Verwaltungsrecht

Coronavirus, SARS-CoV-2, Lehrkraft, Ausnahmegenehmigung, Arzt, Regelungsanordnung, Anordnung, Antragsteller, Streitwertfestsetzung, Grundschule, Glaubhaftmachung, Hauptsache, Feststellung, Anspruch, Attest, Schule, Vorwegnahme der Hauptsache, einstweiligen Anordnung, einstweilige Anordnung

Aktenzeichen  RN 5 E 21.1031

Datum:
25.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24978
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgelegt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Befreiung von der Testobliegenheit für Schüler als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht.
Der Antragsteller besucht die 3. Klasse der Grundschule B., er ist neun Jahre alt.
Mit Schreiben vom 11.6.2021 stellte der Antragstellervertreter gegenüber dem Landratsamt R. einen Antrag auf Befreiung des Antragstellers von der Testpflicht. Dieser wurde mit Bescheid vom 22.6.2021 abgelehnt. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.
Am 28.5.2021 ließ der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO stellen.
Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Antragsteller durch die Testpflicht zu einer Maßnahme verpflichtet würde, die er aus gesundheitlichen Gründen nicht leisten könne. Dies sei bei der Prüfung und Abwägung, ob eine Testpflicht ausnahmslos statuiert werden könne, mit einzubeziehen, da es ähnlich wie bei der Maskenpflicht auch Fälle gebe, die Personen beträfen, die aus nicht zu vertretenden gesundheitlichen Gründen dieser Vorgabe nicht nachkommen könnten. Durch die Testpflicht müssten Schüler entweder einen unangenehmen Arztbesuch oder den Besuch eines Testzentrums hinter sich bringen, oder sich in der Schule vor Mitschülern als potentieller Virenwirt offenbaren. Zu berücksichtigen sei auch, dass eine ausnahmsweise Beschulung im Distanzunterricht nicht angeboten werden könne, wenn Präsenz-Unterricht an der Schule stattfinde und damit der Antragsteller gänzlich vom Schulbesuch ausgeschlossen sei. Auch sei das Infektionsgeschehen weitgehend unter Kontrolle, sodass für den Ausschluss des Antragstellers keine überwiegenden Rechtsgüter ersichtlich seien, die die genannten Rechtsgüter von Verfassungsrang außer Kraft setzen könnten.
Der Antragsteller lässt beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller ohne Vorlage eines negativen COVID-19 Testes zum Unterricht zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus führt zur Begründung aus, dass der Antrag mangels Glaubhaftmachung eines bestehenden Anspruchs ausscheide. Eine Ausnahmemöglichkeit für Schüler sei jenseits des § 18 Abs. 4 Satz 1 und 2 12. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) nicht vorgesehen. Diese gelte nur für Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf. Diese Voraussetzungen seien in der Person des Antragstellers nicht ersichtlich, es fehle daher bereits an einer Rechtsgrundlage. Soweit der Antragsteller vortrage, dass ihm eine Testdurchführung nicht möglich sei, da das Risiko bestehe, dass Verletzungen im Bereich des oberen Nasenabschnitts entstünden, gehe nicht hervor, aus welchen Gründen mit diesen zu rechnen sei. Es sei dem Antragsteller unabhängig davon möglich, ein schriftliches oder elektronisches Testergebnis vorzulegen. Es werde nicht vorgetragen, warum dem Antragsteller eine Testung mittels alternativer Testverfahren, etwa durch Durchführung eines Rachenabstriches, nicht möglich sei. Aufgrund der freien Willensentscheidung der Eltern, die Testung nicht durchzuführen, fehle es auch an einer besonderen Eilbedürftigkeit. Es handele sich um eine Testobliegenheit, keine Testpflicht. Schülerinnen und Schüler, die keinen negativen Testnachweis erbrächten, seien zur Teilnahme an den Angeboten des Distanzunterrichts berechtigt und verpflichtet. Diese müssten den Anschluss am Unterrichtsgeschehen durch geeignete Distanzformate halten können. Bei Wechselunterricht nähmen die betreffenden Schülerinnen und Schüler an den ohnehin stattfindenden Elementen des Distanzunterrichts teil. In sonstigen Fällen sei anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles in geeigneter Weise auf Basis entsprechender Distanzangebote dafür Sorge zu tragen, dass die Schülerinnen und Schüler am Unterrichtsgeschehen teilhaben könnten. Dabei könne nicht erwartet werden, dass das bestehende Präsenzangebot in genau gleichem Umfang für einzelne Schülerinnen und Schüler in Distanz angeboten werde. Ein Anspruch auf Distanzunterricht in einer bestimmten Art und Weise bestehe von vornherein nicht. Die Auswahl der im Rahmen des Distanzunterrichts zum Einsatz kommenden Instrumentarien obliege der Schule bzw. der Lehrkraft in eigener pädagogischer Verantwortung. Dem Bildungsanspruch der Schülerinnen und Schüler werde vor diesem Hintergrund entgegen der pauschalen Behauptung des Antragstellers auch dann Rechnung getragen, wenn diese keinen Testnachweis über ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2 beibringen wollten.
Das Landratsamt R. führte ergänzend aus, wegen der Sonderregelung in § 20 Abs. 2 Satz 4 13. BayIfSMV sei von einem lex-specialis-Verhältnis dieser Regelungen gegenüber der allgemeinen Rechtsgrundlage der Kreisverwaltungsbehörden nach § 27 Abs. 2 Satz 1 13. BayIfSMV auszugehen. Ginge man dennoch von einer Anwendbarkeit aus, seien die notwendigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht erfüllt, da der Antragsteller keine ausreichenden Gründe für die Unzumutbarkeit der Testung vorbringe und somit kein atypischer Fall vorliege. Die Ausnahmegenehmigungsmöglichkeit sei entsprechend dem Wortlaut auf Ausnahmen zu beschränken. Nur in Fällen, in denen der Grundfall, den die BayIfSMV vor Augen habe, nicht vorliege, sei Raum für eine anderslautende Regelung. Dies sei im streitgegenständlichen Fall nicht gegeben; vielmehr stelle die Testung eines Schülers, der am Präsenzunterricht teilnehmen wolle, den Regelfall dar. Eine entsprechende Situation des Antragstellers, der eine andere Betrachtung rechtfertige, sei nicht erkennbar. Würde in diesem Fall eine Ausnahmegenehmigung erteilt, würde dies dem Willen des Verordnungsgebers entgegenlaufen. Aufgrund des weiterhin zu erwartenden Distanzbeschulungsangebotes fehle es auch am Anordnungsgrund.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Das Gericht hat sich bei der Auslegung der im Eilrechtschutzverfahren gestellten Anträge in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB am erkennbaren Rechtschutzziel der Antragsteller zu orientieren (Schoch/Schneider VwGO/Schoch, 39. EL Juli 2020, VwGO § 123 Rn. 104a). Dabei darf das Gericht über das Antragsbegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge auch nicht gebunden. Dies folgt aus § 88 VwGO, der gem. § 122 Abs. 1 VwGO auf Beschlüsse entsprechende Anwendung findet.
Aus der Formulierung des Antrages sowie den entsprechenden Klarstellungen des Antragstellervertreters im Laufe des Verfahrens (vgl. Schriftsatz vom 14.6.2021) ergibt sich, dass der Antragsteller mit Hilfe einer Ausnahmegenehmigung ohne Vorlage eines negativen Corona-Tests an dem Präsenzunterricht seiner Schule teilnehmen möchte und im einstweiligen Rechtsschutz die entsprechende vorläufige Verpflichtung des Beklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO begehrt.
2. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch geltend gemacht.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind darüber hinaus nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) als auch eines Anordnungsanspruchs.
Die Vorwegnahme der Hauptsache ist hier zulässig. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 13 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). Dies wäre hier jedoch der Fall. Selbst die vorläufige Feststellung der begehrten Art bis zur Entscheidung über die Hauptsacheklage würde die Hauptsache im Hinblick auf die zeitlich begrenzte Geltung der Testpflicht in Schulen (vgl. § 29 der Dreizehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (13. BayIfSMV) vom 5. Juni 2021 (BayMBl. Nr. 384, BayRS 2126-1-17-G), die durch Verordnung vom 22. Juni 2021 (BayMBl. Nr. 419) geändert worden ist) vorwegnehmen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist aber dann möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerfG, B.v 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – juris = BVerfGE 79, 69; BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9.12 – juris = BVerwGE 146, 189; BVerwG, B.v. BVerwG, B.v. 13.8.1999 – 2 VR 1.99 – juris = BVerwGE 109, 258; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 14).
Ein Anordnungsanspruch ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
In der hier vorliegenden Verpflichtungssituation in der Hauptsache kommt es für das Gericht hinsichtlich der Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Rechtslage an (BVerwG, U.v. 27.9.2016 – 1 C 17.15 – juris; Rn. 10 = BVerwGE 156, 164; BayVGH, U.v. 28.6.2016 – 10 B 15.1854 – juris, Rn. 29; BayVGH, U.v. 5.3.2013 – 10 B 12.2219 – juris, Rn. 29 m.w.N.; Riese in: Schoch/Schneider, VwGO, § 113 Rn. 267, EL Juli 2020). Das Gericht hat daher seiner Prüfung die Regelungen der 13. BayIfSMV und des IfSG in ihrer aktuellen Fassung zugrunde zu legen.
a) Der Antragsteller kann aufgrund der Regelungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 13. BayIfSMV sowie des § 28b Abs. 3 Satz 1 IfSG nur nach zweimal wöchentlicher Vorlage eines negativen Testergebnisses am Präsenzunterricht teilnehmen.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 13. BayIfSMV ist die Teilnahme am Präsenzunterricht und an Präsenzphasen des Wechselunterrichts sowie an der Mittags- und Notbetreuung Schülerinnen und Schülern nur erlaubt, wenn sie zwei Mal wöchentlich einen Testnachweis nach § 4 Nr. 1 Buchst. a 13. BayIfSMV erbringen oder in der Schule unter Aufsicht einen über die Schule zur Verfügung gestellten und dort zu verwendenden Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben, wobei die dem Testnachweis zugrundeliegende Testung oder der in der Schule vorgenommene Selbsttest höchstens 48 Stunden vor dem Beginn des jeweiligen Schultags vorgenommen worden sein dürfen; § 4 Nr. 2 und 4 13. BayIfSMV findet keine Anwendung.
§ 28b Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 IfSG sieht vor, dass die Teilnahme am Präsenzunterricht nur zulässig ist für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrkräfte, die zweimal in der Woche mittels eines anerkannten Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 getestet werden. Nach § 28b Abs. 9 Satz 1 IfSG sind anerkannte Tests im Sinne dieser Vorschrift In-vitro-Diagnostika, die für den direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 bestimmt sind und die auf Grund ihrer CE-Kennzeichnung oder auf Grund einer gem. § 11 Abs. 1 des Medizinproduktegesetzes erteilten Sonderzulassung verkehrsfähig sind. Nach § 28b Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 IfSG ist die Bundesregierung ermächtigt, Präzisierungen, Erleichterungen oder Ausnahmen zu den in den Absätzen 1, 3 und 7 des § 28b IfSG genannten Maßnahmen zu bestimmen. Die Regelung gilt nach § 28b Abs. 10 Satz 1 IfSG längstens bis zum Ablauf des 30.6.2021.
Die Testpflicht beider Regelungen ist dabei inzidenzunabhängig, sie gelten sowohl bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über als auch von unter 100.
b) Diese Regelungen sind nach summarischer Prüfung voraussichtlich auch nicht in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu beanstanden (vgl. BayVGH B.v. 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – juris, Rn. 14 ff. sowie BayVerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21, Rn. 26 ff.).
Durch § 20 Abs. 2 13. BayIfSMV und § 28b Abs. 3 Satz 1 IfSG wird keine Testpflicht im Rechtssinne statuiert. Die Erfüllung der Testung kann nicht vom Antragsgegner erzwungen werden. Vielmehr trifft durch § 20 Abs. 2 13. BayIfSMV Schülerinnen und Schüler die Obliegenheit, ein entsprechendes negatives Testergebnis vorzuweisen, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu können. Erfüllen Schülerinnen und Schüler diese Testobliegenheit nicht, findet für sie Distanzunterricht und Distanzlernen statt (BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – juris, Rn. 14).
Schülerinnen und Schüler, die keinen negativen Test vorweisen, können nach dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht nur dort am Distanzunterricht teilnehmen, wo dieser gegebenenfalls angeboten wird, sondern es findet ähnlich dem Wechselunterricht, soweit erforderlich, grundsätzlich Präsenz- und Distanzunterricht flächendeckend statt. Nur so sind die Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gewährleistet. Entfiele eine Beschulung insgesamt, könne nicht mehr von einer freien Wahl der Schülerinnen und Schüler bzw. ihrer Erziehungsberechtigten ausgegangen werden. Es bestehe die Gefahr, dass die Einwilligung gerade nicht aufgrund eines freien Entschlusses erfolgt, sondern nur unter dem “Druck”, ansonsten vom Schulunterricht gänzlich ausgeschlossen zu werden und damit womöglich Bildungsnachteile zu erfahren (BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – juris, Rn. 14, 24, 27).
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ein entsprechender Unterricht nicht ersatzweise angeboten wird. Zudem ergibt sich aus den durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vorgelegten Unterlagen, dass dem Antragsteller bereits im Mai entsprechende Distanzangebote angeboten wurden.
c) Aufgrund entgegenstehenden Bundesrechts ist die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung auf Grundlage der 13. BayIfSMV ausgeschlossen, Art. 31 GG.
Die bundesgesetzliche Regelung sieht Ausnahmen aufgrund landesrechtlicher Verordnungen nicht vor. Für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen durch die 13. BayIfSMV besteht im Anwendungsbereich des § 28b Abs. 3 Satz 1 IfSG kein Raum. Zwar fordert die Neufassung des § 27 Abs. 2 Satz 1 13. BayIfSMV anders als die Vorgängerregelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV nicht mehr ausdrücklich, dass Bundesrecht einer Ausnahmegenehmigung nicht entgegenstehen darf. Aufgrund des normenhierarchischen Vorranges des Bundesrechts vor dem Landesrecht (“Bundesrecht bricht Landesrecht”, Art. 31 GG) ist es jedoch nicht möglich, auf Grundlage einer Ermächtigung in einer landesrechtlichen Verordnung Ausnahmen vom Anwendungsbereich formeller Bundesgesetze zuzulassen.
d) Hinzu kommt, dass selbst soweit § 28b Abs. 3 Satz 1 IfSG einer Ausnahme nicht entgegenstünde, deren Voraussetzungen hier nicht gegeben wären.
(1) Nach § 20 Abs. 2 Satz 4 13. BayIfSMV kann das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Ausnahmen bekanntmachen. Einen solchen Förderbedarf hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
(2) Unabhängig von einer möglichen Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 4 BayIfSMV hat der Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht, dass für ihn ein Einzelfall, also ein atypischer Ausnahmefall, vorliegt, der es rechtfertigen würde, dass er auch ohne Erfüllung der Testobliegenheit am Präsenzunterricht teilnehmen könnte.
§ 27 Abs. 2 Satz 1 13. BayIfSMV regelt, dass im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.
Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung setzt voraus, dass ein besonders gelagerter Fall vorliegt, der ein Abweichen von der allgemeinen Regelung rechtfertigen kann. Es muss sich um einen atypischen Einzelfall handeln, den der Verordnungsgeber beim Erlass der allgemeingültigen Regelungen nicht im Blick hatte. Erst wenn ein solcher vorliegt, ist für die zuständige Behörde ein Ermessensspielraum zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung eröffnet, und zwar auch nur dann, wenn die Erteilung der Genehmigung infektionsschutzrechtlich vertretbar ist (vgl. zum Ganzen VG Regensburg, B.v. 9.3.2021 – RO 5 E 21.363 – juris Rn. 35 ff.; B.v. 24.2.2021 – RO 5 E 21.170 – juris Rn. 32 ff.; VG Würzburg, B.v. 23.4.2021 – W 8 E 21.546 – juris, Rn. 35; B.v. 14.4.2021 – W 8 E 21.510 – juris).
Zur Begründung seines Antrags hat der Antragsteller ein Attest von J. S., Gemeinschaftspraxis K., vom 21.5.2021 vorgelegt. Nach diesem wird der Antragsteller von dem Aussteller und dem weiteren in der Praxis behandelnden Arzt allgemeinmedizinisch betreut. Beim Antragsteller wird das Risiko, durch die Ausführung des Selbsttests Verletzungen des oberen Nasenabschnitts zu erleiden, als gegeben angesehen. Es lägen auch andere medizinische Gründe, die nicht Gegenstand der Diagnoseoffenbarung sein könnten, vor.
Für die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Einschränkungen ist regelmäßig die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung erforderlich, die nachvollziehbare Befundtatsachen sowie eine Diagnose enthalten muss. Dabei ist die rechtliche Situation nicht vergleichbar mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegenüber einem Arbeitgeber. Mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen soll eine überwiegende Wahrscheinlichkeit belegt werden, dass die betroffene Person aus gesundheitlichen Gründen einen Einzelfall darstellt. In derartigen Konstellationen muss die Verwaltung bzw. das Gericht, wie auch in anderen Rechtsgebieten, aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben in den ärztlichen Bescheinigungen in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen selbständig zu prüfen. Anders als etwa bei einem Attest zur Befreiung vom Schulbesuch wegen Krankheit sind hier auch Grundrechtspositionen insbesondere von anderen Schülerinnen und Schülern sowie des Schulpersonals – das Recht auf Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) – betroffen, für die die Schule eine herausgehobene Verantwortung trägt (vgl. zur Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung: BayVGH, B.v. 26.10.2020 – 20 CE 20.2185 – juris, Rn. 19 m.w.N.).
Das vom Antragsteller vorgelegte Attest erfüllt diese Voraussetzungen in keiner Hinsicht. Es ergibt sich aus diesem weder eine konkrete Diagnose, noch ist es aufgrund der Angaben möglich, das Vorliegen eines Einzelfalles zu begründen. Der bloße Hinweis, dass es zu Verletzungen im oberen Nasenbereich kommen könnte, genügt nicht für die Annahme eines besonderen Risikos. Der Verweis auf weitere, nicht offen zu legende medizinische Gründe beinhaltet keine konkreten und nachvollziehbaren Tatsachen.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG). Das Gericht hat vorliegend von der Möglichkeit, den Streitwert im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache bis zur Höhe des Streitwerts der Hauptsache anzuheben, Gebrauch gemacht.


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