Verwaltungsrecht

Einstellung des asylgerichtlichen Verfahrens wegen Nichtbetreibens

Aktenzeichen  Au 7 K 17.30468

Datum:
3.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5405
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 81
VwGO § 60

 

Leitsatz

1 Zu den prozessualen Mitwirkungspflichten des Asylbewerbers gehört die Mitteilung über einen Wechsel seines Aufenthaltsortes. Das Verwaltungsgericht kann im Rahmen einer Betreibensaufforderung grundsätzlich vom Wegfall des Rechtsschutzinteresses ausgehen, wenn die Mitteilung unterbleibt (ebenso BayVGH BeckRS 2005, 16986). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei Versäumung der Monatsfrist einer Betreibensaufforderung nach § 81 AsylG kann nur gewährt werden, wenn die Versäumung auf höherer Gewalt beruht. Die versehentliche Einordnung des gerichtlichen Aufforderungsschreibens in eine falsche Akte durch den Prozessbevollmächtigten ist kein solches Ereignis. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Mit Schreiben vom 9. Februar 2018, der Klägerbevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis zugestellt am 13. Februar 2018, wurde die Klägerbevollmächtigte aufgefordert und gemäß § 81 Satz 3 AsylG belehrt, die derzeitige Anschrift der Kläger mitzuteilen und damit das Verfahren weiter zu betreiben.
Die Aufforderung war durch konkrete Umstände veranlasst. Die Beklagte hat dem Gericht mit Schreiben vom 5. Februar 2018 die dort per E-Mail eingegangene Mitteilung der zuständigen Ausländerbehörde (Landratsamt …) übermittelt, dass die Kläger mit Datum 1. Februar 2018 nach unbekannt verzogen abzumelden sind. Da zu den prozessualen Mitwirkungspflichten die Mitteilung des Betroffenen über den Wechsel des Aufenthaltsortes gehört, kann das Verwaltungsgericht im Falle einer unterbliebenen Mitteilung grundsätzlich von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses ausgehen (BayVGH, B.v. 2.8. 2005 – 6 ZB 04.30509 – juris Rn. 2).
Ein Betreiben des Verfahrens im Sinne der Vorschrift besteht grundsätzlich nur in der Vornahme der konkreten Handlung, die Gegenstand der gerichtlichen Aufforderung ist. Wird diese Handlung nicht bzw. nicht fristgemäß erfüllt, ist der Schluss auf das Entfallen des Rechtsschutzinteresses gerechtfertigt (vgl. zu allem: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl., AsylG § 81 Rn. 10 ff. m. w. N.).
Die Kläger haben das Verfahren trotz der am 13. Februar 2018 ihrer Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis zugestellten Aufforderung des Gerichts vom 9. Februar 2018 länger als einen Monat nicht betrieben.
Die Wirkung der Rücknahmefiktion trat gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 13. März 2018 unmittelbar kraft Gesetzes ein. Damit gilt die Klage als zurückgenommen (§ 81 Satz 1 AsylG) und das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Die erst mit Fax-Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 29. März 2018 (Eingang bei Gericht: 31.3.2018, 15:26 Uhr) erfolgte Mitteilung der (neuen) Adresse der Kläger erfolgte erst nach Ablauf der Frist von einem Monat und geht damit ins Leere. Denn mit Fristablauf wird unwiderleglich vermutet, dass die Kläger ihr Rechtsschutzinteresse verloren haben. Einer Entscheidung des Gerichts hierüber bedarf es nicht, denn diesem steht keine irgendwie geartete Dispositionsbefugnis über die Verfahrensbeendigung zu (Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 81 AsylG Rn. 18; BayVGH, B.v. 29.12.2017 – 11 ZB 17.30845 – juris); der Einstellungsbeschluss hat nur deklaratorischen Charakter.
Soweit die Klägerbevollmächtigte in ihrem Schreiben vom 29. März 2018 ausführt, dass die gerichtliche Aufforderung vom 9. Februar 2018 versehentlich in eine falsche Akte eingeordnet war und erst jetzt aufgefunden worden sei, wird in der Sache eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Monatsfrist des § 81 AsylVfG begehrt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen jedoch nicht vor. Eine Wiedereinsetzung kann im Rahmen einer Betreibensaufforderung nur gewährt werden, wenn die Fristversäumnis auf höhere Gewalt zurückzuführen ist (§ 58 Abs. 2, § 60 Abs. 3 VwGO analog), da es sich bei der Monatsfrist des § 81 AsylVfG um eine sog. uneigentlich gesetzliche Frist handelt, nach der auch bei fehlendem Verschulden eine Parteihandlung endgültig nicht mehr oder nur noch unter ganz besonderen Voraussetzungen vorgenommen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.1985 – 9 C 7.85 – EZAR 630 Nr. 19 zu § 33 AsylVfG a.F.; VG Saarland, B.v. 15.9.2000 – 11 K 108/00 – juris Rn. 15). Unter höherer Gewalt ist ein außergewöhnliches Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des konkreten Falls vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe zu erwartenden und zumutbaren Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (vgl. BVerwG, a.a.O.). Die versehentliche Einordnung des gerichtlichen Aufforderungsschreibens in eine falsche Akte durch die Prozessbevollmächtigte stellt offensichtlich kein solches außergewöhnliches Ereignis dar. Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten ist dem Verschulden der Partei gleichzustellen (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Satz 2 AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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