Verwaltungsrecht

Dublin-Verfahren

Aktenzeichen  M 19 S 18.53010

Datum:
10.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46753
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 10 Abs. 4 S. 4, § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 34a, § 74 Abs. 1
AufenthG § 11 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Ist die tatsächliche Übergabe trotz ordnungsgemäßer Durchführung der Postausgabe nicht innerhalb von drei Tagen nach der Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung erfolgt, greift die Fiktion der Bekanntgabe des § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG ein. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Abschiebung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der am 11. Juni 1986 geborene Antragsteller, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 24. Juni 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Diese Angaben beruhen auf seinen Aussagen, Dokumente wurden nicht vorgelegt. Der Antragsteller stellte hier am 5. Juli 2018 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.
Bei seiner Befragung/Anhörung durch das Bundesamt am 5. Juli 2018 gab er an, bereits im September 2012 in Italien eingereist zu sein. Die letzten Jahre habe er in Italien und der Schweiz verbracht. Er habe in Italien ein Asylverfahren durchlaufen, das negativ entschieden worden sei. Auf Nachfrage gab er an, immer wieder an Nasenbluten zu leiden.
Eine Eurodac-Recherche am 26. Juni 2018 ergab einen Treffer der Kategorie 1 für Italien.
Das Bundesamt stellte am 6. Juli 2018 ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien, für das eine Zugangsbestätigung vorliegt, das aber bisher nicht beantwortet wurde.
Mit Bescheid vom 6. November 2018, in der Aufnahmeeinrichtung, in der der Antragsteller wohnt, eingegangen am 9. November 2018 und dem Antragsteller übergeben am 13. November 2018 (vgl. Empfangsbestätigung Bl. 150 BA), lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und setzte ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von 6 Monaten ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG fest (Nr. 4). Zur Begründung führte es insbesondere aus, dass Italien aufgrund des dort gestellten Asylantrags für dessen Behandlung zuständig sei. Gründe zur Annahme systemischer Mängel im italienischen Asylverfahren und der dortigen Aufnahmebedingungen lägen nicht vor.
Am 26. November 2018 erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München (M 19 K 18.53009). Gleichzeitig beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die Angaben beim Bundesamt Bezug genommen.
Das Bundesamt legte die Asylakte auf elektronischem Weg vor, stellte aber keinen Antrag.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Verfahren und die vorgelegte Asylakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist bereits unzulässig. Er wurde nicht innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG gestellt.
Der Bescheid vom 6. November 2018 wurde dem Kläger ausweislich der sich bei der Akte der Antragsgegnerin befindlichen Empfangsbestätigung am 13. November 2018 übergeben, war jedoch in der Erstaufnahmeeinrichtung, der der Kläger zu diesem Zeitpunkt zugewiesen war, bereits am 9. November 2018 eingegangen. Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG sind Zustellungen mit Aushändigung an den Ausländer bewirkt; im Übrigen gelten sie am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt. Ist also die tatsächliche Übergabe trotz ordnungsgemäßer Durchführung der Postausgabe aus welchen Gründen auch immer nicht innerhalb von drei Tagen nach der Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung erfolgt, greift die Fiktion der Bekanntgabe ein: die Bekanntgabe bzw. Zustellung gilt mit dem Ablauf dieser Frist als bewirkt. Eine spätere Übergabe an den Asylbewerber ändert daran nichts. Damit gilt der Bescheid am 12. November 2018 als zugestellt.
Die Klage- und Antragsfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG begann am 13. November 2018 und endete am 19. November 2018 (§ 57 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO, § 222 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Antrag und Klage gingen erst am 26. November 2018 und damit zu spät bei Gericht ein.
Das Gericht weist darauf hin, dass eine Verfristung auch dann vorliegen würde, wenn die Zustellung erst mit Übergabe an den Antragsteller am 13. November 2018 bewirkt worden wäre. Die Frist zur Klage- und Antragserhebung wäre dann bereits am 20. November 2018 abgelaufen.
Der Antrag war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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