Verwaltungsrecht

Drittschützende Normen im Flurbereinigungsrecht

Aktenzeichen  13 A 18.2148

Datum:
21.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15116
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG § 34 Abs. 1, § 45, § 61, § 63, § 138 Abs. 1 S. 2
VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

1. § 34 Abs. 1 FlurbG bezweckt grundsätzlich nicht den Schutz eines einzelnen Teilnehmers, insbesondere nicht den Schutz des Nachbarn. Es ist jedoch anerkannt, dass die Erkenntnis, dass § 34 Abs. 1 FlurbG grundsätzlich keine drittschützende Wirkung entfaltet, die Möglichkeit von Ausnahmen einschließt. So können Dritte die Zustimmung nach § 34 angreifen, sofern sie Rechte auf Wiederzuteilung nach § 45 FlurbG oder einen Lageanspruch kraft Zusage geltend machen, wobei die Zustimmung als solche keine Zuteilungszusage darstellt. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vorläufige Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG stellt einen eigenständigen Verwaltungsakt dar, mit dem der als endgültig geplante Zustand bereits vor Eintritt der rechtlichen Wirkung des Flurbereinigungsplans (§§ 61, 63 FlurbG) herbeigeführt werden soll. Insoweit hat der Teilnehmer, sofern er sich durch die vorläufige Besitzeinweisung in seinen Rechten verletzt sieht, hiergegen die erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Dabei stehen die Rechtsbehelfe gegen die vorläufige Besitzeinweisung und gegen den Flurbereinigungsplan nebeneinander und haben insoweit auch unterschiedliche Maßstäbe. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Während gegen die vorläufige Besitzeinweisung ein Anfechtungswiderspruch und eine Anfechtungsklage eröffnet sind, mit denen gerügt werden kann, eine auch nur vorübergehende Nutzung bis zu Planausführung (§§ 61, 63 FlurbG) sei unzumutbar, sind gegen den Flurbereinigungsplan ein Verpflichtungswiderspruch sowie eine Verpflichtungsklage gegeben, mit denen gerügt werden kann, der Kläger sei nicht wertgleich abgefunden und der Plan zur Herstellung der Wertgleichheit zu ändern. Damit hat aber eine Klage gegen den Flurbereinigungsplan keine Auswirkungen auf den Bestand und die Vollziehbarkeit einer vorläufigen Besitzeinweisung. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von insgesamt 30,- Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des ALE nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG vom 20. August 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2018 ist bereits unzulässig, da es dem Kläger an der erforderlichen Klagebefugnis nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 42 Abs. 2 VwGO fehlt.
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger eine Verletzung seiner Rechte durch die der Beigeladenen vom ALE erteilte Zustimmung nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG geltend machen kann. Vorliegend kann sich der Kläger nicht auf die sog. Adressatentheorie berufen, wonach bei Anfechtungsklagen der „Adressat“ eines belastenden Verwaltungsakts stets klagebefugt ist, da bereits mit der Tatsache, Inhaltsadressat eines belastenden Verwaltungsakts zu sein, hinreichend geltend gemacht ist, dadurch möglicherweise in einem eigenen Recht verletzt zu sein (Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 91 m.w.N.). Der Kläger ist vorliegend gerade nicht Inhaltsadressat der der Beigeladenen erteilten Zustimmung, die sich damit für ihn auch nicht als belastender Verwaltungsakt darstellt.
Auch nach der sog. Schutznormtheorie besteht vorliegend kein bei der Erteilung der Zustimmung nach § 34 FlurbG zu berücksichtigendes subjektives Recht des Klägers. Nach der Schutznormtheorie begründet eine Rechtsnorm dann ein subjektives Recht, wenn die infrage stehende Rechtsnorm zwingend ist, sie ausschließlich oder zumindest neben dem öffentlichen Interesse auch Individualinteressen zu dienen bestimmt ist und sie schließlich die Rechtsmacht verleiht, das Individualinteresse gegenüber der Verwaltung durchzusetzen (Happ a.a.O., § 42 Rn. 89 m.w.N.). Insoweit ist zu § 34 Abs. 1 FlurbG anerkannt, dass diese Vorschrift grundsätzlich nicht dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist und damit keine drittschützende Wirkung entfaltet (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.1989 – 5 C 24.86 – RdL 1989, 236 = RzF 25 zu § 34 I = juris Rn. 12; Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 34 Rn. 5).
Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG bedarf eine Änderung der Nutzungsart von Grundstücken im Umgriff eines Flurbereinigungsverfahrens von der Bekanntgabe des Flurbereinigungsbeschlusses bis zur Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsplanes der Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde, sofern es sich nicht um Änderungen handelt, die zum ordnungsmäßigen Wirtschaftsbetrieb gehören. Seinem Zweck nach schützt § 34 FlurbG die Gestaltungsmöglichkeiten der Flurbereinigungsbehörde und dient dazu, eine Behinderung der Abfindungsgestaltung durch die Flurbereinigungsbehörde zu vermeiden (BVerwG, B.v. 24.9.2002 – 9 B 38.02 – juris Rn. 14). § 34 Abs. 1 FlurbG statuiert zu diesem Zweck für die Zeitspanne zwischen Bekanntgabe des Flurbereinigungsbeschlusses und Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsplans weder ein Verfügungsverbot noch eine Grundbuchsperre, sondern ein (Veränderungs-)Verbot mit Erlaubnis- bzw. Zustimmungsvorbehalt (BVerwG, U.v. 25.4.1989 a.a.O. – juris Rn. 12). Versagt werden kann die Zustimmung dann, wenn das Vorhaben der Flurbereinigung nicht dienlich ist und/oder die Ausführung der zur Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes erforderlichen Maßnahmen beeinträchtigt (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.1989 a.a.O. – juris Rn. 12 unter Hinweis auf BT-Drs. I/3385 S. 37 zu §§ 34 bis 36 FlurbG i.d.F. v. 14.7.1953, BGBl. I S. 591; BayVGH, U.v. 14.10.1976 – 12 XIII 75 – BayVBl. 1978, 210; U.v. 24.1.1980 – 13 A 463/79 – RzF 34 I S. 57 f.). Diese Regelung bezweckt grundsätzlich nicht den Schutz eines einzelnen Teilnehmers, insbesondere nicht den Schutz des Nachbarn. Sie korrespondiert vielmehr mit dem das Flurbereinigungsrecht beherrschenden Prinzip, dass jeder Teilnehmer eine seiner Einlage entsprechende wertgleiche Abfindung beanspruchen, aber nicht verlangen kann, in bestimmter Lage abgefunden zu werden, dient also ersichtlich dazu, die Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes, deren Ergebnisse im Flurbereinigungsplan zusammengefasst werden, zu gewährleisten und die planerische Gestaltungsfreiheit im Rahmen des Verfahrenszweckes zu sichern (BVerwG, U.v. 25.4.1989 a.a.O. – juris Rn. 12; NdsOVG, U.v. 9.11.2011 – 15 KF 10/08 – RdL 2012, 74 = AUR 2012, 113 = juris Rn. 25).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch anerkannt, dass die Erkenntnis, dass § 34 Abs. 1 FlurbG grundsätzlich keine drittschützende Wirkung entfaltet, die Möglichkeit von Ausnahmen einschließt (BVerwG U.v. 25.4.1989 a.a.O. – juris Rn. 13; NdsOVG, U.v. 9.11.2011 a.a.O. – juris Rn. 25; Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 34 Rn. 5). So können Dritte die Zustimmung nach § 34 angreifen, sofern sie Rechte auf Wiederzuteilung nach § 45 FlurbG oder einen Lageanspruch kraft Zusage geltend machen, wobei die Zustimmung als solche keine Zuteilungszusage darstellt.
Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Woraus sich ein derartiger Anspruch auf die Wiederzuteilung des Einlageflurstücks ergeben sollte, ist unabhängig davon, dass das Klageverfahren gegen den Flurbereinigungsplan durch den gerichtlichen Vergleich vom 26. September 2017 beendet worden ist, nicht ersichtlich. Auch soweit der Kläger geltend macht, durch die streitgegenständliche Zustimmung möglicherweise in seinem Eigentum an seinem Einlageflurstück verletzt zu sein, da er den Flurbereinigungsplan angefochten habe und der Anfechtungsklage eine aufschiebende Wirkung zu komme, weshalb er noch Eigentümer und Besitzer seines Einlagegrundstücks sei, trifft dies unabhängig von der Wirksamkeit des Prozessvergleichs nicht zu. Zwar hat eine Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Allerdings ist bei einer gegen einen Flurbereinigungsplan erhobenen Klage nicht die Anfechtungsklage, sondern die Verpflichtungsklage statthafte Klageart. Der Kläger kann in diesem Verfahren also nicht (nur) die Aufhebung des Flurbereinigungsplans verlangen, sondern die Änderung des Flurbereinigungsplans, damit er wertgleich abgefunden wird. Dieser Verpflichtungsklage kommt aber gerade kein Suspensiveffekt zu.
Auch der klägerische Vortrag, mit der Anfechtung des Flurbereinigungsplans greife die vorläufige Besitzeinweisung nicht, trifft nicht zu. Die vorläufige Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG stellt einen eigenständigen Verwaltungsakt dar, mit dem der als endgültig geplante Zustand bereits vor Eintritt der rechtlichen Wirkung des Flurbereinigungsplans (§§ 61, 63 FlurbG) herbeigeführt werden soll (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 36 Rn. 1, § 65 Rn. 11, 15). Insoweit hat der Teilnehmer, sofern er sich durch die vorläufige Besitzeinweisung in seinen Rechten verletzt sieht, hiergegen die erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Dabei stehen die Rechtsbehelfe gegen die vorläufige Besitzeinweisung und gegen den Flurbereinigungsplan nebeneinander und haben insoweit auch unterschiedliche Maßstäbe (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 20). Während gegen die vorläufige Besitzeinweisung ein Anfechtungswiderspruch und eine Anfechtungsklage eröffnet sind, mit denen gerügt werden kann, eine auch nur vorübergehende Nutzung bis zu Planausführung (§§ 61, 63 FlurbG) sei unzumutbar, sind gegen den Flurbereinigungsplan ein Verpflichtungswiderspruch sowie eine Verpflichtungsklage gegeben, mit denen gerügt werden kann, der Kläger sei nicht wertgleich abgefunden und der Plan zur Herstellung der Wertgleichheit zu ändern. Damit hat aber eine Klage gegen den Flurbereinigungsplan keine Auswirkungen auf den Bestand und die Vollziehbarkeit einer vorläufigen Besitzeinweisung.
Schließlich ist vorliegend eine Rechtsverletzung des Klägers auch deswegen ausgeschlossen, weil, wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren 13 A 18.1859 entschieden hat, seine Klage gegen den Flurbereinigungsplan durch den Prozessvergleich vom 26. September 2017 wirksam beendet worden ist und er seinen Anspruch auf das Abfindungsflurstück an die G. GmbH & Co. KG übertragen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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