Verwaltungsrecht

Dienstliche Beurteilung, Voreingenommenheit des Beurteilers (verneint), Beweiswürdigung

Aktenzeichen  3 ZB 21.2958

Datum:
23.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13316
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

B 5 K 20.168 2021-09-28 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1. Der 1963 geborene Kläger steht im Dienst des Beklagten und wendet sich gegen seine periodische Beurteilung vom 14. Juni 2018 für den Beurteilungszeitraum 1. Mai 2015 bis 30. April 2018 mit dem Gesamturteil 12 Punkte. Er war in dieser Zeit als Landwirtschaftsamtsrat (BesGr. A 12) als Fachberater für Rinderzucht beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bayreuth tätig. Seine Klage gegen die Beurteilung blieb in erster Instanz erfolglos.
2. Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensfehler) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
a. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Aufhebung der periodischen Beurteilung vom 14. Juni 2018 und Neubeurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu Recht abgewiesen.
(1) Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe unzutreffend eine Voreingenommenheit des Beurteilers Dr. H. verneint.
Eine Voreingenommenheit kann sich aus der Beurteilung selbst, aber auch aus dem Verhalten des Beurteilers in Angelegenheiten des zu beurteilenden Beamten oder diesem gegenüber ergeben. Ein unmittelbarer Vorgesetzter ist dann als voreingenommen anzusehen, wenn er nicht willens oder in der Lage ist, den Beamten sachlich oder gerecht zu beurteilen (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2018 – 3 CE 17.2188 – juris Rn. 9).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass dienstliche Beurteilungen grundsätzlich durch Dienstvorgesetzte des Beamten erstellt werden und eine ständige dienstliche Zusammenarbeit und die Führungsaufgaben eines Vorgesetzten naturgemäß auch die Möglichkeit von Konflikten mit sich bringen. Dementsprechend können grundsätzlich weder eine kritische Einschätzung der Arbeitsweise und des sonstigen dienstlichen Verhaltens des beurteilten Beamten durch den beurteilenden Vorgesetzten noch das Bestehen dienstlich veranlasster Spannungen bereits Anlass geben, eine Voreingenommenheit des Vorgesetzten anzunehmen. Dadurch und durch im Einzelfall emotional gefärbte Reaktionen wird grundsätzlich noch nicht die Erwartung in Frage gestellt, der Vorgesetzte wolle und könne seine Pflichten einschließlich derjenigen zur sachlichen und gerechten dienstlichen Beurteilung erfüllen (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.1998 – 2 C 16.97 – juris Rn. 16; B.v. 07.11.2017 – 2 B 19.17 – juris Rn. 13).
Das Gespräch vom 3. Februar 2015, in dem Dr. H. dem Kläger im Beisein des Zeugen Sch wegen verspätet abgegebener Korrekturblätter für die Zeiterfassung in „hartem Ton“ sehr deutlich vorgeworfen hatte, er halte „die ganze Verwaltung“ auf und „alle in der Verwaltung“ hätten sich über ihn beschwert, lässt per se nicht auf eine Voreingenommenheit schließen. Im Arbeitsalltag ist nicht jede möglicherweise brüske Formulierung „auf die Goldwaage zu legen“. Spannungen im Dienstbetrieb kommen vor; sie sind nicht ohne weiteres Anlass, eine Voreingenommenheit des Beurteilers anzunehmen. Dieses Gespräch lässt bei objektivierter Betrachtung in der Gesamtschau mit den wiederholten Nachfragen, ob der Kläger nicht das Amt oder zum Rinderzuchtverband wechseln wolle, auf dienstlich veranlasste Spannungen schließen. Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus ein ernsthafter Konflikt bestand, der es dem Beurteiler unmöglich machte, den Kläger sachlich und gerecht zu beurteilen, lässt sich damit nicht darlegen. Das am 10. April 2017 von der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten moderierte Konfliktgespräch zwischen Dr. H. und dem Kläger diente der Aufarbeitung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens um die Beurteilung vom 2. Juni 2015, in dem der Kläger auch schon die Voreingenommenheit von Dr. H. beklagt hatte. Ob dieses Gespräch, wie der Kläger behauptet, wegen eines „amtsbekannten zerrütteten Verhältnisses“ notwendig geworden war, ist durch nichts belegt. Die nunmehr neu benannte Tatsache für die Voreingenommenheit des Beurteilers, nämlich dessen Aussage in der mündlichen Verhandlung am 28. September 2021 liegt nicht mehr innerhalb des Beurteilungszeitraums, sondern danach, und kann daher keine Berücksichtigung finden. Im Übrigen vermag die fehlerhafte Erinnerung zum Zeitpunkt der Einführung der elektronischen Zeiterfassung keine Voreingenommenheit zu belegen.
(2) Der Kläger wendet sich erfolglos gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Solche Fehler sind im Hinblick auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Berufungszulassungsverfahren nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich. Dabei weckt nicht bereits der Vortrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung, das Ergebnis einer Beweisaufnahme sei anders zu bewerten, als das Verwaltungsgericht es getan habe. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gericht ist im Grundsatz nicht an bestimmte Beweisregeln gebunden. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Trotz des besonderen Charakters der Beweiswürdigung, der dem Gericht einen Wertungsrahmen eröffnet, ist das Gericht allerdings nicht gänzlich frei. Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, d.h. sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Wegen einer fehlerhaften Beweiswürdigung ist der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO folglich nur dann gegeben, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 19).
Derartige schwerwiegende Fehler bei der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung hat der Kläger nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht hat die Gesamtumstände, wie sie sich nach den Zeugenaussagen objektiv darstellen, nachvollziehbar gewürdigt. Es habe während der Vernehmung des Zeugen H. am 28. September 2017 zu keinem Zeitpunkt den Eindruck gewonnen, dass dieser dem Kläger schaden wolle, indem er Umstände, Ereignisse, Äußerungen oder Verhaltensweisen des Klägers bewusst negativ darstelle. Vielmehr habe er glaubhaft geäußert, dass er die streitgegenständliche Beurteilung seiner Meinung nach derart gefasst habe, dass ein folgender Beurteiler an der Vergabe von 13 Punkten im Gesamturteil kaum mehr werde vorbeikommen können. Auch die Zeugen M. und Sch. hätten nicht den Eindruck gehabt, dass zwischen dem Kläger und Dr. H. ein grundsätzlich schlechtes Verhältnis bestanden habe. Lediglich der Zeuge Sch habe angegeben, dass es zwischen Dr. H. und dem Kläger „punktuelle Reibungspunkte“ gegeben habe. Anhaltspunkte für ein grundlegendes Aversionsproblem im zwischenmenschlichen Verhältnis von Kläger und Dr. H. habe es nicht gegeben. Ergänzend habe der Zeuge Sch vorgetragen, dass Beurteilungseröffnungen generell nicht immer ruhig seien, er es aber nicht so empfunden habe, dass Dr. H. den Kläger habe herausdrängen wollen. Zwar habe es einen Vorfall gegeben, der den Umfang bzw. die Art und Weise des Klägers betroffen habe, die außerhalb des Dienstgebäudes angefallene Dienstzeit in Abrechnung zu bringen. Gleichwohl habe der Zeuge auch für diesen Fall lediglich angegeben, dass sich Dr. H. seiner Meinung nach eines rauen, möglicherweise auch zu rauen Tons bedient habe, um die Angelegenheit mit dem Kläger zu klären. Dass dieser Rüge die sachliche Grundlage gefehlt habe und der Kläger somit grundlos mit Vorwürfen überzogen worden sei, ergebe sich aus seinem Vorbringen jedenfalls nicht. Auch die Zeugin M. habe glaubhaft vorgetragen, dass sie im Hinblick auf das persönliche Verhältnis zwischen dem Kläger und Dr. H. keine Abneigung bemerkt habe. Zwar habe sie von einer gewissen Vorbelastung gewusst, gleichwohl sei diese im persönlichen Umgang der beiden miteinander nie zu spüren gewesen.
Der Kläger zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist oder die Beweiswürdigung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist. Er beschränkt sich darauf, über mögliche Intentionen beim Aussageverhalten zu spekulieren, indem er beispielsweise den Zeugen M. und Sch. Dankbarkeit für gute Beurteilungen durch Dr. H. unterstellt, weshalb sie nicht geneigt seien, ein Fehlverhalten des Beurteilers unverblümt zu benennen. Dafür bestehen bei Durchsicht der Zeugenaussagen keinerlei Anhaltspunkte. In der Sache setzt der Kläger der Beweiswürdigung lediglich seine eigene Würdigung entgegen.
Einen Fehler bei der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung zeigt der Kläger auch nicht damit auf, dass Dr. H. nicht an einem Vortrag des Klägers am 5. Januar 2015 teilgenommen hat. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass Dr. H. die Arbeit des Klägers lange verfolgt, häufig mit den Landwirten Gespräche geführt und so ein Feedback über die Arbeit des Klägers erhalten habe, weshalb er in der Lage gewesen sei, die Leistung des Klägers angemessen zu beurteilen. Da der Vortrag außerhalb des Beurteilungszeitraums lag, konnte dieser nicht in die Beurteilung einfließen. Es bleibt dem Beurteiler und nicht dem Beurteilten überlassen, wie er sich über die Leistungen des Beamten h informiert.
b. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Frage, wie Zeugenaussagen zu würdigen sind, wenn sie dem Beurteiler gegenüber hierarchisch untergeordnet und aufgrund vorheriger positiver Beurteilungen zum Dank verpflichtet sind, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht verallgemeinerungsfähig beantwortet werden.
c. Dem Verwaltungsgericht ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, der zur Zulassung der Berufung führen könnte (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit sie entscheidungserheblich sind (BVerfG, B.v. 17.11.1992 – 1 BvR 168/89 u.a. – juris; BVerwG, U.v. 21.9.2000 – 2 C 5.99 – juris).
Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe die nach seinen Recherchen unzutreffende Aussage des Zeugen H. („Die Post geht über meinen Tisch.“) in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 21. Februar 2017 (Verfahren B 5 K 16.411 – Beurteilung 2015) nicht berücksichtigt bzw. entsprechend gewürdigt. Die Rüge geht bereits deshalb ins Leere, weil das Verwaltungsgericht diesen Einwand sehr wohl berücksichtigt und ausgeführt hat, dass kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich sei, dass Dr. H. diese Aussage bewusst wahrheitswidrig getätigt habe (UA AS. 10).
3. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG (wie Vorinstanz).
4. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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