Verwaltungsrecht

Coronavirus, SARS-CoV-2, Hund, Bescheid, Erkrankung, Prozesskostenhilfe, Vollziehung, Beiordnung, Gefahrenabwehr, Bewilligung, Gemeinde, Anordnung, Verletzung, Hundehaltung, Gefahr, Nachbarn, sofortige Vollziehung, konkrete Gefahr, Antrag auf Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  AN 15 S 21.2231, AN 15 K 21.2232

Datum:
11.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15353
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 20. Dezember 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2021 wird insoweit wiederhergestellt, als sie sich gegen den in den Ziffern 2 und 3 angeordneten Beißkorbzwang richtet. Sie wird im Hinblick auf Ziffer 6 (Zwangsgeldandrohung) insoweit angeordnet, als sie sich auf den in den Ziffern 2 und 3 angeordneten Beißkorbzwang bezieht; im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Antragstellerin zu 3/4 und die Antragsgegnerin zu 1/4.
3. Der Streitwert im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
4. Der Klägerin wird für das Hauptsacheverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der … Rechtsanwälte bewilligt, soweit sich die Klage auf den in den Ziffern 2 und 3 enthaltenen Beißkorbzwang und die insoweit gemäß Ziffer 6 ergangene Zwangsgeldandrohung bezieht, sowie bezüglich der in Ziffer 7 des Tenors des Bescheids der Beklagten vom 16. November 2021 enthaltene Gebührenfestsetzung. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
5. Der Antragstellerin wird im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der … Rechtsanwälte bewilligt, soweit sich der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den in den Ziffern 2 und 3 angeordneten Beißkorbzwang sowie auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das in Ziffer 6 angedrohte Zwangsgeld bezüglich des Beißkorbzwangs in den Ziffern 2 und 3 bezieht. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides der Beklagten und Antragsgegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) vom 16. November 2021 bezüglich Anordnungen zur Hundehaltung durch die Klägerin und Antragstellerin (im Folgenden: Antragstellerin).
Die Antragstellerin ist Halterin der Hündin „…“ (Dobermann-Pinscher-Mix), geb. am 9. April 2019.
Bereits im Rahmen einer Anlasskontrolle der Hundehaltung am 10. Dezember 2019 wurde durch die Amtstierärztin Dr. … … festgestellt, dass die Antragstellerin nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres verfüge. Die Führung des Hundes an der Leine finde ohne jegliche Kommunikation statt. Die Antragstellerin werde daher im Tierschutz dazu verpflichtet, eine Hundeschule mit mindestens 12 Einheiten zu absolvieren und dem Veterinäramt bis Ende Mai 2020 einen Nachweis vorzulegen. Im Mai 2020 wurde die Frist bis Ende Juni verlängert.
Am 30. August 2020 ging bei der Antragsgegnerin eine E-Mail der Frau G* … ein, in welcher ein Beißvorfall vom 25. August 2020 gegen 21.40 Uhr gemeldet wurde. Die Mitteilende habe mit einem Freund in der … straße ihren Hund angeleint Gassi geführt. Frau G* … habe dabei die Antragstellerin und ihren männlichen Begleiter mit ihrer Hündin aus ihrem Wohngrundstück kommen sehen. Frau G* … habe sich wieder umgedreht und vernommen, wie die Antragstellerin die ganze Zeit „Fuß“, „Komm“ und „Brav/Lieb“ auf Polnisch zum Hund gesagt habe. Die Antragstellerin sei mit ihrer Hündin direkt auf Frau G* … zugegangen. Dabei habe die Hündin der Antragstellerin plötzlich und unerwartet den Hund von Frau G* … angesprungen und sich in dessen Schulter verbissen. Weder die Antragstellerin noch ihr Begleiter hätten versucht, ihren Hund unter Kontrolle zu bringen. Die Hündin sei ohne Leine und Maulkorb geführt worden. Frau G* … habe ihren Hund in die Hand genommen und sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Sicherheit gebracht. Hier seien zwei Zeuginnen, darunter Frau S* … mit ihrem Hund, gestanden. Frau G* … sei aufgefallen, dass ihr Hund geblutet und eine Verletzung an der Schulter gehabt habe. Der Begleiter der Antragstellerin habe Frau G* … daraufhin bedrängt, dass nichts Schlimmes passiert sei. Frau G* … habe die Polizei alarmiert. Erst dann sei das Kind der Antragstellerin mit der Leine gekommen. Der Begleiter der Antragstellerin habe gemeint, ihr Hund brauche keine Leine, er höre gut und der Begleiter habe die Antragstellerin aufgefordert, den Hund frei zu lassen. Frau S* … habe daraufhin eindringlich gefordert, den Hund sofort an die Leine zu nehmen. Die Antragstellerin und ihr Begleiter hätten den Hund regelrecht provoziert und aufgehetzt. Der Begleiter habe den Dobermann nur am Halsband gepackt, in die Luft gezerrt und gemeint, er könne ihn so halten, eine Leine werde nicht benötigt. Danach seien beide nach Hause gegangen. Als die Polizei eingetroffen sei, seien sie wieder mit ihrem Hund nach draußen gekommen. Der Hund sei ganz verstört gewesen und habe versucht, die Polizeibeamten anzuspringen. Der Begleiter der Antragstellerin habe dann versucht, mit Schlägen auf die Schnauze den Hund zu zähmen, worauf der Polizist gedroht habe, den Hund zu erschießen. Frau G* … sei kurz danach mit ihrem Hund in die Tierklinik gefahren. Die tiefe Bisswunde habe versorgt und genäht werden müssen. Hierbei seien Behandlungskosten in Höhe von 196,59 EUR entstanden. Die Familie der Antragstellerin könne überhaupt nicht mit dem Hund umgehen. Sie würden Frau G* … jedes Mal belästigen oder bedrängen, oft seien sie alkoholisiert. Wenn der Hund nicht höre, werde er geschlagen. Bereits in der Vergangenheit habe sich Frau G* … telefonisch an das Veterinäramt sowie das Ordnungsamt gewendet. Der E-Mail beigefügt waren Bilder von den Verletzungen des Hundes der Frau G* … sowie Kopien der tierärztlichen Rechnungen.
Am 11. September 2020 ging bei der Antragsgegnerin eine Ereignismeldung der Polizeiinspektion … ein. Hierbei wird geschildert, dass die beiden Polizeibeamten … und … am 25. August 2020 um 22:08 Uhr in die … …, … … beordert worden seien. Frau G* … habe bei ihrem Notruf angegeben, dass ihr Hund von einem nicht angeleinten Dobermann gebissen worden sei und die Hundehalterin des Dobermanns sich weigere, ihre Personalien anzugeben. Beim Eintreffen um 22:12 Uhr hätten die Polizeibeamten Frau G* …, deren Lebensgefährten Herrn M** sowie die unbeteiligte Zeugin Frau S* … angetroffen. Die Antragstellerin und ihr Hund seien nicht vor Ort gewesen. Frau G* … habe gegenüber der Polizei angegeben, dass sie mit ihrem Hund, einem Jack Russell/English-PointerMischling, und ihrem Freund spazieren gewesen sei, als die Antragstellerin mit ihrem Dobermann entgegengekommen sei. Der Dobermann sei unvermittelt auf den Hund von Frau G* … losgegangen und habe zugebissen. Hierdurch habe der Hund eine circa 1 cm große Wunde an der linken Seite des Halses erlitten. Frau G* … und Frau S* … seien als Zeuginnen vernommen worden. Während der Sachverhaltsaufnahme seien die Antragstellerin und ihr Bekannter, Herr S* …, zur Örtlichkeit hinzugekommen. Herr S* … habe den Dobermann an der Leine geführt. Herr S* … sei durch die Polizeibeamten mehrfach aufgefordert worden, den Dobermann an der kurzen Leine zu führen. Dies habe Herr S* … jedoch nicht als notwendig erachtet, da der Dobermann an einer polnischen Polizeischule teilgenommen habe und voll auf ihn höre. Dies habe er mehrere Male versucht zu demonstrieren, indem er dem Dobermann diverse Kommandos zugerufen habe. Da diese Kommandos nicht durchgeführt worden seien, habe Herr S* … den Dobermann mit der Hand auf dessen Schnauze geschlagen, worauf der Hund eingeschüchtert zurückgewichen sei. Herr S* … sei daraufhin aufgefordert worden, das Schlagen des Hundes zukünftig zu unterlassen, da es andere Erziehungsmaßnahmen gebe. Herr S* … habe erwidert, dass er genau wisse, wie er mit dem Hund umzugehen habe und die eingesetzten Beamten sich aus seinen Erziehungsmethoden herauszuhalten hätten. Die Antragstellerin habe sich nicht geäußert. Ferner seien die Antragstellerin und Herr S* … sichtlich alkoholisiert gewesen, ein Atemalkoholtest habe nicht durchgeführt werden können, da beide diesen verweigert hätten. Beigefügt waren die Zeugenaussagen der Frau G* … und Frau S* …, welche den Beißvorfall bestätigten sowie von der Polizei angefertigte Lichtbilder von der Bisswunde sowie von der Hündin „…“.
Mit Schreiben vom 23. September 2020 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass angesichts des Vorfalls vom 25. August 2020 der Erlass von Anordnungen nach Art. 18 Abs. 1 und 2 LStVG beabsichtigt werde. Es werde beabsichtigt, für die Hündin „…“ einen Leinen- und Beißkorbzwang (mit einer Leine von längstens 1,20 m und einem passenden, tierschutzgerechten Beißkorb) anzuordnen sowie die Antragstellerin auch sicherheitsrechtlich zu verpflichten, zusammen mit der Hündin „…“ eine Hundeschule mit mindestens 12 Einheiten zu besuchen. Der Antragstellerin werde Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme bis zum 7. Oktober 2020 gegeben.
Mit E-Mail vom 8. Oktober 2020 nahm die Antragstellerin Stellung. Sie habe sich am 8. September 2020 diesbezüglich bei Frau Dr. … vom Ordnungsamt gemeldet. Sie habe einen Termin zur Begutachtung ihres Hundes vereinbart. Am 25. August 2020 habe ihre Hündin den Hund ihrer Nachbarin begrüßen wollen. Der Hund der Nachbarin habe ihren Hund sofort attackiert, woraufhin sich ein Streit zwischen den Hunden entwickelt habe. Frau G* … habe sofort die Polizei gerufen. Frau G* … mache dies mit Absicht, was die Nachbarn bestätigen könnten. Die Hündin „…“ sei nicht aggressiv, sie spiele jeden Tag mit anderen Hunden der Nachbarn. Deren Besitzer hätten keine Angst und würden sagen, dass ihre Hündin sehr brav sei. Die Antragstellerin gehe zur Hundeschule, weil sie das möchte, nicht aber aufgrund der Aufforderung durch das Ordnungsamt. Den nächsten Termin bei der Hundeschule … in … habe sie am 13. Oktober 2020, zuletzt sei sie dort am 6. Oktober 2020 gewesen.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2020 wurde die Antragstellerin durch die Antragsgegnerin aufgefordert, von der Hundeschule eine Anmeldebestätigung sowie einen vom Hundetrainer bzw. der Hundeschule erstellten detaillierten Trainingsplan über einen längeren Zeitraum mit Zeitvorgaben vorzulegen. Ebenso sei schriftlich nachzuweisen, wer den Hund begleitet habe und welche Erfolge zu verzeichnen seien. Die Nachweise seien bis 30. Oktober 2020 vorzulegen.
Mit E-Mail der Antragstellerin vom 23. Oktober 2020 wurde ausgeführt, der Hund sei trainiert bei www. …pl. Die Antragstellerin habe am 31. Oktober 2020 einen Termin bei einem polnisch sprechenden Anwalt, ab diesem Zeitpunkt werde alles über den Anwalt laufen. Die Antragstellerin selbst spreche kein Deutsch, auch diese Mail werde von einer Bekannten geschrieben.
Mit Schriftsatz vom 20. November 2020 setzen die Antragstellerbevollmächtigten die Antragsgegnerin über die Beauftragung durch die Antragstellerin in Kenntnis. Hinsichtlich des Beißvorfalles am 25. August 2020 würden sämtliche Vorwürfe vollumfänglich zurückgewiesen. Einen Beißvorfall habe es nach Kenntnis der Antragstellerin nicht gegeben. Die unzutreffenden Anschuldigungen beruhten vielmehr auf seinem seit langem schwelenden, bisher ungeklärten Nachbarschaftsstreit. Von der Hündin „…“ gingen zudem derzeit keine Gefahren aus, da sie sich aufgrund einer fiebrigen Infektion der oberen Atemwege, wenn überhaupt, nur kurz im Freien aufhalten könne. Diesbezüglich werde auf die beiliegende Bescheinigung der Tierärztin Frau Dr. … vom 24. Oktober 2020 verwiesen.
Mit E-Mails vom 21. Mai 2021 wandte Frau G* … sich unter anderem an das Veterinäramt und das Ordnungsamt der Antragsgegnerin, da sie sich gezwungen sehe, erneut zum Thema Familie und ihrem Hund zu schreiben. Bereits am 28. August 2020 sei ihr Hund von dem Hund der Antragstellerin gebissen worden. Seitdem gehe Frau G* … Umwege und habe Angst, da der Hund der Antragstellerin noch immer frei herumlaufe. Am 20. Mai 2021 um 20:25 Uhr habe sie die Polizei gerufen, da sie den Dobermann wieder frei … (Nähe … Straße) habe laufen sehen. Frau G* … sehe es nicht ein, dass sie ihr Leben einschränke, weil sich einige Menschen nicht an die Regeln hielten. Sie bitte deshalb das Ordnungsamt dafür zu sorgen, dass sich die Antragstellerin an die Hundehaltungsverordnung halte. Ferner handle es sich um ein Landschafsschutzgebiet, in dem Rehe und wiesenbrütende Vögel lebten. Im Anhang befänden sich zwei Bilder, auf denen der freilaufende Dobermann zu sehen sei. Anbei befanden sich Lichtbilder vom 2. April 2021 sowie vom 21. Mai 2021. Mit E-Mail vom 14. Juni 2021 übersandte Frau G* … ein weiteres Lichtbild vom 13. Juni 2021. Mit undatiertem Schreiben, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 16. Juni 2021, wiederholte Frau G* … ihre E-Mail vom 21. Mai 2021und legte die von ihr gefertigten Lichtbilder erneut vor. Mit E-Mail vom 21. Juni 2021 übersandte Frau G* … ein Video, aufgenommen am 20. Juni 2021 um 12:54 Uhr, auf welchem der freilaufende Dobermann zu sehen sei.
Mit E-Mail vom 10. August 2021 erkundigte sich die Antragsgegnerin bei der Hundeschule … danach, ob die Antragstellerin und ihr Hund tatsächlich dort trainiert hätten und ob das Training erfolgreich abschlossen worden sei. Nach einem in der Behördenakte befindlichen Vermerk (Bl. 62 d. Behördenakte) vom selben Tag habe Frau H* … von der Hundeschule … telefonisch zurückgerufen. Sie habe ausführt, die Antragstellerin und Herr S* … hätten Anfang September 2020 und Anfang Oktober 2020 mit ihrem Hund das Gruppentraining der Hundeschule … (zwei Termine) besucht. Mitte Oktober seien sie noch einmal bei der Spielstunde dabei gewesen. Herr S* … habe sich im Oktober bei Frau H* … gemeldet und darum gebeten, eine Bestätigung für das Ordnungsamt über die Teilnahme am Einzeltraining auszustellen. Am 24. Oktober 2021 habe Frau H* … per WhatsApp geantwortet, dass sie dies nicht machen könne. Daraufhin sei der Kontakt mit den Hundehaltern abgebrochen. Auch nach der Corona-Schließung hätten sie sich nicht mehr bei der Hundeschule zurückgemeldet. Frau H* … schätze den Hund, den sie als Dobermann, nicht als Mischling beurteile, als unproblematisch ein, könne jedoch nach nur drei Terminen kein abschließendes Urteil abgeben. Da die Antragstellerin kein Deutsch spreche, sei ein Gruppentraining mit ihr und ihrem Hund nicht sinnvoll gewesen. Deshalb habe Frau H* … Einzelstunden angeboten. Die Halter hätten signalisiert, dass dies aus Kostengründen nicht infrage komme.
Mit Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 10. August 2021 wurden die Antragstellerbevollmächtigten darüber in Kenntnis gesetzt, dass entgegen der Zusage der Antragstellerin vom 8. Oktober 2020 kein Nachweis der Hundeschule vorgelegt worden sei. Sollte bis zum 25. August 2021 keine Anmeldebestätigung vorgelegt werden, werde, wie im Anhörungsschreiben vom 21. September 2020 angekündigt, eine kostenpflichtige Anordnung erlassen.
Mit E-Mail vom 23. August 2021 legte die Antragstellerin ein Schreiben des öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für das Hundewesen … … vom 23. August 2021 vor, in welchem der Antragstellerin bestätigt werde, dass der Sachverständige mit der Hündin „…“ einen Wesenstest mit Gehorsamsüberprüfung durchgeführt habe. Die Hündin habe den Test sehr gut bestanden.
Mit Schriftsatz vom 24. August 2021 wurden die Antragstellerbevollmächtigten über die Vorlage der Bestätigung in Kenntnis gesetzt. Ferner wurde ausgeführt, dass dies von Seiten des Ordnungsamtes/Veterinäramtes nie gefordert worden und für die künftige Hundehaltung nicht zielführend sei. Im Hundetraining sollte vor allem die Beziehung Hund-Halterin gestärkt werden. Eine Anmeldebestätigung solle bis zum 27. August 2021 vorgelegt werden; anderenfalls ergehe eine kostenpflichtige Anordnung.
Am 6. Oktober ging bei der Antragsgegnerin erneut eine Ordnungswidrigenkeitenanzeige durch die Polizeiinspektion* … vom 1. Oktober 2021 ein. Nach der Schilderung durch die Polizei sei Frau G* … am 16. August 2021 gegen 16:00 Uhr zur Polizeiinspektion … gekommen, um Anzeige gegen Herr S* … zu erstatten. Sie habe angegeben, dass Herr S* … im Tatzeitraum vermehrt mit dem Dobermann, ein leinenpflichtiger Hund im Sinne der Hundehaltungsverordnung, seiner Schwester, der Antragstellerin, ohne Leine spazieren gehe. Sie selbst habe Herrn S* … schon mehrfach auf sein Fehlverhalten angesprochen, dies sei ohne Erfolg geblieben. Nach den Angaben der Polizei sei die Antragstellerin im Vorgang erfasst, jedoch nicht an sie herangetreten worden. Da Frau G* … selbst einen kleinen Hund besitze, gebe sie an, sie habe nun Angst, dass der Dobermann ihrem Hund Schaden zufügen könne. Zum Beweis habe sie verschiedene Bilder innerhalb des Tatzeitraumes aufgenommen und der Anzeige beigefügt.
Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2021 teilte die Antragsgegnerin den Antragstellerbevollmächtigten unter erneuter Darstellung des bisherigen Sachverhalts mit, dass dem Ordnungsamt weitere Vorfälle mit der Hündin „…“ bekannt geworden seien. Die Polizei habe mitgeteilt, dass im Zeitraum 13. Juni bis 16. August 2021 Herr S* … vermehrt ohne Leine mit der Hündin „…“ spazieren gegangen sei. Ein weiterer Vorfall habe sich laut Mitteilung der Polizei am 15. August 2021 im Innenhof des Anwesens … … ereignet. Es werde berichtet, dass ein unangeleinter, schwarzer Dobermann mit dem Namen „…“ aus dem Anwesen … … gelaufen sei. Dieser sei aggressiv auf einen gegnerischen Hund zugelaufen. Erst dann seien eine männliche Begleitperson und ein weiterer Mann hinzugekommen. Die Begleitperson sei erneut mit dem Hund überfordert gewesen. Es werde daher beabsichtigt, für die Hündin „…“ einen Leinen- und Beißkorbzwang (mit einer Leine von längstens 1,20 m und einem passenden, tierschutzgerechten Beißkorb) anzuordnen sowie die Antragstellerin auch sicherheitsrechtlich zu verpflichten, zusammen mit der Hündin „…“ eine Hundeschule mit mindestens 12 Einheiten zu besuchen. Hierzu werde Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme bis zum 26. Oktober 2021 gegeben. Eine Reaktion erfolgte hierauf nicht.
Am 26. Oktober 2021 ging beim Ordnungsamt der Antragsgegnerin ein von „Anwohner aus … z.H. … S* …“ verfasstes Schreiben ein. Hierbei wird auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Familie der Antragstellerin verwiesen. Es wird ausgeführt, dass sich bereits mehrfach Bewohner aus … an das Ordnungsamt gewendet hätten, da es seit Ende 2019 immer wieder zu erheblichen Konflikten im Miteinander mit der Familie der Antragstellerin komme. Von Seiten einiger Anwohner hätte es mehrfache Versuche gegeben, mit den Haltern des Dobermanns in einen konstruktiven Dialog zu kommen. Dies sei jedoch nicht möglich gewesen, da die Halter vollkommen uneinsichtig und aggressiv reagiert hätten. Manche Personen fühlten sich seitdem durch die Familie belästigt und bedroht. Aus Sicht der Anwohner komme es immer wieder zu Verstößen gegen die Hundehaltungsverordnung. Der Hund werde vielfach nicht an der Leine geführt, zudem sei es bereits zu mehreren polizeilich aktenkundigen Vorfällen gekommen. Auch komme es durch die Hündin „…“ immer wieder zu Gefährdungen im Straßenverkehr, da die Halter die Hündin nicht nur verbotswidrig ohne Leine Gassi führten, sondern diesen auch nicht bei Fuß laufen ließen. Dies habe zur Folge, dass die Hündin zum Beispiel auch auf der Fahrbahn, auf den Parkplätzen des … und des … sowie auf dem … frei herumlaufe. Auch seien die Halter persönlich nicht zum Halten eines Hundes geeignet. Die Halter wirkten regelmäßig stark alkoholisiert. Auch werde der Hund zuweilen vom minderjährigen Sohn der Halter geführt. Ferner hetzten die Halter den Hund bewusst gegen andere auf, indem sie ihm in polnischer Sprache entsprechende Befehle erteilten. Der Hund nehme dann eine bedrohliche Haltung ein und bewege sich in Richtung der „Zielperson“, ohne dass die Halter dem entgegenwirkten. Aus Sicht der Unterzeichnenden sei es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem weiteren Beißvorfall komme. Das Schreiben wurde von 21 Anwohnern unterzeichnet.
Am 16. November 2021 erließ die Antragsgegnerin folgenden, streitgegenständlichen Bescheid:
„1. Der von Frau … …, geb. …1985, gehaltene Dobermann-Mix Hund mit dem Namen „…“, weiblich, Wurfdatum 09.04.2019, ist ab sofort in allen öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen innerhalb geschlossener Ortschaften mit Ausnahme der Hunde-Freilaufflächen stets mit einem schlupfsicheren Halsband und angeleint zu führen. Die dabei jeweils verwendete Leine (keine Roll- oder Schleppleine) muss ausreichend reißfest sein und darf eine Länge von 120 cm nicht überschreiten.
2. Dem in Ziffer 1 des Bescheides genannten Hund ist ab sofort auf allen Flächen stets ein passgenauer, abstreifsicherer Beißkorb anzulegen.
3. Der Hund darf nur von solchen zuverlässigen, erwachsenen Personen überlassen werden, die körperlich dazu in der Lage sind, das Tier jederzeit unter Kontrolle zu halten. Frau … wird verpflichtet, die jeweilige Person zur Beachtung der in Ziffer 1 und 2 angeordneten Maßnahmen anzuhalten.
4. a) Frau … wird verpflichtet, mit dem von ihr gehaltenen Dobermann-Mix eine Hundeschule (die im Besitz einer Erlaubnis nach § 11 TierSchG ist) mit mindestens 12 Einheiten (kein Crash-Kurs) zu besuchen. Über die Anmeldung bei der Hundeschule ist dem Ordnungsamt bis spätestens 30.11.2021 ein schriftlicher Nachweis vorzulegen.
b) Über die Ableistung des Trainings ist bis spätestens 01.03.2022 eine schriftliche Bestätigung zu übersenden. Diese Bestätigung muss Angaben über die Anzahl der absolvierten Stunden (mit jeweiligem Datum versehen), Begleitperson, Schulungsinhalte und -erfolge enthalten.
5. Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1, 2, 3 und 4 wird angeordnet.
6. Bei Zuwiderhandlungen gegen die Ziffern 1 oder 2 dieses Bescheides wird jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- Euro fällig, bei Zuwiderhandlungen gegen die Ziffer 3, 4 a oder 4 b wird jeweils ein Zwangsgeld von 150,- Euro fällig.
7. Frau … hat die Kosten des Verwaltungsverfahrens zu tragen, Es wird eine Gebühr von 250,- Euro festgesetzt, an Auslagen für die Zustellung sind 4,11 Euro entstanden. Die Gesamtsumme in Höhe von 254,11 Euro ist gemäß derbeigefügten Kostenfestsetzung zu entrichten.“
Zur Begründung wurde insbesondere auf die genannten Vorfälle verwiesen. Die Anordnungen der Ziffern 1 bis 4 beruhten auf Art. 18 Abs. 2 LStVG. Aufgrund des gemeldeten Beißvorfalles vom 25. August 2020 und der weiteren Vorfälle bzw. Beschwerden im Zeitraum vom 13. Juni 2021 bis 16. August 2021 liege eine konkrete Gefährdung vor, was mit den gebotenen sicherheitsrechtlichen Maßnahmen zu unterbinden sei. Es müsse sichergestellt werden, dass der Hund in der Öffentlichkeit unter unmittelbarer Aufsicht gehalten werde, um so dem Eintritt eines Schadens wirksam vorbeugen zu können. Eine solche Einwirkungsmöglichkeit sei nur durch die angeordneten Maßnahmen gegeben. Die Antragstellerin habe bei einer Überlassung des Hundes sicherzustellen, dass der Leinen- und Beißkorbzwang eingehalten werde. Die Anordnung zum Besuch einer Hundeschule stelle sicher, dass es in Zukunft nicht wieder zu Beißvorfällen komme. Die Antragstellerin habe es nicht für nötig erachtet, nach den Vorfällen mit dem Hund selbst Maßnahmen zu ergreifen. Die vorgelegte Bestätigung eines Hundesachverständigen über einen Wesenstest mit Gehorsamkeitsprüfung vom 23. August 2021 sei weder gefordert noch zielführend gewesen, da durch das Hundetraining vor allem die Beziehung zwischen Hund und der Halterin gestärkt und geschult werden solle, um künftige Vorfälle zu vermeiden. Die Antragstellerin sei sich scheinbar über das Gefährdungspotential eines großen Hundes nicht bewusst und auch nicht darüber, dass ein großer, freilaufender Hund andere Personen ängstigen könne. Die Antragstellerin zeige keine Einsicht oder Verhaltensänderungen. Die Antragsgegnerin mache von ihrem Ermessen Gebrauch und ordne die Maßnahmen an. Die gesetzten Fristen seien der jeweiligen Maßnahme angemessen. Auch werde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berücksichtigt. Die Maßnahmen seien geeignet, erforderlich und angemessen. Auch sei die Antragstellerin als Halterin der Hündin richtige Adressatin. Es werde der Hinweis erteilt, dass der Bescheid in Bayern, d.h. im Geltungsbereich des LStVG gelte. Andere sicherheitsrechtliche Verpflichtungen in anderen Gemeinden blieben unberührt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei im öffentlichen Interesse erforderlich, da von der bisherigen Form der Hundehaltung Gefahren für Eigentum und die Unversehrtheit Dritten ausgingen, die unverzüglich und ohne weiteren Zeitverlust zu unterbinden seien. Die Androhung der Zwangsgelder stütze sich auf Art. 31 Abs. 1 und 2 VwZVG. Die angedrohten Beträge seien der Bedeutung der Sache angemessen. Nach der in der Behördenakte befindlichen Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid am 18. November 2021 der Antragstellerin ersatzweise durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2021, dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach zugegangen am 20. Dezember 2021, ließ die Antragstellerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigen Klage gegen den Bescheid vom 16. November 2021 erheben und dessen Aufhebung beantragen (AN 15 K 21.02232). Mit nahezu inhaltsgleichem Schriftsatz vom selben Tag, ebenfalls beim Verwaltungsgericht eingegangen am 20. Dezember 2021, ließ die Antragstellerin ferner einen Antrag im vorläufigen Rechtsschutz stellen und beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17.12.2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.11.2021 wird wiederhergestellt.
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass das Suspensivinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse der Anordnungen überwiege, da der angegriffene Bescheid rechtswidrig sei. Eine konkrete Gefahr hinsichtlich der in Art. 18 Abs. 1 LStVG genannten Rechtsgüter habe zu den behaupteten Zeitpunkten nicht bestanden. Der Beißvorfall am 25. August 2020 habe nicht stattgefunden. Hintergrund sei vielmehr ein seit geraumer Zeit vorherrschender Nachbarschaftsstreit zwischen der Antragstellerin und der Anzeigeerstatterin. Auch habe zu dem behaupteten Zeitpunkt seitens der Hündin „…“ aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes keine Gefahr ausgehen können. Eine von der Hündin ausgehende ständige Gefahr für Personen oder Hunde liege nicht vor. Auch sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gewahrt. Die Anordnungen eines kombinierten Leinen- und Beißkorbzwanges im öffentlichen Raum sowie der Besuch einer Hundeschule mit Ableistungen von mindestens 12 Einheiten seien aufgrund einer nicht seitens der Hündin „…“ ausgehenden Gefährdung von Personen und anderen Hunden bzw. Tieren nicht erforderlich und nicht angemessen gewesen. Die Bestätigung des Hundesachverständigen spreche eben nicht für eine seitens der Hündin „…“ ausgehenden gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren, sodass weder der Besuch einer Hundeschule noch das Anlegen eines Beißkorbes erforderlich sei. Zudem stelle der Beißkorbzwang nicht das Mittel des geringstmöglichen Eingriffes dar und stehe folglich nicht im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2021 beantragte die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren Klageabweisung. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die Behördenakte ausgeführt, dass die Anordnungen rechtmäßig ergangen seien. Bei dem Dobermann-Pinscher-Mix „…“ handle es sich um einen großen Hund. Eine konkrete Gefahr sei regelmäßig gegeben, wenn große und kräftige Hunde in bewohnten Gebieten frei umherliefen. Die kombinierte Anordnung einer Leinenpflicht samt Beißkorbzwang sei hier ausnahmsweise angemessen, da sowohl die Antragstellerin als auch ihr Lebensgefährte nach Angaben der Zeugen des Vorfalls vom 25. August 2020 sowie im Rahmen einer Beschwerde von mehreren Anwohnern vorgetragen, die Hündin „…“ wohl wiederholt selbst im alkoholisiertem Zustand ausgeführt hätten. Somit sei aufgrund des dokumentierten Beißvorfalls und des etwaigen Zustands der Begleitpersonen beim Ausführen der Hündin davon auszugehen, dass sich die Hündin auch angeleint losreißen und es erneut zu Störungen kommen könne. Deswegen seien die Anordnungen einer Leinenpflicht samt Beißkorbzwang geeignet, erforderlich und angemessen. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei abzulehnen, da hier das Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiege, insbesondere da die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe.
Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2022 ließ die Antragstellerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der … Rechtsanwälte beantragen und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorlegen.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nur im tenorierten Umfang begründet; im Übrigen ist er unbegründet und somit abzulehnen.
1. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist dahingehend auszulegen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), dass die Antragstellerin begehrt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Ziffern 1 bis 4 wiederherzustellen und gegen Ziffer 6 des Bescheids vom 16. November 2021 anzuordnen. Einer Einbeziehung auch der Kostenentscheidung (Ziffer 7 des Bescheids) in den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz steht bereits § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO entgegen; ein Ausnahmefall des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Soweit der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 20. Dezember 2021 gegen die von der Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid angeordneten Verfügungen gerichtet ist, ist er gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig. Der Klage gegen die Anordnungen kommt in den Ziffern 1 bis 4 aufgrund § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu, da die sofortige Vollziehung in Ziffer 5 des Bescheides angeordnet wurde. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 6 des Bescheids folgt die Zulässigkeit aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit Art. 21a VwZVG, da einer Klage gegen eine Zwangsgeldandrohung nach dem Gesetz keine aufschiebende Wirkung zukommt.
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist jedoch nur teilweise begründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO anordnen. Das Gericht prüft dabei im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zunächst, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Das Gericht trifft sodann eine eigene Ermessensentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen umfassenden Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu, wobei aber auch die gesetzgeberische Entscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs mit zu berücksichtigen ist. Erweist sich das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit als erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung; umgekehrt kommt dem öffentlichen Interesse am Vollzug in der Regel der Vorrang zu, wenn die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache hingegen als offen, ist eine reine Interessenabwägung erforderlich. Das Interesse der Antragstellerin, mit dem Vollzug des sie belastenden Verwaltungsaktes vor dessen Bestandskraft nicht überzogen zu werden, ist abzuwägen mit dem besonderen öffentlichen Interesse der Allgemeinheit, den angefochtenen Verwaltungsakt – im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise – schnellstmöglich zu vollziehen. Maßstab für diese Abwägung ist ein Vergleich der Verhältnisse einerseits für den angenommenen Fall, dass die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt bzw. angeordnet wird, der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren jedoch bestätigt wird, mit andererseits der angenommenen Konstellation, dass der Sofortvollzug bestehen bleibt, der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren jedoch aufgehoben wird.
Die Antragsgegnerin hat vor dem Hintergrund, dass an den Inhalt der schriftlichen Begründung des Sofortvollzugs keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (Hoppe, in Eyermann VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 43), das besondere Interesse an der Anordnung des sofortigen Vollzugs in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids ausreichend gemäß § 80 Abs. 3 VwGO schriftlich begründet. Die Begründungspflicht soll u.a. der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehbarkeitsanordnung bewusstmachen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein vorrangiges öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung fordert (BayVGH, B.v. 24.3.1999 – 10 CS 99.27 – juris Rn. 18). Die Begründung der Antragsgegnerin erfüllt diese Voraussetzungen. Die Antragsgegnerin hat sich hinreichend damit auseinandergesetzt, dass für eine sofortige Vollziehung gewichtige öffentliche Interessen, wie der Schutz der Rechtsgüter von Leib, Leben, Gesundheit und Unversehrtheit von Menschen sowie das Eigentum Dritter, sprechen, da ohne sofortige Durchsetzung der angeordneten Maßnahmen die nicht hinnehmbare Gefahr bestehe, dass der Hund weitere Hunde oder gar Menschen attackiere oder beiße. Das Suspensivinteresse der Antragstellerin müsse daher gegenüber dem öffentlichen Interesse am Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Menschen zurücktreten. Dies genügt der Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 VwGO.
Bei der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, dass der gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhobenen Anfechtungsklage nur teilweise Erfolgsaussichten zukommen, da der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin nur bezüglich des angeordneten Beißkorbzwanges und der entsprechenden Zwangsmittelandrohung rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies hat zur Folge, dass insoweit das private Interesse der Antragstellerin am Suspensiveffekt ihres Rechtsbehelfs das öffentliche Vollzugsinteresse an einer sofortigen Vollziehung der angeordneten Maßnahme überwiegt. Im Übrigen erweist sich der Bescheid als rechtmäßig, sodass insoweit das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.
a) Der in Ziffer 1 des Bescheides angeordnete Leinenzwang erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die Anordnung kann sich auf Art. 18 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 LStVG stützen lassen. Hiernach können die Gemeinden zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder die öffentliche Reinheit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Für Anordnungen gemäß Art. 18 Abs. 2 LStVG ist es dabei nicht zwingend erforderlich, dass ein Hund bereits durch Beißen von Menschen oder Tieren oder durch sonst aggressives Verhalten auffällig geworden ist. Die Gefahrenabwehr setzt also nicht voraus, dass bereits ein schädigendes Ereignis stattgefunden hat. Eine hinreichende konkrete Gefahr in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn in einem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann (BVerwG, U.v. 18.12.2002 – 6 CN 1/02 – juris Rn. 40). Die an das Vorliegen einer Gefahr zu stellenden Anforderungen hängen von der Wertigkeit des bedrohten Rechtsguts ab. Da es sich bei dem zu befürchtenden Schaden um ein zukünftiges Ereignis handelt, hat die Gemeinde eine wertende Prognoseentscheidung über die zu erwartenden Schäden zu treffen (BayVGH, B.v. 18.11.2011 – 10 ZB 11.1837 – juris Rn. 17). Dabei sind an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Schadens umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden ist. Bei einem hohen Schutzgut kann je nach den Umständen des Einzelfalls auch ein konkreter Gefahrenverdacht für eine sicherheitsrechtliche Anordnung ausreichend sein (BayVGH, U.v. 18.2.2004 – 24 B 03.645 – BayVBl 2004, 535; B.v. 7.4.2004 – 24 CS 04.53 – BayVBl 2004, 727). Erst recht ermöglicht Art. 18 Abs. 2 LStVG eine entsprechende Anordnung der Sicherheitsbehörden dann, wenn es um die Haltung eines Hundes geht, der bereits in einer Weise auffällig geworden ist, der eine Gefahr für die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum beinhaltete.
Die Kammer ist nach summarischer Prüfung der Auffassung, dass von der Hündin „…“ eine konkrete Gefahr für die in Art. 18 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 LStVG genannten Rechtsgüter ausgeht. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geht von großen Hunden, wie dem Dobermann-Pinscher-Mix der Antragstellerin, wenn sie auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen, selbst dann eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter aus, wenn es in der Vergangenheit noch nicht zu konkreten Beißvorfällen gekommen ist (st.Rspr, vgl. z.B. BayVGH, U.v. 6.4.2016 – 10 B 14.1054 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Erst recht gilt dies jedoch, wenn es – aus welchen Gründen auch immer (z.B. Reflex, Fehlreaktion anderer Personen) – schon zu einem Beißvorfall gekommen ist. Vorliegend kam es im August 2020 zu einem Vorfall, bei welchem die Kammer bei summarischer Prüfung der Aktenlage auch davon ausgeht, dass der Vorfall konkret als Beißvorfall zu bewerten ist. Dafür sprechen zunächst die bei der Polizei getätigten Aussagen der Frauen G* … und S* …, welche den Vorfall übereinstimmend und deutlich als Beißattacke seitens der Hündin „…“ darstellen. Dass der Vorfall lediglich im Rahmen einer, vom Antragstellerbevollmächtigten letztlich nur wenig substantiiert dargestellten, Nachbarschaftsstreitigkeit behauptet wird, kann nicht zur Überzeugung der Kammer gelangen und stellt vielmehr eine bloße Schutzbehauptung dar. Auch die Auffassung der Antragstellerseite, dass der Beißvorfall aufgrund einer zum Zeitpunkt des Vorfalles bestehenden Erkrankung der Hündin „…“ nicht stattgefunden habe könne, leuchtet der Kammer nicht ein, da ein Angriff – vor allem ein Biss – durch die Hündin in physischer Hinsicht wohl nicht ausgeschlossen war. Zudem ist festzustellen, dass, wenn dargelegt wird, ein Spaziergang mit der Hündin „…“ in diesem Zeitraum nur eingeschränkt möglich gewesen sei, der Vorfall in unmittelbarer Nähe zum Halteranwesen stattgefunden hat, sodass auch nur ein kurzer Auslauf ausreichend sein konnte. Für das Vorliegen eines Beißvorfalls sprechen zudem die in den Behördenakten befindlichen Bilder, die eine deutliche Wunde beim Hund der Frau G* … aufzeigen. Zudem belegen die von Frau G* … der Antragsgegnerin vorgelegten tierärztlichen Quittungen vom 25. August 2020, dass eine entsprechende Wundversorgung und Behandlung des Hundes aufgrund eines Hundebisses an der linken Schulter stattgefunden hat.
Eine entsprechende Prognose der Antragsgegnerin dahingehend, dass es jederzeit wieder zu Beißvorfällen kommen kann und somit eine konkrete Gefahr für die in Art. 18 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 LStVG genannten Rechtsgüter vorliegt, ist demzufolge nicht zu beanstanden. Dies wird auch nicht dadurch widerlegt, dass der Hund der Antragstellerin seit August 2020 wohl – zumindest aktenkundig – nicht mehr beißauffällig geworden ist. Bei gebotener summarischer Prüfung ist jedoch gerade nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass es auch in Zukunft zu weiteren Beißvorfällen kommen kann, zumal nach einer – letztlich unbestritten gebliebenen – Mitteilung der Polizei am 15. August 2021 erneut ein Vorfall im Innenhof des Anwesens … … stattgefunden hat, bei welcher die Hündin „…“ abermals unangeleint und aggressiv auf einen Hund zugelaufen ist, dabei jedoch im weiteren Verlauf von einer männlichen Begleitperson zurückgehalten wurde.
Nichts anderes ergibt sich auch aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Wesenstest durch den Hundesachverständigen … … vom 23. August 2021. In diesem wird zwar bestätigt, dass der Sachverständige mit der Hündin „…“ einen Wesenstest mit Gehorsamsüberprüfung durchgeführt hat und die Hündin den Test sehr gut bestanden hat. Hinsichtlich solcher Wesenstests ist vielmehr nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs festzustellen, dass derartige Sachverständigengutachten oder Wesenstests nur eine Momentaufnahme darstellen und lediglich besagen, dass ein Hund in der geprüften Situation zu diesem Zeitpunkt kein gesteigert aggressives Verhalten gezeigt hat. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass es zu einem anderen Zeitpunkt oder in einer anderen Situation nicht doch zu aggressivem Verhalten des Hundes kommt, kann durch eine derartige Begutachtung regelmäßig jedoch nicht aufgezeigt werden. Das (künftige) Verhalten von Hunden ist generell nicht zuverlässig berechenbar (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2020 – 10 B 20.439 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Die Antragsgegnerin hat auch das in Art. 18 Abs. 2 LStVG normierte Ermessen, das nach § 114 VwGO gerichtlich nur auf das Vorliegen möglicher Ermessensfehler hin zu überprüfen ist, fehlerfrei ausgeübt. Weder in Bezug auf das Entschließungsermessen noch auf das Auswahlermessen sind Ermessensfehler ersichtlich. Zunächst ist festzuhalten, dass die Antragsgegnerin überhaupt generell Ermessenserwägungen angestellt hat, sodass Anhaltspunkte für einen Ermessensausfall nicht bestehen. In Bezug auf das Entschließungsermessen ist aufgrund der vorstehend dargestellten, durch die Hündin „…“ ausgehenden, konkreten Gefahr von einem intendierten Ermessen auszugehen (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 18 Rn. 61b). Die Ausübung des Auswahlermessens durch die Antragsgegnerin ist auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach Art. 8 LStVG nicht zu beanstanden. Es bestehen keine Zweifel daran, dass diese teilweise Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Hundes im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr geboten ist. Rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die Antragsgegnerin eine Leinenlänge von maximal 1,2 Metern angeordnet hat. Die Anordnung einer bestimmten Länge der Leine ist schon aus Gründen der Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes erforderlich. Im Übrigen wird die Antragstellerin nur bei Verwendung einer vergleichsweise kurzen Leine in die Lage versetzt, bei Gefahrsituationen unverzüglich auf den Hund einwirken zu können.
Die Antragstellerin ist auch, ohne dass dies gerügt wurde, richtige Adressatin der Maßnahme. Mangels Regelung einer Maßnahmenrichtung in Art. 18 Abs. 2 LStVG ist hierbei auf die allgemeine Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG zurückzugreifen. Hiernach können bei einer Gefahr, die vom Verhalten oder Zustand eines Tieres oder dem Zustand einer anderen Sache ausgeht, Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt, mithin den Halter, zu richten. Da die Antragstellerin unstreitig Halterin der Hündin „…“ ist, war sie auch als Adressatin der Anordnungen zu verpflichten. b)
Bezüglich des in Ziffer 2 angeordneten Maulkorbzwangs erweist sich die Verfügung nach summarischer Prüfung hingegen als rechtswidrig. Zu beachten ist insoweit, dass ein Maulkorbzwang durch Einzelfallanordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG von der Befugnisnorm grundsätzlich gedeckt ist. Auch eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang verstößt nicht von vornherein gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BayVGH, B.v. 5.2.2014 – 10 ZB 13.1645 – juris Rn. 4 m.w.N.). Ein Maulkorbzwang kann dabei zusätzlich zum Leinenzwang angeordnet werden, wenn die Anleinpflicht zur effektiven Gefahrenabwehr nicht ausreicht, weil zu erwarten ist, dass der Hund auch angeleint zubeißen oder sich von der Leine losreißen würde (BayVGH, B.v. 17.4.2013 – 10 ZB 12.2706 – juris Rn.5; B.v. 4.2.2019 – 10 ZB 17.802 – juris). Dies ist insbesondere dann zu befürchten, wenn der Hund bereits in der Vergangenheit, obwohl er angeleint geführt wurde, andere Hunde oder Personen verletzt hat (BayVGH, B.v. 20.8.2014 – 10 ZB 14.1184 – juris Rn. 5).
Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, dass sich der – als Beißvorfall einzuordnende – Vorfall vom 25. August 2020 unstreitig ereignet hat, als die Hündin „…“ unangeleint geführt wurde. Auch die weiteren, von Frau G* … gegenüber der Antragsgegnerin dargelegten Vorfälle sind lediglich auf ein unangeleintes Führen der Hündin „…“ zurückzuführen, sodass eine entsprechende Prognose der Antragsgegnerin, die Hündin könnte gerade auch anderweitig beißauffällig werden, fehl geht. Auch die von der Antragsgegnerin dargelegte Alkoholisierung der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten beim Ausführen der Hündin vermag bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung keine entsprechende Gefahr zu begründen, da mangels entsprechender Vorfälle nicht hinreichend ersichtlich ist, ob sich eine etwaige Alkoholisierung der Halter derart auswirken kann, dass sich die Hündin „…“ gerade deswegen von der Leine losreißen kann. Eine entsprechende Prüfung bleibt demnach dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Ein kombinierter Leinen- und Beißkorbzwang erscheint somit nicht mehr verhältnismäßig und deswegen rechtswidrig, sodass die Klage in der Hauptsache bezüglich des Beißkorbzwanges hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
c) Insoweit ist die Anordnung in Ziffer 3, soweit sie sich auf den in Ziffer 2 rechtswidrig angeordneten Beißkorbzwang bezieht, ebenfalls rechtswidrig.
Im Übrigen hat die Antragsgegnerin nach gebotener summarischer Prüfung jedoch ermessensfehlerfrei angeordnet, dass die Hündin der Antragstellerin nur von einer geeigneten Person geführt werden darf. Eine derartige Maßnahme in Bezug auf die Eignung des Hundehalters oder des Hundeführers begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn die verfügte Anleinpflicht macht nur dann Sinn, wenn der Hundeführer nach seinen physischen und psychischen Verhältnissen in der Lage ist, über die Leine auf den Hund ausreichend einzuwirken (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 18, Rn. 73).
d) Auch ist die Anordnung des Besuchs einer Hundeschule neben der in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides angeordneten Leinenpflicht im konkreten Einzelfall nicht zu beanstanden. Bei der Hündin „…“ werden, wie von den Zeugen und der Polizei übereinstimmend geschildert wird, derzeit nur unangemessen praktizierte Erziehungsmethoden durch die Halter angewendet. Auch sind die Halter, wie die Zeugen des Vorfalls vom 25. August 2020, die den Vorfall aufnehmenden Polizeibeamten sowie die den Brief vom 21. Oktober 2021 verfassenden Anwohner aus … übereinstimmend schildern, mit der Hündin teilweise überfordert, sodass eine Schulung des Gehorsams der Hündin geboten erscheint. Das Ermessen der Antragsgegnerin dahingehend, dass der Besuch einer Hundeschule mit 12 Einheiten sowie die Vorlage eines entsprechenden Nachweises hierzu durch Erlernen eines Grundgehorsams maßgeblich zur Vermeidung einer Gefahr für die in Art. 18 Abs. 1 LStVG genannten Rechtsgüter (v.a. Gesundheit, Eigentum) beiträgt, ist vor diesem Hintergrund demnach nicht zu beanstanden (vgl. VG Augsburg, B.v. 19.11.2020 – Au 8 S 20.2142 – juris Rn. 56). Vielmehr erscheint die Anordnung zur Festigung des Grundgehorsams weder willkürlich noch in sonstiger Weise unverhältnismäßig, zumal die Antragstellerin bereits im Jahr 2019 im Tierschutz dazu verpflichtet wurde, eine Hundeschule mit 12 Einheiten zu besuchen und dies bislang (nicht abschließend) getan hat.
Auch bezeichnete Frau H* … von der Hundeschule …, bei welcher lediglich drei Stunden besucht wurden, die Hündin „…“ zwar als unproblematisch, fügte hierbei aber ausdrücklich hinzu, dass nach nur drei Terminen kein abschließendes Urteil abgegeben werden könne. Es ist somit gerade von Bedeutung, dass die Hündin eine hinreichende Ausbildung durchläuft, um weitere Vorfälle aufgrund von Ungehorsam zu vermeiden.
e) Zuletzt sind die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheides insoweit zu beanstanden, als dass sie sich auf die in den Ziffern 2 und 3 enthaltene Beißkorbpflicht beziehen, da es insoweit nach summarischer Prüfung an einem vollziehbaren Grundverwaltungsakt im Sinne des Art. 19 Abs. 1 VwZVG fehlt.
Im Übrigen sind die angedrohten Zwangsgelder nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch hält sich die Höhe der Zwangsgelder im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG und ist – angesichts der wiederholten Vorfälle – angemessen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da die Antragstellerin mit ihrem Antrag lediglich in Bezug auf den in Ziffer 2 angeordneten Beißkorbzwang durchdringt, im Übrigen aber unterliegt, war im Hinblick auf die anderweitigen im streitgegenständlichen Bescheid enthaltenen Verpflichtungen eine Kostenverteilung von 3/4 zu 1/4 geboten.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. den Ziffern 1.5 und 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
5. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, der sich nach Auffassung des Gerichts auf den Eilantrag und die Klage bezieht, war nur teilweise stattzugeben, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur zum Teil hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
Prozesskostenhilfe ist gemäß §§ 166 VwGO, 114 ZPO auf Antrag einem Beteiligten zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die zulässigen Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind vorliegend nur im jeweils tenorierten Umfang begründet, da die oben genannten Voraussetzungen bei der Antragstellerin nur insoweit erfüllt sind. Die Rechtsverfolgung der Antragstellerin bietet mit obigen Ausführungen zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs nur in Bezug auf den Beißkorbzwang in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides, sowie die hierauf gerichteten Anordnungen in den Ziffern 3 und 6, sowie im Klageverfahren hinsichtlich der Gebührenfestsetzung gemäß Ziffer 7, bei welcher angesichts einer teilweisen Rechtswidrigkeit einer darauf bezogenen Anordnung die ordnungsgemäße Ermessensausübung in Zweifel zu stellen ist, hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diesbezüglich ist eine Rechtsverfolgung auch nicht mutwillig. Die Antragstellerin ist zudem nach den vorgelegten Nachweisen nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Darüber hinaus war gemäß § 121 ZPO eine Beiordnung der Prozellbevollmächtigten anzuordnen.
Im Übrigen bieten die Klage und der Eilantrag hingegen keine hinreichenden Erfolgsaussichten, sodass der Antrag abzulehnen war.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben