfGHG insofern nicht ersichtlich.
Entsprechend ist der Antrag des Antragstellers zu 2 insoweit unzulässig, als er sich gegen die Anordnung einer „Testpflicht“ für von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen befreite Abgeordnete wendet. Er ist selbst nicht von der Maskenpflicht befreit und damit von der Anordnung jedenfalls derzeit von vornherein nicht betroffen.
(3) Soweit die Antragsgegnerin zu 1 in ihrer Stellungnahme Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags unter Nummer 1 im Hinblick auf dessen weit gefassten Wortlaut äußert, nach dem sie insgesamt zum Nichtvollzug „d[er] Anordnung und Dienstanweisung vom 14. April 2021“ verpflichtet werden soll, ist dies eine Frage der Auslegung des Rechtsschutzbegehrens der Antragsteller. Der Verfassungsgerichtshof geht aufgrund des Gesamtzusammenhangs der gestellten Anträge und der Begründung im Antragschriftsatz davon aus, dass „die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen“, deren Umsetzung einstweilen durch eine Entscheidung im Verfahren nach Art. 26 Abs. 1 VfGHG verhindert werden soll, lediglich die durch die Allgemeinverfügung vom 14. April 2021 vorgenommenen Änderungen sein sollen, die die Antragsteller auch konkret angreifen. Sollte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegen dieser Bewertung tatsächlich dem weiten Wortlaut entsprechend auf Nichtvollzug der 3. Anordnung und Dienstanweisung in der aktuellen Fassung insgesamt und damit über diese Maßnahmen hinaus gerichtet sein, wäre er allerdings insoweit mangels substanziierten Vortrags unzulässig.
dd) Im Ergebnis ist damit von den im Verfahren der einstweiligen Anordnung gestellten Anträgen lediglich der unter Nummer 1 zulässig und auch dieser nur, soweit er sich gegen die Antragsgegnerin zu 1 richtet, zwei der drei konkret beanstandeten Regelungen betrifft (erweiterte Maskenpflicht bei Sitzungen im Plenarsaal, in Ausschüssen und anderen parlamentarischen Sitzungen; „Testpflicht“ für vom Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung befreite Abgeordnete) und die Antragsteller insoweit je antragsbefugt sind.
b) Der (verbleibende) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedenfalls unbegründet.
aa) Vorab ist der zutreffende Antragsgegenstand festzuhalten.
Die Antragsteller meinen, dass die ihre verfassungsmäßigen Rechte beeinträchtigende (Allgemein-)Verfügung im Schreiben der Präsidentin des Bayerischen Landtags vom 14. April 2021 liege und ziehen die dem Schreiben beigefügte Änderungsverfügung vom selben Tag und die geänderte 3. Anordnung und Dienstanweisung lediglich ergänzend heran. Diese Zuordnung ist nach den vorgelegten Anlagen unzutreffend. Dem beanstandeten Schreiben selbst kommt entgegen der Auffassung der Antragsteller kein Regelungscharakter zu. Darin wird lediglich auf die (im Einvernehmen mit dem Präsidium getroffene) Entscheidung der Antragsgegnerin zu 1, die 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021 an die gegenwärtige Infektionslage anzupassen, hingewiesen und werden Erläuterungen dazu gegeben. Regelungscharakter kann nur der dem Schreiben beigefügten, von der Präsidentin des Bayerischen Landtags erlassenen „Allgemeinverfügung vom 14. April 2021“ zukommen, mit der sie ihre 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021 geändert hat, bzw. der 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021 in der Fassung dieser letzten Änderung.
Der Verfassungsgerichtshof geht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugunsten der Antragsteller entsprechend ihrem erkennbaren Rechtsschutzziel davon aus, dass ihr auf „die Allgemeinverfügung vom 14. April 2021“ und „die Anordnung und Dienstanweisung vom 14. April 2021“ bezogener Antrag zumindest auch die Maßnahme der Antragsgegnerin zu 1 betreffen soll, der tatsächlich Regelungscharakter zukommt.
bb) Die beanstandeten Maßnahmen der Landtagspräsidentin verletzen bei der gebotenen überschlägigen Prüfung jedenfalls nicht offenkundig organschaftliche Rechte der davon betroffenen Antragsteller aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a BV.
(1) Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits im vorangegangenen Organstreitverfahren mit dem Aktenzeichen Vf. 70-IVa-20, an dem die Antragsteller zu 1 und 2 sowie die Antragsgegnerin zu 1 beteiligt waren, mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung zur damaligen, am 3. Juli 2020 in Kraft getretenen „Anordnung und Dienstanweisung“ der Präsidentin des Bayerischen Landtags befasst; dieses Verfahren betraf unter anderem die damaligen Regelungen zum Tragen einer MundNasen-Bedeckung im Maximilianeum sowie zum Mindestabstandsgebot und zur maximalen Belegungskapazität der Sitzungssäle und Besprechungsräume. Mit Entscheidung vom 14. September 2020 wurde der damalige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die ihrerseits auf die verfassungsrechtliche Grundlage des Art. 21 Abs. 1 BV gestützten ordnungsrechtlichen Maßnahmen der Landtagspräsidentin jedenfalls nicht offenkundig organschaftliche Rechte der Antragsteller aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a BV verletzten und auch eine Folgenabwägung nicht zugunsten der Antragsteller ausgehe.
Art. 13 Abs. 2 BV bestimme, dass die Abgeordneten Vertreter des Volkes seien, nicht nur einer Partei; sie seien nur ihrem Gewissen verantwortlich und an Aufträge nicht gebunden. Hieraus ergebe sich ein subjektives Recht der Abgeordneten, ihr Mandat innerhalb der Schranken der Verfassung ungehindert auszuüben (sog. freies Mandat). Ferner werde ein Kernbestand an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben verbürgt, der unter anderem ein gewisses Maß an Rede- und Antragsbefugnissen umfasse, worauf sich auch eine Fraktion berufen könne. Da die Antragsteller der parlamentarischen Opposition angehörten, seien die dargestellten Rechte zudem durch Art. 16 a Abs. 1 und 2 BV gewährleistet. Der Minderheit solle ermöglicht werden, ihren Standpunkt in den Willensbildungsprozess des Parlaments einzubringen.
Inwieweit durch die von den damaligen Antragstellern beanstandete Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung – die zu dieser Zeit in parlamentarischen Sitzungen noch nicht am Platz galt – in die Ausübung dieser Rechte eingegriffen werden solle, erschließe sich nicht. Eine Beeinträchtigung des Kernbereichs der Mandatsausübung sei nicht ersichtlich, zumal die Anordnung eine Reihe von Ausnahmen von der Maskenpflicht vorsehe, wie unter anderem auch für das Tragen in Sitzungssälen und Besprechungsräumen am Platz sowie bei Presseinterviews, wenn ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden könne. Hinsichtlich der den Abgeordneten und Fraktionen zur Nutzung für parlamentarische Zwecke überlassenen Räumlichkeiten werde zudem lediglich geraten, den Anordnungen entsprechende eigene Regelungen zu erlassen. Dass die Parlamentsarbeit infolge der damit vor allem für die Verkehrsflächen des Maximilianeums sowie für Sitzungssäle und Besprechungsräume außerhalb des Platzes geltenden Maskenpflicht unzumutbar erschwert würde, erscheine fernliegend. Es sei verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Präsidentin des Bayerischen Landtags zur Begründung der von ihr getroffenen Maßnahmen unter anderem auf die Risikobewertung des Robert Koch-Instituts Bezug nehme, dem der Bundesgesetzgeber als zuständiger nationaler Behörde gemäß § 4 IfSG eine besondere Rolle eingeräumt habe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ungeeignet wäre, zur Eindämmung des Virus beizutragen. Aus der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung ergäben sich daher gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag in der Hauptsache keinen Erfolg haben werde. Dass die pandemiebedingten Einschränkungen nach dem Vorbringen der Antragsteller im Widerspruch zu ihrer politischen Agenda stünden, ändere an dieser Beurteilung nichts (VerfGH vom 14.9.2020 – Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 15 ff.). Selbst wenn von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgegangen werde, habe der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg, da bei der dann gebotenen Folgenabwägung die gegen den Erlass einer solchen Anordnung sprechenden Gründe überwögen (VerfGH, a. a. O., Rn. 22 ff.).
(2) Für die im vorliegenden Verfahren in Streit stehende vorübergehende „Ver schärfung“ der Schutzmaßnahmen im Landtag in den beiden zulässig angegriffenen Einzelpunkten, die im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung des Infektionsgeschehens und auf die geänderte Definition von engen Kontaktpersonen durch das Robert Koch-Institut erfolgt ist, ergibt sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsteller im Ergebnis keine andere Bewertung. Bei der vorzunehmenden summarischen Prüfung sind die Erfolgsaussichten des Antrags im Hauptsacheverfahren allenfalls als offen anzusehen.
Angesichts des Prüfungsmaßstabs im Organstreitverfahren ist dabei nicht per se maßgebend, ob die getroffenen Anordnungen in jeder Hinsicht mit höherrangigem Recht vereinbar sind, sondern ob durch sie unzulässig in das Recht der antragstellenden Abgeordneten auf freie Mandatsausübung oder in den Kernbestand an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben eingegriffen wird. Davon kann nicht ausgegangen werden.
(aa) Ein unzulässiger Eingriff durch die Änderungen liegt nicht etwa deshalb vor, weil die Präsidentin des Bayerischen Landtags die Maßnahmen offenkundig außerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen hätte, ihrerseits keine verfassungsrechtlichen Grundlagen für den Erlass der Anordnungen in Anspruch nehmen könnte, von einer offenkundig unzutreffenden Risikobewertung ausgegangen wäre, die grundsätzliche Eignung der Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen und etwaigen Quarantäneanordnungen evident falsch beurteilt oder mit den Maßnahmen verbundene erhebliche Gesundheitsgefahren für die Abgeordneten verkannt hätte.
Die Allgemeinverfügung der Landtagspräsidentin vom 14. April 2021 ist wie vorangegangene Anordnungen und Dienstanweisungen zu „Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der durch die Ausbreitung des ‚Corona-Virus‘ bedingten besonderen Situation“ auf das unmittelbar in der Verfassung verankerte Hausrecht der Präsidentin gemäß Art. 21 Abs. 1 BV gestützt, was bei summarischer Prüfung keinen durchgreifenden Bedenken begegnet. Das Hausrecht schränkt die Parlamentsautonomie ein (Klein in Maunz/Dürig, GG, Band IV, Art. 40 GG Rn. 146), zu ihm gehören auch Verhaltens- oder Nutzungsregeln (Morlok/ Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 21 Rn. 33). Das Hausrecht und darauf gestützte Anordnungen gelten gegenüber allen Personen, die sich im räumlichen Geltungsbereich des Hausrechts aufhalten, also u. a. auch gegenüber den Abgeordneten (Klein, a. a. O., Rn. 100, 147, 161, 164). Die Anordnung zum Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung (medizinische Gesichtsmaske) auch am Platz und die angeordnete „Testpflicht“ für vom Maskentragen befreite Personen betreffen auch nicht den Ablauf der parlamentarischen Sitzungen als solche, sondern haben begleitenden Charakter; die Maßnahmen dienen der Sicherstellung des Infektionsschutzes im Landtag und der generellen Aufrechterhaltung seiner Funktionsfähigkeit; es ist nachvollziehbar, sie dem Hausrecht zuzuordnen.
Die getroffenen Anordnungen dienen dem legitimen, der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben und die körperliche Unversehrtheit entsprechenden Ziel, der weiteren Ausbreitung von Infektionen mit dem Corona-Virus entgegenzuwirken, sowie dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Interesse an der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Landtags als Verfassungsorgan (vgl. VerfGH vom 14.9.2020 – Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 24).
Die in der Begründung der Allgemeinverfügung zur Risikobewertung herangezogenen Erwägungen sind nachvollziehbar und entsprechen insbesondere den Einschätzungen des Robert Koch-Instituts. Die Landtagspräsidentin hat im Rahmen der allgemeinen Risikobewertung ähnliche Überlegungen angestellt wie der Verordnungsgeber bei Erlass der derzeit geltenden Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung und der hierzu zwischenzeitlich ergangenen Änderungen. Dies ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Der Verfassungsgerichtshof teilt insbesondere die Einschätzung eines gesteigerten Pandemiegeschehens und erhöhter Risiken durch die derzeit vorherrschende „besorgniserregende“ Virusvariante B.1.1.7, wie sich aus Folgenabwägungen in jüngst ergangenen Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hinsichtlich der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung ersehen lässt (vgl. VerfGH vom 12.4.2021 – Vf. 21-VII-21 – juris Rn. 26; vom 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 35 f.; vgl. zur Risikobewertung auch die Begründung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BT-Drs. 19/28444 S. 8). Im Übrigen trifft die Behauptung der Antragsteller nicht zu, dass kein einziger Fall einer Infektion in den Räumlichkeiten des Landtags bzw. im Plenum bekannt sei.
Die Antragsgegnerin zu 1 hat in ihrer Stellungnahme dargestellt, dass es sehr wohl in den letzten Monaten, insbesondere im März und April 2021, mehrere nachweislich positiv getestete Fälle unter Abgeordneten und Mitarbeitern des Landtags oder der Fraktionen gab; zudem hätten sich zwei Mitglieder des Landtags jeweils länger als einen Monat in Quarantäne begeben müssen und seien dadurch in der Ausübung ihres Mandats eingeschränkt gewesen.
(bb) Die getroffenen Einzelanordnungen stellen auch unter Berücksichtigung von Gleichheitserwägungen keinen offenkundig unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Antragsteller aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a BV dar.
Dies gilt zunächst hinsichtlich der erweiterten Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (medizinische Gesichtsmaske) auch am Platz bei Sitzungen im Plenarsaal, in Ausschusssitzungen sowie in sonstigen parlamentarischen Sitzungen. Hierbei handelt es sich um eine graduelle Änderung gegenüber den bislang schon geltenden Regelungen zur Maskenpflicht, die sicherlich die bestehende gewisse Beeinträchtigung des allgemeinen Wohlbefindens der Betroffenen verstärkt. Es bleibt aber auch in der Neuregelung dabei, dass die Mund-Nasen-Bedeckung am Redepult sowie bei Wortbeiträgen vom Platz wie z. B. Zwischenfragen oder Zwischenbemerkungen abgenommen werden kann, sofern der Infektionsschutz durch Abtrennungen oder Einhaltung des Mindestabstands gewährleistet wird. Die aktive Beteiligung von Abgeordneten in parlamentarischen Sitzungen – als Teil des Kernbestands an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben – wird damit von der Änderung nicht berührt. Die rein aus Gründen des Infektionsschutzes allgemein angeordnete erweiterte Maskenpflicht ist auch politisch neutral; die Annahme, dass dadurch die Möglichkeiten der Antragsteller zur Kommentierung der Regierungspolitik unzumutbar eingeschränkt oder sie dieser Politik „zwangsweise äußerlich unterworfen“ würden, liegt fern. Entgegen der Behauptung der Antragsteller wird den Abgeordneten auch keineswegs „bindend aufgetragen, den ganzen Tag über Masken zu tragen“. Die Neuregelung betrifft nur den Sitzungsbetrieb. Es steht den Abgeordneten auch jederzeit frei, während (längerer) parlamentarischer Sitzungen vorübergehend den Saal zu verlassen und sich in Bereiche zu begeben, für die keine Maskenpflicht angeordnet ist. Eine stetige und durchgehende Anwesenheit eines jeden einzelnen Abgeordneten ist gerade in langen Plenarsitzungen auch nicht üblich. Dass den Abgeordneten ernsthafte Gesundheitsgefahren durch die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auch am Platz drohen würden, ist nach aktuellem Erkenntnisstand fernliegend. Den Abgeordneten wird insoweit auch nicht mehr zugemutet als verschiedenen Berufsgruppen oder auch Schülerinnen und Schülern im Präsenzunterricht. Für Abgeordnete, denen im Einzelfall aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Mund-NasenBedeckung nicht möglich oder unzumutbar ist, besteht weiterhin die Möglichkeit, sich auf Antrag von dieser Verpflichtung befreien zu lassen.
In Bezug auf die Anordnung, dass Personen, die vom Tragen einer Mund-NasenBedeckung befreit sind, der Zutritt zu parlamentarischen Sitzungen nur gewährt wird, wenn sie über ein aktuelles negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 verfügen und dieses auf Verlangen glaubhaft machen können, ergibt sich bei überschlägiger Prüfung kein anderes Ergebnis. Die darin liegende Obliegenheit beinhaltet für die von ihr Betroffenen zweifellos eine gewisse Beeinträchtigung ihrer organschaftlichen Stellung, wenn auch anderer Art als die Maskenpflicht für die sonstigen Abgeordneten. Insoweit ist mittelbar zusätzlich die informationelle Selbstbestimmung betroffen und wird die körperliche Integrität berührt. Um eine Verweigerung des Zutritts zu den Sitzungen und den darin liegenden Eingriff in ihr Recht auf Mitwirkung am parlamentarischen Prozess im Plenum zu vermeiden, können die Betroffenen sich freiwillig einer Testung unterziehen. Die Beeinträchtigungen durch eine solche Testung sind gegebenenfalls nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität, sodass nicht offenkundig von einem unverhältnismäßigen Eingriff ausgegangen werden kann (vgl. zur „Testpflicht“ an Schulen VerfGH vom 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 27 ff., 30). Für die „Ungleichbehandlung“ gegenüber den Abgeordneten, die der Maskenpflicht unterliegen, hat die Antragsgegnerin zu 1 sachliche und unschwer nachvollziehbare Gründe angeführt. Die „Testpflicht“ stellt ein Pendant zur Maskenpflicht für Fälle dar, in denen das Risiko einer Weiterverbreitung des Corona-Virus eben nicht durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vermindert werden kann. Das Bemühen, im Rahmen von Regelungen des Hausrechts dem Schutzbedürfnis der anderen in parlamentarischen Sitzungen anwesenden Abgeordneten Rechnung zu tragen, möglichst keinem erhöhten Infektionsrisiko durch nicht maskentragende Abgeordnete ausgesetzt zu werden, ist in keiner Weise rechtlich zu beanstanden.
Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann auch nicht etwa daraus hergeleitet werden, dass auf Grundlage der allgemein geltenden Bestimmungen gemäß dem Infektionsschutzgesetz und der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung keine entsprechende Regelung beispielsweise bei Einkäufen im Supermarkt oder bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und auch kein Gleichlauf der hier streitigen „Testpflicht“ zu gesetzlichen Vorschriften für Schulen und Betriebe besteht. An der Vergleichbarkeit fehlt es schon deshalb, weil mit der beanstandeten hausrechtlichen Allgemeinverfügung keine pauschalierenden, abstraktgenerellen Bestimmungen für eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebensbereichen getroffen werden, sondern die hausrechtlichen Regelungen speziell auf die Situation im Landtag zugeschnitten sind und die dort konkret bestehenden Umstände und gegenläufigen Interessen der davon Betroffenen berücksichtigen. In der konkreten Bewertung der Situation und bei der Abwägung der Interessen steht der Präsidentin des Bayerischen Landtags als Verfassungsorgan im Übrigen ein Einschätzungsspielraum zu. Die Antragsgegnerin zu 1 hat in ihrer Stellungnahme erläutert, dass den Abgeordneten im Landtag ein umfängliches landtagseigenes und kostenloses Testangebot zur fachgerechten Testung zur Verfügung stehe und zudem in der näheren Umgebung des Landtags ein umfangreiches Angebot anderer Teststationen. Darüber hinaus würden auch von anderen – fachkundigen – Stellen, wie zum Beispiel Ärzten, ausgestellte Testergebnisse akzeptiert. Schließlich bestehe bei Plenarsitzungen für Abgeordnete eine Ausweichmöglichkeit in den Senatssaal, in dem ohne Masken und ohne vorherigen Test ca. zehn Personen die Sitzung per Bild- und Tonübertragung verfolgen und von dort aus Zwischenbemerkungen oder Redebeiträge leisten könnten und in dem die Möglichkeit der Teilnahme an Abstimmungen bestehe; an Ausschusssitzungen könnten gesundheitlich gefährdete Personen oder auch solche, die von der Maskenpflicht befreit seien, per Videozuschaltung teilnehmen. Auf dieser Grundlage ist eine Missachtung oder evidente Fehlbewertung der berechtigten Interessen von Abgeordneten, die von der Pflicht zur Tragung einer Mund-NasenBedeckung befreit sind, nicht erkennbar; eine unzumutbare Hürde für den Zugang zu ihrer parlamentarischen (Sitzungs-)Tätigkeit wird durch die „Testpflicht“ nicht aufgestellt.
cc) Bei der demnach angezeigten Folgenabwägung überwiegen – wie im vorangegangenen Verfahren mit dem Aktenzeichen Vf. 70-IVa-20 – die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe. Dabei ist, wie oben unter 1. ausgeführt, zu berücksichtigen, dass insbesondere im Organstreitverfahren ein strenger Maßstab anzulegen ist, da der Erlass einer einstweiligen Anordnung einen Eingriff in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans bedeutet und die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache grundsätzlich nicht vorwegnehmen darf.
Würde die einstweilige Anordnung wie von den Antragstellern begehrt erlassen und die Präsidentin des Bayerischen Landtags verpflichtet, einstweilen die neuen Anordnungen zur erweiterten Maskenpflicht in Sitzungen und zur „Testpflicht“ für von der Maskentragungspflicht befreite Abgeordnete nicht zu vollziehen, läge darin jedenfalls eine Vorwegnahme der Hauptsache. Eine Sonderkonstellation, in der allein durch Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung die Schaffung vollendeter Tatsachen im Sinn einer endgültigen Vereitelung des geltend gemachten Rechts verhindert werden könnte und deswegen zur Abwehr schwerer Nachteile im Sinne des Art. 26 Abs. 1 VfGHG eine einstweilige Anordnung dringend geboten wäre, haben die Antragsteller nicht substanziiert dargelegt. Zur Begründung des Eilbedürfnisses berufen sie sich im Wesentlichen pauschal darauf, dass sie der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung seit deren Inkrafttreten unterworfen seien und die Verletzung ihrer Rechte bis zur Aufhebung unvermittelt fortbestehe. Dieses Vorbringen genügt in Anbetracht des Umstands, dass die mit den beanstandeten Anordnungen verbundenen „Hürden“ für die Mandatsausübung verhältnismäßig geringfügig sind und den Abgeordneten damit lediglich etwas zugemutet wird, was derzeit auch in weiten Bereichen des Alltagslebens verlangt wird, den Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht.
III.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).


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