Verwaltungsrecht

Einstweiliger Rechtsschutz, Widerruf der Zulassung zur Ausbildungsqualifizierung für die dritte Qualifikationsebene, charakterliche Eignung

Aktenzeichen  AN 1 S 21.01704

Datum:
14.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 32146
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
FachV-Pol/VS § 57 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1978 geborene Antragsteller steht als Polizeihauptmeister im Dienste des Antragsgegners. Mit Schreiben vom 26. August 2019 wurde er zur Ausbildungsqualifizierung für Ämter ab der dritten Qualifikationsebene im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst zugelassen. Studienbeginn war im September 2020.
Am 13. November 2019 fragte der Antragsteller auf Bitte seines Bekannten … dessen Bekannten … zweifach im System INPOL sowie in der polizeilichen Vorgangsverwaltung IGVP-FE ab und leitete das Ergebnis dieser Auskünfte an Herrn … weiter. Am 26. November 2020 veranlasste der Antragsteller, nachdem ihn sein Bekannter … wiederum gebeten hatte, die neue Wohnadresse seiner Schwester herauszufinden, eine Kollegin, eine entsprechende Recherche der Einwohnermeldedatei vorzunehmen. Die ihm durch die Kollegin übermittelte Adresse leitete der Antragsteller an seinen Bekannten … weiter. Bezüglich beider Vorfälle wird auf die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
Mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (StMI) vom 19. Mai 2021 wurde der Kläger auf Grund der vorgenannten Vorfälle zu einem Widerruf der Zulassung zur Ausbildungsqualifizierung für Ämter ab der dritten Qualifikationsebene angehört.
Mit Verfügung vom 1. April 2021 stellte die zuständige Staatsanwaltschaft ein gegen den Antragsteller eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses aus rechtlichen Gründen gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, da keine wesentlichen öffentlichen Interessen im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB gefährdet seien.
Mit Bescheid des StMI vom 10. August 2021 wurde die dem Antragsteller mit Schreiben vom 26. August 2019 erteilte Zulassung zur Ausbildungsqualifizierung für Ämter ab der dritten Qualifikationsebene im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst widerrufen (Ziffer 1). Die sofortige Vollziehung von Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 2). In den Gründen wurde insbesondere ausgeführt, der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FachV-Pol/VS nicht mehr, sodass die Zulassung zur Ausbildungsqualifizierung zu widerrufen sei. Ein Beamter müsse nicht nur zum Zeitpunkt der Zulassung zur Ausbildungsqualifizierung, sondern darüber hinaus bis zum Abschluss der Qualifizierung jederzeit erkennen lassen, dass er den Anforderungen der angestrebten Ämter ab der dritten Qualifikationsebene (3. QE) im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst gewachsen sein werde. Da Polizeivollzugsbeamte in Ämtern ab der 3. QE in der Regel auch Führungsaufgaben und Vorgesetztenfunktionen wahrnehmen, werde in einem hohen Maße Pflichtentreue und vorbildhaftes Verhalten erwartet. Durch sein Verhalten habe der Antragsteller jedoch das in ihn gesetzte Vertrauen nachhaltig erschüttert und erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung für Ämter ab der 3. QE hervorgerufen. Unabhängig von strafrechtlich relevanten Gesetzesverletzungen habe der Antragsteller mit seinem Verhalten gegen Dienstrecht verstoßen, namentlich habe er ein Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, indem er gegen seine Verschwiegenheitspflicht und seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen habe. Die Gesellschaft könne mit Recht erwarten, dass das Gebot, Gesetze einzuhalten, gerade von Polizeibeamten befolgt werde, die Kraft ihrer Dienstpflicht die Einhaltung von Geboten zu überwachen und Verstöße hiergegen zu unterbinden und zu verfolgen hätten. Begehe ein Beamter eine Ordnungswidrigkeit, so handele er seinem Auftrag in grober Weise zuwider. Ein derartiges Verhalten bewirke nicht nur einen erheblichen Vertrauensverlust in den Beamten selbst, sondern sei darüber hinaus geeignet, die Polizei insgesamt in Misskredit zu bringen. Die in § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG normierte Geheimhaltungspflicht stelle eine der Kernpflichten des Beamtentums dar. Sie diene dabei essentiell der Funktionsfähigkeit der Behörde, sichere darüber hinaus aber auch den Vertrauensschutz des Bürgers. Denn die Bereitschaft der Bürger zur Offenbarung ihrer Verhältnisse hänge davon ab, ob sich die Betroffenen auf die Verschwiegenheit der Behörden und ihrer Bediensteten verlassen könnten. Von der Verschwiegenheitspflicht würden dabei nicht nur Dienst- oder Amtsgeheimnisse umfasst, sondern sämtliche dienstlichen Angelegenheiten, d.h. solche, die dem Beamten bei Ausübung oder Gelegenheit seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden seien. Dies gelte zudem nicht nur gegenüber dritten Personen, die sich nicht im Polizeidienst befänden, sondern auch behördenintern. Zugleich erweise sich das Verhalten des Antragstellers als eine Verletzung der Pflicht, sich dem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauensvoll zu verhalten. Dieser Pflicht liege der Gedanke zugrunde, dass ein Beamter nur dann seine Aufgaben vollwertig erfüllen könne, wenn ihm vom Dienstherrn und der Öffentlichkeit die erforderliche Achtung und das notwendige Vertrauen entgegengebracht würden, was wesentlich durch das persönliche Verhalten der Beamten beeinflusst werde. Es reiche aus, wenn das Verhalten geeignet sei, Achtung und Vertrauen zu beeinträchtigen, also wenn das Verhalten typischerweise (objektiv gesehen) zu einer Beeinträchtigung führen könne, eine Beeinträchtigung also konkret möglich sei. Unter diesen Maßstäben sei es daher vom Antragsteller zu erwarten gewesen, dass er schon den Anschein des Verrats dienstlicher Informationen zur Wahrung des Ansehens der Polizei und des Vertrauens in eine ordnungsgemäße polizeiliche Aufgabenwahrnehmung vermeide. Der Antragsteller habe selbst ohne dienstlichen Anlass INPOL-Abfragen und eine Abfrage im IGVP-FE durchgeführt und die Ergebnisse seinem Bekannten mitgeteilt. Weiterhin habe er eine Kollegin unter Angaben eines falschen Sachverhalts gebeten, die Adresse der Schwester seines Bekannten abzufragen und diese Information sodann an diesen weitergeleitet. Insbesondere die Tatsache, dass der Antragsteller seine in der Dienstgruppe bestehende Vorbildfunktion ausgenutzt habe und eine Kollegin gebeten habe, eine Abfrage durchzuführen, ohne dass ein dienstlicher Grund vorlag, führe zu Zweifeln an der Eignung des Antragstellers. Dieses Verhalten wiege besonders schwer, da er sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Studium für die 3. QE befunden habe. Der Antragsteller habe auch nicht gewusst, wofür sein Bekannter die Daten benötigte; auch wenn die Schwester kein Strafverfolgungsinteresse habe, habe sie aber bewusst die Adresse ihrem Bruder nicht mitgeteilt. Ein solches Verhalten und eine solche Einstellung seien mit den Anforderungen an Ämter ab der 3. QE nicht vereinbar. Gegenüber der Öffentlichkeit sei es nicht zu vertreten, einen Polizeibeamten mit derartigen Verhaltensweisen den Aufstieg in die 3. QE zu ermöglichen. Ämter in der 3. QE seien meist mit Führungsaufgaben verbunden, sodass der Antragsteller eine Vorbildfunktion für sämtliche Beamte wahrnehme und auf Grund seiner Stellung weisungsbefugt sein könnte. Die Anforderungen an Zuverlässigkeit, Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein stiegen daher. Hinzu komme, dass beim Antragsteller seit 2019/2020 ein schleichender Leistungsabfall in Bezug auf seine Grundmotivation, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit festzustellen gewesen sei, sodass letztendlich die Beurteilung um drei Punkte abgesenkt worden sei. Dabei sei dem Antragsteller zugutegehalten worden, dass er in diesem Zeitraum durch persönliche Belange belastet gewesen sei, sodass der Aufstiegsvermerk belassen worden sei. Seine bislang gezeigten guten Leistungen an der Hochschule sowie der Umstand, dass es sich um ein erstmaliges Fehlverhalten handle, vermögen jedoch im Hinblick auf das dargestellte Verhalten und dem vor dem Studium eingetretenen Leistungsabfall die Zweifel an der charakterlichen Eignung für Ämter ab der 3. QE nicht zu entkräften. Der Umstand, dass der Antragsteller altersbedingt keine weitere Chance mehr habe, in die 3. QE aufzusteigen, stelle zwar eine Härte dar, allerdings lasse er auch nicht erkennen, dass er die Tragweite seines Fehlverhaltens erkenne und dieses tatsächlich bedauere. Er lasse daher derzeit nicht erkennen, dass er den an Ämter der 3. QE gestellten hohen Anforderungen gewachsen sein werde. Die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Ausbildungsqualifizierung lägen damit nicht mehr vor, sodass die erteilte Zulassung zu widerrufen gewesen sei. Der Sofortvollzug werde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet, da ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehe, das über das Interesse an einer aufschiebenden Wirkung des Bescheides hinausgehe. Das durchgeführte Studium erfolge bei voller Bezahlung der Bezüge, ohne dass die Beamtinnen und Beamten den Dienstherrn zu Einsatzzwecken zur Verfügung stünden. Darüber hinaus seien Studium und Prüfung selbst kostenintensiv. Das öffentliche Interesse an einem sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln besitze einen hohen Stellenwert und lasse ein Studium, das mangels Voraussetzungen nicht erfolgreich zu Ende geführt werden könne, auch nicht bis zur Rechtskraft eines Hauptsacheverfahrens zu. Weiterhin sei die Wirkung in der Öffentlichkeit und unter Kollegen zu beachten, wenn ein Polizeibeamter trotz der Dienstpflichtverletzungen weiterqualifiziert bzw. als Führungskraft ausgebildet würde. Auf die Begründung des Bescheides im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den Bescheid vom 10. August 2021 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 10. September 2021, beim StMI eingegangen am selben Tag, Widerspruch einlegen.
Mit Schriftsatz vom 16. September 2021, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beantragen,
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10. September 2021 gegen den Bescheid des Antragsgegners wegen des Widerrufs der Zulassung zur Ausbildungsqualifizierung für Ämter ab der 3. Qualifikationsebene im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst vom 10. August 2021 wird wiederhergestellt.
2. Hilfsweise wird, falls der Widerruf der Zulassung zur Ausbildungsqualifzierung für Ämter ab der 3. Qualifikationsebene im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits vollzogen ist, die Aufhebung der Vollziehung beantragt.
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, der Antragsteller befinde sich seit 2006 im Polizeivollzugsdienst und sei seit 2009 u.a. als Praxisbegleiter und Disponent in führungsähnlichen Positionen eingesetzt gewesen. Er habe im Rahmen seines Studiums bereits ein Praktikum beim Kriminaldauerdienst absolviert, wobei ihn die Kollegen als zuverlässigen und vorbildlichen Polizeibeamten wahrgenommen hätten. Seine Zuverlässigkeit bestätige auch die seit 2006 tadellose Ausübung des Polizeivollzugsdienstes ohne dienstrechtliche Vorfälle. Auf Grund seines fortgeschrittenen Alters und seiner Führungsstärke habe der Antragsteller innerhalb seiner Dienstgruppen immer eine Vorbildfunktion innegehabt, welche er zu keinem Zeitpunkt ausgenutzt habe, um dienstliche oder persönliche Gefallen einzufordern. Auch die persönlichen bisherigen Leistungen des Antragstellers während des bisherigen zur Hälfte absolvierten Studiums seien sehr vielversprechend gewesen. Der Widerruf der Zulassung zur Ausbildungsqualifizierung sei auf Grund von zwei dienstlichen Verfehlungen in den Jahren 2019 und 2020 ausgesprochen worden. Diese Verfehlungen bedauere der Antragsteller sehr und sei sich seiner Verantwortung durchaus bewusst. Auf Grund seines fortgeschrittenen Alters habe er keine erneute Möglichkeit mehr, die Ausbildungsqualifizierung für die 3. QE zu erhalten. Hierin liege eine unbillige Härte vor, die vom Antragsgegner zwar berücksichtigt, aber auf Grund der sonst tadellosen Eignung des Antragstellers falsch gewichtet worden sei. Es liege ein Ermessensfehler vor, weshalb der eingelegte Widerspruch Aussicht auf Erfolg habe. Der Antragsteller habe lediglich datenschutzrechtliche Verfehlungen begangen, welche strafrechtlich nicht relevant seien. Außerdem habe der Antragsteller in seiner Entscheidungsfindung den Sachverhalt teils verkannt: Die im November 2019 abgefragten Auskünfte hätte Herr … auch von offizieller Stelle problemlos erhalten können. Da nichts gegen ihn vorgelegen habe, seien auch keine internen Ermittlungsdaten an ihn herausgegeben worden. Durch die Datenabfrage seien keinerlei wichtigen öffentlichen Interessen gefährdet worden. Der Antragsteller habe sich auf Grund des persönlichen Kontakts zum Anfragenden aus Gefälligkeit zu dieser dienstrechtlichen Verfehlung verleiten lassen. Im November 2020 habe der persönliche Bekannte des Antragstellers, Herr …, den Wohnort seiner Schwester erfragt, da dieser ihr auf Grund ihres Geburtstages ein Geschenk schicken wollte. Dass sein Bekannter den Wohnort seiner Schwester nicht vergessen habe, sondern ihm dieser auf Grund eines Streites nicht bekannt war, sei dem Antragsteller zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen. Er habe gutgläubig angenommen, dass er der Schwester seines Bekannten mit der Überraschung eines Geburtstagsgeschenkes einen Gefallen tue. Da der Antragsteller zu dieser Zeit keinen Zugriff auf die Datenabfrage gehabt habe, habe er seine Kollegin …, mit welcher er eine persönliche Freundschaft pflege und auch schon gemeinsam im Urlaub gewesen sei, zu dieser Datenabfrage in seinem Namen veranlasst. Die Schwester seines Bekannten habe auf einen Strafantrag verzichtet, da sie das Verhalten des Antragstellers zwar nicht richtig, aber auch nicht so schlimm gefunden habe. Er habe ihr eine Entschuldigung angeboten, was allerdings von der Staatsanwaltschaft auf Grund des laufenden Verfahrens verhindert worden sei. Er bedauere seine zwei dienstrechtlichen Verfehlungen immer noch sehr und habe auf Grund seiner Reue auch maßgeblich zur Aufklärung beigetragen, indem er bei der Durchsuchung seiner Wohnung den vollziehenden Kollegen bereitwillig das gesuchte Mobiltelefon übergeben und dieses auch entsperrt habe. Auf Grund welchen Umstandes der Antragsteller die Aussage getroffen habe, sein Bekannter … habe Kontakte zum Rockermilieu, sei nicht mehr sicher zu rekonstruieren und treffe im Übrigen auch nicht zu. Es werde auch nochmals darauf hingewiesen, dass Frau … eine persönliche Freundin des Antragstellers sei und dieser zu keinem Zeitpunkt seine Vorbildfunktion innerhalb seiner Dienstgruppe ausgenutzt habe, um die Datenabfrage von ihr zu erhalten. Auch nach dem Vorfall bestehe immer noch freundschaftlicher Kontakt. Im Übrigen bestehe kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, da die Kosten, welche anfielen, wenn der Antragsteller in seiner üblichen Funktion als Polizeivollzugsbeamter tätig wäre, auf Grund der auf das Grundgehalt anrechenbaren Schichtzulagen den Antragsgegner weitaus mehr kosteten als das noch fortzuführende Studium. Gerade im Hinblick auf das zur Zeit stattfindende Homeschooling auf Grund von Corona und der weiteren Kostenersparnis hinsichtlich Unterkunft und Versorgung sei ein Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung nicht gegeben. Bei einem Sofortvollzug könne der Antragsteller auf Grund der Stofffülle bei Erfolg des Widerspruchs das Studium nicht mehr fortführen. Der Widerruf der Zulassung zur Ausbildungsqualifizierung würde im Falle des Klägers auf Grund seines Alters eine grobe unbillige Härte darstellen.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, das Polizeipräsidium M. habe Anfang Juli 2020 einen Anzeigenabdruck des Bayerischen Landeskriminalamts an die Staatsanwaltschaft … erhalten. Um die Ermittlungen nicht zu gefährden, sei der Antragsteller zum Studium zugelassen worden. Mit E-Mail vom 4. Dezember 2020 habe dann das Polizeipräsidium M. dem StMI die Vorkommnisse mitgeteilt, infolge derer der Antragsteller für Ämter ab der 3. QE nicht mehr geeignet sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Schriftsatz des StMI vom 22. September 2021 verwiesen.
Mit Wirkung vom 21. September 2021 wurde der Antragsteller bis auf weiteres zur PI … abgeordnet. Die vorherige Zuweisung zur Hochschule für den öffentlichen Dienst wurde aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung.
Die grundsätzlich mit dem Widerspruch oder der Anfechtungsklage verbundene aufschiebende Wirkung tritt kraft Gesetzes unter anderem dann nicht ein, wenn die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse besonders angeordnet hat, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4. Dabei muss ein öffentliches Interesse gerade an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen (sog. Vollzugsinteresse). Das Gericht kann in einem solchen Fall gem. § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder zum Teil wiederherstellen; der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig.
In formeller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 2 des Bescheides vom 10. August 2021 nicht zu beanstanden. Nach § 80 Abs. 3 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die Begründung dient dem Zweck, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, in Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehbarkeitsanordnung veranlasst haben, ihre Rechte wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen. Erforderlich ist dabei eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darstellung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung not-wendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm angegriffenen Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden.
Die Begründung des Sofortvollzugs genügt diesen Vorgaben. Im streitgegenständlichen Bescheid ist ausgeführt, dass das Studium bei voller Bezahlung der Bezüge erfolgt, ohne dass die Beamtinnen und Beamten den Dienstherrn zu Einsatzzwecken zur Verfügung stehen; diese Begründung trägt auch vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller in seiner derzeitigen Verwendung, auch wenn er Sonderzuschläge beziehen mag, dem Dienstherrn voll zur Verfügung steht, was im Interesse an einem sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln zu berücksichtigen ist. Auch das Abstellen auf die negative Vorbildwirkung in der Öffentlichkeit und unter Kollegen, falls der Antragsteller trotz seiner Dienstpflichtverletzungen qualifiziert bzw. als Führungskraft ausgebildet würde, stellt schon für sich genommen eine sachliche einzelfallbezogene Begründung des Sofortvollzugs dar.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 152).
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus. Der Bescheid des StMI vom 10. August 2021 erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderlichen Abwägung überwiegt daher das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Nach § 57 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz (FachV-Pol/VS) wird die Zulassung der Ausbildungsqualifizierung widerrufen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 nicht mehr erfüllt werden, d.h. wenn Beamtinnen oder Beamte nicht mehr erkennen lassen, dass sie den Anforderungen der Ämter ab der 3. QE im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst gewachsen sein werden. Zuständig für die Entscheidung über den Widerruf ist nach § 57 Abs. 3 Satz 2 FachF-Pol/VS das Staatsministerium. Ein Widerrufsermessen steht ihm hierbei nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nicht zu.
Ebenso wie im Zulassungsverfahren nach Abs. 1 ist auch beim Widerruf dem Dienstherrn hinsichtlich der Einschätzung, ob und ggf. in welchem Maße ein Beamter oder eine Beamtin die Eignung für die höhere Qualifikationsebene besitzt, ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Nachprüfung durch das Gericht beschränkt sich darauf, ob der Dienstherr den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet hat, sachfremde Erwägungen angestellt hat oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BayVGH, B.v. 22.6.2018 – 3 CE 18.1066 – juris). Ob er hingegen – gerade im Hinblick darauf, dass in der 3. QE Führungs- und Leitungsaufgaben wahrzunehmen sind – einen strengeren oder weniger strengen Maßstab anlegt, ist Sache des Dienstherrn, solange er dies willkürfrei tut (vgl. VG München, B.v. 26.10.2018 – M 5 E 18.5040). Gemessen an diesen Grundsätzen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerseite die charakterliche Eignung des Antragstellers im Hinblick auf die Anforderungen der Ämter ab der 3. QE im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst verneint hat.
Im Bescheid vom 10. August 2021 ist zunächst ausgeführt, dass Polizeivollzugsbeamte in Ämtern ab der 3. QE in der Regel Führungs- und Vorgesetztenfunktion wahrnehmen, was in einem hohen Maße Pflichtentreue und vorbildhaftes Verhalten voraussetzt und dass es bei der Eignung vor allem um die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die in positiver oder negativer Hinsicht für die Dienstleistung sowie für Achtung und Vertrauen in die Person und die Amtsführung des jeweiligen Beamten von Bedeutung sind, geht. Weiter geht das StMI bei der Beurteilung der Eignung des Antragstellers zu Recht davon aus, dass unabhängig von einem Verstoß gegen strafrechtliche Vorschriften bzw. dem Ausgang des Ermittlungsverfahrens Verstöße gegen das Dienstrecht, insbesondere gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (Art. 20 Abs. 3 GG), gegen die in Art. 37 Abs. 1 BeamtStG normierte Verschwiegenheitspflicht und gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) vorliegen; auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid wird insofern vollumfänglich Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Es wird maßgeblich darauf abgestellt, dass dieses Verhalten nicht nur den einzelnen Beamten in Misskredit bringt, sondern darüber hinaus geeignet ist, das Vertrauen in die Polizei insgesamt zu untergraben. Darüber hinaus ist dargelegt, dass dies weder mit dem Vertrauensschutz des Bürgers noch mit der Vorbildfunktion, die ein Beamter der 3. QE hat, in Einklang zu bringen ist. Weiter wird darauf abgestellt, dass auf eine einfache Bitte eines Bekannten hin, ohne dienstlichen Anlass Informationen über einen Dritten aus polizeilichen Datenbanken abgefragt und über den Bekannten weitergeleitet wurden. Erschwerend wurde berücksichtigt, dass bei der weiteren Abfrage im November 2020 auch noch eine Kollegin unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu einer unbefugten Datenabfrage verleitet wurde. All diese Gesichtspunkte sind rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere musste die Tatsache, dass der Antragsteller davon ausging, der Freund seines Bekannten könne sich die Informationen auch selbst beschaffen bzw. er tue (betreffend die Abfrage im November 2020) etwas Positives für die Schwester seines Bekannten, führt nicht dazu, dass der Beurteilungsspielraum eingeschränkt wäre bzw. sachfremde Erwägungen angestellt worden wären. Denn durch dieses Verhalten gab der Antragsteller gerade zu erkennen, dass er sich nicht an für Polizeibeamte geltende Grundsätze wie die Pflicht zur Verschwiegenheit (s.o.) gebunden sieht, sofern er davon ausgeht, dass er mit unerlaubten Abfragen keinen Schaden anrichte bzw. anderen einen Gefallen tue; er maßt sich damit eine eigene, ihm nicht zustehende Beurteilungskompetenz an. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller mit der Kollegin, die er zur Datenabfrage verleitete, über das Dienstliche hinaus befreundet ist, führt nicht dazu, dass der Antragsgegner von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist, der die Annahme eines Verstoßes gegen die dienstliche Vorbildfunktion nicht rechtfertigen würde. Denn die private Freundschaft machte die Kollegin noch zugänglicher für das pflichtwidrige Verhalten des Antragsstellers und zeigt erst recht, dass die Zweifel an der dienstlichen Vorbildfunktion des Antragstellers berechtigt sind, da private und dienstliche Beziehungen vermengt werden. Vor allem aus der Tatsache, dass der Antragsteller seiner Kollegin einen anderen als den ihm bekannten Grund für die Abfrage nannte, zeigt, dass er sich des Unrechts seines Tuns bewusst gewesen sein musste und gerade die private Beziehung für das dienstliche Fehlverhalten genutzt hat. Der Schluss, es fehle dem Antragsteller daher an Zuverlässigkeit, Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein für die 3. QE, ist daher nicht zu beanstanden. Darüber hinaus wurde rechtsfehlerfrei der dienstliche Leistungsabfall seit 2019/2020 berücksichtigt, wobei zu Gunsten des Klägers auch der Grund dafür in die Entscheidung miteinbezogen wurde. Darüber hinaus wurden die bislang guten Leistungen an der Hochschule sowie die Tatsache, dass es sich um ein erstmaliges Fehlverhalten handelte, berücksichtigt, ebenso wie die Tatsache, dass auf Grund des Lebensalters des Antragstellers eine (weitere) Zulassung zur Ausbildungsqualifizierung nicht in Betracht kommt.
Ein Überschreiten des Beurteilungsspielraums bzw. sachfremde willkürlicher Erwägungen können bei der Beurteilung der Eignung des Antragsellers somit bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden, insbesondere ist die von der Antragsgegnerseite vorgenommene Gewichtung, die die Vorbildfunktion von Beamten der 3. QE in den Vordergrund stellt, und diese vor allem gegenüber dem Lebensalter des Antragstellers und den damit verbundenen Nachteilen als maßgeblich wertet, nicht zu beanstanden. Die Entscheidung über den Widerruf erfolgte auch innerhalb eines Jahres nach der maßgeblichen Kenntnis des StMI im Dezember 2020 (vgl. Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG). Der Widerspruch des Antragstellers wird daher voraussichtlich keinen Erfolg haben, sodass das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO war daher abzulehnen.
Auch der Hilfsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO war abzulehnen, da unabhängig von der Frage der Statthaftigkeit dieses Antrags eine gerichtlichen Aufhebung der Vollziehung nur bei einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache in Betracht kommt (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 176); dies ist hier nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG, wobei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte des im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwertes zu Grunde gelegt wurde.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben