Verwaltungsrecht

einstweiliger Rechtsschutz bei Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach vorangegangenem, negativ abgeschlossenem Asylverfahren in Dänemark, Schutzgewährung in Dänemark im fraglichen Zeitpunkt vergleichbar mit Vorgaben nach RL 2011/95/EU, kein Abschiebungsverbot bezüglich Somalia bei gesundem, arbeitsfähigem Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen

Aktenzeichen  W 4 S 21.30209

Datum:
26.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15356
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 71a, § 29 Abs. 1 Nr. 5
VwVfG § 51
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Abschiebungsandrohung in einem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem der Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt wurde.
I.
1. Der Antragsteller, ein nach eigenen Angaben am … 1987 geborener, dem Clan der Tunni zugehöriger, somalischer Staatsangehöriger, reiste am 26. April 2019 ins Bundesgebiet ein und stellte hier am 8. Mai 2019 einen Asylantrag. Die persönliche Anhörung des Antragstellers beim Bundesamt erfolgte am 29. Mai 2019. Dabei gab der Kläger an, bereits in Dänemark Asyl beantragt zu haben und von Januar 2014 bis Oktober 2017 einen entsprechenden Aufenthaltstitel besessen zu haben, der in der Folge aber wieder entzogen worden sei. Das Bundesamt erließ daraufhin am 13. Juni 2019 zunächst einen sog. Dublin-Bescheid (BA-Gz.: 7819231-273), der bestandskräftig wurde. Eine Rücküberstellung des Antragstellers nach Dänemark scheiterte indes mehrfach daran, dass der Antragsteller bei diversen Rücküberstellungsversuchen nicht angetroffen werden konnte. Die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO lief daher am 13. Dezember 2020 ab.
Auf eine entsprechende Anfrage des Bundesamts teilten die dänischen Behörden mit Schreiben vom 10. Februar 20221 mit, dass der Antragsteller am 20. Juli 2013 in Dänemark Asyl beantragt hatte und am 9. Januar 2014 gemäß section 7(2) des dänischen Ausländergesetzes (Danish Aliens Act) einen bis 9. Januar 2019 befristeten Aufenthaltstitel wegen subsidiären Schutzes erhalten hatte. Dieser wurde mit Entscheidung vom 27. Oktober 2017 wieder entzogen („revoked“). Diese Entscheidung wurde am 11. März 2019 rechtskräftig („final negative decision“).
Das Bundesamt hob daraufhin mit Bescheid vom 15. Februar 2021 seinen vorangegangenen Bescheid vom 13. Juni 2019 auf (Ziffer 1) und lehnte den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 2). Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (Ziffer 3). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Somalia abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Ziffer 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 42 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 5).
Zur Begründung führt der Bescheid im Wesentlichen aus, der Antragsteller habe bereits in Dänemark erfolglos einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Es handele sich bei dem im Bundesgebiet gestellten Antrag daher um einen Zweitantrag gemäß § 71a AsylG. Wiederaufgreifensgründe im Sinne von § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lägen nicht vor. Daher sei der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig. Abschiebungsverbote in Bezug auf Somalia bestünden beim Antragsteller, einem gesunden, arbeitsfähigen Mann, nicht. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 42 Monate ab dem Tag der Abschiebung sei auch angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller bei mehreren Überstellungsversuchen nach Dänemark untergetaucht gewesen sei, angemessen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid des Bundesamts vom 15. Februar 2021 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Der vorgenannte Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich der bei den Behördenakten befindlichen Empfangsbestätigung am 22. Februar 2021 übergeben.
2. Der Antragsteller erhob zur Niederschrift der Urkundsbeamtin am 24. Februar 2021 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg (Az.: W 4 K 21.30207). Gleichzeitig beantragt er im vorliegenden Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung verwies der Antragsteller auf seine beim Bundesamt bereits vorgetragenen Gründe. Dort hatte er im Wesentlichen angegeben, Somalia vorverfolgt verlassen zu haben. Er sei von al-Shabaab wegen angeblicher Spionagetätigkeit zum Tode verurteilt worden. Außerdem fürchte er in Somalia um sein Leben, weil er einen Mann eines Mehrheitsclans im Streit getötet habe. Dieser habe die Ehefrau des Antragsstellers für sich beansprucht. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das Anhörungsprotokoll des Bundesamts Bezug genommen.
3. Mit Schriftsatz des Bundesamts vom 24. Februar 2021 beantragt die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezog sich das Bundesamt auf die angefochtene Entscheidung.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (Az. W 4 K 21.30207) gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4. des Bescheids des Bundesamts vom 15. Februar 2021 anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt (hier Fall des § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 AsylG). Auch die Wochenfrist zur Stellung des Antrags gemäß § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG wurde vom Antragsteller eingehalten.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 4 AsylG liegen nicht vor.
Gemäß § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung im Falle eines Zweitantrags, in dem ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Bundesamts einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris). „Angegriffen“ ist dabei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Abschiebungsandrohung; Gegenstand dieses Verfahrens ist allein die Frage, ob die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§§ 71a Abs. 1 und 4, 36 Abs. 1 AsylG) erlassene Abschiebungsandrohung rechtmäßig ist.
Dies setzt voraus, dass die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (hier: §§ 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2, 71a Abs. 1 AsylG) vorliegen, dass der Abschiebung des Asylbewerbers in den in der Abschiebungsandrohung benannten Staat keine Abschiebungsverbote entgegenstehen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist (§§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG), dass der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG) und dass die Abschiebungsandrohung auch sonst rechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. VG Minden, B.v. 31.7.2017 – 10 L 109/17.A – juris Rn. 15).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG.
2.1. Gemessen hieran bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig.
Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist dann, wenn ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Andernfalls ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG.
Ernstliche Zweifel daran, dass der in Deutschland gestellte Asylantrag des Antragstellers gemäß § 71a AsylG als Zweitantrag zu werten ist, weil er bereits in einem sicheren Drittstaat – hier: Dänemark – ein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen hat, bestehen unter Berücksichtigung der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eingeschränkten Prüfungstiefe nicht.
2.1.1. Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässigem Zweitantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG steht zunächst im Einklang mit unionsrechtlichen Rechtsvorschriften. Gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 (RL 2013/32/EU) darf ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt werden, wenn es sich um einen Folgeantrag handelt, der nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führt. Die Art. 2 Buchst. q, 33 Abs. 2 Buchst. d und Art. 40 Abs. 2 der RL 2013/32/EU erfassen auch einen sog. mitgliedstaatenübergreifenden Folgeantrag, welcher nach dem unanfechtbaren Abschluss eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat durchgeführten Asylverfahrens gestellt wird (so die ganz herrschende Meinung, OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 22.10.2018 – 12 N 70.17 – juris Rn. 7; VG Karlsruhe, U.v. 13.3.2019 – A 1 K 3235/16 – juris Rn. 26; VG Osnabrück, U.v. 27.2.2018 – 5 A 79/17 – juris Rn. 38; VG München, U.v. 7.2.2013 – M 11 K 12.30661 – juris Rn. 21; Dickten in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Stand: 1.3.2020, AsylG, § 71a Rn. 1b; differenzierend VG Hamburg, B.v. 14.7.2016 – 1 AE 2790/16 – juris Rn. 11 ff.; vgl. hierzu auch Art. 40 ABs. 7 der RL 2013/32/EU).
Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass dem unionsrechtlichen Asylverfahrensrecht die im deutschen Asylverfahrensrecht vorhandene Differenzierung zwischen Folge- und Zweitantrag unbekannt ist. Denn beide Fälle werden von den Regelungen der Art. 2 Buchst. q und Art. 40 Abs. 2 der RL 2013/32/EU erfasst, sie unterscheiden sich lediglich darin, dass ein Zweitantrag nach dem unanfechtbaren Abschluss eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat durchgeführten Asylverfahrens gestellt wird und es sich somit um einen mitgliedstaatenübergreifenden Folgeantrag handelt. Dieser Umstand kann jedoch für die Anwendung der Art. 33, 46 der RL 2013/32/EU keinen Unterschied ergeben, da in allen EU-Mitgliedstaaten aufgrund der unionsrechtlichen Regelungen insbesondere in der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU sowie der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG die gleichen verfahrensrechtlichen Mindestgarantien gelten. Eine andere Betrachtungsweise würde den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in Frage stellen, welcher zu den primärrechtlichen Grundsätzen des Unionsrechtes gehört und einen wesentlichen Baustein der unionsrechtlichen Rechtsordnung darstellt (so zu Recht OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 22.10.2018 – 12 N 70.17 – juris Rn. 7; VG Karlsruhe, U.v. 13.3.2019 – A 1 K 3235/16 – juris Rn. 26; VG Osnabrück, U.v. 27.2.2018 – 5 A 79/17 – juris Rn. 38; VG München, U.v. 7.2.2013 – M 11 K 12.30661 – juris Rn. 21; Dickten in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Stand: 1.3.2020, AsyG, § 71 Rn. 1b).
2.1.2. Ein erfolgloser Abschluss des Asylverfahrens i.S.v. § 71a AsylG setzt zum einen voraus, dass der vorausgegangene negative Ausgang des Asylverfahrens durch bestands- oder rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt wird und feststeht; bloße Mutmaßungen genügen nicht. Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung endgültig abgeschlossen wurde (vgl. VG Minden, B.v. 31.7.2017 – 10 L 109/17.A – juris Rn. 33; VG München, B.v. 26.9.2017 – M 21 S 17.47365 – juris Rn. 15; Hailbronner in ders., Ausländerrecht, Band 4, Stand: 01/2019, § 71a AsylG Rn. 30).
Vom Vorliegen dieser Voraussetzung ist hier auszugehen. Denn sowohl der Antragsteller selbst als auch die dänischen Behörden haben übereinstimmend mitgeteilt, dass auf den Asylantrag des Antragstellers in Dänemark diesem am 9. Januar 2014 gemäß section 7(2) des dänischen Ausländergesetzes (Danish Aliens Act) zunächst ein befristeter Aufenthaltstitel wegen subsidiären Schutzes erteilt worden war. Dieser wurde dann mit Entscheidung vom 27. Oktober 2017 wieder entzogen. Diese Entscheidung wurde am 11. März 2019 rechtskräftig („final negative decision“; vgl. hierzu insb. Blatt 109 und 416 BA).
2.1.3. Zum anderen ist erforderlich, dass sich das in dem sicheren Drittstaat betriebene Asylverfahren sowohl auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes bezogen hat (vgl. nur VG Minden, a.a.O., juris Rn. 35; Hailbronner in ders., Ausländerrecht, Band 4, Stand: 01/2019, § 71a AsylG Rn. 21 m.w.N.). Für diejenigen Dublin-Staaten, für die die Vorschriften des Unionsrechts und insbesondere der Verfahrensrichtlinie gelten, ist grundsätzlich ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass diese ihrer unionsrechtlichen Pflicht nachkommen und neben den Voraussetzungen über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch die des subsidiären Schutzes prüfen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die diese Annahme in Frage stellen.
Fraglich kann dies allerdings im Einzelfall bei Staaten sein, die als assoziierte Staaten dem Dublin-Übereinkommen beigetreten sind, oder aufgrund ihrer Sonderstellung nicht an die unionsrechtlichen Asylvorschriften gebunden sind (vgl. hierzu Hailbronner in ders., Ausländerrecht, Band 4, Stand: 01/2019, § 71a AsylG Rn. 21 f.). Letzteres gilt für Dänemark, das weder an die Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) noch an die Anerkennungsrichtlinie (RL 2011/95/EU) gebunden ist (vgl. Erwägungsgrund 51 zu RL 2011/95/EU sowie Erwägungsgrund 59 zu RL 2013/32/EU).
Maßgeblich ist in einem solchen Fall nach Auffassung des Gerichts unter systematischer und teleologischer Auslegung der Vorgaben von Art. 33 Abs. 2 sowie Art. 35 und 38 RL 2013/32/EU, dass in einem solchem Staat ein im Wesentlichen vergleichbarer Schutz gewährt wird (vgl. hierzu insbesondere die Vorgaben des Art. 38 Abs. 1. RL 2013/32/EU, auf die auch in Art. 35 Unterabs. 2 Satz 1 RL 2013/32/EU Bezug genommen wird). Eine völlige Deckungsgleichheit mit den EU-Regeln kann unter Berücksichtigung dessen dagegen nicht verlangt werden (so im Ergebnis auch Hailbronner in ders., Ausländerrecht, Band 4, Stand: 01/2019, § 71a AsylG Rn. 22). Andernfalls würden die Regelungen des Art. 71a AsylG und die zuvor genannten Regelungen der Asylerfahrensrichtlinie in nicht unerheblichem Umfang leerlaufen bzw. es würde zu nicht nachvollziehbaren Wertungswidersprüchen kommen.
Zwar geht das Gericht nach derzeitigem Erkenntnisstand davon aus, dass der subsidiäre Schutz nach section 7(2) des dänischem Ausländergesetzes im Zeitpunkt der Asylantragstellung des Antragstellers in Dänemark im Juli 2013 bzw. im Zeitpunkt der Schutzgewährung in Dänemark am 9. Januar 2014 – soweit ersichtlich – hinter den Vorgaben des Art. 2 Buchst. a) sowie Art. 15 Buchst. c) RL 2011/95/EU zurückblieb, da das dänische Ausländergesetz zu den vorgenannten Zeitpunkten keine Schutzgewährung im Falle eines ernsthaften Schadens aufgrund eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vorsah (in diesem Sinne auch VG Magdeburg, U.v. 19.2.2020 – 8 A 48/20 – juris; VG Lüneburg, U.v. 15.8.2020 – 2 A 565/17 – juris, jedenfalls bezüglich der Jahre 2014 und 2015).
Jedenfalls in der Fassung des dänischen Ausländergesetzes vom 10. März 2019 (abrufbar im Internet in englischer Sprache), und damit noch vor der endgültigen Entscheidung über den Entzug des Aufenthaltsrechts des Antragstellers am 11. März 2019, war allerdings mit section 7(3) eine Art. 15 Buchst. c) der RL 2011/95/EU entsprechende Regelung enthalten gewesen (auf die Regelung der section 7(3) des dänischen Ausländergesetzes allerdings nicht eingehend VG Magdeburg, U.v. 19.2.2020 – 8 A 48/20 – juris). Zudem sieht section 19(1) 1) des dänischen Ausländergesetzes vom 10. März 2019 vor, dass ein Aufenthaltstitel nach section 7, wie ihn der Antragsteller in Dänemark erhalten hatte, u.a. nur aufgehoben/widerrufen („may be revoked“) werden kann, wenn dem Ausländer im Herkunftsland keinen Gefahren im Sinne der section 7 – und damit zum Zeitpunkt der Widerrufs- bzw. Rücknahmeentscheidung auch keine Gefahren im Sinne der section 7(3) des dänischen Ausländergesetzes – (mehr) drohen. Das Gericht geht daher davon aus, das jedenfalls im Rahmen der Rücknahme- bzw. Widerrufsentscheidung am 11. März 2019 das dänische Prüfprogramm sowohl den Flüchtlingsschutz als auch den subsidiären Schutz im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EU umfasste (von einer vergleichbaren Schutzgewährung in Dänemark ausgehend auch VG Hannover, U.v. 15.2.2018 – 13 A 5143/17 – juris Rn. 23, ohne jedoch auf die einzelnen Regelungen der section 7 dänisches Ausländergesetz einzugehen).
Ob der Inhalt der Schutzgewährung, also sozusagen die Rechtsfolgenseite einer Schutzzuerkennung, in Dänemark im Wesentlichen vergleichbar ist mit den Vorgaben der Art. 20 ff. RL 2011/95/EU, kann in der vorliegenden Fallkonstellation des § 71a AsylG, wenn also ein erstes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26a AsylG erfolglos abgeschlossen wurde, dahinstehen. Dass in Dänemark die Rücknahme- bzw. Widerrufsgründe einer Schutzgewährung über die in der RL 2011/95/EU vorgesehenen Gründe im Einzelfall punktuell hinausgehen (so VG Magdeburg, U.v. 19.2.2020 – 8 A 48/20 – juris Rn. 27), ist nach Auffassung des Gerichts dagegen nicht ausschlaggebend. Denn wollte man auch hierauf entscheidend abstellen, hätte dies einen klaren Wertungswiderspruch zur Folge. Denn dann könnte ein Asylantrag eines Antragstellers, der zuvor erfolglos ein Asylverfahren in Dänemark durchlaufen hat, allein deswegen nicht als unzulässig abgelehnt werden, wohingegen dies im Falle eines ersten Asylstaates im Sinne von Art. 35 der RL 2013/32/EU (vgl. Art. 33 Abs. 2 Buchst. b) RL 2013/32/EU) oder eines sicheren Drittstaates im Sinne von Art. 38 der RL 2013/32/EU (vgl. Art. 32 Abs. 2 Buchst. c) RL 2013/32/EU) möglich wäre (vgl. hierzu insbesondere die Vorgaben des Art. 38 Abs. 1 RL 2013/32/EU, auf die auch in Art. 35 Unterabs. 2 Satz 1 RL 2013/32/EU Bezug genommen wird). Erforderlich, aber auch genügend ist daher ein im Wesentlichen vergleichbarer Schutz.
Unter Zugrundelegung des soeben Ausgeführten ist daher davon auszugehen, dass das Asylverfahren des Antragstellers in Dänemark sowohl auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wie auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes bezogen war, und dass Dänemark im hier maßgeblichen Zeitraum einen im Wesentlichen vergleichbaren internationalen Schutz gewährte. Gegenteiliges wurde vom Kläger selbst nicht behauptet. Ernstliche Zweifel am Vorliegen der diesbezüglichen Vorgaben des § 71a AsylG bestehen zum hier maßgeblichen Zeitpunkt jedenfalls nicht.
2.1.4. Des Weiteren liegen auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor, insbesondere ist keine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Antragstellers erkennbar (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG).
§ 51 Abs. 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (dazu BVerfG, B.v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 32 m.w.N.). Außerdem ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen, und er den Antrag binnen drei Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt hat.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Vortrag des Antragstellers beim Bundesamt ist ausweislich seiner eigenen Darstellung weitestgehend identisch mit seinem Vortrag in Dänemark (vgl. hierzu Blatt 84 ff. BA). Soweit der Antragsteller im Asylverfahren beim Bundesamt erstmals vorgetragen hat, den „Konkurrenten um seine Frau“ getötet zu haben, kann dieses Vorbringen – unabhängig von seiner Glaubwürdigkeit – bereits mit Blick auf § 51 Abs. 2 VwVfG nicht zu einem Wiederaufgreifen des Verfahrens und damit zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen. Darüber hinaus ist eine Änderung der Sach- und Rechtslage zugunsten des Antragstellers auch unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel zur Lage in Somalia (vgl. hierzu etwa ACCORD, Humanitäre Lage in Somalia, 22.2.21; Landinfo, Somalia; Violence in Mogadishu und developments since 2012, 30.10.2020; BAMFBriefing Notes: Somlia, 1.3.2021 und 22.3.2021) nicht erkennbar.
2.2. Auch Hinsichtlich der übrigen Entscheidungen des streitgegenständlichen Bescheids sind Rechtsfehler weder vorgetragen noch ersichtlich; das Gericht folgt diesbezüglich der ausführlichen Begründung des streitgegenständlichen Bescheids, nimmt hierauf gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug und macht sie sich zu eigen.
Ergänzend hierzu weist das Gericht darauf hin, dass zum hier maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG) und unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel zu Somalia (s.o.) ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG für den Antragsteller, einen gesunden, arbeitsfähigen Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen, nicht besteht.
Schwere Erkrankungen, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen könnten, sind nach dem soeben Ausgeführten beim Antragsteller ebenfalls nicht ersichtlich.
Bei COVID-19, mit der auch Somalia konfrontiert ist (vgl. hierzu etwa die Daten der Johns Hopkins Universität unter: https://coronavirus.jhu.edu/region/ somalia; zuletzt abgerufen am 26.3.2021), handelt es sich um eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG. Dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Somalia dort deswegen mit der insoweit erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im genannten Sinne droht, ist nach Überzeugung des Gerichts nicht anzunehmen. Denn beim Kläger handelt es sich um einen erst 33 Jahre alten, gesunden Mann. Darüber hinaus kann es der Kläger durch entsprechendes Verhalten (Abstand einhalten, Hygienemaßnahmen so gut wie möglich vornehmen) selbst beeinflussen, von einer Ansteckung mit Sars-Cov-2 möglichst verschont zu bleiben.
Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG steht dem Antragsteller zum hier maßgeblichen Zeitpunkt daher nicht zu.
2.3. Rechtsfehler, die die Abschiebungsandrohung selbst betreffen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auch gegen die Befristungsentscheidung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bestehen eingedenk der Tatsache, dass beim Antragsteller zuvor mehrere Rücküberstellungsversuche nach Dänemark gescheitert waren, weil dieser beim mehreren Überstellungsterminen nicht angetroffen werden konnten, keine Bedenken. Denn damit hat der Antragsteller in der Vergangenheit gezeigt, dass er nicht willens ist, sich an entsprechende Rechtsvorgaben zu halten, wie das Bundesamt völlig zu Recht anführt. Dieser Umstand konnte vom Bundesamt in rechtlicher nicht zu beanstandender Weise (vgl. § 114 VwGO) in die diesbezügliche Ermessensentscheidung miteinfließen.
3. Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben