Verwaltungsrecht

Einbehaltung der das Ruhegehalt übersteigenden Besoldung bei Anfechtung der Ruhestandsversetzung

Aktenzeichen  3 CE 16.2155

Datum:
27.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123
BayBG BayBG Art. 66 Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

Wegen der gesetzlichen Regelung des Art. 66 Abs. 2 S. 3 BayBG, wonach bei der Versetzung in den Ruhestand die das Ruhegehalt übersteigende Besoldung bis zu deren Unanfechtbarkeit einzubehalten ist, hat eine einstweilige Anordnung auf Zahlung der ungekürzten Besoldung bei Anfechtung der Ruhestandsversetzung – von Ausnahmefällen des Rechtsmissbrauchs abgesehen – keinen Erfolg. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 E 16.1214 2016-10-06 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.157,68 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den (sinngemäß gestellten) Antrag nach § 123 VwGO, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ab Ende Juli 2016 vorläufig ungekürzte Bezüge aus BesGr A 12 weiterzuzahlen, zu Recht abgelehnt. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch auf Auszahlung der aufgrund ihrer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 26 BeamtStG (Bescheid der Regierung von Sch. vom 29. Juni 2016, an sie versandt am 4. Juli 2016) gemäß Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBG einbehaltenen, das Ruhegehalt übersteigenden Dienstbezüge glaubhaft gemacht. Deshalb kann offen bleiben, ob ein Anordnungsgrund zu bejahen wäre.
1. Die Einbehaltung der das Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrags nach Art. 69 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG übersteigenden Besoldung mit Ausnahme der vermögenswirksamen Leistungen mit Ende des Monats, in dem die Entscheidung über die Versetzung in den Ruhestand zugestellt wird, bis zu deren Unanfechtbarkeit ist eine gesetzliche Folge der Anfechtung der Ruhestandsversetzung (Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBG). Wird die Versetzung in den Ruhestand unanfechtbar aufgehoben, sind die einbehaltenen Dienstbezüge nachzuzahlen (Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBG). Den Nachteil, dass dem Beamten der ggf. nachzuzahlende Betrag nicht zeitgerecht zur Verfügung steht, mutet das Gesetz dem Beamten grundsätzlich zu. Sinn dieser Regelung, mit der die versorgungsrechtlichen Auswirkungen einer Zurruhesetzung vorweggenommen werden, ist es, dem Beamten die Möglichkeit zu nehmen, durch Erhebung von Rechtsmitteln gegen die Ruhestandsversetzung einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen, der ihn erst zur Ergreifung von Rechtsmitteln ermutigt (BayVGH, B.v. 22.5.2015 – 3 CE 15.520 – juris Rn. 25).
Nach der Gesetzesregelung hat ein Rechtsbehelf gegen die Ruhestandsversetzung zwar aufschiebende Wirkung. Wegen der unmittelbar aus dem Gesetz folgenden besoldungsrechtlichen Regelung des Einbehalts in Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBG lässt ein Rechtsbehelf gegen die Ruhestandsversetzung jedoch nicht auch den vollen Besoldungsanspruch wieder aufleben. Aus der vom Gesetzgeber in Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBG getroffenen Grundsatzentscheidung folgt, dass die etwaige bloße Rechtsfehlerhaftigkeit einer Ruhestandsversetzung, die zu deren Aufhebung führt, für die Begründung des Anordnungsanspruchs nicht ausreicht, denn für diesen Fall hat der Gesetzgeber die Nachzahlung der einbehaltenen Bezüge gemäß Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBG vorgeschrieben. Allenfalls in Ausnahmefällen, etwa wenn die Ruhestandsversetzung ersichtlich rechtsmissbräuchlich ist oder nur dem Zweck dient, die Rechtsfolge der Besoldungskürzung eintreten zu lassen, oder wenn die Annahme der Dienstunfähigkeit aus der Luft gegriffen erscheint, kann deshalb ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Auszahlung der ungekürzten Bezüge bestehen (BayVGH, B.v. 22.5.2015 a.a.O. Rn. 28).
Das Verwaltungsgericht hat einen solchen Ausnahmefall im vorliegenden Fall zu Recht verneint. Die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit aufgrund der bei der Antragstellerin festgestellten Alkoholabhängigkeit ist bei summarischer Prüfung weder rechtsmissbräuchlich noch aus der Luft gegriffen, sondern als rechtmäßig anzusehen. Diesbezüglich wird auf den Beschluss des Senats vom heutigen Tag im Verfahren 3 CS 16.2156 Bezug genommen.
2. Die hiergegen von der Antragstellerin innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu keiner anderen Beurteilung.
2.1 Soweit die Antragstellerin behauptet, dass die Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Folge der Ruhestandsversetzung völlig aus der Luft gegriffen sei und deshalb offensichtlich rechtswidrig sowie rechtsmissbräuchlich sei, weil der Antragsgegner die Ruhestandsversetzung der Antragstellerin nur betreibe, um die Rechtsfolge der Besoldungskürzung eintreten zu lassen, hat sie diese Behauptung nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Im Übrigen ist wegen der Alkoholabhängigkeit der Antragstellerin im vorliegenden Eilverfahren von einer Dienstunfähigkeit der Antragstellerin auszugehen.
2.2 Soweit die Antragstellerin behauptet, dass sie wegen der sofortigen Einbehaltung der das Ruhegehalt übersteigenden Dienstbezüge in eine wirtschaftliche Notlage geraten sei, hat sie schon nicht glaubhaft gemacht, dass sie aufgrund der Kürzung ihrer Dienstbezüge von 4.383,85 € auf 2.357,57 € nicht mehr ausreichend alimentiert wäre bzw. nicht mehr das Existenzminimum erhalten würde. Konkrete Nachweise zur Höhe der von ihr in der eidesstaatlichen Versicherung vom 2. August 2016 angegeben Ausgaben hat die Antragstellerin nicht vorgelegt. Zudem verfügt sie neben ihren Bezügen auch über monatliche Mieteinnahmen in Höhe von 1.100,- €.
Im Übrigen begründet der Vortrag, es läge eine nicht hinzunehmende Härte darin, dass der ggf. nachzuzahlende Betrag nicht zeitgerecht zur Verfügung stehe, keinen Anordnungsanspruch. Das Gesetz mutet dem Beamten grundsätzlich zu, dass bis zur Unanfechtbarkeit der Ruhestandsversetzung der ggf. nachzuzahlende Betrag nicht zur Verfügung steht. Soweit die laufenden Ausgaben der Antragstellerin derzeit die Ruhestandsbezüge übersteigen, muss sie entsprechende Einsparmöglichkeiten bei ihren Ausgaben wahrnehmen. Ihr musste bereits seit der Anhörung mit Schreiben vom 19. Februar 2016 bewusst sein, dass ihre Ruhestandsversetzung im Raum stand, die mit einer Reduzierung der Bezüge einhergeht. Auch bei Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung muss die Antragstellerin mit ihren Ruhestandsbezügen auskommen (BayVGH, B.v. 14.1.2015 – 3 CE 14.2587 – juris Rn. 29).
3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich nicht um einen dauerhaften, sondern lediglich um einen zeitlich begrenzten Anspruch handelt, bis über die Ruhestandsversetzung rechtskräftig entschieden ist. Insoweit erscheint angemessen, den sechsmonatigen Differenzbetrag zwischen den Dienstbezügen und den Ruhestandsbezügen in Höhe von 2.026,28 € zugrunde zu legen (BayVGH, B.v. 22.5.2015 a.a.O. Rn. 38).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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