Aktenzeichen M 18 S 18.50476
VwGO § 80 Abs. 5
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 1
Leitsatz
1 Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen in Italien für die Personengruppe der nicht-vulnerablen Dublin-Rückkehrer liegt trotz einzelner Mängel im Unterbringungswesens nicht vor. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die medizinische Versorgung ist in Italien, auch für Schwangere, in ausreichendem Maße sichergestellt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Reiseunfähigkeit von Schwangeren wird nach der Rechtsprechung regelmäßig nur für den Zeitraum des gesetzlichen Mutterschutzes angenommen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angedrohte Abschiebung nach Italien im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens.
Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige, am … … … geboren und traditionell mit einem ebenfalls nigerianischen Staatsangehörigen verheiratet. Sie wurde am … gemeinsam mit ihrem Ehemann bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland mit gefälschten Papieren aufgegriffen, äußerte am … … … über der Regierung von Oberbayern – Zentrale Ausländerbehörde – ein Asylgesuch und stellte am … … … einen förmlichen Asylantrag.
Aufgrund einer Eurodac-Recherche vom … ermittelte das Bundesamt Treffer für Italien der Kategorie 2 sowie 1.
Das Bundesamt stellte am … ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 18 Absatz 1 Buchst. b Dublin-III-VO an Italien, welches unbeantwortet blieb.
Am … erfolgte die Anhörung der Antragstellerin zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, am … die Anhörung gemäß § 25 AsylG. Die Antragstellerin führte hierbei insbesondere aus, dass sie ihr Heimatland im Februar 2016 verlassen habe. Sie habe zunächst ca. ein Jahr in Italien gelebt und dort einen Asylantrag gestellt. Dieser sei negativ beschieden und ihr die Aufenthaltsgestattung abgenommen worden. Sie habe 2013 am Neujahrstag traditionell geheiratet, jedoch mit ihrem Mann nicht zusammengelebt. Ihr Mann habe Nigeria bereits 2014 oder 2015 verlassen, genau wisse sie dies nicht. Sie habe nach ihrer Ankunft in Italien Kontakt zu ihrem Mann aufgenommen. Sie sei in Italien gezwungen worden, auf dem Straßenstrich zu arbeiten, nach drei Monaten habe sie fliehen können. Hinsichtlich der weiteren Angaben wird auf die Niederschrift verwiesen.
Ergänzend machte die Antragstellerin Angaben in den ihr zusätzlich postalisch übersandten Anhörungsbögen. Hierbei gab sie ergänzend an, dass ihr Ehemann entschieden habe, gemeinsam mit ihr nach Deutschland zu gehen, nachdem ihr Asylantrag abgelehnt worden sei und sie das Haus hätten verlassen müssen; sie hätten danach auf der Straße gelebt.
Bei der Anhörung durch die Regierung von Oberbayern am … gab die Antragstellerin an, dass sie den Namen ihres Ehemanns angenommen habe.
Mit Bescheid vom …, zugestellt am …, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2 des Bescheids), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3 des Bescheids) und befristet das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 6 Monate (Nr. 4 des Bescheids). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Dem Bescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung:in englischer Sprache beigefügt.
Die Bevollmächtigte erhob am 12. Februar 2018 beim Verwaltungsgericht München Klage und beantragte, den Bescheid der Antragsgegnerin vom … aufzuheben (Verfahren M 18 K 18.50475).
Zudem beantragte sie,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. wieder herzustellen.
Zur Begründung führte die Bevollmächtigte insbesondere aus, dass das Land Italien die Übernahme nach Dublin-Verfahren abgelehnt habe. Die Parlamentswahlen fänden am 3. März 2018 statt, es bleibe abzuwarten, ob dann eine Abschiebung nach Italien stattfinden könne. Im Übrigen sei die Klägerin schwanger, eine Rückführung nach Italien erscheine daher ausgeschlossen. Als Anlage wurde eine auszugsweise Kopie des Elternpasses vorgelegt, gemäß dem der 17. September 2018 der berechnete Entbindungstermin sei.
Das Bundesamt legte die Behördenakte elektronisch vor, eine Antragstellung unterblieb.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Hauptsacheverfahren (M 18 K 18.50475) sowie auf die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 i.V.m. §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG) sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist zulässig; insbesondere wurde die Antragsfrist gemäß § 34a Abs. 2 AsylG eingehalten.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung dürfte die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) unbegründet sein.
Im Rahmen des Verfahrens nach § 34a Abs. 2 AsylG ist hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage eine reine Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Beklagten mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers vorzunehmen, welches sich maßgeblich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert (vgl. BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.8.2017, § 34a Rn. 32; Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage, § 34a AsylG, Rn. 35).
Der Bescheid der Antragsgegnerin … … … erweist sich nach vorläufiger Prüfung als rechtmäßig.
Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin-III-VO).
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist ohne weiteres Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das ist auch nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin Italien und wird durch den Eurodac-Treffer für Italien bestätigt. Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen.
Auch aus Art. 10 bzw. 11 Dublin-III-VO dürfte sich keine Sonderzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Antragstellerin ergeben. Die Antragstellerin gibt insoweit an, gemeinsam mit ihrem Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein, mit dem sie seit 2013 traditionell verheiratet sei. Aus der Akte des Bundesamtes der Antragstellerin ergibt sich insoweit lediglich, dass die Antragstellerin gemeinsam mit dem von ihr benannten Ehemann nach Deutschland eingereist ist und für diesen ebenfalls ein Verfahren vor dem Bundesamt (Aktenzeichen …*) anhängig sein dürfte. Die Frage, ob zwischen beiden Personen eine auch in Deutschland anzuerkennende Eheschließung nach nigerianischen Recht vorliegt, sodass die Antragstellerin möglicherweise als Familienangehörige im Sinne des Art. 2 Buchst. g Dublin-III-VO anzusehen wäre, kann jedoch offenbleiben, da zumindest erhebliche Zweifel an einer tatsächlich geführten Lebensgemeinschaft und dauerhaften Beziehung in Nigeria aufgrund der Aussagen der Antragstellerin bestehen. So führte die Antragstellerin insbesondere aus, dass sie nach der Eheschließung weiterhin bei ihrer Mutter gelebt habe, sie nicht genau wisse, ob ihr Mann Nigeria 2014 oder 2015 verlassen habe und sie ihren Ehemann erst in Italien nach ca. drei Monaten wieder getroffen habe. Dementsprechend ist im vorliegenden Eilverfahren auch nicht relevant, ob für den angeblichen Ehemann ebenfalls ein Dublin-Verfahren oder ein nationales Verfahren durchgeführt wird.
Italien ist folglich weiterhin der zuständige Mitgliedstaat und damit nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO – bzw. für den Fall dass die Angaben der Antragstellerin korrekt sind und ihr Asylverfahren in Italien bereits negativ abgeschlossen wurde – nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin-III-VO verpflichtet, die Antragstellerin wieder aufzunehmen.
Das Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland wurde fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Eurodac-Treffermeldung gestellt, Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO. Da die italienischen Behörden hierauf nicht reagiert haben, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
Die Zuständigkeit ist nach summarischer Prüfung auch nicht auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Alleine die Annahme, dass die wirtschaftliche Situation für die Antragstellerin in Italien schlechter sein wird als in der Bundesrepublik Deutschland reicht nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung gemäß Art. 3 EMRK zu überschreiten (EGMR, B.v.02.04.2013 – Hussein u.a../.Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 -, ZAR 2013, 336).
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechte-Charta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedsstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für der Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedsstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechte-Charta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedsstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Auch unter Auswertung neuerer Erkenntnismittel können für Italien derzeit keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im oben dargestellten Sinne angenommen werden. Italien verfügt auch unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese – weder für sich genommen noch insgesamt – als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedsstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert. Ein im konkreten Fall kritischer Punkt ist die Zeitspanne zwischen der Wiederankunft des Antragstellers in der für die Weiterbearbeitung des Asylantrags zuständigen Questura und die Gewährung einer Unterkunft und Lebensunterhalts. Bei Verlassen der in Italien zugewiesenen Unterkunft ohne Bewilligung verliert der Antragsteller seinen Anspruch auf Unterbringung im staatlichen Asylsystem (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S.28, AIDA – Country Report Italy, Update Dezember 2016, S. 40, 64f., 67). Bei Rücküberstellung eines Asylsuchenden, der bereits in Italien Asyl beantragt hatte, ist für die Wiederaufnahme des Asylverfahrens ein Antrag bei der vormals zuständigen Questura erforderlich (AIDA – Country Report Italy, Update Dezember 2016, S. 40, 64f., 67). Eine Unterbringung im staatlichen System kann erst nach einem Termin bei der Präfektur der Questura und nach manchmal längeren Wartezeiten (Wartelisten) wiedergewährt werden (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S.28). Zur Überbrückung der Wartezeit stehen nichtstaatliche Unterkünfte regelmäßig zur Verfügung. Die Kapazitäten und Verfügbarkeiten von nichtstaatlichen Unterkunftsstellen sind nicht bezifferbar, da es große regionale Unterschiede gibt und eine zentrale Steuerung bzw. Koordinierung derselben nicht vorliegt. Dort wird jedoch zumeist eine Übernachtungsmöglichkeit, sowie kostenfreie Mahlzeiten und Beratung angeboten (AIDA – Country Report Italy, Update Dezember 2016, S.72; SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S.63f und vgl. speziell für Rom: S. 41f). Unter den beim Projekt MEDU angetroffenen, obdachlosen Asylbewerbern befinden sich nur wenige Personen, die im Dublin-Verfahren rücküberstellt wurden, wobei mangels flächendeckenden Angebots keine Aussage zu den Gründen möglich ist (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S.29). Daher ist nach einer gewissen Wartezeit von einer zumeist regelhaft stattfindenden Aufnahme der Überstellten ins staatliche Unterkunftssystem auszugehen.
Im Ergebnis ist anzunehmen, dass in Italien eine weiterhin stark angespannte Unterkunftssituation gegeben ist, die jedoch laufend an die aktuellen Anforderungen weiter angepasst wird. Angesichts der laufenden Kapazitätserweiterungen der vergangenen Jahre bezüglich der Abarbeitung von Asylverfahren und Eröffnung von Unterkünften (aktuelle Gesamtkapazität 175.734 Plätze nach AIDA, a.a.O, S.69) ist auch zukünftig mit einer weiteren Kapazitätsausweitung zu rechnen. Bezüglich der Berichte von Obdachlosigkeit während eines laufenden Asylverfahrens ist festzuhalten, dass diese vor allem in großen Städten auftritt, die von Flüchtlingen auch schwerpunktmäßig entgegen ihrer Zuweisung zu einer Unterkunft aufgesucht werden (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S.5, 6). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für die Personengruppe der nicht-vulnerablen Dublin-Rückkehrer lässt sich den Berichten trotz einzelner Mängel im Unterbringungswesens nach der Würdigung des Gerichts nicht entnehmen.
Eine andere Beurteilung der Situation in Italien gebietet sich auch nicht vor dem Hintergrund des Vorlagebeschlusses des BVerwG vom 27. Juni 2017 (Az. 1 C 26.16 – juris) und des Vorabentscheidungsersuchen des VGH Baden-Württemberg an den EuGH vom 15. März 2017 (Az. A 11 S 2151/16 – juris), die sich mit der Frage der Situation von Personen mit Schutzstatus in Italien beschäftigen, da die Antragstellerin keiner solchen Personengruppe angehört. Darüber hinaus würde selbst dies allein nicht zum Erfordernis der Aussetzung des Verfahrens aufgrund Vorgreiflichkeit führen. Vielmehr bedarf es insoweit eines individuellen Vortrags der Antragstellerin zur Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlich ungeklärten Rechtsfragen (vgl. BVerfG, B.v. 14.12.2017 – 2 BvR 1872/17 – juris).
Die Antragstellerin gehört auch – zumindest noch – nicht einer vulnerablen Personengruppe an (vgl. EGMR U.v. 4.11.2014 – Nr. 29217/12 – Tarakhel ./. Schweiz – NVwz 2014, 127; BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris) für die gegebenenfalls zusätzliche individuelle Garantieerklärungen des italienischen Staates erforderlich sind. Zwar ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin seit Januar 2018 schwanger ist, sodass sie grundsätzlich zu einem schutzbedürftigen Personenkreis gehört, vgl. Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass eine Schwangerschaft im 4. Monat – wie vorliegend – nicht zu besonderen Schutzmaßnahmen Anlass gibt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Antragstellerin um eine Risikoschwangerschaft handeln könnte, wurden weder vorgetragen noch sind solche erkennbar.
Auch die medizinische Versorgung ist in Italien, auch für Schwangere, in ausreichendem Maße sichergestellt. Italien verfügt nach den vorliegenden Erkenntnismitteln über eine umfassende Gesundheitsfürsorge, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist (vgl. etwa Länderbericht des Europäischen Flüchtlingsrats (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database – zu Italien, Update Februar 2017, abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy, S. 79 sowie den Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe von August 2016, abrufbar unter: https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/news/2016/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf, S. 54ff). Demnach funktionieren die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung. Alle, auch irregulär anwesende Personen in Italien haben ein Recht auf kostenlose medizinische Grund- und Notfallversorgung bei Krankheit oder Unfall sowie auf Präventivbehandlung zur Wahrung der individuellen und öffentlichen Gesundheit.
Weitere individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art.17 Dublin-III-VO notwendig machen, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Die Abschiebung nach Italien kann auch im Sinne des § 34a AsylG durchgeführt werden. Der Abschiebung stehen zumindest derzeit weder zielstaatsbezogene noch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG entgegen. Weder die Schwangerschaft noch der Vortrag, in Italien der Zwangsprostitution ausgesetzt gewesen zu sein, können solche begründen. Eine Reiseunfähigkeit von Schwangeren wird nach der Rechtsprechung regelmäßig nur für den Zeitraum des gesetzlichen Mutterschutzes angenommen (vgl. VG München, B.v. 8.1.2018 – M 1 S 17.53683 – juris Rn. 19 m.w.N.; B.v. 4.9.2017 – M 1 S7 17.52014 – juris Rn. 12). Im Übrigen wird gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen; darüber hinaus liegen auch keine Anhaltspunkte für eine Risikoschwangerschaft vor. Der Vortrag der Zwangsprostitution erscheint zum einen bereits unglaubhaft, zum anderen besteht insoweit die Möglichkeit, in Italien die Hilfe der italienischen Strafverfolgungsbehörden in Anspruch zu nehmen; das Gericht verweist insoweit ergänzend auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid.
Mangels eindeutiger Antragstellung geht das Gericht gemäß § 88 VwGO davon aus, dass sich der Antrag hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes nicht auch gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 4 des Bescheids) richtet. Im Übrigen wäre ein solcher Antrag zwar zulässig, § 34a Abs. 2 Satz 3 AsylG, vorliegend jedoch unbegründet, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Antragsgegnerin insoweit ihr Ermessen, vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, nicht pflichtgemäß ausgeübt hat.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.