Verwaltungsrecht

einstweiliger Rechtsschutz, Kinder- und Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Beschulung an der O.-v.-N.-B.-S., Abteilung …, O., Asperger-Autismus, Systemversagen der Schule, verneint, Lern- und Förderort, ungeeignet

Aktenzeichen  W 3 E 21.1051

Datum:
8.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43184
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
SGB VIII § 35a
SGB VIII § 10 Abs. 1 S. 1
SGB IX § 90 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
SGB IX § 112 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
BayEUG Art. 30a
BayEUG Art. 35
BayEUG Art. 36
BayEUG Art. 41 Abs. 1
BayEUG Art. 41 Abs. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsgegner die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für die Beschulung durch die Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. in O. sowie der hierfür anfallenden Schulwegkosten.
Die am 27. Juli 2008 geborene Antragstellerin lebt zusammen mit ihren gemeinsam sorgeberechtigten Eltern und einer jüngeren Schwester im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners.
Seitens der D. Kinderkliniken, Abteilung für Kinder- und Jugendlichen-Psychosomatik und Psychotherapie wurde hinsichtlich der Antragstellerin – letztmalig mit Arztbrief vom 17. August 2020 – folgende Diagnose gestellt:
Asperger-Syndrom (F84.5)
Zwangsgedanken und -handlungen, gemischt (F42.2)
Lese-Rechtschreibschwäche (F81.0) (SPZ-Vorbefund)
Ernsthafte soziale Beeinträchtigung
Ein entsprechender Arztbrief vom 6. Mai 2019 diagnostizierte ergänzend einen Verdacht auf AVWS (F80.20).
Die Antragstellerin besuchte vom Schuljahr 2014/2015 bis zum Schuljahr 2017/2018 die Grundschule S. Seit dem Schuljahr 2018/2019 ist sie Schülerin des M.-W.-G. in A. Am 3. Januar 2017 führte das Institut für Leistungsentwicklung, B. (IGL) bei der Antragstellerin einen Intelligenztest durch. Zur Anwendung kam der „H. W. Intelligenztest für Kinder und Jugendliche“ (HAWIK-IV) in der Normierung von 2007. Die Antragstellerin erzielte hierbei einen Gesamtwert von IQ 132, wobei die Ergebnisse der verschiedenen Aufgabenbereiche zueinander sehr diskrepant ausfielen.
Mit einem am 13. März 2019 beim Bezirk Unterfranken eingegangenen Formblatt vom 20. Februar 2019 ließ die Antragstellerin durch ihre Eltern die Gewährung einer Schulbegleitung für den Schulbesuch der M.-W.-S. ab sofort beantragen.
Mit Schreiben vom 14. März 2019, beim Antragsgegner am 19. März 2019 eingegangen, leitete der Bezirk Unterfranken diesen Antrag gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX an den Antragsgegner weiter.
Aus der dem Antrag beigefügten Stellungnahme der Schulleitung der M.-W.-S. vom 5. Februar 2019 ergibt sich, das Erfordernis eines Schulbegleiters ergebe sich aus dem Bedarf zur Unterstützung im sozialen Bereich in der Klassengemeinschaft. Bei der Antragstellerin bestünden Ängste und Überforderungen durch Veränderungen z.B. durch Lehrerwechsel oder Raumwechsel, aus Angst werde die Schule verweigert.
Die Da. Kinderkliniken halten in einem Arztbrief vom 6. Mai 2019 fest, die Vorstellung der Antragstellerin sei deshalb erfolgt, weil sie während der Schulzeit eine hohe Anpassung zeige und zu Hause auf die massive Überlastung mit Wutausbrüchen, emotionalen Zusammenbrüchen, ängstlichem Verhalten oder zwanghaften Verhaltensweisen reagiere. Sie besuche das M.-W.-G. nicht gerne und fühle sich dort von den Menschen und Eindrücken überfordert. Sie fühle sich anders als die anderen Kinder und reagiere auf Veränderungen mit emotionaler Labilität. In bisherigen Leistungstests seien verschiedene Ergebnisse erzielt worden. Das IGL habe eine Hochbegabung attestiert; ein weiterer Test habe zu einer Begabung im durchschnittlichen Bereich geführt.
Ein in diesem Zusammenhang von den D. Kinderkliniken durchgeführter Test, der Wechsler Intelligence Scale for Children – Fifth Edition (WISC-V), ergab eine durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit mit einem Gesamt-IQ von 112 mit inhomogenem Leistungsprofil (mit Einzelwerten zwischen 97 und 121). Im Zusammenhang mit einer Überprüfung der schulischen Leistungen kommt der Arztbrief zu dem Ergebnis, bei der Antragstellerin bestehe eine durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit mit verschiedenen Leistungsspitzen und Leistungssenken. Im Vordergrund stünden qualitative Defizite im Bindungs-, Kommunikations- und Interaktionsverhalten. Im Arztbrief wird eine Autismus-Basistherapie, eine Lerntherapie, eine logopädische Diagnostik, eine neuropädiatrische Untersuchung und die Installation einer sozialpädagogischen Familienhilfe empfohlen. In schulischer Hinsicht werden ein Nachteilsausgleich insbesondere in Form flexibler Pausengestaltung, Nutzung therapeutischer Knete zur Spannungsabfuhr und Unterrichtsbefreiung im Schwimmunterricht sowie Maßnahmen hinsichtlich der Lese-Rechtschreibstörung angesprochen. Die Installation einer qualifizierten Schulassistenz zur Begleitung und Anleitung im sozialen Umgang mit Gleichaltrigen und zum Coping des stark belasteten Schulalltags wird als dringend notwendig erachtet, um psychosoziale Überforderungsreaktionen in Form von depressiv-dysphorischen Einbrüchen mit suizidalen Gedanken und einer psychosomatischen Symptombildung zu begegnen.
In einer weiteren Stellungnahme vom 25. Juni 2019 benennen die D. Kinderkliniken als Förderbedarf eine Autismus-Therapie und eine Begleitung durch eine Teilhabeassistenz in der Schule.
Auf der Grundlage dieser Empfehlung beantragten die Eltern der Antragstellerin bei ihrer Krankenkasse die Bewilligung einer therapeutischen Behandlung der Antragstellerin in der Autismus-Ambulanz der D. Kinderkliniken. Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 leitete die DAK diesen Antrag an den Antragsgegner weiter. Dem lag ein Therapie- und Kostenplan der Autismus-Ambulanz der D. Kinderkliniken vom 14. Juni 2019 zugrunde, welcher im Rahmen der Erstellung eines aktuellen Befundes auch darauf abhebt, die Antragstellerin wisse um ihr Asperger-Syndrom, könne allerdings Symptomatik und Problematik nicht reflektieren. Das Familiensystem leide sehr unter der Situation, insbesondere auch die kleine Schwester. Im Rahmen der Therapie solle sich die Antragstellerin intensiv mit ihrem Störungsbild auseinandersetzen und dieses zu akzeptieren lernen und damit zu einer verbesserten Handlungsstrukturierung geführt werden.
Das M.-W.-G. begründete in einem Schreiben vom 23. Juli 2019 das Erfordernis eines Schulbegleiters damit, es bestünden Angstzustände beim Sportunterricht, äußerste Lärmempfindlichkeit, Schwierigkeiten bei Teilnahme an Gruppenprozessen, fehlende Strukturierung der eigenen Arbeitsprozesse und Panik in unbekannten Situationen. Der Schulbegleiter solle zum Angstabbau im Sportunterricht, zur Beruhigung in unbekannten Situationen, zur Bildung von Konfliktlösungsstrategien und sozialen Handlungsmustern und zur Gestaltung von Auszeiten zur Affektregulation beitragen.
Mit Bescheid vom 6. August 2019 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kostenübernahme für eine Autismus-Therapie.
Die Fachteam-Konferenz des Antragsgegners befürwortete am 17. Oktober 2019 (schriftlich fixiert am 29. Januar 2020) eine Schulbegleitung mit dem Ziel, eine inklusive Beschulung alleinig durch die Schule zu gewährleisten, vollumfänglich am Unterricht teilzunehmen, die Unterrichtsmaterialien zu strukturieren und angstfrei am Unterricht und in den Pausen teilzuhaben.
Am 27. November 2019 wurde die Antragstellerin in die Tagesklinik der D. Kinderkliniken aufgenommen.
Nach einer Unterbrechung aufgrund der COVID 19-Pandemie besuchte die Antragstellerin seit dem 2. Juni 2020 wieder täglich die Tagesklinik in D. Mit Schreiben vom 28. Juli 2020 nahmen die Eltern der Antragstellerin den Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für einen Schulbegleiter zurück und stellten einen Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für die O.-v.-N.-S., Abteilung, in O. mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Eine Begründung hierfür erfolgte nicht, ebenso wenig eine Angabe zur Höhe der voraussichtlichen Kosten. Mit Schreiben vom 7. August 2020 stellten sie zusätzlich einen Antrag auf Kostenübernahme für eine Schulwegbeförderung zur O.-v.-N.-B.-S. In einem Arztbrief der D. Kinderkliniken vom 17. August 2020 wird auf schwerwiegende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen verwiesen und ausgeführt, nach der Wiederaufnahme sei es der Antragstellerin schwer gefallen, erneut in die Tagesklinik zu kommen, dies aufgrund des hiermit verbundenen Schulbesuchs in der Klinikschule. Auch im Kleinstklassenrahmen der Schule für Kranke von maximal drei Schülern habe die Antragstellerin zunächst Anpassungsschwierigkeiten beim Schulbesuch gezeigt und habe versucht, diesen zu verweigern. Eine stufenweise Reintegration sei notwendig gewesen. Mit engmaschigen Absprachen und positiver Zuwendung verschiedener Personen sei es ihr gelungen, wieder regelmäßig die Klinikschule zu besuchen. Aufgrund der Beeinträchtigungen im emotionalen und sozialen Bereich habe sie auch in diesem Rahmen ihr Leistungspotential nicht voll ausschöpfen können. Gegen Ende der Sommerferien habe die Antragstellerin angekündigt, die Klinikschule nicht mehr besuchen zu wollen. Da eine Befreiung vom Schulbesuch nicht möglich gewesen sei, habe sie sich dafür entschieden, die Behandlung in der Tagesklinik zum Ende der Sommerferien zu beenden.
Da derzeit eine Beschulung im Rahmen einer Regelschule nicht möglich sei, werde dringend die Beschulung im Rahmen einer Förderschule mit Förderschwerpunkt „emotionale und soziale Entwicklung“ empfohlen, da es sonst zu einer erneuten Verschlechterung des emotionalen Zustandes sowie zu erneutem Schulabsentismus kommen könne. Es werde empfohlen, künftig die Fahrt zur Schule mit einem Fahrdienst durchführen zu lassen, um die Selbständigkeit der Antragstellerin zu fördern.
Aus dem abschließenden Schulbericht der Schule für Kranke ergibt sich, dass die Antragstellerin in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch orientiert an den Vorgaben des Rahmenlehrplans für kooperative Gesamtschulen für die Klasse 6 unterrichtet wurde und auf der Grundlage des Lehrplans die Arbeitsmaterialien von der Stammschule und der Schule für Kranke zusammengestellt worden sind. Aufgrund des Gesundheitszustandes oder wegen Therapiesitzungen habe die Antragstellerin an manchen Tagen nicht oder nicht vollständig am Unterricht teilnehmen können. Nach einer Darstellung des Leistungsstandes in den einzelnen Unterrichtsfächern gelangt der Schulbericht zu der Auffassung, dass sich die Antragstellerin in einem passenden Lernumfeld mit der Unterstützung der Lehrkräfte und einer psychologischen Begleitung nach langer Schulabstinenz wieder in einen Schulalltag werde einfinden können. Zur Erleichterung der Reintegration sei eine Eingliederung mit zunächst wenigen Stunden und schrittweiser Erhöhung gut.
Vom 8. September 2020 bis zum Ende des Schuljahrs 2020/2021 nahm die Antragstellerin aufgrund entsprechender Krankschreibungen ihrer Kinderärztin am Unterricht des M.-W.-G. nicht teil.
Unter dem 9. März 2021 nahm die die Antragstellerin behandelnde Diplom-Psychologin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin D.-M. dahingehend Stellung, bei der Antragstellerin liege eine komplexe Symptomatik vor, die im Rahmen einer chronischen Überforderung durch die lange unerkannte autistische Symptomatik zu sehen sei. Im Rahmen einer ausgeprägten gelernten Hilflosigkeit bestehe kaum Selbstwirksamkeitserwartung. In diesem Kontext sei es unabdingbar, dass die weitere Beschulung sehr behutsam erfolge. Es sei eine Beschulung in der O.-v.-N.-B.-S. geplant; eine Änderung dieses Planes, um unter der vorherigen Beschulung in der M.-W.-S. ein Gutachten zu erstellen, werde für eine Gefährdung der psychischen Gesundheit der Antragstellerin gehalten. Es sei ihr nicht zuzumuten, sich in den alten Klassenverband einzugewöhnen, wenn bereits vorhersehbar sei, dass ein Schulwechsel erfolgen müsse. Die Antragstellerin sei nicht in vollem Umfang beschulbar. Es werde eine Minimalbeschulung von zunächst zwei Stunden pro Tag empfohlen, wobei die Antragstellerin die für sie bewältigbaren Fächer selbst aussuchen solle.
Um den Förderbedarf der Antragstellerin zu ermitteln, erstellte der Mobile Sonderpädagogische Dienst (MSD) unter dem 4. Mai 2021 eine sonderpädagogische Stellungnahme, dies aufgrund der vorhandenen schriftlichen Unterlagen und aufgrund eines Gesprächs mit der Mutter der Antragstellerin und der Klassenlehrerin der M.-W.-S. Der MSD kommt zu dem Ergebnis, das intelligente Mädchen sei den schulischen Inhalten gewachsen, könne sich aber mit den Rahmenbedingungen, die der Schulbesuch mit sich bringe, alleine nicht auseinandersetzen. Sie könne den Druck des normalen Schulalltags, gepaart mit den Auswirkungen ihrer Autismus-Spektrum-Diagnose und ihrem Anspruch, um keinen Preis auffallen zu wollen, nicht kompensieren. Die Rahmenbedingungen der Regelschule überforderten die Antragstellerin um ein Vielfaches. Aufgrund der Verfassung der Antragstellerin und aufgrund der Auswirkungen der Pandemie hätten die Maßnahmen, die der Regelschule als Möglichkeit zur Verfügung stünden, nicht in vollem Umfang ergriffen und erprobt werden können. Bei einer Rückkehr in den Präsenzunterricht seien Maßnahmen des Nachteilsausgleichs nach § 33 BaySchO zu ergreifen. Eine Schulbegleitung könne Sicherheit und Orientierung sowie Anleitung geben. Zu prüfen sei, ob sich die Antragstellerin auf eine entsprechende Sonderrolle einlassen könne.
Das sonderpädagogische Gutachten der E.-S. E., Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, vom 9. Juli 2021 bestätigt für die Antragstellerin einen sonderpädagogischen Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung. Grundlage des Gutachtens waren die vorhandenen Akten sowie Gespräche mit der Mutter der Antragstellerin, der Klassenleitung und der Therapeutin. Einen Termin zum Kennenlernen der Antragstellerin habe deren Mutter nicht für denkbar gehalten. Das Gutachten führt aus, auf der Grundlage der vorliegenden Datenlage scheine die Antragstellerin ihr volles kognitives Potential in den bisherigen Schulen wegen der komplexen Förderbedürfnisse im emotionalen und sozialen Bereich nicht ausschöpfen zu können. Die fehlende passende Unterstützung im Zusammenhang mit dem Schulbesuch habe zu einer Chronifizierung des schulvermeidenden Verhaltens geführt. Aus den Informationen sei ersichtlich, dass die Antragstellerin mit den schulischen Anforderungen massiv überfordert sei. Die Ressourcen des Gymnasiums (Auszeiten, Umstrukturierungen von Anforderungen, gleicher Platz, enge Zusammenarbeit mit den Eltern, Lärmkopfhörer) schienen die Situation nicht genügend entlastet zu haben. In der Schule für Kranke hätten durch die kleine Lerngruppe und durch ein multiprofessionelles Team Fortschritte erzielt werden können. Wenige, aber enge Bezugspersonen könnten hilfreich sein. Angepasste Lernangebote, ein reizreduziertes und strukturiertes Umfeld mit transparenten Erwartungen und ein Wechsel von Anspannung und Entspannung könnten die schulische Situation entlasten. Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, dass die Antragstellerin ihr volles Leistungsniveau ausschöpfen könne. Die Eltern sollten durch eine Wegnahme der Hausaufgabensituation zu Hause entlastet werden. Ein Lernumfeld, in dem die Antragstellerin sich nicht mehr als anders erlebe, sondern in welchem auch weitere Mitschülerinnen individuelle Unterstützungen bekämen, könne sie entlasten. Unter Zusammenschau dieser Erkenntnisse schienen die möglichen Maßnahmen und Ressourcen des M.-W.-G. auch unter Einbeziehung eines Schulbegleiters oder anderer Maßnahmen nicht auszureichen, um dem sonderpädagogischen Förderbedarf gerecht zu werden. Dieser mache sonder- und heilpädagogische Maßnahmen notwendig, die in einem Förderzentrum zur emotionalen und sozialen Entwicklung eingelöst werden könnten. Es solle ein Lernanagebot zur Verfügung gestellt werden, das dem kognitiven Leistungsstand entspreche.
Mit Stellungnahme vom 24. Juli 2021 sprach sich die Diplom-Psychologin D.-M. gegen eine Beschulung in der E.-S. aus und begründete dies damit, die Antragstellerin sei ein Kind mit Gymnasial-Eignung und mit mindestens überdurchschnittlicher Begabung. Die E.-S. könne lediglich einen Hauptschulabschluss anbieten. Zudem verfüge sie über keine Spezialisierung für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung. Demgegenüber müsse eine für die Antragstellerin geeignete Schule auch zu einer Auseinandersetzung der Antragstellerin mit ihrer Autismus-Diagnose beitragen. Für eine Fremdunterbringung werde keine Indikation gesehen.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2021 wies der Bevollmächtigte der Antragstellerin in Bezug auf ein geplantes Gespräch zwischen den Eltern der Antragstellerin und Vertretern der E.-S. darauf hin, auch das Schulamt müsse hinzugezogen werden. Es bestehe Eilbedürftigkeit, da das Schuljahr an der O.-v.-N.-B.-S. bereits am 27. August 2021 beginne. Auch die Psychologin solle am Gespräch teilnehmen. Die Antragstellerin entwickele nach wie vor extreme Ängste gegenüber allem, was mit Schule zu tun habe. Zur Erfüllung des Förderbedarfs der Antragstellerin sei die E.-S. schon deshalb nicht geeignet, weil es eine reine Schule für Jungen sei. Da die Antragstellerin in keiner Weise auffallen wolle, werfe dies pädagogisch erhebliche Probleme auf. Zudem sei in der E.-S. aufgrund der dort beschulten von ADHS betroffenen Schüler mit erheblicher Unruhe zu rechnen. Demgegenüber müssten bei einer Beschulung in der O.-v.-N.-B.-S. keine Hausaufgaben erledigt werden, was zu einer familiären Erleichterung führe. Die E.-S. habe die Zielrichtung, zum Hauptschulabschluss zu führen. Dies sei aufgrund der Begabung der Antragstellerin nicht der richtige Weg. Die O.-v.-N.-B.-S. sei auf die Probleme hochbegabter Schüler und Schülerinnen mit besonderen Schwierigkeiten spezialisiert. Aus dem Bericht des IGL ergebe sich ein IQ von 137. Die O.-v.-N.-B.-S. habe bereits vor einem Jahr einen Platz zugesagt. Die Antragstellerin habe der Schule zwei Besuche abgestattet. Sie sei hiervon positiv angerührt gewesen.
Aus einer internen E-Mail des Antragsgegners ergibt sich die Gestaltung eines schulischen Angebotes der E.-S. für die Antragstellerin. Hiernach könne diese zunächst wenige Stunden am Tag beschult werden, um ihre Schulfähigkeit wiederherzustellen. Dies könne zeitweise auch in Home-Schooling geschehen. Ziel der Beschulung an der E.-S. sei eine Rückkehr an das M.-W.-G. Es könne eine Schulbegleitung und unter Umständen auch eine Schulwegsbegleitung installiert werden.
Am 10. August 2021 ließ die Antragsteller im vorliegenden Verfahren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO beim Verwaltungsgericht Würzburg beantragen:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Kosten der O.-v.-N.-B.-S., Abteilung, O. (Tagesschule) einschließlich der entsprechenden entstehenden Fahrtkosten zu übernehmen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Tatsache, dass die Antragstellerin seit zwei Jahren nicht bzw. nur in geringen Teilen am Unterricht des M.-W.-G. teilgenommen habe, sei nunmehr der Antrag auf Schulbegleitung zurückgenommen und ein Antrag auf Förderung in der O.-v.-N.-B.-S. gestellt worden. Bei der Antragstellerin sei eine umfängliche Situation auch im Sinne einer Hochbegabung gegeben. Dies ergebe sich aus dem Gutachten vom 3. Januar 2017. Im Zusammenhang mit der Aushändigung des sonderpädagogischen Gutachtens vom 9. Juli 2021 sei den Eltern der Antragstellerin das Angebot der E.-S. unterbreitet worden. Allerdings sei diese ungeeignet, da es sich um eine reine Jungenschule handele. Die D. Kinderkliniken hätten als geeigneten Schulort die O.-v.-N.-B.-S. benannt. Die E.-S. könne den kognitiven Anforderungen der Antragstellerin nicht gerecht werden. Der Leiterin der Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. sei die Antragstellerin bereits persönlich bekannt. Die Antragstellerin wisse, dass ihr Dinge in der Schule bevorstünden, die sie nur schwer bewältigen könne. Jedoch wisse sie, dass dies ihr Weg sei. Demgegenüber blockiere das Schulamt den Besuch der O.-v.-N.-B.-S. Das dortige Schuljahr beginne am 27. August 2021 (gemeint wohl: 30. August 2021), weshalb Eile geboten sei. Auf die UN-Behindertenrechtskonvention werde hingewiesen. Allein mit der O.-v.-N.-B.-S. könne der vorgezeichnete Bildungsweg einer universitären Laufbahn für die Antragstellerin realisiert werden. Gegenüber der E.-S. habe die O.-v.-N.-B.-S. eine gymnasiale Oberstufe. Es sei verfehlt, die bei der Antragstellerin festgestellte Hochbegabung zu hinterfragen.
Der Antragsgegner beantragte, den Antrag abzulehnen.
Dies wurde damit begründet, nach der Stellung des Antrags auf Kostenübernahme für die O.-v.-N.-B.-S. habe man versucht, Kontakt mit der Schule aufzunehmen, um weitere Informationen einzuholen. Allerdings habe zunächst das für einen Schulwechsel erforderliche sonderpädagogische Gutachten erstellt werden müssen. Auf dessen Grundlage und aufgrund des dort festgestellten Förderbedarfs sei das Angebot der E.-S. unterbreitet worden. Die Eltern der Antragstellerin hätten in Aussicht gestellt, hierüber nachzudenken und ein weiteres Gespräch zu führen. Hierzu sei es jedoch nicht mehr gekommen, sondern es sei der vorliegende Antrag nach § 123 VwGO gestellt worden.
Schulpflichtige mit sonderpädagogischem Förderbedarf erfüllten ihre Schulpflicht gemäß Art. 41 Abs. 1 BayEUG durch den Besuch der allgemeinen Schule oder der Förderschule. Die Erziehungsberechtigten hätten zu entscheiden, an welchen der im Einzelfall rechtlich und tatsächlich zur Verfügung stehenden schulischen Lernorte ihr Kind unterrichtet werden solle. Komme keine einvernehmliche Aufnahme zustande, entscheide gemäß Art. 41 Abs. 6 BayEUG die zuständige Schulaufsichtsbehörde über den schulischen Lernort. Die zuständige Schulaufsicht sei bei der Frage der geeigneten Form der Beschulung der Antragstellerin bislang nicht mit einbezogen worden. Grundsätzlich gebe es in Bayern keine ausgewiesene Schule für den Förderbedarf emotionale und soziale Entwicklung, für die ein Gymnasialzweig genehmigt sei. Auch die O.-v.-N.-B.-S. in H. biete keinen gymnasialen Zweig, sondern lediglich die Vorbereitung zur Ablegung eines externen Gymnasialabschlusses. Diese Möglichkeit könne auch die E.-S. temporär bieten, gegebenenfalls auch durch Unterstützung der Stammschule. Fraglich sei jedoch, ob die Gymnasialfähigkeit der Antragstellerin tatsächlich bestehe. Sie habe knapp zwei Jahre lang keine allgemeine Schule mehr besucht, was zumindest am Vorhandensein einer Gymnasialreife zweifeln lasse. Es lägen keine Nachweise vor, dass sie den Leistungsanforderungen eines Gymnasiums gewachsen sei. Die in den Raum gestellte Hochbegabung sei aus Sicht des Antragsgegners nicht belegt. Die vorgelegte Intelligenztestung reiche in das Jahr 2017 zurück, bei der Testung sei eine veraltete Ausführung des Testes HAWIK-IV aus dem Jahr 2007 genutzt worden. Wegen der kindlichen Entwicklung sei eine Überprüfung der IQ-Testung alle zwei Jahre zwingend erforderlich. Erstes Ziel könne nur sein, die Schulfähigkeit der Antragstellerin wiederherzustellen, um sie zu befähigen, die Regelschule wieder in vollem Umfang besuchen zu können. Die vom Antragsgegner genannten Unterstützungsmöglichkeiten seien nicht angenommen worden. Die zuständige Schulaufsicht sei bisher nicht in die Frage nach weiteren schulischen Unterstützungsmöglichkeiten involviert worden.
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Antragsgegners, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
II.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren der Antragstellerin, den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Kosten der O.-v.-N.-B.-S., Abteilung, O., einschließlich der entsprechenden entstehenden Fahrtkosten zu übernehmen.
Der zulässige Antrag hat inhaltlich keinen Erfolg. Dies ergibt sich aus Folgendem:
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrunds, also die Eilbedürftigkeit, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 45 ff.). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Hierbei kommt es auf die für den Anordnungsanspruch maßgeblichen Tatsachen an. Lediglich insoweit ist das Maß der richterlichen Überzeugung gegenüber einem Hauptsacheverfahren herabgesetzt (Happ, a.a.O., § 123 Rn. 48, Rn. 51). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (Happ, a.a.O., § 123 Rn. 54, 51).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Happ, a.a.O., § 123 Rn. 54).
Es entspricht dem Wesen der einstweiligen Anordnung, dass es sich um eine vorläufige Regelung handelt und der Antragsteller nicht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das erhalten soll, worauf sein Anspruch in einem Hauptsacheverfahren gerichtet ist; das Verfahren der einstweiligen Anordnung soll also nicht die Hauptsache vorwegnehmen. Das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66, BeckRS 2016, 44855 Rn. 4; B.v. 18.2.2013 – 12 CE 12.2104 – juris Rn. 38; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123 Rn. 14; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a).
2. Im Rahmen der im Eilverfahren möglichen Prüfung hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit einer Entscheidung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft gemacht. Dies ergibt sich aus ihrer Darlegung, dass der Unterricht der O.-v.-N.-B.-S. bereits am 30. August 2021 begonnen hat und es der Antragstellerin nicht zuzumuten ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, um eine entsprechende Beschulung zu erhalten.
3. Einen Anordnungsanspruch hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft machen können.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Gemäß § 35a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Art. 1 Gesetz vom 26.6.1990, BGBl. I S. 1163), zuletzt geändert durch Art. 42 Gesetz vom 20. August 2021 (BGBl. I S. 3932) – SGB VIII haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn (1.) ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht (seelische Behinderung) und (2.) daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist (Teilhabebeeinträchtigung). Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (§ 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII).
Gemäß § 35a Abs. 1a Satz 1 SGB VIII hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Abs. 1 eine fachärztliche oder jugendpsychotherapeutische Stellungnahme einzuholen, die die in § 35a Abs. 1a Satz 2 bis Satz 3 SGB VIII genannten Voraussetzungen zu erfüllen hat. Demgegenüber ist die Feststellung der Teilhabebeeinträchtigung nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII Aufgabe des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, da hierbei sozialpädagogische Fachlichkeit erforderlich ist (von Boetticher/Meysen in Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar, 8. Aufl. 2019, § 35a Rn. 34).
Im vorliegenden Fall besteht kein Streit um die Frage, ob im vorliegenden Fall die seelische Gesundheit der Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht. Dies ist seitens der D. Kinderkliniken, mithin von einer Einrichtung nach § 35a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VIII, zuletzt mit Stellungnahme vom 6. Mai 2019 bescheinigt worden.
Zudem ist zwischen den Parteien auch die Frage nicht streitig, ob die Teilhabe der Antragstellerin am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Eine derartige Beeinträchtigung sieht der Antragsgegner zumindest im Bereich schulischer Integration. Dies ergibt sich aus der internen Entscheidung des Fachteams vom 17. Oktober 2019, der Antragstellerin Eingliederungshilfe in Gestalt einer Schulbegleitung zu gewähren, um ihr eine inklusive Beschulung durch die Schule zu gewährleisten und sie in die Lage zu versetzen, am Unterricht vollumfänglich teilzuhaben, ihre Unterrichtsmaterialien zu strukturieren und angstfrei am Unterricht und in den Pausen teilzuhaben. Zudem sieht der Antragsgegner eine derartige Beeinträchtigung im sozialen Bereich. Dies ergibt sich aus dem Bescheid vom 6. August 2019, mit welchem der Antragsgegner der Antragstellerin Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für eine Autismus-Therapie bewilligt hat und dies damit begründet, durch diese Therapie solle die Antragstellerin Einsicht in ihre Denk- und Verhaltensweisen gewinnen und in die Lage kommen, adäquat darauf zu reagieren, um sich damit im Ummfeld Schule, Freunde und Freizeit besser zurechtfinden zu können.
Streitig zwischen den Parteien ist jedoch die Frage, welche Hilfeart im Bereich schulischer Integration für die Antragstellerin geeignet ist. Entgegen der Haltung der Antragstellerin gelangt das Gericht auf der Grundlage der Angaben der Parteien und der vorgelegten Akten zu dem Ergebnis, dass eine Beschulung durch die Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. in O. keine zulässige und geeignete Hilfe für die Antragstellerin darstellt.
a) Auf der Grundlage der oben dargestellten Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII richten sich Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen gemäß § 35a Abs. 3 SGB VIII u.a. nach § 90 und nach den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
Die Leistung soll den Leistungsberechtigten nach § 90 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 43 Gesetz vom 20. August 2021 (BGBl I S. 3932) – SGB IX – eine individuelle Lebensführung ermöglichen und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fördern; nach Satz 2 der Vorschrift soll die Leistung die Leistungsberechtigten befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich vornehmen zu können. Nach § 90 Abs. 4 SGB IX ist es besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung umfassen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 SGB IX u.a. Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der all-gemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen ein-schließlich der Vorbereitung hierzu, wobei die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben.
b) Daraus folgt jedoch nicht ohne weiteres ein Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Hilfemaßnahme, denn gemäß § 35a Abs. 2 SGB VIII wird die Hilfe nach dem Bedarf im Einzelfall geleistet. Das erfordert eine Entscheidung darüber, welche konkrete Hilfemaßnahme im Hinblick auf die festgestellte Teilhabebeeinträchtigung notwendig und geeignet ist. Diesbezüglich kommt dem Antragsgegner ein verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Denn nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung unterliegt die Entscheidung über die Erforderlichkeit und Geeignetheit einer bestimmten Maßnahme einem kooperativen, sozialpädagogischen Entscheidungsprozess unter Mitwirkung der Fachkräfte des Jugendamts und des betroffenen Hilfeempfängers, der nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern vielmehr eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation beinhaltet, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss (sog. sozialpädagogische Fachlichkeit). Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich in diesem Fall darauf, dass allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet worden, keine sachfremden Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind. Die Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist daher nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüfbar (BVerwG, U.v. 24.6.1999 – 5 C 24.98 – BVerwGE 109, 155 ff.; BayVGH, B.v. 28.6.2016 – 12 ZB 15.1641 – juris Rn. 26; U.v. 24.6.2009 – 12 B 09.602 – juris Rn. 26).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung einer bestimmten Hilfeleistung grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn sich der Beurteilungsspielraum der Behörde dahingehend verdichtet, dass nur eine einzige Maßnahme, nämlich die von der Antragstellerseite begehrte, als notwendig und geeignet anzusehen ist. Bei der im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens gebotenen Überprüfung der Sach- und Rechtslage anhand der von der Antragstellerseite glaubhaft gemachten Tatsachen muss es dabei ausreichen, wenn eine solche Sondersituation jedenfalls als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden kann (Happ in Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 48, 51, 56).
c) Grundsätzlich zielt die Eingliederungshilfe darauf ab, den Hilfebedarf in seiner Gesamtheit zu decken und deshalb alle von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereiche in den Blick zu nehmen. Hilfeleistungen sind demnach so auszuwählen und aufeinander abzustimmen, dass sie den gesamten Bedarf soweit wie möglich erfassen. Denn aus dem sozialhilferechtlichen Bedarfsdeckungsgrundsatz, der im Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe in § 35a Abs. 2 SGB VIII verankert ist, folgt, dass grundsätzlich der gesamte im konkreten Einzelfall anzuerkennende Hilfebedarf seelisch behinderter Kinder oder Jugendlicher abzudecken ist (BVerwG, U.v. 19.10.2011 – BVerwG 5 C 6.11 – juris Rn. 12; U.v. 18.10.2012 – 5 C 21/11 – juris Rn. 25). Allerdings kann der Regelung des § 35a SGB VIII nicht entnommen werden, dass dies zwingend der Fall sein muss. Denn der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist zu entnehmen, dass Eingliederungshilfen auch darauf ausgerichtet sein dürfen, einen Teilbedarf zu decken. Denn wenn Teilhabebeeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen einen Hilfebedarf erzeugen, der nur durch verschiedene, auf den jeweiligen Bereich zugeschnittene Leistungen abgedeckt werden kann und muss, kann es geboten sein, verschiedene Hilfeleistungen zu kombinieren oder durch mehrere Einzelleistungen den Gesamtbedarf des Hilfebedürftigen abzudecken. In diesem Fall kann es, wenn nicht sogleich der Gesamtbedarf gedeckt werden kann, erforderlich sein, Hilfeleistungen zumindest und zunächst für diejenigen Teilbereiche zu erbringen, in denen dies möglich ist. Steht etwa eine bestimmte Hilfeleistung tatsächlich zeitweilig nicht zur Verfügung oder wird eine bestimmte Hilfe vom Hilfeempfänger oder dessen Erziehungsberechtigten (zeitweise) nicht angenommen, kann es gleichwohl geboten sein, die Hilfen zu gewähren, die den in anderen Teilbereichen bestehenden Bedarf abdecken (BVerwG, U.v. 18.10.2012 – 5 C 21/11 – juris Rn. 23 bis 24 und 26).
Etwas anderes kann – mit Blick auf Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe – nur dann anzunehmen sein, wenn die Gewährung der Hilfe für einen Teilbereich die Erreichung des Eingliederungsziels in anderen von der Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereichen erschweren oder vereiteln würde, es also zu Friktionen zwischen Hilfemaßnahmen käme (BVerwG, a.a.O., Rn. 27; vgl. zur gesamten Problematik auch BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 12 C 17.2563 – juris Rn. 20 bis 25 m.w.N.).
d) Auf dieser Grundlage ist im Rahmen der Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass dem vorliegenden Antrag nicht stattgegeben werden kann.
aa) Wie oben festgestellt, besteht bei der Antragstellerin Eingliederungshilfebedarf sowohl in schulischer als auch in sozialer Hinsicht.
In sozialer Hinsicht hat der Antragsgegner diesen Eingliederungshilfebedarf bereits mit dem Bescheid vom 6. August 2019 gedeckt. Hiermit hat der Antragsgegner der Antragstellerin die Kostenübernahme einer Autismus-Therapie zugesagt. Auf der Grundlage der obengenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (U.v. 18.10.2012 – 5 C 21/11 – juris) ist es zulässig, unabhängig hiervon den Teil-Eingliederungsbedarf in schulischer Hinsicht mit einer eigenständigen Maßnahme zu decken.
bb) Die Beschulung durch die O.-v.-N.-B.-S. kommt allerdings im Rahmen der Schulpflicht der Antragstellerin, also im Rahmen der Pflicht, eine öffentliche oder eine staatlich anerkannte private Schule gemäß Art. 35 und Art. 36 BayEUG zu besuchen, als Eingliederungshilfe im schulischen Bereich derzeit nicht in Betracht.
Grundsätzlich kann die Kostentragung für eine Beschulung in einer privaten Schule keine geeignete Eingliederungshilfe darstellen, denn auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Leistungen zur Teilhabe an Bildung prinzipiell lediglich unterstützenden Charakter. Sie sind grundsätzlich weder auf die Finanzierung der Bildungsmaßnahme selbst noch auf die Gestaltung deren pädagogischen Kernbereichs gerichtet. Dies bedeutet, dass z.B. Schulgelder und Kursgebühren grundsätzlich nicht in das Leistungsspektrum des Rehabilitationsträgers fallen. Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich die Fälle des Systemversagens, wenn z.B. einem Kind der Besuch einer öffentlichen Schule aus objektiven Gründen oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder zumutbar ist. Solange der Schulträger seinem Versorgungsauftrag nicht nachkommt, muss der Eingliederungshilfeträger dann die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung durch vorläufige Finanzierung der Bildungsmaßnahme (z.B. Schulgeld für eine Privatschule) sicherstellen. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Hilfe zu einer Schulbildung eine Leistungspflicht hinsichtlich der eigentlich dem Kernbereich der Schule zugewiesenen Maßnahme beispielsweise dann besteht, wenn die Förderung in der Schule nicht ausreichend ist (BVerwG, B.v. 17.2.2015 – 5 B 61/14 – juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 26.2.2020 – 12 S 3015/18 – juris Rn. 14; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 8.10.2020 – 3 M 159/20 – juris Rn. 12; Zinsmeister in Dau/Düwell/Joussen, Beck-Online-Kommentar, SGB IX, 5. Aufl. 2019, § 112 Rn. 4 i.V.m. § 75 Rn. 7 und 8; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, Stand: 13.11.2020, § 112 Rn. 30 f., Rn. 49; Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: 6/2021, § 35a Rn. 48; Kepert/Dexheimer in LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, S 35a Rn. 56; BayVGH, B.v. 18.10.2016 – 12 CE 16.2064 – juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 5.2.2018 – 12 C 17.2563 – juris Rn. 44). Das Jugendamt trifft damit eine Einstandspflicht als Ausfallsbürge (VG Schwerin, B.v. 13.11.2015 – 6 B 3377/15 SN – juris Rn. 31 m.w.N.).
Der Kernbereich der der Schule zugewiesenen pädagogischen Arbeit betrifft die dem Lehrer vorbehaltene Vermittlung von Lerninhalten in pädagogischer und didaktischer Hinsicht (Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: 6/2021, § 35a, Rn. 48 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall trifft die begehrte Maßnahme den Kernbereich schulischen Handelns, denn es geht darum, dass im Rahmen der Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. in O. die jeweiligen Lerninhalte individuell auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Antragstellerin abgestimmt werden (BSG, U.v. 9.12.2016 – B 8 SO 8/15 R – juris Rn. 25; Kepert/Dexheimer in LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 35a Rn. 56). Damit ist vom Grundsatz her ein Anspruch gegen den Antragsgegner als Sozialleistungsträger ausgeschlossen.
Es liegt auch kein Fall staatlichen Schulversagens vor, das dazu führen könnte, dass den Antragsgegner als Ausfallbürgen ausnahmsweise eine Einstandspflicht träfe mit der Folge, dass eine Pflicht in Betracht kommen könnte, die Kosten für eine private Schule zu übernehmen.
Das staatliche Schulwesen ist gemäß Art. 6 Abs. 2 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. 414), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juli 2021 (GVBl. 432) in die allgemeinbildenden Schulen (Grundschule, Mittelschule, Realschule, Gymnasium, Schulen des Zweiten Bildungswegs), in die beruflichen Schulen, in die Förderschulen, also Schulen zur sonderpädagogischen Förderung (als allgemeinbildende Förderschulen und als berufliche Förderschulen) und in die Schulen für Kranke gegliedert. Die in Bayern gemäß Art. 35 Abs. 1 bis Abs. 3 BayEUG bestehende zwölfjährige Schulpflicht wird nach Art. 36 Abs. 1 BayEUG durch den Besuch einer staatlichen oder privaten (vgl. Art. 90 Satz 3 BayEUG) Pflichtschule erfüllt. Hierzu gehören nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG Grundschule, Mittelschule, Berufsschule, einschließlich der entsprechenden Förderschule und Schule für Kranke. Die Schulpflicht wird auch durch den Besuch eines Gymnasiums, einer Realschule, einer Wirtschaftsschule, einer Berufsfachschule oder der jeweils entsprechenden Förderschule erfüllt (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayEUG). Weiterhin kann gemäß Art. 36 Abs. 2 Satz 1 BayEUG die Schulpflicht auch an einer Schule außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erfüllt werden, wenn diese den in Abs. 1 genannten Schulen gleichwertig ist. Nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayEUG erfüllen Schulpflichtige mit sonderpädagogischem Förderbedarf ihre Schulpflicht durch den Besuch der allgemeinen Schule oder der Förderschule. Nach Satz 3 der Vorschrift entscheiden die Erziehungsberechtigten, an welchem der im Einzelfall rechtlich und tatsächlich zur Verfügung stehenden schulischen Lernorte ihr Kind unterrichtet werden soll. Kann der individuelle sonderpädagogische Förderbedarf an der allgemeinen Schule auch unter Berücksichtigung des Gedankens der sozialen Teilhabe nach Ausschöpfung der an der Schule vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten sowie der Möglichkeit des Besuchs einer Schule mit dem Schulprofil „Inklusion“ nicht hinreichend gedeckt werden und ist die Schülerin dadurch in der Entwicklung gefährdet, besucht die Schülerin gemäß Art. 41 Abs. 5 Nr. 1 BayEUG die geeignete Förderschule. Kommt keine einvernehmliche Aufnahme zustande, entscheidet die zuständige Schulaufsichtsbehörde nach Anhörung der Erziehungsberechtigten und der betroffenen Schulen über den schulischen Lernort (Art. 41 Abs. 6 Satz 1 BayEUG).
Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass seitens der staatlichen Schulaufsichtsbehörde die Möglichkeiten des oben dargestellten staatlichen Schulsystems vollumfänglich ausgeschöpft worden wären, ohne dass hierbei eine für die Antragstellerin geeignete Beschulung hätte angeboten werden können. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat hierzu lediglich zunächst im Schreiben vom 21. Juli 2021 gefordert, auch das Schulamt müsse hinzugezogen werden. Demgegenüber hat er ohne entsprechenden Beleg in der Antragsbegründung vom 10. August 2021 behauptet, das Schulamt blockiere den Besuch der O.-v.-N.-B.-S. Unabhängig davon, dass diese Vorträge möglicherweise widersprüchlich erscheinen, ist das Schulamt hier zunächst nicht der richtige Ansprechpartner. Zuständig i.S. des Art. 41 Abs. 6 Satz 1 BayEUG ist im vorliegenden Fall nach Art. 114 Abs. 1 Nr. 1 BayEUG in Verbindung mit § 44 Abs. 2 Satz 1 der Schulordnung für schulartübergreifende Regelungen an Schulen in Bayern (Bayerische Schulordnung – BaySchO) vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 164, ber. S. 241), zuletzt geändert durch § 1 der Verordnung vom 14. Januar 2021 (GVBl. S. 20) die Ministerialbeauftragte für die Gymnasien in Unterfranken des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Dies ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin derzeit Schülerin eines unterfränkischen Gymnasiums ist.
Es ist bereits in formeller Hinsicht nicht erkennbar, dass die Ministerialbeauftragte mit der Frage nach dem richtigen schulischen Lernort für die Antragstellerin befasst worden ist.
Weiterhin ist unabhängig hiervon auch nicht erkennbar, dass das staatliche Schulsystem des Freistaates Bayern nicht in der Lage wäre, der Antragstellerin einen für sie geeigneten Lernort zur Verfügung zu stellen. Zwar hat die Antragstellerin vorgetragen, dass die E.-S. als Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (Art. 20 Abs. 1 Nr. 7 BayEUG) als solche für sie nicht geeignet sei. Dies ergibt sich daraus, dass es sich hierbei um eine Schule handelt, die derzeit ausschließlich Jungen beschult. Im Rahmen ihres Zwangs, um keinen Preis auffallen zu wollen, ist diese Schule, zumindest soweit es um deren Regelbetrieb geht, für die Antragstellerin deshalb derzeit nicht geeignet.
Darüber hinaus ergibt sich aus dem sonderpädagogischen Gutachten der E.-S. vom 9. Juli 2021, dass die möglichen Maßnahmen und Ressourcen des M.-W.-G. auch unter Einbeziehung eines Schulbegleiters nicht ausreichend sind, um dem sonderpädagogischen Förderbedarf der Antragstellerin gerecht zu werden.
Allerdings stehen im staatlichen Schulsystem weitere Schulen zur Verfügung, die möglicherweise in der Lage sein könnten, einen für die Antragstellerin geeigneten Lernort zu bilden und die in einer für die Antragstellerin zumutbaren Entfernung gelegen sind. Hierbei sind allein schon die weiteren in A* … gelegenen Gymnasien zu nennen, in welchen gemäß Art. 30a Abs. 3 BayEUG auch Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden können. Hierbei sind sie von den Förderschulen zu unterstützen. Dies gilt insbesondere auch für die E.-S., deren fachliche Kompetenz außerhalb des Rahmens des regulären dortigen Unterrichts hilfreich sein könnte. Auch weitere Schulen im staatlichen Schulsystem könnten als geeigneter Lern- und Förderort in Betracht kommen.
Ob eine dieser Schulen auf der Grundlage der ihr selbst zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, aufgrund eventuell seitens der staatlichen Schulaufsicht zur Verfügung gestellter weiterer Ressourcen, aufgrund der Zusammenarbeit mit und der Unterstützung von einer entsprechenden Förderschule, aufgrund der Mitarbeit des MSD, aufgrund eines Nachteilsausgleichs nach § 33 BaySchO und aufgrund möglicher unterstützender Maßnahmen seitens des Antragsgegners im Rahmen der Eingliederungshilfe in der Lage sein könnte, einen geeigneten Lernort für die Antragstellerin zu bilden, ist offen. In diesem Zusammenhang ist es aus gerichtlicher Sicht zudem unklar, ob die Antragstellerin das Lernziel der 6. und der 7. Klasse des Gymnasiums erreicht hat und damit dazu berechtigt ist, im Schuljahr 2021/2022 regulär die 8. Klasse eines Gymnasiums zu besuchen. Darüber hinaus muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin – wie sich aus dem Schulbericht der Schule für Kranke, aus dem Bericht der behandelnden Diplom-Psychologin D.-M. vom 9. März 2021 und aus dem sonderpädagogischen Gutachten der E.-S. vom 9. Juli 2021 ergibt – zunächst heranführende Maßnahmen benötigt, um nach einer fast zweijährigen Abstinenz überhaupt wieder an einem regulären Schulbetrieb teilnehmen zu können.
Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft machen können, dass alle denkbaren derartigen Maßnahmen nicht dazu führen werden, ihr im bayerischen staatlichen Schulsystem einen geeigneten Lern- und Förderort zur Verfügung stellen zu können.
Dies hat zur Folge, dass im Rahmen des Vorrangs des staatlichen Schulsystems auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die Übernahme der Kosten für die Beschulung der Antragstellerin in der Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. durch den Antragsgegner im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII nicht in Betracht kommt, weil ein staatliches Schulversagen und damit die Pflicht des Antragsgegners, als Ausfallbürge diese staatliche Aufgabe zu übernehmen, nicht vorliegt.
cc) Doch selbst wenn dies so wäre und die Antragstellerin glaubhaft gemacht hätte, dass das staatliche Schulsystem nicht in der Lage wäre, ihr einen geeigneten Lern- und Förderort zur Verfügung zu stellen, ergäbe sich keine Pflicht des Antragsgegners, die Kosten für die Beschulung der Antragstellerin durch die O.-v.-N.-B.-S., Abteilung, als Ausfallbürge im Rahmen der Eingliederungshilfe zu übernehmen. Denn den dem Gericht zur Verfügung stehenden Informationen ist zu entnehmen, dass diese Schule kein für die Antragstellerin geeigneter Lern- und Förderort ist.
In den Akten des Antragsgegners sind keine Unterlagen vorhanden, die inhaltlich über die Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. Auskunft geben könnten. Die Antragstellerin hat lediglich vortragen lassen, diese Schule sei auf die Probleme hochbegabter Schülerinnen mit besonderen Schwierigkeiten spezialisiert. Demgegenüber sind dem Antrag vom 28. Juli 2020 keinerlei Unterlagen über diese Schule beigefügt und es sind auch keine weiteren inhaltlichen Ausführungen zu dieser Schule gemacht worden. Eine Stellungnahme der Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. selbst zur Geeignetheit der Einrichtung als Lern- und Förderort für die Antragstellerin ist nicht vorhanden. Auch im vorliegenden Gerichtsverfahren wurde eine derartige Unterlage nicht vorgelegt. Es findet sich lediglich die unbelegte Behauptung, die D. Kinderkliniken hätten die O.-v.-N.-B.-S. als geeigneten Schulort benannt. Lediglich mit Schriftsatz vom 30. August 2021 hat die Antragstellerin einen Internetausdruck des B. M. mit Informationen zur Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. vorlegen lassen. Hieraus ergibt sich, dass in der Abteilung … dieser Schule – und ausdrücklich nur auf diese Abteilung richtet sich der vorliegende Antrag – ausschließlich Schüler und Schülerinnen mit Hochbegabung oder einer gemessenen Intelligenzdiagnostik in der Nähe der Hochbegabung (ab IQ 120) unterrichtet werden. Zugleich hätten viele Schülerinnen und Schüler der Abteilung Leistungsschwächen, so dass die tatsächlich erbrachten Schulleistungen signifikant vom intellektuellen Potential abwichen. Darüber hinaus seien alle Schülerinnen und Schüler mehr oder weniger von psychischen Problemen betroffen, die individuell sehr verschiedenartig ausgeprägt seien. Häufige Diagnosen seien Störung des Sozialverhaltens, ADHS, Autismus, Asperger-Autismus und Autismus-Spektrum-Störung. Nahezu alle Schülerinnen und Schüler fielen unter § 35a SGB VIII und hätten vom entsprechenden Schulamt sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich soziale und emotionale Entwicklung zugesprochen bekommen. Der Internetausdruck führt weiter aus, in der Abteilung … würden die Schülerinnen und Schüler begabungsangemessen unterrichtet werden, dies von der 5. bis zu 13. Klasse auf gymnasialem Niveau. Hierfür habe die Schule ein schulinternes Curriculum entwickelt. Unterrichtet werde in Kleingruppen unter Anleitung von Fachlehrern, der Lehrer-Schüler-Schlüssel betrage 1 : 5. Die Schule biete den Hauptschulabschluss und den Realschulabschluss an und verfüge über eine etwa zehnjährige Erfahrung in der Vorbereitung zum Abitur und der Prüfung der Schülerinnen und Schüler. Das Abitur werde an der A.-S.-r.-S. abgelegt.
Auf der Homepage der O.-v.-N.-B.-S. selbst sind keine inhaltlich weiterführenden Darstellungen zu finden.
Aufgrund dieser Tatsachen hält das Gericht die O.-v.-N.-B.-S., Abteilung, nicht für einen für die Antragstellerin geeigneten Lern- und Förderort. Dies ergibt sich schon daraus, dass diese Abteilung der O.-v.-N.-B.-S. ausschließlich auf Schülerinnen und Schüler mit Hochbegabung oder in der Nähe der Hochbegabung ausgerichtet ist. Demgegenüber hat die Antragstellerin nicht glaubhaft machen können, dass sie zu diesem Personenkreis gehört. Sie hat eine am 3. Januar 2017 vom IGL durchgeführte Intelligenztestung vorgelegt. Hierbei hat sie einen Gesamtwert von IQ 132 erreicht. Bei dieser Testung ist der Test HAWIK-IV in der Normierung von 2007 zur Anwendung gekommen. Demgegenüber haben die D. Kinderkliniken im Mai 2019 eine weitere Intelligenztestung durchgeführt. Hierbei ist der Test WISC-V zur Anwendung gekommen. Hierbei handelt es sich um eine Fortentwicklung des Tests HAWIK-IV, er ist diesem hinsichtlich der angewendeten Methoden vergleichbar (gerichtsbekannt; vgl. z.B. auch profiling-institut.de/wisc-v-intelligenztest-fuer-kinder-aufbau-und-ablauf/, zuletzt abgerufen am 8.9.2021). Bei dieser Testung wurde ein Gesamt-IQ von 112 festgestellt. Diese beiden Testungen widersprechen sich erheblich, ohne dass Überwiegendes dafür spräche, die Testung im Jahr 2017 habe zum richtigen und die Testung im Jahr 2019 zum falschen Ergebnis geführt. In diesem Zusammenhang muss auch die kindliche Entwicklung berücksichtigt werden, so dass der später erstellte Test nicht unberücksichtigt bleiben kann. Weiterhin erwähnen die D. Kinderkliniken im Arztbrief vom 6. Mai 2019 zusätzlich zum vom IGL im Jahr 2017 durchgeführten Test eine weitere „von Herrn G.“ durchgeführte Testung mit durchschnittlichem Ergebnis. Diese liegt dem Gericht nicht vor. Auch dies macht deutlich, dass die Testung des IGL vom 3. Januar 2017 nicht die allein maßgebliche sein kann. Weitere Unterlagen, aus denen sich Anhaltspunkte für eine Hochbegabung der Antragstellerin ergeben könnten, wie z.B. die Schulzeugnisse von der 1. bis zur 5. Klasse, hat die Antragstellerin dem Gericht nicht vorlegen lassen. Damit ist für das Gericht nicht glaubhaft gemacht worden, dass bei der Antragstellerin tatsächlich eine Hochbegabung vorliegt. Schon allein deshalb ist die Abteilung … der … kein für die Antragstellerin geeigneter Lern- und Förderort. Darüber hinaus ist nicht einmal erkennbar, dass die Abteilung … dieser Schule tatsächlich dazu bereit wäre, die Antragstellerin trotz zumindest unklarer Begabung als Schülerin aufzunehmen, auch wenn der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat, dass der Antragstellerin ein Platz zugesagt worden sei.
Doch selbst wenn man eine Hochbegabung der Antragstellerin unterstellen würde, wird aus den verschiedenen vorliegenden Berichten deutlich, dass die Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. mit ihrem regulären Unterricht kein geeigneter Lern- und Förderort für die Antragstellerin wäre. Aus dem Arztbrief der D. Kinderkliniken vom 6. Mai 2019 ergibt sich, dass sich die Antragstellerin anders als die anderen Kinder fühle. Aus der Stellungnahme des MSD vom 4. Mai 2021 ergibt sich, dass die Antragstellerin den Anspruch habe, um keinen Preis auffallen zu wollen. Das sonderpädagogische Gutachten vom 9. Juli 2021 führt aus, die Antragstellerin könne von einem Lernumfeld, in dem sie sich nicht mehr als anders erlebe, profitieren. Zudem führt der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Schriftsatz vom 21. Juli 2021 aus, die Antragstellerin entwickele nach wie vor extreme Ängste gegenüber allem, was mit Schule zu tun habe. Hieraus ergibt sich, dass die Antragstellerin einen Lern- und Förderort benötigt, in welchem sie zumindest zunächst nicht dem selbst auferlegten Druck ausgesetzt ist, hinsichtlich der Lerninhalte „mithalten“ zu müssen. Demgegenüber liegt auf der Hand, dass die Antragstellerin an einer Schule für hochbegabte Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten haben wird, jederzeit ihren eigenen Ansprüchen, alles perfekt zu machen, um nicht aufzufallen, gerecht zu werden. Demgegenüber ist seitens der Antragstellerin nicht vorgetragen und belegt worden, dass die Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. in der Lage wäre, dieser Problematik mit welchen Methoden auch immer gerecht zu werden. Gleiches gilt für das Bedürfnis, nach fast zweijähriger Schulabstinenz langsam wieder an den Schulalltag herangeführt zu werden. Dass die Abteilung … der O.-v.-N.-B.-S. hierfür geeignete Ressourcen und Möglichkeiten aufwiese, wurde weder vorgetragen noch schriftlich seitens der Schule bestätigt. Hinzu kommt der hohe Anspruch der Antragstellerin, einen Bildungsweg zu beschreiten, „der vorgezeichnet scheint, nämlich der einer universitären Laufbahn …“ (vgl. Antragsschriftsatz vom 9.8.2021, S. 11). Es ist demgegenüber nicht einmal erkennbar, dass die Antragstellerin derzeit die Zugangsberechtigung zur 8. Klasse eines Gymnasiums besitzt, dies aufgrund der Tatsache, dass sie dem Unterricht der 6. und 7. Klasse des M.-W.-G. ab dem 27. November 2019 ferngeblieben ist und lediglich zeit- und stundenweise eine Beschulung durch die Schule für Kranke erfahren hat. Bevor derartige hochgesteckte Ziele im Fokus stehen, erscheint es angebracht, zunächst dafür Sorge zu tragen, dass die Antragstellerin überhaupt wieder ohne psychische Verwerfungen an einem regulären Schulbetrieb teilnehmen kann.
4. Da die Antragstellerin die Tatsachen und Voraussetzungen für die Bejahung eines Anordnungsanspruches durch das Gericht nicht glaubhaft machen konnte, war der Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Kosten der O.-v.-N.-B.-S., Abteilung, in O. zu übernehmen, abzulehnen. Aus diesem Grunde war der Antrag auch hinsichtlich der Übernahme der entsprechenden entstehenden Fahrtkosten abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 188 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO werden Gerichtskosten in Angelegenheiten der Jugendhilfe nicht erhoben.


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