Verwaltungsrecht

Einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid

Aktenzeichen  B 4 S 16.403

Datum:
28.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 5a
BauGB BauGB § 132 Nr. 4, § 133 Abs. 2 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Auch wenn man die Frage der Festsetzungsverjährung und damit den Ausgang des Widerspruchsverfahrens als noch offen ansieht, begründet dies keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Erschließungsbeitragsbescheides im Sinne einer beachtlichen Aufhebungswahrscheinlichkeit. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Der Streitwert wird auf 2.326,72 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid.
Mit Bescheid vom 24.03.2016 zog die Antragsgegnerin die Antragsteller als Eigentümer und Gesamtschuldner zur Zahlung eines Erschließungsbeitrags für das Grundstück Fl.-Nr. x der Gemarkung N. in Höhe von 9.306,87 EUR für den …-Weg heran. In den Gründen des Bescheides heißt es, in den Jahren 1995 und 1996 sei die Straße vom Grundstück …-Weg y (Bebauungsplan „Erweiterung N. West“) bis zum Grundstück …-Weg z erstmalig hergestellt worden. Dieser ca. 70 m lange Abschnitt sei für eine Abrechnung nach damaliger Rechtsprechung zu kurz gewesen. Im Jahr 2012 sei die Straße bis zum Ortsausgang erweitert worden (Bebauungsplan „H.“).
Dagegen haben die Antragsteller mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.04.2016 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist, und gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO beantragt. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 03.05.2016, adressiert an den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller, ab. Mit Bescheid vom 10.05.2016, adressiert an die Antragsteller zu 1 und 2, setzte sie die Vollziehung betreffend den Erschließungsbeitrag „…-Weg“ Fl.-Nr. w (?) in Höhe von 9.306,87 EUR ab 27.04.2016 aus.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.05.2016, beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen am 31.05.2016, haben die Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.
Zur Begründung wird Festsetzungsverjährung geltend gemacht, weil die Beitragspflicht für die erste Verlängerung des …-Weges (Änderung und Erweiterung des Bebauungsplanes „N. West“), an der das Grundstück der Antragsteller anliegt, schon 1996/1997 entstanden sei. Für die 1996 von der Firma … Bauunternehmung abgeschlossene erste Verlängerung habe sie am 20.02.1997 die Schlussrechnung gestellt. Der Bebauungsplan „H.“, welcher die zweite Verlängerung beinhalte, sei erst nach der erstmaligen Herstellung der ersten Verlängerung aufgestellt worden. Die erste Verlängerung sei am 02.10.1995 gewidmet worden und damals schon zum Anbau bestimmt gewesen. Die Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin sei am 01.01.1991 in Kraft getreten. Nach alledem habe die Festsetzungsverjährungsfrist für die erste Verlängerung am 01.01.1998 zu laufen begonnen und am 31.12.2001 geendet. Die erste Verlängerung sei unabhängig von ihrer Länge rechtlich als selbstständige Erschließungsanlage zu werten, weil sie nach der endgültigen Herstellung der ursprünglich vorhandenen Erschließungsanlage …-Weg und dem Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht hierfür angelegt worden sei.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 09.06.2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig, weil die Vollziehung mit Schreiben vom 10.05.2016 ausgesetzt worden sei. Darüber hinaus sei er auch unbegründet, weil der Bescheid vom 24.03.2016 rechtmäßig sei. Für die erstmalige endgültige Herstellung der in den Jahren 1995 und 1996 gebauten Teilstrecke mit einer Länge von ca. 70 m habe dem Gehweg die Deckschicht gefehlt. Im Zuge der Herstellung des weiteren Teilbereichs im Jahr 2012 mit einer Teilstreckenlänge von ca. 90 m sei die Deckschicht, die bei den Baumaßnahmen 1995/1996 noch gefehlt habe, mit aufgebracht worden. Davon abgesehen sei zweifelhaft, ob die erste Verlängerung mit einer Länge von ca. 70 m selbstständig abrechnungsfähig gewesen wäre. Da somit auch die erste Verlängerung erst mit Abschluss der Maßnahme 2012 abrechenbar gewesen sei, sei die Festsetzungsfrist bei Erlass des Bescheides vom 24.03.2016 auch insoweit noch nicht abgelaufen gewesen. Selbst unter der – bestrittenen – Prämisse, dass die Vorteilslage schon 1995/1996 eingetreten sei, sei der Bescheid vor Ablauf der Frist von 20 Jahren erlassen worden (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG).
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Originalakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag der Antragstellerin zu 3, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 15.04.2016 gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 24.03.2016 anzuordnen, ist zulässig, weil es ihr gegenüber zweifelsfrei bei der Ablehnung des Aussetzungsantrags vom 15.04.2016 mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 03.05.2016 geblieben ist; der Aussetzungsbescheid vom 10.05.2016 ist nur an die Antragsteller zu 1 und 2 adressiert.
2. Dieser Bescheid ist insofern irritierend, als er sich seinem Wortlaut nach auf das Grundstück Fl.-Nr. w bezieht. Da das vom …-Weg abzweigende private Weggrundstück Fl.-Nr. w aber im Eigentum der Antragsgegnerin steht und hierfür ein Erschließungsbeitrag von 855,59 EUR festgesetzt wurde, während der Aussetzungsbescheid vom 10.05.2016 sich an zwei Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … richtet und einen Forderungsbetrag in Höhe des für dieses Grundstück festgesetzten Erschließungsbeitrags von 9.306,87 EUR betrifft, geht das Gericht davon aus, dass die Vollziehung des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheides vom 24.03.2016 gegenüber den Antragstellern zu 1 und 2 ausgesetzt wurde. Ihre Anträge sind daher unzulässig.
3. Der Antrag der Antragstellerin zu 3 ist unbegründet, weil bei entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO weder so ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen, dass seine Aufhebung oder Abänderung im Hauptsacheverfahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre, noch die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts für den Abgabeschuldner eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da die Neufassung des Art. 5a KAG mit Wirkung vom 01.04.2016 in Kraft getreten ist, beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheides vom 24.03.2016 nach der alten Rechtslage.
Gemäß Art. 5a Abs. 1 KAG alter Fassung in Verbindung mit § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB entsteht die Erschließungsbeitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage regeln die Gemeinden gemäß § 132 Nr. 4 BauGB durch Satzung. Gemäß § 8 Abs. 2 der Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 20.12.1990 (EBS) sind Bürgersteige endgültig hergestellt, wenn sie eine Abgrenzung gegen die Fahrbahn sowie eine Befestigung mit Platten, Pflaster, Asphaltbelag oder eine ähnliche Decke in neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau aufweisen.
Demgemäß wäre 1997 noch keine Beitragspflicht für die erste Verlängerung des …-Weges entstanden, wenn sich der Vortrag der Antragsgegnerin, der damals angelegte Gehweg habe erst im Zuge der zweiten Verlängerungsmaßnahme 2012 eine Deckschicht erhalten, als zutreffend erweisen sollte. Zwar deckt sich dieses Vorbringen nicht mit den Gründen des Bescheides vom 24.03.2016, wonach in den Jahren 1995 und 1996 die Straße vom Grundstück …-Weg … (Bebauungsplan „Erweiterung N. West“) bis zum Grundstück …-…-Weg z erstmalig hergestellt und lediglich wegen ihrer geringen Länge nicht abgerechnet wurde. Auch wenn man deshalb die Frage der Festsetzungsverjährung und damit den Ausgang des Widerspruchsverfahrens als noch offen ansieht, begründet dies keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 24.03.2016 im Sinne einer beachtlichen Aufhebungswahrscheinlichkeit.
Nachdem auch keine Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, aus denen die sofortige Vollziehung des Erschließungsbeitragsbescheides für die Antragstellerin zu 3 eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, lässt sich die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches nicht rechtfertigen.
4. Nach alledem sind die Anträge mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, wonach die unterliegenden Antragsteller die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner tragen, abzulehnen.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 S. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG (ein Viertel von 9.306,87 EUR).


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