Verwaltungsrecht

Der Senegal ist sicherer Herkunftsstaat

Aktenzeichen  M 11 S 16.31093

Datum:
2.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 30, § 36 Abs. 4
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 3 S. 2, Abs. 7 S. 4, § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG GG Art. 16a Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Der Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat. Eine ausreichende medizinische Versorgung ist dort gewährleistet. (redaktioneller Leitsatz)
Der Vortrag, im Heimatland durch schwarze Magie erkrankt zu sein ohne medizinische Belege vorzulegen, ist nicht geeignet, eine dem Maßstab des § 60 Abs. 7 S. 1 bis 4 AufenthG entsprechende gesundheitliche Gefahrensituation zu begründen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger der Republik Senegal vom Volk der Wolof (Stamm Soce).
Er stellte unter dem 29. Februar 2016 einen Asylantrag.
In der Anhörung am 27. April 2016 beim Bundesamt … (im Folgenden: Bundesamt) gab der Antragsteller an, die zweite Frau seines Vaters habe schwarze Magie gegen ihn angewendet, er sei deshalb krank gewesen. Seit er aus Afrika weggegangen sei, spüre er nichts mehr. Er habe keine Probleme mit staatlichen Stellen gehabt.
Mit Bescheid vom 4. Mai 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Ziffer 3.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4.) und drohte dem Antragsteller mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung in den Senegal an (Ziffer 5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 7.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller stamme aus dem Senegal, einem sicheren Herkunftsstaat. Aus seinem Vorbringen sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung, noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Da es dem Antragsteller nicht gelungen sei, die Regelvermutung des § 29a AsylG zu widerlegen, sei der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen.
Der Antragsteller habe vorgetragen, wegen der Anwendung schwarzer Magie durch die zweite Frau seines Vaters krank geworden zu sein. Dies entspreche keiner Verfolgung nach § 3 AsylG.
Aus den vorliegenden Erkenntnissen und unter Hinweis auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz seien keine Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigten, dem Antragsteller drohe bei Rückkehr nach Senegal ein ernsthafter Schaden. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Senegal führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Es bestünden somit keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nicht im Stande sein werde, sich bei einer Rückkehr nach Senegal eine zumindest existenzsichernde Grundlage zu schaffen.
Es drohe dem Antragsteller auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Ärztliche Atteste habe er nicht vorgelegt.
Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet. Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange, insbesondere für eine kürzere Fristsetzung, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei angemessen, schutzwürdige Belange seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Laut Akte wurde der Bescheid am 9. Mai 2016 an den Antragsteller versandt und am 11. Mai 2016 per PZU zugestellt.
Am 17. Mai 2016 erhob der Antragsteller Klage und beantragte sinngemäß,
unter Aufhebung des Bescheides die Antragsgegnerin zu verpflichten, festzustellen, dass der Antragsteller asylberechtigt ist, die Flüchtlingseigenschaft bei ihm vorliegt, der subsidiäre Schutzstatut bei ihm vorliegt, Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bei ihm vorliegen.
Zugleich beantragt der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Eine Begründung werde nachgereicht.
Am 27. Mai 2016 legte die Antragsgegnerin die Akten vor und stellte am 31. Mai 2016 den Antrag,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Solche liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann. Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen vorliegend im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Auch dass die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat (Nr. 1 und 2 des Bescheids) sowie den Antrag auf subsidiären Schutz abgelehnt hat (Nr. 3 des Bescheids), begegnet keinen ernsthaften Zweifeln.
Nach § 29a AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sog. sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn die von dem Ausländer angegeben Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Der Antragsteller stammt aus dem Senegal, einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. Anlage II zu § 29a AsylG). Der Vortrag des Antragstellers widerlegt die Regelvermutung des § 29a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG nicht.
Es wird auf den angegriffenen Bescheid der Antragsgegnerin Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und lediglich ergänzend ausgeführt:
Im Hinblick auf die vorgetragene Krankheit des Antragstellers liegt kein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Senegal vor.
Gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen – zielstaatsbezogenen – Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Diese Gefahr muss dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, wobei im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „konkreten“ Gefahr für „diesen“ Ausländer als zusätzliches Erfordernis eine einfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefahrensituation hinzutreten muss, die überdies landesweit droht. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann sich im Einzelfall zwar auch daraus ergeben, dass die Gefahr der Verschlimmerung einer Krankheit, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet, im Heimatstaat besteht, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Für die Bestimmung der Gefahr gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, das heißt die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Zuständen (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 24.05.2006 – 1 B 118/05 – juris). Durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) wurden hinsichtlich des krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses durch § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG zusätzlich folgende Bestimmungen getroffen: Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
Im Fall des Antragstellers liegen die Voraussetzungen eines solchen krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG indes nicht vor. Der Vortrag des Antragstellers ist nicht geeignet, eine dem Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 bis 4 AufenthG entsprechende gesundheitliche Gefahrensituation zu begründen. Der Antragsteller hat lediglich behauptet, durch schwarze Magie im Heimatland erkrankt zu sein. Seit er nicht mehr in Afrika sei, sei er gesund. Atteste wurden nicht vorgelegt.
Von einer weiteren Darstellung der Gründe zu den nationalen Abschiebungsverboten des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG wird abgesehen, weil das Gericht auch insoweit der zutreffenden Begründung des Bescheids folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Zwar wurde im Tenor des Bescheids unter Nr. 6 und Nr. 7 das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Absatz 7 Satz 4 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Ausreise und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Absatz 1 und Absatz 3 Satz 2 AufenthG auf 10 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Jedoch geht aus den Gründen hervor, dass es sich hier nur um ein Schreibversehen handelt und tatsächlich 10 Monate ab dem Tag der Ausreise nach § 11 Absatz 7 AufenthG und 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Absatz 1 AufenthG gemeint sind. Diese Fristen sind daher rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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