Verwaltungsrecht

Duldung für Personen mit ungeklärter Identität (§ 60b AufenthG)

Aktenzeichen  M 10 K 20.5456, M 10 E 20.5457

Datum:
14.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26068
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60b, § 77 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 105
VwGO § 80 Abs. 5, § 123

 

Leitsatz

Hat sich der Ausländer geweigert, einen Passersatzpapier-Antrag (PEP-Antrag) auszufüllen und zu unterschreiben, hat er zumutbare Handlungen zur Erfüllung seiner Passbeschaffungspflicht iSd § 60b Abs. 2 S. 1 AufenthG nicht erfüllt. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in den Verfahren M 10 K 20.5456 und M 10 E 20.5457 wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens hinsichtlich Ziffer I zu tragen.
IV. Der Streitwert wird im Verfahren M 10 E 20.5457 auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Erteilung einer Duldung ohne den Zusatz „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60b Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Der iranische Antragsteller reiste am 15. Dezember 2015 in die Bunderepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag vom 7. Juni 2016 wurde mit zwischenzeitlich bestandskräftigem Bescheid vom 2. März 2017 abgelehnt; sein Asylfolgeantrag vom 11. September 2019 wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 9. Oktober 2019 als unzulässig abgelehnt.
Bei einer Vorsprache des Antragstellers bei dem Antragsgegner am 19. März 2019 gab der Antragsteller an, weder einen Reisepass noch andere Dokumente zu besitzen. Diese habe er alle in Griechenland verloren. Der Antragsgegner belehrte den Antragsteller über seine Passpflicht und forderte ihn unter Fristsetzung bis 30. April 2019 auf, unverzüglich einen Pass zu beantragen. Wegen fehlender Dokumente erhielt der Antragsteller ab 19. März 2019 fortlaufend Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Nebenbestimmung hierzu war bis 25. November 2019, dass dem Antragsteller eine unselbstständige Beschäftigung als Küchenhelfer in einem Gasthof in … gestattet war.
Unter dem 16. Mai 2019 legte der Antragsteller eine iranische ID-Karte vor; er wurde nochmals über seine Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung belehrt. Bei einer weiteren Vorsprache am 2. Juli 2019 erhielt der Antragsteller seine ID-Karte zum Zweck der Passbeantragung im Konsulat in München zurück und wurde nochmals über seine Mitwirkungspflichten belehrt. Im Anschluss hieran wies der Antragsteller trotz Rückgabe der ID-Karte am 15. Juli 2019 die Beantragung eines Passes nicht nach. Am 24. Oktober 2019 wurde dem Antragsteller nach erneuter Belehrung über die Passpflicht seine ID-Karte nochmals zum Zweck der Passbeantragung ausgehändigt. Unter dem 30. Oktober 2019 ging bei dem Antragsgegner die Originalgeburtsurkunde des Antragstellers ein.
Bei einer weiteren Vorsprache am 25. November 2019 wurde der Antragsteller nochmals über seine Mitwirkungspflichten belehrt. Er erklärte, dass er einen Nachweis über die Beantragung eines Passes nicht vorlegen könne. Zudem verweigerte er die Unterschrift unter einen Passersatzpapier-Antrag (PEP-Antrag). Aufgrund fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung wurde dem Antragsteller daraufhin die Erwerbstätigkeit aufgrund des gesetzlichen Verbots gemäß § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG untersagt.
Unter dem 23. Januar 2020 erhielt der Antragsteller seine iranische Geburtsurkunde zum Zweck der Passbeantragung ausgehändigt. Bei einem Gesprächstermin am 5. Februar 2020 legte er einen Nachweis über eine persönliche Vorsprache beim iranischen Konsulat am 3. Februar 2020 sowie seinen originalen iranischen Studentenausweis vor, verweigerte aber nach wie vor die Unterschrift unter den PEP-Antrag.
Am 24. Februar 2020 wurde der Antragsteller nochmals über seine Mitwirkungspflichten belehrt und aufgefordert, seinen Pass unverzüglich nach Erhalt vorzulegen.
Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2020 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG für die Ausbildung als Koch und legte zudem eine iranische Universitätskarte und einen Wohnberechtigungsausweis des Antragstellers vor.
Mit Schreiben vom 5. August 2020 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung der Ausbildungsduldung wegen nicht ausreichender Mitwirkung bei der Passbeschaffung an. Hierzu teilte der Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 7. September 2020 mit, dass der Antragsteller am 18. August 2020 beim iranischen Generalkonsulat die Ausstellung eines iranischen Passes beantragt habe. Eine sog. Freiwilligkeitserklärung nach § 60b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sei vom iranischen Konsulat nicht verlangt worden. Vor diesem Hintergrund seien die Unterschrift unter einen PEP-Antrag sowie die Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung nicht notwendig.
Bei der Vorsprache zur Verlängerung der Duldung am 12. Oktober 2020 verweigerte der Antragsteller erneut die Unterschrift unter den PEP-Antrag. Daraufhin wurde seine Duldung mit dem Zusatz „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität (§ 60b Abs. 1 AufenthG). Erwerbstätigkeit nicht gestattet.“ versehen.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 27. Oktober 2020, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Ausstellung einer Duldung ohne den Zusatz, hilfsweise auf Aufhebung des Zusatzes erhoben. Ferner beantragt er:
Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ohne den Vermerk „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität (§ 60b Abs. 1 AufenthG).“ auszustellen, hilfsweise die Entscheidung des Antragsgegners, die Duldung des Antragstellers mit dem Zusatz „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität (§ 60b Abs. 1 AufenthG).“ zu erteilen, wird vorläufig aufgehoben.
Zudem wird sinngemäß beantragt,
1. dem Kläger und Antragsteller für das gerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und
2. dem Kläger und Antragsteller zur Wahrnehmung seiner Rechte den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers als Rechtsanwalt beizuordnen.
Zur Begründung wird vorgetragen: Die Voraussetzungen des § 60b AufenthG lägen nicht vor. Der Antragsteller habe weder über seine Identität noch über seine Staatsangehörigkeit getäuscht. Er habe dem Antragsgegner mehrere iranische Identitätsdokumente, namentlich seine IDKarte, seinen Studentenausweis, seine Universitätskarte sowie seinen Wohnberechtigungsausweis, vorgelegt. Auch seine Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung habe er nicht verletzt. Eine konkrete Belehrung seitens des Antragsgegners über die erforderlichen Maßnahmen sei nicht erfolgt. Eine Freiwilligkeitserklärung werde vom iranischen Generalkonsulat nicht mehr verlangt, so dass deren Nichtabgabe nicht erheblich sei. Der Antragsteller habe mit der Passbeantragung nunmehr seine Mitwirkungspflichten erfüllt. Ein Verhalten, das den Vollzug ausschließlich in der Vergangenheit kausal verzögert oder behindert habe, sei unbeachtlich. Ferner fehle es an der gebotenen Kausalität zwischen der Unmöglichkeit der Abschiebung und der vom Ausländer zu vertretenden Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten. Im vorliegenden Fall bilde die Einstellung des Flugverkehrs in den Iran wegen der Corona-Pandemie ein weiteres selbstständiges Abschiebungshindernis. Eine Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sei im vorliegenden Fall erforderlich, um den Eintritt unabwendbarer Nachteile zu vermeiden. Der Antragsteller könne aufgrund des Zusatzes in der Duldung keine Erwerbstätigkeit ausüben. Es drohten ihm außerdem Leistungskürzungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie ein Strafverfahren.
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 sinngemäß, 
den Antrag gemäß § 123 VwGO abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dem Antragsteller sei aufgrund der wiederholten Verweigerung, den PEP-Antrag zu unterschreiben, und aufgrund der Ungereimtheiten im Hinblick auf das Datum der Passbeantragung die Duldung mit dem Zusatz nach § 60b AufenthG ausgestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 10 K 20.5456, und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz hat keinen Erfolg.
a) Der gestellte Antrag nach § 123 VwGO ist entsprechend dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers sachdienlich gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO als Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der (jedenfalls hilfsweise erhobenen) Anfechtungsklage gegen die Nebenbestimmung in Form des Zusatzes nach § 60b AufenthG verbunden mit einem Antrag nach § 123 VwGO auf vorläufige Ausstellung einer Duldungsbescheinigung ohne den Zusatz auszulegen bzw. entsprechend umzudeuten.
In der vorliegenden Konstellation ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft, da in der Hauptsache eine isolierte Anfechtungsklage gegen die Nebenbestimmung, als die sich der Zusatz nach § 60b AufenthG erweist, zu erheben ist. Diese Anfechtungsklage hat aufgrund des gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs nach § 60b Abs. 6 i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auch keine aufschiebende Wirkung (vgl. zum Ganzen: Kluth in ders./Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 27. Ed. 1.10.2020, § 60b AufenthG Rn. 56 ff.; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 60b AufenthG Rn. 30 ff.; Wittmann/Röder, ZAR 2019, 362 (363, 368); in diese Richtung auch, aber letztlich offen gelassen: VG Minden, B.v. 13.1.2020 – 7 L 1317/19 – BeckRS 2020, 1476).
Zudem kann dem gestellten Antrag ein Begehren nach § 123 VwGO auf Erteilung einer (vorläufigen) Duldung ohne den Zusatz nach § 60b AufenthG entnommen werden. Zwar handelt es sich bei der im Hauptantrag erstrebten Erteilung einer zusatzlosen Duldung um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Aber der Hilfsantrag auf vorläufige Ausstellung einer Duldung ohne Zusatz ist statthaft, da in der Hauptsache eine Leistungsklage auf Aushändigung einer Duldungsbescheinigung ohne den Zusatz zu erheben gewesen wäre (s. hierzu: Kluth, a.a.O., Rn. 58; Dollinger, a.a.O., Rn. 31) und das mit der vorliegenden Klage verfolgte Verpflichtungsbegehren entsprechend umgedeutet oder jedenfalls ausgelegt werden kann.
b) Der so verstandene Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ist zwar zulässig, aber unbegründet, da nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nebenbestimmung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes überwiegt.
Im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht eine eigenständige Ermessensentscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Hierbei hat es abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück.
So liegt der Fall hier; nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache wird die zulässige Anfechtungsklage gegen die Nebenbestimmung nach § 60b AufenthG in der Sache voraussichtlich erfolglos bleiben. Die Anordnung des Zusatzes nach § 60b AufenthG ist nach Aktenlage rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 60b Abs. 1 AufenthG wird einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer die Duldung im Sinne des § 60a AufenthG als „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ erteilt, wenn die Abschiebung aus von ihm selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, weil er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt oder er zumutbare Handlungen zur Erfüllung der besonderen Passbeschaffungspflicht nach Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 Satz 1 nicht vornimmt. Dem Ausländer ist die Bescheinigung über die Duldung nach § 60a Abs. 4 AufenthG mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ auszustellen.
Nach § 60b Abs. 5 AufenthG werden die Zeiten, in denen dem Ausländer die Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ ausgestellt worden ist, nicht als Vorduldungszeiten angerechnet. Ferner darf dem Inhaber einer Duldung mit dem Zusatz die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden und er unterliegt einer Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d AufenthG.
aa) Die Erteilung der Duldung mit dem Zusatz nach § 60b AufenthG ist im konkreten Fall nach summarischer Prüfung formell rechtmäßig. Sie genügt insbesondere der Schriftform des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG; einer Begründung bedurfte es nicht.
Sofern man eine Anhörung nach Art. 28 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) vor Erlass der Nebenbestimmung wegen der damit verbundenen rechtlich nachteiligen Wirkungen nach § 60b Abs. 5 AufenthG für erforderlich hält (vgl. hierzu: Wittmann in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 6. Ed. 1.10.2020, § 60b AufenthG Rn. 68), ist diese im vorliegenden Fall zwar nicht explizit zu Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 60b AufenthG erfolgt. Der Antragsteller ist mit Schreiben vom 5. August 2020 lediglich zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG angehört worden. In diesem Zuge ist er aber auf den Versagungsgrund des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, nach dem die Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden darf, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die der Ausländer selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können, verwiesen worden. Diese Vorschrift ist inhaltlich vergleichbar mit der Regelung in § 60b Abs. 1 Satz 1 AufenthG, bei der der Zusatz erteilt wird, wenn die Abschiebung aus vom Ausländer selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann. Der Antragsteller hatte mithin Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kernfrage des § 60b AufenthG, ob er das Abschiebungshindernis zu vertreten hat, und hat mit Schreiben vom 7. September 2020 hierzu auch Stellung genommen.
Jedenfalls würde ein Anhörungsmangel den Erlass der Nebenbestimmung nicht automatisch rechtswidrig machen, da eine Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachholbar ist (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG). Aufgrund dieser Heilungsmöglichkeit ist nicht davon auszugehen, dass die Klage gegen die Nebenbestimmung wegen dieses formellen Fehlers voraussichtlich erfolgreich sein wird, zumal der Antragsteller auch im gerichtlichen Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme hat.
bb) Die Erteilung der Duldung mit dem Zusatz nach § 60b AufenthG ist nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig.
(aa) Die Anwendung des § 60b Abs. 1 AufenthG ist nicht aufgrund der Übergangsregelung des § 105 AufenthG unanwendbar.
Nach § 105 Abs. 1 AufenthG entscheidet die Ausländerbehörde bei geduldeten Ausländern über die Ausstellung einer Bescheinigung über die Duldung nach § 60a Abs. 4 AufenthG mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ frühestens aus Anlass der Prüfung einer Verlängerung der Duldung oder der Erteilung der Duldung aus einem anderen Grund. Gemäß § 105 Abs. 2 AufenthG findet § 60b AufenthG auf geduldete Ausländer bis zum 1. Juli 2020 keine Anwendung, wenn sie sich in einem Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis befinden. Nach § 105 Abs. 3 AufenthG findet § 60b keine Anwendung, wenn ein Ausländer Inhaber einer Ausbildungsduldung oder einer Beschäftigungsduldung ist oder diese beantragt hat und die Voraussetzungen für ihre Erteilung erfüllt.
(1) § 105 Abs. 1 AufenthG ist nicht einschlägig, da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Ausstellung der Duldungsbescheinigung mit dem Zusatz erst aus Anlass der Verlängerung der Duldung am 12. Oktober 2020 gefallen ist.
(2) Da diese Entscheidung auch nach dem 1. Juli 2020 erfolgt ist, scheidet eine Anwendung des § 105 Abs. 2 AufenthG aus.
(3) Schließlich greift auch § 105 Abs. 3 AufenthG nicht ein. Der Antragsteller ist nicht Inhaber einer Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung. Er hat zwar mit Schriftsatz vom 26. Juli 2020 einen Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung gestellt, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Aber die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung liegen nach summarischer Prüfung nicht vor, da jedenfalls der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG einschlägig ist. Hiernach darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei dem Ausländer aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können.
Dies ist der Fall, wenn die Abschiebung aus Gründen, die im Verantwortungsbereich des Ausländers liegen, nicht durchgeführt werden kann. Gründe, die den Vollzug ausschließlich in der Vergangenheit verzögert oder behindert haben, sind dabei unbeachtlich. Ferner muss das Verhalten des Ausländers alleinige Ursache dafür sein, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Kommt daher eine Abschiebung schon aus anderen, nicht im Verantwortungsbereich des Ausländers liegenden Gründen nicht in Betracht, etwa weil entsprechende Flugverbindungen fehlen, ist die Vorschrift nicht anwendbar (vgl. zum Ganzen: Breidenbach in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 27. Ed. 1.10.2020, § 60a AufenthG Rn. 54 f.).
Nach summarischer Prüfung ist die Abschiebung im konkreten Fall aus Gründen, die im Verantwortungsbereich des Antragstellers liegen, nicht vollziehbar. Zwar ist zuzugestehen, dass der Antragsteller seine unzureichende Mitwirkung insoweit verbessert hat, als er nach Aktenlage zwischenzeitlich ausreichende Identitätsdokumente vorgelegt und beim iranischen Konsulat einen Pass beantragt hat. Aber seine Mitwirkung ist insoweit immer noch nicht ausreichend, als er jedenfalls nach wie vor einen PEPAntrag nicht ausgefüllt und unterschrieben hat. Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob er zudem eine Freiwilligkeitserklärung gegenüber dem iranischen Konsulat hätte abgeben müssen.
Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten kann von der Ausländerbehörde selbstständig neben der Beantragung eines Passes beim Konsulat des jeweiligen Heimatstaates gefordert werden, dass ein PEP-Antrag ausgefüllt und unterschrieben wird. Es handelt sich nämlich hierbei um ein gesondertes Verfahren zur Erlangung eines Passersatzpapiers, das über deutsche Behörden abgewickelt wird; ein Passersatzpapier würde ebenso die Abschiebung ermöglichen. Zudem ist im vorliegenden Fall die Abschiebung nicht schon aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich des Antragstellers liegen, undurchführbar. Nach dem Kenntnisstand des Gerichts ist entgegen der Darlegung des Verfahrensbevollmächtigten der Flugverkehr in den Iran trotz der Corona-Pandemie derzeit nicht eingestellt.
(bb) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60b AufenthG liegen vor.
(1) Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig, da der Bescheid vom 2. März 2017, mit dem sein Asylantrag abgelehnt und die Abschiebung in den Iran angedroht worden ist, zwischenzeitlich bestandskräftig ist und auch sein Folgeantrag abgelehnt worden ist.
(2) Wie bereits dargelegt, ist die Abschiebung aus Gründen, die der Antragsteller selbst zu vertreten hat, nicht vollziehbar. Da der Antragsteller sich geweigert hat, einen PEPAntrag auszufüllen und zu unterschreiben, hat er zumutbare Handlungen zur Erfüllung seiner Passbeschaffungspflicht nach § 60b Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt. Der Ausländer muss gemäß § 60b Abs. 2 Satz 1 AufenthG auch alle zumutbaren Handlungen zur Beschaffung eines Passes oder Passersatzes durchführen; die Vornahme einer für sich genommen erfolgversprechenden Handlung ist nicht ausreichend. Der Antragsteller kann daher nicht mit Erfolg einwenden, es sei ausreichend, dass er einen Pass beim iranischen Konsulat beantragt habe. Auf seine Verpflichtung, einen Pass oder Passersatz zu beantragen, ist der Antragsteller auch mehrfach hingewiesen worden (§ 60b Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Dass dabei nicht explizit auf die Vorschrift des § 60b Abs. 3 Satz 2 AufenthG verwiesen worden ist, ist unschädlich.
(cc) Nach dem Wortlaut des § 60b AufenthG bedarf es keiner Ermessensausübung der Behörde.
c) Da der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg hat, bleibt als „Annex“ auch der Antrag nach § 123 VwGO auf vorläufige Ausstellung einer Duldungsbescheinigung ohne den Zusatz nach § 60b AufenthG erfolglos.
2. Nach alledem hat auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält auf Antrag nur diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Unabhängig von der finanziellen Situation des Antragstellers liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor, da die Klage des Antragstellers nach derzeitigem Sach- und Streitstand keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat.
Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ergeht kostenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
3. Die Kostenentscheidung in Ziffer III folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung in Ziffer IV ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nrn. 1, 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5 und 8.1 analog des Streitwertkatalogs.


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