Verwaltungsrecht

Darlegungslast im Antrag auf Zulassung der Berufung – Dienstliche Beurteilung

Aktenzeichen  3 ZB 16.1699

Datum:
25.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14508
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
LlbG Art. 60 Abs. 1 S. 5

 

Leitsatz

1. Soweit ein Beurteiler nicht über hinreichende eigene Erkenntnisse über Leistung und Befähigung des Beamten verfügt, um allein auf dieser Grundlage die Beurteilung sachgerecht erstellen zu können, muss er sich die Informationen verschaffen, die es ihm ermöglichen, diejenigen in der Beurteilung zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zutreffend zu erfassen, über die er keine aus eigener Anschauung gewonnene Erkenntnis besitzt. Die Auswahl der heranzuziehenden Erkenntnisquellen unterliegt dabei grundsätzlich seiner gerichtlich überprüfbaren Einschätzung. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. In der nur teilweisen Teilnahme des Beurteilers an den zur Erstellung von Beurteilungsbeiträgen angesetzten Vorbesprechungen kann kein Verfahrensfehler gesehen werden. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Verpflichtung zur Plausibilisierung der in einer dienstlichen Beurteilung enthaltenen Werturteile und die Darlegung solcher Zweifel an der Richtigkeit dieser Werturteile stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. Hält der Beamte die dienstliche Beurteilung trotz einer Erläuterung durch den Dienstherrn nicht für hinreichend plausibel, liegt es an ihm, konkrete Punkte zu benennen, die er entweder für unklar oder unzutreffend hält. Hat der Dienstherr seinen Standpunkt erläuternd dargestellt, genügt es danach nicht mehr, Einzelbewertungen oder das Gesamturteil als nicht nachvollziehbar zu bezeichnen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 16.177 2016-06-02 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Aufhebung der dienstlichen Beurteilung vom 26. Mai 2015 in Gestalt des Abhilfebescheids des Präsidenten des Amtsgerichts Augsburg vom 7. Oktober 2015 und wie des Einwendungsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts München sowie auf Neubeurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin wendet ein, der Umstand, dass vor der ersten Besprechung der Gruppenleiter, die der Erstellung eines Rankings und der Vergabe von Gesamtprädikaten gedient habe, von Verwaltungsseite bereits eine vorläufige Liste erstellt worden sei, bei der Beamtinnen und Beamte, die Verwaltungsaufgaben übernommen hatten, bereits auf Spitzenplätze eingereiht gewesen seien, lege mehr als nahe, dass ein falscher Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt worden sei. Auch ohne Übernahme von Verwaltungsaufgaben müsse ein Rechtspfleger grundsätzlich die Chance haben, Spitzenleistungen auf seinem Dienstposten zu zeigen und im Ranking ganz nach oben zu kommen. Selbst wenn es hier noch Änderungen in der Reihung gegeben habe, sei ohne weiteres davon auszugehen, dass diese nach fehlerhaften Maßstäben erstellte „Diskussionsgrundlage“ auf die endgültige Reihung durchgeschlagen habe.
Mit diesem spekulativen Einwand kann die Klägerin nicht durchdringen. Inwieweit die angegriffene dienstliche Beurteilung auf einem fehlerhaften Maßstab beruhen soll, wird nicht ansatzweise ersichtlich, ein Widerspruch zu den Art. 54 ff. LlbG, dem Abschnitt 3 der Allgemeinen Beurteilungsrichtlinien (VV-BeamtR), der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Beurteilung und Leistungsfeststellung für die Beamten und Beamtinnen mit Ausnahme der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen (JuBeurteilBek) sowie den JMS vom 24. September 2014 und vom 23. Oktober 2014 wird nicht aufgezeigt. Die vorläufige Liste hat zum Einen, wie die unstreitig abweichende endgültige Reihung zeigt, nicht auf diese durchgeschlagen. Zum Anderen hat sich der Beurteiler auch nicht an die Vorarbeiten der Verwaltung gebunden gefühlt. Vor diesem Hintergrund kommt es auch auf den im Berufungszulassungsverfahren vorgetragenen und unwidersprochen gebliebenen Einwand des Beklagten nicht an, dass auf der vorläufigen Liste auf Platz 1 eine Rechtspflegerin rangierte, die in geringem Umfang (zu 0,1 Arbeitskraftanteil) Aufgaben übernommen hatte, die keiner Wertung in der Beurteilung unterlegen hätten, während auf Platz 2 ein Rechtspfleger mit Führungsaufgaben vorgesehen gewesen sei und die übrigen 15 Rechtspflegeoberinspektorinnen und Rechtspflegeoberinspektoren ausschließlich die Aufgaben eines Rechtspflegers wahrgenommen hätten.
Weiter rügt die Klägerin, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts beruhe die dienstliche Beurteilung nicht auf einer ausreichenden Erkenntnisbasis. Der Erstellung der Beurteilung seien zwei Besprechungen vorausgegangen, in deren Rahmen die Beamtinnen und Beamten gereiht worden seien. Der Beurteiler sei aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur bei einer der beiden Besprechungen relativ kurz (eine von vier Stunden) anwesend gewesen. Bei der endgültigen Reihung sei der Beurteiler nicht dabei gewesen, auch nicht bei der Vorstellung jedes Beamten. Mache der Beurteiler von der bei größeren Personalkörpern bestehenden Möglichkeit Gebrauch, eine Beurteilungskommission einzurichten, die nur eine beratende Funktion für den Beurteiler haben könne, treffe ihn auch eine entsprechende Anwesenheitspflicht. Andernfalls sei nicht nachvollziehbar, wie der Leistungsvergleich und die Reihung durch den Beurteiler in eigener Verantwortung durchgeführt worden sei.
Diesen Rechtsstandpunkt der Klägerin teilt der Senat ebenfalls nicht. Die insoweit in Bezug genommene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg (U.v. 6.11.2012 – W 1 K 12.69 – juris Rn. 25) begründet die behauptete Anwesenheitspflicht des Beurteilers in der Beurteilungskommission ebenso wenig wie die dort zitierte Fundstelle (Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und Richter, Band 2, Rn. 313). Soweit der Beurteiler nicht über hinreichende eigene Erkenntnisse über Leistung und Befähigung des Beamten verfügt, um allein auf dieser Grundlage die Beurteilung sachgerecht erstellen zu können, muss er sich die Informationen verschaffen, die es ihm ermöglichen, diejenigen in der Beurteilung zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zutreffend zu erfassen, über die er keine aus eigener Anschauung gewonnene Erkenntnis besitzt. Die Auswahl der heranzuziehenden Erkenntnisquellen unterliegt dabei grundsätzlich seiner gerichtlich überprüfbaren Einschätzung (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2018 – 2 A 10/17 – juris Rn. 22, 26). Vor dem Hintergrund, dass Nr. 3.6.1 JuBeurteilBek ausdrücklich vorsieht, dass Beurteilungskommissionen im Sinne des Art. 60 Abs. 1 Satz 5 LlbG, Nr. 11.3 Abschnitts 3 VV-BeamtR nicht eingerichtet werden, kann in der nur teilweisen Teilnahme des Präsidenten an den zur Erstellung von Beurteilungsbeiträgen der Geschäftsleitung angesetzten Vorbesprechungen kein Verfahrensfehler gesehen werden.
Der Beklagte ist seiner Verpflichtung zur Plausibilisierung nachgekommen. Soweit die Klägerin einen darüber hinausgehenden Erläuterungsbedarf hat, hätte es an ihr gelegen, Zweifel an der Nachvollziehbarkeit des gefundenen Ergebnisses darzulegen. Die Verpflichtung zur Plausibilisierung der in einer dienstlichen Beurteilung enthaltenen Werturteile und die Darlegung solcher Zweifel an der Richtigkeit dieser Werturteile stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. Hält der Beamte die dienstliche Beurteilung trotz einer Erläuterung durch den Dienstherrn nicht für hinreichend plausibel, liegt es an ihm, konkrete Punkte zu benennen, die er entweder für unklar oder unzutreffend hält. Hat der Dienstherr seinen Standpunkt erläuternd dargestellt, genügt es danach nicht mehr, Einzelbewertungen oder das Gesamturteil als nicht nachvollziehbar zu bezeichnen (vgl. BVerwG a.a.O. juris Rn. 37). Entsprechende Darlegungen, die eine weitere Plausibilisierung erforderlich machten, sind dem Vortrag der Klägerin indes nicht zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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