Verwaltungsrecht

Eine unterbliebene dienstliche Beurteilung hindert nicht die Erstellung einer späteren dienstlichen Beurteilung

Aktenzeichen  3 CE 19.866

Datum:
13.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27486
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
LlbG Art. 60 Abs. 1 S. 7, Art. 65
BayPsychKHG Art. 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine – rechtsfehlerhaft – unterbliebene dienstliche Beurteilung hindert nicht die Erstellung einer späteren dienstlichen Beurteilung. Bei Nichtnachholbarkeit einer solchen dienstlichen Beurteilung wären andernfalls nachfolgende rechtmäßige dienstliche Beurteilungen gar nicht mehr möglich. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 E 18.2098 2019-04-11 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 16.373,72 € festgesetzt.

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht, auf dessen Sachverhaltsdarstellung in dem angefochtenen Beschluss verwiesen wird, hat den Antrag nach § 123 VwGO,
der Antragsgegnerin einstweilig zu untersagen, die nach Besoldungsgruppe A 13 bewertete Stelle der „Amtsleitung im Amt der Abfallwirtschaft“ mit anderen als der Antragstellerin zu besetzen, bis über die Klage der Antragstellerin über ihre Nichtberücksichtigung bei der Stellenbesetzung der Amtsleitung des Amtes für Abfallwirtschaft rechtskräftig entschieden wurde,
zu Recht abgelehnt. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die dem Auswahlvermerk zugrundeliegende Anlassbeurteilung der Antragstellerin vom 4. Dezember 2018 rechtswidrig ist, weil darin weder eine Aussage zum Führungspotential noch zur Verwendungseignung getroffen worden ist. Gleichwohl hat es den Antrag nach § 123 VwGO abgelehnt, weil es die Antragstellerin als chancenlose Bewerberin angesehen hat. Es sei nicht zu erwarten, dass die Antragstellerin bei einer erneuten Beurteilung einen Gleichstand mit dem Beigeladenen erreichen könne, dem ein Gesamturteil von 15 Punkten zugesprochen sei, während sie bislang nur ein Gesamturteil von 12 Punkten erhalten habe.
Die hiergegen von der Antragstellerin innerhalb der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu keiner anderen Beurteilung.
a. Zwar wurden in der Vergangenheit einzelne Beamte der Antragsgegnerin, wie auch die Antragstellerin, nicht regelmäßig beurteilt. Gleichwohl kann eine erneute Auswahlentscheidung auf der Grundlage einer neuen Anlassbeurteilung oder einer periodischen Beurteilung der Antragstellerin erfolgen. Aus dem Unterbleiben der erforderlichen dienstlichen Beurteilungen (hier für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2016) folgt nicht die Rechtswidrigkeit der nachfolgend erstellten dienstlichen Beurteilungen. Dienstliche Beurteilungen sollen Eignung, Leistung und Befähigung des Beamten objektiv darstellen. So wie ein im Beurteilungszeitraum unterbliebenes Personalgespräch über aus der Sicht des Vorgesetzten bestehende Defizite des Beamten der Erstellung einer dienstlichen Beurteilung für den Beamten nicht entgegensteht, so hindert auch eine – rechtsfehlerhaft – unterbliebene dienstliche Beurteilung nicht die Erstellung einer späteren dienstlichen Beurteilung. Bei Nichtnachholbarkeit einer solchen dienstlichen Beurteilung wären im Übrigen andernfalls nachfolgende rechtmäßige dienstliche Beurteilungen gar nicht mehr möglich (vgl. BVerwG, U.v. 7.5.2019 – 2 A 15.17 – juris Rn. 38 zur „Halbzeit-Beurteilung“ nach § 28 Abs. 4 BLV).
Die Anordnung einer ärztlichen Beurteilung i.S.d. Art. 15 Abs. 1 BayPsychKHG vom 7. März 2019, von der Antragstellerin als „Versuch einer Psychiatrisierung“ bezeichnet, steht in keinerlei sachlichem Zusammenhang zur vom Verwaltungsgericht angenommenen Chancenlosigkeit der Antragstellerin und rechtfertigt daher nicht die Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Gleiches gilt für die von der Antragstellerin erhobenen Einwände gegen die Beurteilung des Beigeladenen. Diese erschöpfen sich darin, zu bezweifeln, dass der Leiter des Referats III eigene Erkenntnisse über den Beigeladenen gehabt habe und zu bestreiten, dass keine Beurteilungsbeiträge von Vorgängern und Fachvorgesetzten herangezogen worden seien. Für diese Vermutungen bestehen keinerlei valide Anhaltspunkte. Die Einwände bewegen sich im Bereich der reinen Spekulation.
Auch der Hinweis auf Art. 60 Abs. 1 Satz 7 LlbG verfängt nicht. Danach kann im Bereich der kommunalen Dienstherrn die Behördenleitung die Befugnis zur Beurteilung übertragen, wenn sichergestellt ist, dass die Beurteilung von einer Person erstellt wird, die zumindest die gleiche Qualifikation besitzt, wie die zu beurteilende Person. Die Qualifikation des Leiters des Referats III wird von der Antragstellerin nicht bezweifelt, hierfür bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte, sodass die Übertragung rechtens war. Der Einwand der Antragstellerin, es dürfe nicht möglich sein, dass sich ein (Ober-)Bürgermeister seiner Verantwortung nach Art. 37 Abs. 4 GO völlig entziehe und deshalb für die Übertragung an den Referatsleiter eine Genehmigung nach Art. 65 LlbG für erforderlich hält, liegt neben der Sache. Die Übertragung bedarf keiner Genehmigung. Der Gesetzgeber hat mit Art. 60 Abs. 1 Satz 7 LlbG die Übertragung der Befugnis zur Beurteilung ohne Einschränkungen ermöglicht. Im Übrigen ist es abwegig, wenn die Antragstellerin meint, es müsse auch bei Kommunen vorgesetzte Dienstbehörden im Sinn des Art. 60 Abs. 2 Satz 1 LlbG geben.
b. Für die Annahme, dass die Antragstellerin in einem weiteren Verfahren ausgewählt werden könnte, ist vorliegend nichts objektiv Greifbares ersichtlich. Der Beigeladene hat bislang einen deutlichen Leistungsvorsprung gegenüber der Antragstellerin von drei Punkten im Gesamturteil. Die Antragstellerin konnte keine durchgreifenden Bedenken gegen diese Beurteilung vorbringen. Hinsichtlich ihrer eigenen Beurteilung weist die Antragstellerin darauf hin, dass wegen der mangelnden Beurteilungskontinuität für sie überhaupt keine Beurteilung mehr erstellt werden könne. Dies ist unzutreffend (vgl. 1.a.). Auch die nunmehr erstellte periodische Beurteilung für die Antragstellerin vom 24. Juli 2019 mit dem Gesamturteil von 12 Punkte spricht dafür, diese als chancenlose Bewerberin zu betrachten. Dort ist unter 2.2.1.5 Führungspotential ausgeführt: „Ein Führungspotential ist schwerlich zu erkennen, wenngleich auch [die Antragstellerin] keine unterstellten Mitarbeiter zu führen hatte. Oft war das Verhalten [der Antragstellerin] gegenüber Mitarbeitern des Amtes bei ungleicher Meinung nicht geprägt von sach- und lösungsorientiertem Verhalten. Dies spiegelte sich teilweise in einem unpassenden Umgangston wieder.“ Sie wird als Führungskraft nur als bedingt geeignet angesehen; ihr Führungspotential ist mit 8 Punkten bewertet. Im Übrigen sind neben dem Gesamturteil in der dienstlichen Beurteilung bei der erneuten Auswahlentscheidung aber auch noch die Kriterien des Anforderungsprofils der zu besetzende Stelle zu berücksichtigen, worauf die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren hingewiesen hat. Sie hat hierzu ausgeführt (Schr. vom 29.5.2019), dass der Beigeladene der eindeutig besser qualifizierte Bewerber sei, da er ganz erheblich mehr und aktuelle Erfahrungen in der Personalführung habe und deutlich mehr Erfahrung mit Bürgeranfragen mitbringe, als die Antragstellerin. In der Gesamtschau spricht letztlich nichts dafür, dass die Antragstellerin bei einer erneuten Auswahlentscheidung ausgewählt werden könnte.
c. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Einsicht in den zur Beurteilung des Beigeladenen erstellten Beurteilungsbeitrag des Amtsleiters, Herrn G., denn insoweit handelt es sich um eine lediglich interne, vorbereitende Stellungnahme, die nicht von dem Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG erfasst wird, da sie nicht Teil der Personalakte des Beigeladenen ist (vgl. grundlegend: BVerwG, U.v. 2.4.1981 – 2 C 34.79 – juris). Gleiches gilt für das Petitum der Antragstellerin, ihr eine Auswertung der letzten beiden Beurteilungsperioden bei der Antragsgegnerin zuzuleiten, um zum einen prüfen zu können, wie viele Beamte beurteilt worden sind und zum anderen, ob die Gauß’sche Normalverteilung eingehalten worden ist. Auch diese Auswertungen sind nicht Teil der Personalakten. Im Übrigen ist eine Gauß’sche Normalverteilung der Beurteilungsergebnisse nicht erforderlich (Westermaier in Böhle, Kommunales Personal- und Organisationsmanagement, 1. Aufl. 2017, § 10 Beurteilungswesen Rn. 70).
2. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, wenn er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruhen auf §§ 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 und § 63 Abs. 3 GKG. Der Streitwert beträgt danach 1/4 der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des von der Antragstellerin angestrebten Amtes, wobei auch die jährliche Sonderzahlung (Art. 82 ff. BayBesG) Berücksichtigung findet [vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris; Aufgabe der mit Beschluss des Senats vom 11.8.2017 (3 CS 17.512 – juris) begonnenen Rechtsprechung des Senats]. Danach beträgt der Streitwert für beide Rechtszüge 16.373,72 €, der sich unter Anwendung der Anlage III zum BayBesG für das Jahr 2018 (= Eingang beim Verwaltungsgericht) wie folgt errechnet:
Grundgehalt 61.035,72 €
Strukturzulage, Art. 33 BayBesG 1.093,80 €
Bruttobezüge 62.129,52 €
zzgl. Sonderzahlung
65% von 1/12 der Bruttobezüge
(Art. 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 18 Abs. 2 Nr. 1, 2. Halbs. BayBesG) 3.365,35 €
65.494,87 €
davon 1/4 16.373,72 €
Da sich bei Anwendung der Anlage III zum BayBesG für das Jahr 2019 (Eingang der Beschwerde) kein Gebührensprung ergibt, wurde auf eine gesonderte Ausweisung verzichtet.
3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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