Verwaltungsrecht

Einstweiliger Rechtschutz, Kaminkehrermangel, Aufforderung zur Mängelbeseitigung, Feuerstätte und Dunstabzug, Verhinderung des gleichzeitigen Betriebs

Aktenzeichen  M 1 S 21.5303

Datum:
22.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42481
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayBO Art. 54 Abs. 4
BayBO Art. 39 Abs. 1
BayBO Art. 40
FeuV § 4 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine sofort vollziehbare Mängelbeseitigungsanordnung, die der Antragsgegner im Hinblick auf eine Feuerstätte erlassen hat.
Die Antragsteller sind Mit- und Sondereigentümer einer Wohnung im Dachgeschoss (rechts) des Anwesens einer Wohnungseigentümergemeinschaft.
Der Bezirkskaminkehrer erstellte unter dem 19. Dezember 2018 zwei Mängelberichte, die beide an die Wohnungseigentümergemeinschaft adressiert waren. Betreffend die Wohnung im 2. Stock rechts und unter Nennung des Namens der Antragsteller wird im Bericht mit der Nummer … 9 ausgeführt, dass eine Holzfeuerstätte an einen Kamin angeschlossen sei, und in unmittelbarer Nähe bzw. mit Wirkungskreis eine Dunstanlage mit Fortluftfunktion betrieben werde. Dies sei so nicht zulässig. Beim gleichzeitigen Betrieb von Feuerstätte und Dunstabzug könne es zum Heraussaugen von Abgasen kommen. Eine Zuluftklappe in der Wanddurchführung bei der Dunstanlage sei unzureichend. Dies hätte erheblichen Schaden am Mobiliar bzw. im schlimmsten Falle eine CO-Vergiftung der Bewohner zur Folge. Es werden Abhilfevorschläge genannt.
Ferner liegt ein Mängelbericht (Nr. …9) bezogen auf die Wohnung im Erdgeschoss rechts vor, der einen unbenutzten Kachelofen zum Gegenstand hat.
Der Bezirkskaminkehrer übersandte die Berichte unter dem 31. Mai 2019 zur weiteren Veranlassung an das Landratsamt und teilte mit, dass die aufgeführten Mängel noch nicht abgestellt sein. Es bestehe akute Gefahr für Leben und Gesundheit.
Das Landratsamt wandte sich unter dem 26. September 2019 an die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch die Hausverwaltung und bat um Mängelbeseitigung sowie um Mitteilung hierüber bis zum 11. November 2019. Unter dem 13. November 2019 wandte sich das Landratsamt an die von den Antragstellern bevollmächtigte Kanzlei. Es wurde um Nachweis über den Einbau des geforderten Fensterkontaktschalters gebeten. Unter dem 10. Dezember 2019 hörte das Landratsamt die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch die Hausverwaltung, zum Erlass einer förmlichen, mit Zwangsgeld bewerten Anordnung an. Die Hausverwaltung teilte zunächst mit, dass die Mängelbeseitigung den Sondereigentümern obläge. Unter dem 16. Januar 2020 wurde mitgeteilt, dass die Mängel von einem Fachhandwerker durchgeführt worden seien. Weiter teilte die Hausverwaltung am 22. April 2021 mit, dass sie nochmals mit der Antragspartei in Kontakt getreten sei und mitgeteilt habe, dass die Mängel zeitnah behoben wurden.
Unter dem … Mai 2021 wandte sich der Bevollmächtigte der Antragsteller an das Landratsamt und teilte mit, dass die Antragsteller keine Änderungen vornähmen. In der Wohnung befinde sich seit 1980 eine Kücheneinrichtung mit Dunstabzug. Ferner gebe es einen offenen Kamin, zu dem der damalige Architekt im Jahr 1979 mitgeteilt habe, dass zu dessen besserer Belüftung ein zusätzliches Rohr eingebaut werde. Die heutige Situation habe sich seit der damaligen Bauabnahme nicht verändert. Sie sei bekannt gewesen, mit der Genehmigung der Bauordnungsbehörde erfolgt und habe den Bauvorschriften entsprochen.
Das Landratsamt erließ unter dem 13. September 2021 einen Bescheid, in dem es die Antragsteller verpflichtete, die mit Schreiben vom 31. Mai 2019 durch den Bezirkskaminkehrermeister mitgeteilten Mängel bis spätestens 1. November 2021 zu beheben und dies schriftlich mitzuteilen (Nr. 1). Der Kaminmängelbericht des Kaminkehrermeisters vom 19. Dezember 2018 wurde zum Bestandteil des Bescheids erklärt (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung von Nr. 1 wurde angeordnet (Nr. 3) und ein Zwangsgeld in Höhe von 750 EUR angedroht (Nr. 4). Im Bescheidskopf wurde das Vorhaben bezeichnet als „Verfahren zur Beseitigung eines Kaminkehrermangels Nr. …1“.
Die Antragsteller, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, haben am *. Oktober 2021 Klage (M 1 K 21.5268) gegen den Bescheid erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Zugleich beantragen sie im Wege des einstweiligen Rechtschutzes:
Die im Bescheid angeordnete sofortige Vollziehung wird außer Vollzug gesetzt.
Der Bescheid sei aufzuheben, weil im Kaminkehrermängelbericht Nr. … 9 ein Mangel einer im Erdgeschoss gelegenen Wohnung gerügt werde, die nicht im Eigentum der Antragsteller stehe. Der Mangel des Berichts Nr. …1 in der Wohnung der Antragsteller existiere nicht. Die Anordnung des Landratsamts unterstelle offensichtlich eine spätere illegitime Veränderung der Feuerstätte, die nach Abnahme des Vorhabens erfolgt sein müsste. Diese Annahme treffe nicht zu. Wie dem Landratsamt mitgeteilt worden sei, bestünden sowohl die Holzfeuerstätte als auch der Dunstabzug von Beginn an und seien auch Gegenstand der Baugenehmigung gewesen; Veränderungen seien nicht erfolgt. So wäre das Landratsamt gehalten gewesen darzulegen, weshalb nunmehr ein Einschreiten erforderlich sei. Der Sachverhalt sei unzutreffend beurteilt worden und die Antragsteller in ihrem rechtlichen Gehör verletzt.
Der Antragsgegner beantragt unter Vorlage der Akten,
den Antrag abzulehnen.
Der momentane Zustand der Feuerstätte widerspreche den Vorschriften. Es stehe zu befürchten, dass aufgrund der baulichen Gegebenheiten Rauchgase in die Wohnung gelangten und dort sich aufhaltende Personen schädigten. Es bestehe eine Gefahr für Leben und Gesundheit. Die Rechtsgrundlage ermögliche ein Einschreiten auch bei bestandsgeschützten Anlagen; das Vorliegen einer abstrakten Gefahr genüge. Ein milderes Mittel sei nicht erkennbar. Beim Sofortvollzug sei zu berücksichtigten, dass der Winter und damit die klassische Heizperiode bevorstehe und die Antragsteller kein Gefahrenbewusstsein hätten.
Zu dem weiteren Sachvortrag und den übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte, auch im Verfahren M 1 K 21.5168, Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat keinen Erfolg.
1. Der Eilantrag, gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Anordnung unter Nr. 1 des Bescheids vom 13. September 2021, ist zulässig, insbesondere nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Die in der Hauptsache erhobene Klage gegen die Anordnung zur Mängelbeseitigung hat aufgrund des im Bescheid angeordneten Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung.
2. Der Antragsgegner hat die Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ausreichend im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet.
Der Begründungszwang dient dazu, dass sich die Behörde der besonderen Ausnahmesituation bewusst wird, wenn sie die sofortige Vollziehbarkeit anordnet. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es für die formelle Rechtmäßigkeit hingegen nicht an. Es reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet sie sich bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 VwGO Rn. 54 f.).
Dem Begründungszwang für den sofortigen Vollzug ist Genüge getan. Hierzu wird über das bloße Bejahen des öffentlichen Interesses hinaus im konkreten Einzelfall ausgeführt, dass der Sofortvollzug anzuordnen sei, weil die Feuersicherheit ansonsten nicht mehr gewährleistet wäre und die hierdurch bestehende Gefahr für Leib und Leben keinen Aufschub duldet. Es könne nicht zugewartet werden, bis ein mögliches Gerichtsverfahren abgeschlossen sei. Damit ist ersichtlich, dass die Bauaufsichtsbehörde das Instrument des Sofortvollzugs hinreichend bedacht und abgewogen hat.
3. Der Eilantrag ist unbegründet.
a) Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise anordnen, wenn die vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Hierbei ist in erster Linie auf die Erfolgsaussichten der Klage abzustellen. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung als rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, weil an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse besteht. Erscheint der Verwaltungsakt dagegen nach vorläufiger Betrachtung als voraussichtlich rechtmäßig, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
b) Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung ergibt, dass die Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom 13. September 2021 voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Der Verwaltungsakt erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die mit dem Bescheid erlassene bauaufsichtliche Anordnung zur Mängelbeseitigung ist Art. 54 Abs. 4 BayBO.
aa) Der Bescheid ist formell rechtmäßig ergangen, insbesondere wurden die Antragsteller angehört (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG). Dem Bescheid ging umfangreicher Schriftwechsel der Bauaufsichtsbehörde mit der Hausverwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft voraus; bereits unter dem 10. Dezember 2019 wurde dieser eine zwangsgeldbewehrte Anordnung angedroht, sollte die Mängelbeseitigung nicht fristgerecht erfolgen. Der Schriftwechsel war der Antragspartei ausweislich ihrer Schreibens vom … Mai 2021 jedenfalls in Teilen bekannt. Ferner wurde die Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten unter dem 13. November 2019 selbst angeschrieben mit der Bitte um Nachweis der Mängelbeseitigung. Damit ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Im Übrigen würde selbst die unterlassene Anhörung nicht zum Erfolg des Rechtsbehelfs führen, weil es offensichtlich, dass diese Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, vgl. Art. 46 BayVwVfG. Denn die Antragspartei äußerte sich bereits im Verfahren vor Erlass des streitigen Bescheids umfassend und abschließend. Ihr Bevollmächtigter nahm mit Schriftsätzen vom *. Oktober 2019 und … Mai 2021 an die Bauaufsichtsbehörde Stellung zu den Mängelvorwürfen und äußerte zuletzt, dass eine Mängelbeseitigung nicht vorgenommen werde.
bb) Der Bescheid ist materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen von Art. 54 Abs. 4 BayBO liegen nach summarischer Prüfung vor.
Art. 54 Abs. 4 BayBO erlaubt der Bauaufsichtsbehörde, auch bei bestandsgeschützten Anlagen Anforderungen zu stellen, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist.
Von einer erheblichen Gefahr ist dann auszugehen, wenn die Gefahr oder der Nachteil schwerwiegend und nachhaltig ist, wobei es auf die übermäßige Empfindlichkeit eines einzelnen nicht ankommt, sondern auf die objektiven Gegebenheiten. Schon aus der Wendung „erhebliche Gefahren“ folgt dabei, dass es sich insoweit um konkrete Gefahren handeln muss. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsatz, dass es zur Begründung einer sicherheitsrechtlichen Befugnis stets einer konkreten Gefahr bedarf. Eine konkrete Gefahr liegt dann vor, wenn in einem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden muss. Dabei sind an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Die an das Vorliegen einer Gefahr zu stellenden Anforderungen hängen sonach von der Wertigkeit des betroffenen Rechtsguts ab. Es müssen somit hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Gefahren rechtfertigen. Erforderlich ist mithin, dass ohne die jeweilige Anordnung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Schadens spricht. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 4 BayBO vor, so kann die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung (Art. 40 BayVwVfG) die im konkreten Einzelfall erforderlichen Anordnungen erlassen (BayVGH, B.v. 21.6.2011 – 14 CS 11.790 – juris Rn. 23 m.w.N.).
(1) Bei der von den Antragstellern bewohnten Wohnung handelt es sich um eine bestandsgeschützte Anlage, sodass Art. 54 Abs. 4 BayBO anwendbar ist. Der Einwand der Antragspartei, dass der nun beanstandete Zustand genehmigt sei oder den bei Errichtung bestehenden Vorschriften entsprochen habe, verfängt damit nicht. Im Übrigen verwirkt die Behörde selbst bei Kenntnis bestehender Mängel nicht die Möglichkeit, zur Abwehr von Gefahren bauaufsichtlich einzuschreiten.
(2) Mit der Holzfeuerstätte – einer Feuerungsanlage im Sinne von Art. 40 Abs. 1 BayBO – und dem Dunstabzug – einer Lüftungsanlage nach Art. 39 Abs. 1 BayBO – liegt in der Wohnung der Antragsteller eine Gefahrensituation im Sinne von Art. 54 Abs. 4 BayBO vor.
Die genannten Anlagen entsprechen nicht den an sie gestellten materiell-rechtlichen Anforderungen. Diese ergeben sich aus Art. 39 und Art. 40 BayBO sowie aus der auf Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 sowie Abs. 6 BayBO beruhenden Feuerungsverordnung vom 11. November 2007 (GVBl. S. 800 – FeuV).
Gemäß Art. 40 Abs. 1 BayBO müssen Feuerstätten und Abgasanlagen betriebssicher und brandsicher sein. Feuerstätten dürfen in Räumen nur aufgestellt werden, wenn nach der Art der Feuerstätte und nach Lage, Größe, baulicher Beschaffenheit und Nutzung der Räume Gefahren nicht entstehen (Art. 40 Abs. 2 BayBO). Abgase von Feuerstätten sind durch Abgasleitungen, Kamine und Verbindungsstücke so abzuführen, dass keine Gefahren oder unzumutbaren Belästigungen entstehen. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn die einschlägigen technischen Regeln eingehalten sind (vgl. Storz in Busse/Kraus, BayBO, 143. EL Juli 2021, Art. 40 Rn. 83). Lüftungsanlagen müssen ebenfalls betriebs- und brandsicher sein und dürfen den ordnungsgemäßen Betrieb von Feuerungsanlagen nicht beeinträchtigen (Art. 39 Abs. 1 BayBO). Nach § 4 Abs. 2 FeuV darf die Betriebssicherheit von raumluftabhängigen Feuerstätten durch den Betrieb von Raumluft absaugenden Anlagen wie Dunstabzugshauben nicht beeinträchtigt werden. Dies könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass durch die Abluftanlage ein Unterdruck erzeugt wird, so dass Abluft oder Abgas aus der nebenstehenden Feuerstätte in den Raum gesogen wird (Storz in Busse/Kraus, BayBO, 143. EL Juli 2021, Art. 40 Rn. 111).
Die Betriebssicherheit ist nicht gewährleistet angesichts des zugleich vorhandenen Dunstabzugs.
Die in Rede stehende Holzfeuerstätte, die an einen Kamin angeschlossen ist, ist nach summarischer Prüfung raumluftabhängig im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 FeuV, weil ihr die Verbrennungsluft nicht über Leitungen oder Schächte nur direkt vom Freien zugeführt werden dürfte, selbst wenn der Kamin (auch) über eine externe Luftzufuhr durch eine Rohrleitung verfügen sollte (vgl. Schreiben der Antragspartei vom 9. Oktober 2019, S. 11 der Behördenakte). Im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung wird ferner davon ausgegangen, dass die Feuerstätte und der Dunstabzug in räumlicher Nähe zueinander bestehen. Dies beruht auf der Beschreibung des Kaminkehrers im Mängelprotokoll, dass diese sich „in unmittelbarer Nähe bzw. im Wirkungskreis“ befinden; dieser Feststellung tritt die Antragspartei mit ihrem Eilantrag nicht entgegengetreten. Außerdem wird mangels entgegenstehender Angaben unterstellt, dass keine weiteren Vorkehrungen zur Betriebssicherheit, etwa Maßnahmen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 FeuV, getroffen sind. Insbesondere genügt hierfür nicht die in der Vergangenheit getätigten Aussage, dass die Anlagen nicht gleichzeitig betrieben würden. Die Kammer unterstellt dabei den Antragstellern nicht, dass sie sich nicht daran halten wollen. Für eine effektive Gefahrenabwehr ist es gleichwohl erforderlich sicherzustellen, dass der gleichzeitige Betrieb losgekoppelt von menschlichem Fehlverhalten verhindert wird.
Die Situation der Dunstabzugshaube über dem Küchenherd bei gleichzeitiger Nutzung eines Kamins im offenen Raum – genau wie sie bei den Antragstellern vorgefunden wird – ist ein „anschauliches Beispiel“ (Storz in Busse/Kraus, BayBO, 143. EL Juli 2021, Art. 40 Rn. 130 f.) für die Beeinträchtigung der Betriebssicherheit. Die Dunstabzugshaube darf nur betrieben werden, wenn durch eine gleichzeitige automatische Fensteröffnung sichergestellt ist, dass kein Unterdruck im Raum entsteht. Bei der Entstehung von Unterdruck könnte Rauch bzw. Abgase vom Kamin in den Raum gesogen werden und somit eine ernsthafte gesundheitliche Gefährdung der Bewohner des Gebäudes darstellen (Storz in Busse/Kraus, a.a.O.).
(3) Die Aufforderung zur Mängelbeseitigung ist hinreichend bestimmt. Sie genügt auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; insbesondere wird nicht pauschal die Stilllegung der Feuerstätte gefordert. Die Antragsteller können vielmehr auf die Abhilfevorschläge im vom Bescheid in Bezug genommenen Mängelbericht des Kaminkehrers zurückgreifen. Die mit der Nachrüstung, etwa durch Einbau des Fensterreglers, verbundenen Beeinträchtigungen der Antragsteller stehen auch nicht außer Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte kann sich die Antragspartei schon deswegen nicht mit Aussicht auf Erfolg berufen, weil diese hinter den Rechtsgütern Leben und Gesundheit zurücktreten müssen. Im oben beschriebenen Fall des Unterdrucks drohen nicht wiedergutzumachende Schäden an Leben und Gesundheit anwesender Personen. Ebensowenig ist die Ermessensausübung im Bescheid rechtlich zu beanstanden. Es wird, wenngleich kurz, zutreffend darauf abgestellt, dass aufgrund des gegebenen materiellrechtlichen Verstoßes das private Interesse an der Beibehaltung des Zustandes zurücktreten muss.
cc) Die Antragsteller sind die richtigen Adressaten des Bescheids und können als Handlungswie auch als Zustandsstörer (vgl. Art. 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 LStVG) herangezogen werden. Sie sind Eigentümer der Wohnung, in der sich die beanstandeten Einrichtungen befinden, und haben die Verfügungsgewalt hierüber. Allein die Beanstandung in dieser Wohnung ist Gegenstand des streitgegenständlichen Bescheids. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem im Bescheid in Bezug genommenen Kaminkehrermängelprotokoll mit der Nr. …1, in dem wiederum auch der Name der Antragsteller genannt ist. Dieses Protokoll ist der Antragspartei bekannt. Dieser Umstand ergibt sich aus dem Eingangsstempel des Prozessbevollmächtigten auf dem Protokoll selbst (vgl. S. 57 der Behördenakte), das der Bevollmächtigte als Anlage 3 zu seinem Schriftsatz vom *. Oktober 2021 an das Landratsamt gesandt hatte. Insoweit kann dahinstehen, ob der Antragspartei das Protokoll zusammen mit dem Bescheid erneut übersandt wurde. Ferner kommt es nicht auf das Kaminkehrermängelprotokoll Nr. …9 an, das sich ersichtlich auf eine andere Wohnung als die der Antragsteller bezieht und das nicht Gegenstand der hier streitigen Anordnung ist.
Auch im Übrigen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die bis 1. November 2021 gesetzte Frist zur Beseitigung des Mangels ist angemessen, weil damit den Antragstellern mehr als ein Monat zur Verfügung gestanden hat. Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids in Höhe von EUR 750,- begegnet weder im Hinblick auf die Bestimmtheit, noch im Hinblick auf die Höhe Zweifeln. Hierzu trug die Antragspartei im Übrigen nichts vor.
c) Die Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragsteller aus. Es besteht ein öffentliches Interesse an dem Sofortvollzug des offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts. Angesichts der aktuell kalten Jahreszeit ist umso mehr mit dem Betrieb des Kamins zu rechnen und daher auch mit dem angesichts der Gefahrenlage prognostizierten Schadenseintritt an Leben und Gesundheit. Insbesondere steht hier der Zeitablauf nicht der Annahme der Dringlichkeit entgegen. Der Behörde war zwar schon zwei Jahre vor Erlass des Bescheids bekannt, dass der Mangel in der Wohnung der Antragsteller besteht. Die Behörde blieb indes nicht untätig, sondern verließ sich zuletzt noch am 22. April 2021 auf eine Information der Hausverwaltung der WEG, die Antragsteller würden den Mangel zeitnah beheben und baten hierfür um Verlängerung der Rückmeldefrist.
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Es ist angemessen, den in der Hauptsache anzusetzenden Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 EUR im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes zu halbieren.


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