Verwaltungsrecht

Ein junger, lediger Mann ist in Nigeria in der Lage, sein Existenzminimum zu sichern

Aktenzeichen  Au 7 S 17.31306

Datum:
9.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
AsylG AsylG § 3e Abs. 1, § 30 Abs. 2, § 36
AufenthG AufenthG § 60 Abs.  7 S. 1

 

Leitsatz

1 Ein junger, lediger Mann ist in Nigeria in der Lage, sein Existenzminimum zu sichern. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Hinblick auf Krankheiten ist für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erforderlich, dass sich der Gesundheitszustand des betreffenden Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung in Folge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, weil dort eine adäquate Behandlung wegen des geringen Versorgungsstandards nicht möglich oder unzureichend ist und/oder der Betroffene insbesondere mangels finanzieller Mittel eine Behandlung nicht erlangen kann (BVerwG BeckRS 2003, 20532 und BeckRS 2007, 20389). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der am …1984 in … geborene Antragsteller, der keinen Personalausweis oder Reisepass vorlegte, ist nigerianischer Staatsangehöriger, vom Volk der Bini, katholischen Glaubens.
1. Der Antragsteller reiste am 1. Februar 2015, aus Italien kommend, nach Deutschland ein. Am 18. Mai 2015 stellte der Antragsteller beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen Asylantrag.
Am 28. November 2016 fand die persönliche Anhörung des Antragstellers durch das Bundesamt statt. Dabei gab er im Wesentlichen an, er habe mit seiner Freundin … (geboren: …1986 in Nigeria, Aktenzeichen …) einen Sohn (… geboren …2015 in, Aktenzeichen: …). Seine Freundin erwarte derzeit ihr zweites Kind.
Falls er seine Geburtsurkunde finde, werde er sie nachreichen. Weitere Personalpapiere habe er nie beantragt. Seine letzte offizielle Anschrift in Nigeria sei, Stadtteil, gewesen. Nigeria habe er im Jahr 2003 verlassen. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Ghana sei er 2005 wegen eines Festivals wieder nach Nigeria zurückgekehrt. Nach einigen Wochen sei er zurück nach Ghana und sei dann nach einigen Wochen weiter nach Libyen gereist, wo er sich bis August 2011 aufgehalten habe. Dann sei er nach Italien. Für einige Wochen sei er in der Schweiz gewesen. Er habe sich dort operieren lassen wollen, sei aber wieder nach Italien zurückgeschickt worden.
Sein Vater sei bereits verstorben, seine Mutter lebe mit seinen zwei Schwestern in Ghana.
Zu den Gründen für seinen Asylantrag trug er vor, er selbst habe niemals Probleme in Nigeria gehabt. Sein Bruder sei aber im Jahr 2005 in Nigeria erschossen worden. Dies sei in der Nacht geschehen. Eine Gruppe von Männern sei zu ihnen nach Hause gekommen und habe ihn erschossen. Die Gründe, warum sein Bruder erschossen worden sei, kenne er nicht. Er sei im Jahr 2003 nach Ghana gegangen, weil sein Bruder dort einen Friseursalon gehabt habe. Er habe bei seinem Bruder in Ghana gearbeitet. Warum sein Bruder aus Nigeria ausgereist sei, wisse er nicht. Seine Mutter und seine Schwestern seien erst nach Ghana gegangen, als er schon in Libyen gewesen sei.
Sein Bruder sei im März 2005 ermordet worden. Er sei damals mit seinem Bruder wegen des Festivals in … gewesen. Sie hätten im Haus eines Freundes seines Bruders übernachtet. Eine Gruppe von Leuten habe bei ihnen die Wohnungstür eingeschlagen. Sein Bruder habe versucht, sie an der Tür aufzuhalten. Er, der Antragsteller sei durch das Fenster geflüchtet. Als er nach ca. einer Stunde zurückgekommen sei, sei sein Bruder tot auf dem Boden gelegen. Sie seien zehn Tage in diesem Haus gewesen, als sich der Mord an seinem Bruder ereignet habe. Er habe gehört, dass die Angreifer den Namen seines Bruders gerufen hätten. Sein Bruder habe ihm noch gesagt, dass er weglaufen solle, und habe, damit er flüchten könne, versucht, die Angreifer an der Tür aufzuhalten. Mehr wisse er nicht. Die Polizei sei gekommen, habe aber nichts gemacht. Die Mörder seien nicht ermittelt worden. Sie hätten seinen Bruder in das Dorf gebracht, wo seine Mutter lebte. Ein paar Tage nach der Beerdigung sei er nach Ghana ausgereist. Ghana habe er verlassen, weil er kein Geld gehabt habe, um in den Betrieb seines Bruders einzusteigen. In Libyen habe er sein eigenes Friseurgeschäft aufgemacht. Er habe in … gelebt. Dort sei bei einem Bombenanschlag sein Bein verletzt worden. Er sei drei Tage im Koma im Krankenhaus gelegen, dort aber nicht behandelt worden. Auf dem Flüchtlingsboot nach Italien sei er schwer verletzt gewesen. In Italien sei er behandelt worden und habe jetzt noch Metall im Bein.
Der Antragsteller legte dem Bundesamt seine Geburtsurkunde vor (Bl. 54 der Bundesamtsakte).
2. Mit Bescheid vom 28. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), den Asylantrag (Nr. 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz (Nr. 3.) jeweils als offensichtlich unbegründet ab. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche wurde dem Antragsteller die Abschiebung nach Nigeria angedroht, (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aus dem Sachvortrag des Antragstellers weder eine Verfolgungshandlung noch ein Anknüpfungsmerkmal bzw. Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 AsylG ersichtlich seien. Die Wünsche des Antragstellers, im Bundesgebiet eine bessere wirtschaftliche Lage vorzufinden, seien flüchtlingsrechtlich unbeachtlich.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 1. März 2017 zugestellt.
3. Am 7. März 2017 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg gegen die Ablehnung seines Asylantrags erheben. Die Klage wird unter dem Aktenzeichen Au 7 K 17.31305 geführt.
Zugleich wurde gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheids vom 28. Februar 2017 anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Streit zwischen den nigerianischen Moslems im Norden und den Christen im Süden des Landes immer wieder zu entfachen drohe. Auch dem neuen Präsidenten Buhari sei es bislang nicht gelungen, die Gewaltspirale in nennenswerter Weise zu stoppen.
Unmittelbarer Ausreisegrund für den Kläger sei der Mordanschlag auf seinen Bruder im Jahr 2005 gewesen. Wer die Täter gewesen seien, die es nicht ausschließlich auf das Leben des Antragstellers abgesehen hätten, sei nicht bekannt. Eine inländische Fluchtalternative liege nicht vor, da eine ausreichende Lebensgrundlage in einem anderen Landsteil Nigerias nicht gewährleistet wäre und er darüber hinaus befürchten müsste, von den Mördern aufgespürt und ebenfalls getötet zu werden. Der Antragsteller verfüge in Nigeria über kein soziales Geflecht, das ihn bei einer Rückkehr auffangen vor einer Verelendung schützen könnte. Die schlechten humanitären Bedingungen würden bereits für sich gesehen einen Anspruch auf Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen. Der Antragsteller könnte sich auch die notwendige weitere medizinische Versorgung seines verletzten linken Beines mangels finanzieller Möglichkeiten nicht leisten. Insbesondere sei der Antragsteller deshalb auch nicht ausreichend arbeitsfähig und könne sich das zum Überleben erforderliche Existenzminimum in Nigeria nicht sichern.
Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 27. März 2017 wurde das Attest der Hausärztlichen Gemeinschaftspraxis,, vom 13. März 2017 vorgelegt. Darin wird ausgeführt: „Z.n. komplexer Knochen und Weichteilverletzung li Unterschenkel nach Bombenexplosion wohl 2011 nach Angabe des Patienten. Es liegt eine Defektheilung vor. Es bestehen rezidivierende neuralgiforme Schmerzen. Bisher wechselnde Behandlung mit Ibuprofen und Novaminsulfon durch unsere Praxis. Aufgrund rezidivierender Einnahme von Ibuprofen Beschwerden mit dem Magen, so dass wir Pantoprazol als Dauermedikament verordnet haben. Kürzlich Durchführung einer Gastroskopie (s. Anlage)“. Die in Bezug genommene Anlage wurde nicht vorgelegt.
Das Bundesamt übermittelte am 9. März 2017 auf elektronischem Weg die Bundesamtsakte, äußerte sich aber in der Sache nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die Akte des Bundesamts Bezug genommen.
II.
Der fristgerecht erhobene (§ 36 Abs. 3 Satz 1 Asylgesetz/AsylG) Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Gemäß § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Überprüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
Dabei ist im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gebotenen effektiven Rechtschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG und auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 40).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid wird vollumfänglich verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Lediglich ergänzend wird im Hinblick auf die Klage- und Antragsbegründung im Schriftsatz vom 7. März 2017 noch auf Folgendes hingewiesen:
1. Der Antragsteller hat bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt keinerlei asylrelevante Tatsachen im Sinne von § 3 Hinsichtlich der AsylG vorgetragen, insbesondere keine politische Verfolgung in seinem Heimatland Nigeria geltend gemacht. Vielmehr hat er selbst angegeben, dass er in Nigeria keinerlei Probleme gehabt habe.
Für die Behauptung im Schriftsatz vom 7. März 2017, dass die Mörder des Bruders es auch, wenn auch nicht ausschließlich, auf den Antragsteller abgesehen hätten und dieser daher im Falle der Rückkehr nach Nigeria befürchten müsste, von den Mördern aufgespürt und getötet zu werden, bestehen nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers beim Bundesamt keinerlei Anhaltspunkte.
Zum einen hat er selbst vorgetragen, dass die Mörder beim Eindringen in die Wohnung (nur) den Namen des Bruders gerufen hätten. Ein Hinweis dafür, dass der Anschlag auch gegen den Antragsteller selbst gerichtet gewesen wäre, lässt sich dessen Angaben nicht entnehmen. Auch lassen die Angaben des Antragstellers nicht erkennen, dass dem Anschlag auf seinen Bruder Verfolgungsgründe im Sinne des § 3b AsylG zugrunde gelegen hätten. Vielmehr drängen dessen Angaben die Annahme geradezu auf, dass dem Anschlag kriminelle Motive zugrunde lagen.
Zum anderen zeigen die Angaben des Antragstellers beim Bundesamt, dass er, auch nach der Ermordung des Bruders, nicht befürchtete, selbst noch Opfer eines Anschlags zu werden. Denn er hat angegeben, an der Beerdigung des Bruders im Heimatdorf, wo auch seine Mutter gelebt habe, teilgenommen zu haben und erst ein paar Tage nach der Beerdigung wieder nach Ghana, wo er seit 2003 gelebt und gearbeitet hat, ausgereist zu sein. Hätte der Antragsteller tatsächlich befürchtet, dass die Mörder auch ihn töten wollen, dann hätte er Nigeria sofort verlassen, zumal er einen Wohnsitz in Ghana gehabt hat. Denn dass er bei der Beerdigung seines Bruders im Heimatdorf und einem anschließenden Aufenthalt dort, von den Mördern leicht gefunden und getötet werden könnte, wenn diese es tatsächlich auch auf ihn abgesehen hätten, wäre auf der Hand gelegen.
Zudem hat der Antragsteller auf die Frage, was er bei der Rückkehr nach Nigeria befürchte, lediglich angegeben, dass er nicht wisse, was passieren würde. Würde der Antragsteller tatsächlich befürchten, dass er zum Ziel eines Anschlags in Nigeria werden würde, hätte er dazu mit Sicherheit nähere Ausführungen gemacht. Im Übrigen erscheint ein solches Geschehen schon angesichts der seit dem Mord an seinem Bruder verstrichenen Zeit – über 12 Jahre – äußerst unwahrscheinlich. Damit kann der Antragsteller auch auf eine inländische Fluchtalternative (§ 3e AsylG) verwiesen werden. Denn dass er in einer der Großstädte Nigerias angesichts eines fehlenden Meldesystems sowie seines mittlerweile 12-jährigen Auslandsaufenthalts aufgespürt würde – selbst wenn die Mörder seines Bruders noch Interesse an seiner Person hätten – erscheint ausgeschlossen, zumindest äußerst unwahrscheinlich.
Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger Nigeria im Jahr 2005 nicht unter dem Druck einer ihm drohenden Verfolgung, sondern aus asylrechtlich nicht relevanten Gründen verlassen hat.
2. Auch die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) liegen offensichtlich nicht vor.
Auch insofern folgt das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes im streitgegenständlichen Bescheid S. 3/4 des Bescheids) und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Asylantrag des Antragstellers ist insbesondere deshalb offensichtlich unbegründet, da ein Fall des § 30 Abs. 2 AsylG vorliegt. Danach ist ein Asylantrag insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Aus dem gesamten Vorbringendes Antragstellers ist, wie bereits oben ausgeführt, zu erkennen, dass er Nigeria aus wirtschaftlichen Gründen verlassen und sich in Länder begeben hat, wo er sich bessere Verdienstmöglichkeiten erhofft hat.
4. Es sind auch keine (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennbar.
a) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller als junger, lediger Mann in Nigeria nicht in der Lage sein wird, ein Existenzminimum zu sichern, zumal er es selbst im Ausland, hier insbesondere in Libyen geschafft hat, selbständig einen Friseursalon zu betreiben. Dass er aufgrund seiner Verletzung des linken Unterschenkels arbeitsunfähig wäre, ist nicht ersichtlich (siehe auch nachfolgend b)).
b) Der Antragsteller kann sich wegen seiner gesundheitlichen Probleme nicht auf ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis berufen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Erfasst werden nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, von der jeweils zuständigen Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Mit dem Begriff der erheblichen konkreten Gefahr wird insoweit umschrieben, dass sich die vorhandene Erkrankung eines Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, das heißt, dass eine wesentliche Verschlimmerung der Krankheit alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – juris Rn. 15 m.w.N). Für die Frage wann eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt, ist im Ansatz auf den asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zurückzugreifen (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – juris Rn. 12). Danach ist eine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu bejahen, wenn die für die Annahme einer erheblichen Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen als die dagegensprechenden Gesichtspunkte. Eine nur theoretische Möglichkeit des Eintritts der befürchteten Rechtsgutverletzung reicht für eine tatbestandsmäßige Gefahrensituation nicht aus. Darüber hinaus statuiert der Begriff der Konkretheit der Gefahr in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten, erheblichen Gefährdungssituation.
Eine wesentliche Verschlechterung ist danach nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Dies kann auch der Fall sein, wenn der betroffene Ausländer eine grundsätzlich mögliche medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann. Im Hinblick auf Krankheiten ist für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich, dass sich der Gesundheitszustand des betreffenden Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung in Folge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, weil dort eine adäquate Behandlung wegen des geringen Versorgungsstandards nicht möglich oder unzureichend ist und/oder der Betroffene insbesondere mangels finanzieller Mittel eine Behandlung nicht erlangen kann (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – DVBl 2003, 463; U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – a.a.O.). Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem Betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. Um die Beurteilung miteinzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können.
Andererseits dient dieses Abschiebeverbot nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht gleichkommt. Dies lässt sich nunmehr ausdrücklich der seit dem 17. März 2016 geltenden Fassung des § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG entnehmen. Der Gesetzgeber hat insoweit klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist; eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel zudem vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats erlangt werden kann (§ 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG).
Eine derartige erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben des Antragstellers aufgrund einer alsbaldigen schwerwiegenden und wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Falle seiner Rückkehr ist hier nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Eine solche Gefahr kann dem vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Attest vom 13. März 2017, das keine lebensbedrohende Erkrankung anführt, nicht entnommen werden.
Aus diesem ärztlichen Attest ergibt sich lediglich, dass der Antragsteller als Folge seiner Unterschenkelverletzung ein gängiges Schmerzmittel (Ibuprofen) und wegen Magenbeschwerden Pantoprazol benötigt. Das Attest zeigt somit, dass es beim Antragsteller im Wesentlichen nicht darum geht, seinen Gesundheitszustand durch eine Therapie zu verbessern, sondern darum, die Schmerzbehandlung zu „optimieren“. Eine Schmerzbehandlung kann der Antragsteller jedoch grundsätzlich auch in Nigeria erhalten, insbesondere gibt es dort fast alle geläufigen Medikamente, auch Schmerzmittel, in Apotheken zu kaufen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 21. November 2016, Stand: September 2016, – Lagebericht – Nr. IV 1.4). Von einer alsbaldigen schwerwiegenden und wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands im Fall seiner Rückkehr kann daher beim Antragsteller nicht ausgegangen werden.
5. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben