Verwaltungsrecht

Darlegungsanforderungen für Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  22 ZB 15.2277

Datum:
20.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 41741
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1 Darlegen iSv § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2 VwGO erfordert unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist darzulegen, welche Rechtsfrage oder Tatsachenfrage erstens entscheidungserheblich, zweitens klärungsbedürftig und drittens über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

16 K 14.3767 2015-07-14 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 684,30 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich als Mitglied der beklagten Handwerkskammer gegen deren Beitragserhebung mit Bescheid vom 18. August 2014. Dieser setzt für das Jahr 2014 einen Betrag von 684,30 € fest, bestehend aus einem Grundbeitrag (97 €) und einem Zusatzbeitrag (587,30 €). Der Zusatzbeitrag bemisst sich nach dem Gewerbeertrag/Gewinn im Jahr 2011 abzüglich eines Freibetrags von 14.000 €. Die gegen den Beitragsbescheid erhobene Anfechtungsklage begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass er als Einzelunternehmer unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz und das Gebot der Beitragsgerechtigkeit schlechter behandelt werde als z. B. eine Kapitalgesellschaft.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Juli 2015 abgewiesen.
Der Kläger hat die Zulassung der Berufung gegen das Urteil beantragt und macht geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), außerdem sei die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsverfahrensakten Bezug genommen.
II.
Der Zulassungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteil (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die der Kläger geltend macht, bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 7 m. w. N.). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.). Gemessen an diesen Voraussetzungen ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers (Schriftsatz vom 9.11.2015, Nr. I auf S. 2 bis 4) keine auf das Ergebnis durchschlagenden ernstlichen Zweifel.
Die gebotene „Darlegung“ der Zulassungsgründe erfordert eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird. Mit Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der Darstellung der eigenen Rechtsauffassung (vgl. hierzu BayVGH, z. B. B. v. 8.12.2015 – 20 ZB 15.2197 – juris und B. v. 2.4.2014 – 22 ZB 14.518 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124a Rn. 49 m. w. N.).
Der Kläger unterlässt in seiner Antragsbegründung zum Einen eine Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass die Auszahlung einer Fremdgeschäftsführervergütung entgegen der Annahme des Klägers die Ertragskraft einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich schmälere und dass sich diese Auszahlung bei Identität des Geschäftsführers mit einem Gesellschafter der Kapitalgesellschaft aufgrund steuerlicher und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (z. B. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 43 Abs. 1 GmbHG) jedenfalls nicht stets gewinnmindernd auswirke (UA, S. 8). Für die Annahme, dass es nur in Einzelfällen zu einer höheren Beitragszahlung von Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften mit gleich hohem Gewinn aus Gewerbebetrieb – vor Abzug einer Geschäftsführervergütung – kommen dürfte, spreche, dass nach Angabe der Beklagten nur 14% ihrer Mitgliedsbetriebe Kapitalgesellschaften seien, dass nur ca. 1,9% der Betriebe jährliche Erträge von über 100.000 € erwirtschafteten und dass der Großteil der Kapitalgesellschaften die Geschäftsführervergütung nicht in der vom Kläger angenommenen Höhe bezahlen könnten (UA, S. 9 Mitte). In seiner Antragsbegründung geht der Kläger auf diese vom Verwaltungsgericht angeführten Gesichtspunkte nicht ein; die genannte Auskunft der Beklagten hinsichtlich des 14%igen Anteils von Kapitalgesellschaften an der Mitgliederzahl stellt der Kläger hierbei nicht infrage.
Soweit der Kläger in seiner Antragsbegründung den Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die „Eigentümlichkeiten der jeweiligen Unternehmensrechtsform“ als „völlig abstrakt“ beanstandet und meint, damit vergleiche das Verwaltungsgericht „Äpfel mit Birnen“ (Schriftsatz vom 9.11.2012, S. 2, erster Abschnitt), genügt er ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO; weshalb der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf relevante Unterschiede der Unternehmensform unberechtigt sein soll, ergibt sich auch aus den danach folgenden Ausführungen des Klägers in der Antragsbegründung nicht.
Der Kläger unterlässt in seiner Antragsbegründung zum Andern eine Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass die Beklagte durchaus selbst von einer regelmäßig höheren Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften ausgehe und dieser durch die Erhebung eines Zuschlags zum jeweiligen Gesamtbeitrag Rechnung trage. Auch mit diesem Argument setzt sich der Kläger in der Antragsbegründung nicht auseinander.
Der Kläger vertritt in der Antragsbegründung die Auffassung, die – auch von ihm als rechtlich zutreffendes Bemessungskriterium für den Kammerbeitrag angesehene – Leistungskraft eines kammerzugehörigen Unternehmens könne nur dann richtig abgebildet werden, wenn der steuerliche Gewinn u. a. um den sogenannten kalkulatorischen Unternehmerlohn gekürzt werde. Der Kläger verweist hierzu auf eine auszugsweise beigefügte Untersuchung „Kälte- und Klimatechnik Schleswig-Holstein – Betriebsvergleich 2011“ der „Rationalisierungs-Gemeinschaftshandwerk S-H e.V.“. Die vom Kläger auszugsweise vorgelegte Broschüre hat aber (wie schon der Name der Herausgeberin „Rationalisierungsgemeinschaft…“ nahelegt) einen anderen, begrenzten Zweck. Es ging in dieser Broschüre darum, innerhalb der Branche Kälte- und Klimatechnik den einzelnen Unternehmern den Vergleich mit anderen Betrieben zu ermöglichen und sie in die Lage zu versetzen, anhand wirtschaftlicher Daten zu beurteilen, ob der eigene Betrieb rentabel gearbeitet hat, ob nämlich einem ausgewiesenen steuerlichen Gewinn auch ein betriebswirtschaftlicher Gewinn entspricht. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich vor allem nicht, dass die von ihm vorgeschlagene Methode die einzige Methode wäre, um dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Äquivalenzprinzip ausreichend Rechnung tragen zu können.
2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers (Schriftsatz vom 9.11.2015, Nr. II auf S. 4 und 5) gleichfalls nicht. Dazu wäre gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO darzulegen, welche Rechtsfrage oder Tatsachenfrage nach der für die angefochtene oder erstrebte Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage vorliegend erstens entscheidungserheblich, zweitens klärungsbedürftig und drittens über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (zum Erfordernis des kumulativen Vorliegens dieser Voraussetzungen vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 35 bis 40). Diesen Anforderungen wird der Kläger nicht gerecht.
Denn der Kläger hat keine abstrakte Rechtsfrage oder Tatsachenfrage formuliert. Der Kläger verweist lediglich darauf, dass (nach Aussage der Beklagten und Annahme des Verwaltungsgerichts) 14% der Mitglieder der Beklagten Kapitalgesellschaften seien. Er folgert hieraus, dass die übrigen 86% und damit die deutlich größere Zahl an Mitgliedern Einzelunternehmen seien und diese – ebenso wie der Kläger – im Vergleich mit Kapitalgesellschaften wirtschaftlich schlechter gestellt würden, was im Hinblick auf den Gleichheitssatz und das Gebot der Beitragsgerechtigkeit nicht hinnehmbar sei.
Aus diesem Vorbringen ergibt sich so lange kein die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rechtfertigender Klärungsbedarf, als der Kläger nicht aufgezeigt hat, dass eine etwaige Ungleichbehandlung dieser beiden Mitgliedsgruppen mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert bemisst sich nach § 52 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 1 GKG. Der Kläger hat die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Kriterien der Beitragserhebung insgesamt infrage gestellt und die Aufhebung des Beitragsbescheids über 684,30 € begehrt.


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