Verwaltungsrecht

Eilantrag, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, Statthaftigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO bei Verpflichtungsbegehren, Fiktionswirkung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, Fehlende Duldung

Aktenzeichen  M 10 S 21.5765

Datum:
10.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36506
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123
AufenthG § 81 Abs. 3 und 4
AufenthG § 25a

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Wesentlichen gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der Antragsteller wurde am … September 1998 in Pakistan geboren. Er reiste nach eigenen Angaben am 12. April 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16. Juni 2015 einen Asylantrag. Im Asylverfahren wurde der Antragsteller aufgrund seiner aus Sicht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) dahingehend glaubhaften Angaben als afghanischer Staatsangehöriger geführt. Mit Bescheid vom 11. Januar 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab. Die dagegen gerichtete Klage wurde mit Urteil vom 12. Oktober 2018, dem Antragsteller nach eigenen Angaben zugestellt am 15. Februar 2019 und rechtskräftig seit 16. März 2019, abgewiesen (BA Bl. 189 ff.).
Mit Schreiben vom 28. Januar 2019, bei dem Antragsgegner eingegangen am 31. Januar 2019, beantragte die damalige Bevollmächtigte des Antragstellers bei dem Antragsgegner erstmals die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Aufenthaltsgesetz (AufenthG; BA Bl. 133). Weil eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts (über die Ablehnung des Asylantrags) bisher nicht ergangen sei, werde der Antrag zur Fristwahrung vorab gestellt.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2019 antwortete der Antragsgegner, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG aufgrund des laufenden Asylverfahrens momentan nicht geprüft werden könne (BA Bl. 136).
Am 27. Mai 2019 wurde dem Antragsteller wegen Passlosigkeit erstmals eine Duldung erteilt und in der Folgezeit mehrfach verlängert, zuletzt bis 2. November 2021 (BA Bl. 207, 372).
Unter dem 17. Oktober 2019 beantragte der Antragsteller mittels Formblatt erneut die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (BA Bl. 210 ff.).
Am 27. April 2020 wurde dem Antragsteller eine pakistanische Geburtsurkunde ausgestellt, die die Ausländerbehörde am 20. Mai 2020 einzog.
Am 15. Juli 2021 gab der Antragsteller seinen pakistanischen Reisepass bei der Ausländerbehörde ab (BA Bl. 317).
Mit Schreiben vom 15. Juli 2021 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis angehört.
Mit Bescheid vom 21. September 2021, dem Antragsteller zugestellt am 24. September 2021, wurde der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 17. Oktober 2019 abgelehnt.
Zur Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG mit Schreiben der rechtlichen Vertreterin vom 28. Januar 2019 fristgerecht vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt worden sei. Der Antragsteller habe jedoch bis zum Erreichen der Altersgrenze nicht die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG geforderten Nachweise über seine Identität und Staatsangehörigkeit vorlegen können, da die dafür notwendigen Dokumente erstmalig am 7. Juli 2020 beantragt worden seien. Wenn die Altersgrenze im Laufe des Verfahrens überschritten werde, folge daraus, dass die übrigen Anspruchsvoraussetzungen spätestens zum Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze vorgelegen haben müssen. Nach diesem Zeitpunkt eingetretene Sachverhaltsänderungen zugunsten des Betroffenen (z.B. hinsichtlich des vierjährigen Schulbesuchs oder der Aufenthaltsdauer) könnten grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, weil sie bei rechtmäßiger Bescheidung des Antrags nie zum Erfüllen der Regelerteilungsvoraussetzungen führen hätten können, da der Antragsteller mit Vollendung des 21. Lebensjahres aus dem begünstigten Personenkreis des § 25a AufenthG herausgefallen sei. Andernfalls würde die vom Gesetz vorgesehene Altersgrenze durch eine länger dauernde Rechtsverfolgung – über das Ziel eines effektiven Rechtsschutzes hinaus – umgangen. Im Übrigen wird auf die Begründung Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragt, den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheids vom 21. September 2021 zu verpflichten, ihm einen Aufenthaltstitel nach § 25a AufenthG zu erteilen (M 10 K 21.5559).
Am 5. November 2021 stellte der Antragsteller bei dem Bundesamt einen Asylfolgeantrag.
Mit Schriftsatz vom 7. November 2021 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtige zudem beantragen,
1. Dem Antragsgegner wird geboten, von Abschiebungsmaßnahmen bis zur Entscheidung des Bundesamtes über die Beachtlichkeit des Asylfolgeantrages abzusehen.
2. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 21. Oktober 2021 wird angeordnet.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass eine Entscheidung des Bundesamts über den Asylfolgeantrag vom 5. November 2021 noch nicht ergangen sei. Es sei sehr wahrscheinlich, sogar fast sicher, dass der Antragsgegner den Antragsteller vor einer Entscheidung des Bundesamts abschiebe. Die Besorgnis ergebe sich aus dem Antrag auf Erlass eines Gewahrsamsbeschlusses sowie dessen Erlass am 3. November 2021. Der Grundsatz der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes gebiete den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bzw. des Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis würden ins Leere gehen, wenn die Entscheidung des Bundesamts bzw. des Gerichts nicht abgewartet würde. Dem Antragsteller stehe eine Aufenthaltserlaubnis zu.
Am 8. November 2021 gab der zuständige Sachbearbeiter der Ausländerbehörde gegenüber dem Gericht an, dass ihm der gestellte Asylfolgeantrag bekannt sei und eine Abschiebung deshalb bisher nicht zulässig sei. Er sicherte zu, eine Abschiebung des Antragstellers nicht vor der Mitteilung des Bundesamts nach § 71 Abs. 5 Satz 2 Asylgesetz (AsylG) zu vollziehen.
Mit Bescheid vom 8. November 2021, dem Gericht durch den Antragsgegner vorgelegt, lehnte das Bundesamt den Asylfolgeantrag des Antragstellers ab und änderte die mit Bescheid vom 11. Januar 2017 erlassene Abschiebungsandrohung dahingehend, dass der Antragsteller nach Pakistan abgeschoben werde. Der Sofortvollzug wurde angeordnet.
Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte, auch im Verfahren M 10 K 21.5559, Bezug genommen.
II.
1. Die Anträge sind unzulässig.
a) Der Antrag in Nummer 1 der Antragsschrift ist gemäß §§ 88, 122 VwGO dahingehend zu verstehen, dass dem Antragsgegner aufgegeben werden soll, vor einer Mitteilung des Bundesamts nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, von einer Abschiebung des Antragstellers abzusehen.
Für eine derartige Anordnung fehlt dem Antragsteller jedoch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Nach ständiger Rechtsprechung hat nur derjenige, der ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, Anspruch auf eine gerichtliche Entscheidung. Diese Voraussetzung ist Ausfluss des allgemeinen Verbots von Rechtsmissbrauch und vom Gericht von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Fehlt es daran, so ist das Begehren als unzulässig abzuweisen (BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 16 m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.12.2001 – 21 B 00.31685 – juris Rn. 20). An dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung mangelt es etwa, wenn der Antragsteller den begehrten Eilrechtsschutz mit einer einstweiligen Anordnung überhaupt nicht erlangen kann oder wenn eine einstweilige Anordnung zur Wahrung seiner Rechte nicht erforderlich ist, insbesondere, weil er den Rechtsschutz auf andere Weise leichter und schneller erreichen kann (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 70).
Vorliegend ist die in Nummer 1 beantragte einstweilige Anordnung nicht erforderlich. Mit Bescheid vom 8. November 2021 wurde der Asylfolgeantrag des Antragstellers durch das Bundesamt abgelehnt. Durch Übersendung des Bescheids an den Antragsgegner teilte das Bundesamt dem Antragsgegner i.S.v. § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG mit, dass kein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird. Der Antragsgegner hat die Abschiebung des Antragstellers nicht vor der entsprechenden Mitteilung des Bundesamts vollzogen und die gesetzliche Regelung des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG nicht missachtet. Ergänzend wird angeführt, dass es auch vor der Übersendung der Entscheidung des Bundesamts vom 8. November 2021 entgegen des Vortrags des Antragstellers keine Anzeichen dafür gab, dass der Antragsteller entgegen § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG abgeschoben würde. Insbesondere ergaben sich solche nicht aus dem Antrag des Antragsgegners auf Anordnung der Abschiebehaft sowie dem Haftbeschluss vom 3. November 2021. Nach eigenem Vortrag des Antragstellers wurde der Asylfolgeantrag erst am 5. November 2021, also nach den genannten Maßnahmen gestellt. Zudem waren sowohl der Folgeantrag als auch die vor Mitteilung des Bundesamts bestehende Unzulässigkeit der Abschiebung bei der Ausländerbehörde bekannt.
b) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 21. Oktober 2021 ist vorliegend nicht statthaft.
Wird, wie im vorliegenden Fall, ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, kommen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowohl ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO als auch ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht. Der vorläufige Rechtsschutz nach der Ablehnung einer beantragten Aufenthaltserlaubnis bestimmt sich dann nach § 80 Abs. 5 VwGO, wenn zuvor eine gesetzliche Fiktion nach § 81 Abs. 3 AufenthG oder nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst wurde (BayVGH, B.v. 31.8.2006 – 24 C 06.954 – juris; B.v. 12.10.2006 – 24 CS 06.2576 – juris). Ordnet das Gericht die kraft Gesetzes gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entfallene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Versagung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an, gilt der Aufenthalt weiterhin gem. § 81 Abs. 3 Satz 1 oder 4 Satz 1 AufenthG als erlaubt. Wurde durch die Antragstellung dagegen keine Fiktionswirkung ausgelöst, etwa weil die Voraussetzungen des § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG nicht vorlagen, ist im Hinblick auf die begehrte Aufenthaltserlaubnis ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft (vgl. VG München, B.v. 9.5.2019 – M 10 E 19.1429 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 12.10.2006, a.a.O., Rn. 8).
aa) Im vorliegenden Verfahren ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft, weil weder der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Schreiben vom 28. Januar 2019 noch der Antrag mittels Formblatt vom 17. Oktober 2019 eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG ausgelöst haben.
Nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gilt der Aufenthalt eines Ausländers, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen und die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt.
Zum Zeitpunkt der erstmaligen Beantragung eines Aufenthaltstitels nach § 25a AufenthG mit Schreiben vom 28. Januar 2019 befand sich der Antragsteller noch im laufenden Asylverfahren. Die Entscheidung vom 12. Oktober 2018, mit der seine Klage gegen die Ablehnung des Asylantrags abgewiesen wurde, erlangte erst am 16. März 2019 Rechtskraft. Bis dahin war der Aufenthalt des Antragstellers gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG gestattet und damit zwar rechtmäßig, gleichwohl hat ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis während eines laufenden Asylverfahrens nach herrschender Auffassung grundsätzlich nicht die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Folge (Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 81 AufenthG Rn. 37 m.w.N.; Zimmerer in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 8. Edition, Stand: 1.5.2021, § 81 AufenthG Rn. 20 mit Verweis u.a. auf BayVGH, B.v. 22.4.2016 – 19 ZB 15.318 – BeckRS 2016, 45794; Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26.10.2009, Nr. 81.5.4).
Zum Zeitpunkt der erneuten Antragstellung mit Formblatt vom 17. Oktober 2019 war das Asylverfahren des Antragstellers abgeschlossen. Der Antragsteller war im Besitz einer Duldung (vgl. BA Bl. 232). Durch diese wird kein rechtmäßiger Aufenthalt i.S.v. § 81 Abs. 3 AufenthG begründet (vgl. Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 81 AufenthG Rn. 33 ff.).
Eine Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG kommt vorliegend nicht in Betracht, da dem Antragsteller nach Aktenlage in der Vergangenheit keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, sondern der Antragsteller vorliegend die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt.
bb) Statthafter Rechtsbehelf im vorliegenden Verfahren wäre damit ein Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 123 VwGO, etwa gerichtet auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis. Eine Umdeutung des gestellten Antrags entgegen seines klaren Wortlauts scheidet vorliegend jedoch aus. Dies ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass der Antragsteller anwaltlich vertreten ist und die Anträge mit Schriftsatz vom 7. November 2021 durch die Bevollmächtigte formuliert wurden (siehe zu einem vergleichbaren Fall: BayVGH, B.v. 12.10.2006 – 24 CS 06.2576 – juris Rn. 9). Zum anderen wäre eine entsprechende Umdeutung in einen Antrag nach § 123 VwGO auch nicht zielführend, weil ein solcher Antrag keine Aussicht auf Erfolg hätte.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung) oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (sog. Regelungsanordnung). Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO sind sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den der Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen.
Aber selbst bei Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht die zwingende Folge. Stattdessen ist es dem Gericht regelmäßig verwehrt, mit seiner Entscheidung die Hauptsache vorwegzunehmen. Denn es würde dem Wesen und dem Zweck einer einstweiligen Anordnung widersprechen, wenn einem Antragsteller in vollem Umfang das gewährt würde, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann. Das Gericht ist vielmehr gehalten, die Rechtslage für die Beteiligten trotz Erlass einer Regelung offen zu halten. Allerdings gilt im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot eines effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die Ablehnung der begehrten Entscheidung für den Antragsteller mit unzumutbar schweren, anders nicht abwendbaren Nachteilen verbunden wäre und mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Obsiegen in der Hauptsache auszugehen ist (vgl. u.a. Bostedt in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 123 VwGO Rn. 85).
Eine einstweilige Anordnung, mit der der Antragsgegner zur Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis verpflichtet wird, würde eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen und ist vorliegend bereits deshalb unzulässig, weil nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Obsiegen in der Hauptsache auszugehen ist.
Der Antragsteller hat nach vorläufiger Prüfung keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG, sodass die in der Hauptsache erhobene Versagungsgegenklage voraussichtlich erfolglos bleiben wird (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 25a Abs. 1 AufenthG soll einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält, er im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat, der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird, es gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt. Nach der Gesetzesbegründung sollte mit § 25a AufenthG eine Bleiberechtsregelung geschaffen werden, um nachhaltige Integrationsleistungen, die trotz des fehlenden rechtmäßigen Aufenthalts von einem Geduldeten erbracht wurden, durch die Erteilung eines gesicherten Aufenthaltsstatus zu honorieren (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 1, 23).
Ob der Auffassung des Antragsgegners, die allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 25a AufenthG müssten sowohl im Zeitpunkt der Vollendung des 21. Lebensjahres als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erfüllt sein, die soweit ersichtlich nach wie vor von der einschlägigen ausländerrechtlichen Literatur geteilt wird und in der Vergangenheit auch in der Rechtsprechung vertreten wurde (VG Bayreuth, U.v. 16.12.2020 – B 6 K 20.535 – juris Rn. 24 m.w.N.; Röcker in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 25a AufenthG Rn. 9; Röder in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 8. Edition, Stand: 1.5.2021, § 25a AufenthG Rn. 28; vgl. auch zu § 32 Abs. 2 AufenthG: BVerwG, U.v. 1.12.2009 – 1 C 32/08 – juris Rn. 12) auch nach der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2021 – 19 CE 20.14 – juris Rn. 4 ff. unter Berufung auf BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 23 zu § 25b AufenthG) noch zu folgen ist, kann vorliegend offenbleiben.
Jedenfalls erfüllt der Antragsteller die Voraussetzung des „geduldeten Ausländers“ i.S.v. § 25a AufenthG zum (zumindest auch) maßgeblichen aktuellen Zeitpunkt nicht. Der Antragsteller ist derzeit weder im Besitz einer Duldung, noch hat er einen Anspruch auf eine solche (zum Erfordernis einer Duldung bzw. eines Anspruchs auf Duldung im Zeitpunkt der Entscheidung des Tatsachengerichts über einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG: BayVGH, B.v. 18.3.2021 – 19 CE 21.363 – juris Rn. 8; weiterer B.v. 18.3.2021 – 19 CE 20.14 – juris). Gründe, die seiner Ausreise etwa im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG entgegenstehen würden, wurden weder vorgetragen, noch sind sie im Übrigen ersichtlich. Insbesondere hat der Antragsteller einen Pass vorgelegt, sodass sich anders als in der Vergangenheit keine Unmöglichkeit der Ausreise aufgrund eines fehlenden Passes des Antragstellers ergibt. Aus dem anhängigen Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis folgt kein Anspruch auf einen Verbleib in der Bundesrepublik (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2021 – 19 CE 21.363 – juris Rn. 5 ff., 12). Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung im Ermessenswege nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG besteht nicht. Dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen, die vorübergehend eine weitere Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet erfordern würden, sind nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 52 Abs. 2 GVG i.V.m. Nrn. 1.5, 8.1 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei für den Antrag auf Aussetzung der Abschiebung ein Betrag von 1.250,- EUR und für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ein Betrag von 2.500,- EUR anzusetzen waren.


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