Verwaltungsrecht

Einstweiliger Rechtsschutz – Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft

Aktenzeichen  M 22 E 16.2387

Datum:
2.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134608
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
BayVwVfG Art. 37 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Der Antrag auf Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wird mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn sich die Antragsgegnerin als sachlich und örtlich zuständige Obdachlosenbehörde verbindlich verpflichtet, den nach Räumung seiner Wohnung obdachlosen Antragsteller in einer Obdachlosenunterkunft unterzubringen. (Rn. 11 – 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird für das Verfahren M 22 E 16.2387 abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2016 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und führte unter Vorlage eines Urteils des Amtsgerichts München vom 18. März 2016, in dem er und Frau … zur Räumung und Herausgabe der von diesen bewohnten Mietwohnung verurteilt werden, aus, anhaltend mittellos zu sein. Er beantrage die Erteilung eines „Zuteilungsabsichtsnachweises“. Die Antragsgegnerin habe Gelegenheit, ihm diesen bis 24. Mai 2016 zukommen zu lassen.
Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2015, beim Verwaltungsgericht München per Fax eingegangen am selben Tag, erhob der Antragsteller Klage gegen die Antragsgegnerin. Unter Nummer acht seiner Anträge stellte er zudem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, mit dem er sinngemäß beantragte die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller zur Behebung seiner Obdachlosigkeit eine menschenwürdige Unterkunft zuzuweisen und zur Verfügung zu stellen.
Zur Begründung trug er vor, sein Antrag auf Erteilung eines „Zuteilungsabsichtsnachweises“ sei nicht verbeschieden worden. Er sei mittellos, was er auch nachgewiesen habe. Die Antragsgegnerin sei insoweit verpflichtet, ihm eine menschenwürdige Obdachlosenunterkunft zuzuteilen.
Darüber hinaus beantragt der Antragsteller mit den Nummern eins und drei seiner Anträge, ihm für Klage und Eilantrag unter Anwaltsbeiordnung Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Reiseentschädigung zu gewähren. Eine unterschriebene Erklärung des Antragstellers über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Form eines amtlich zugelassenen Formulars war jedoch weder der Klage-/Antragsschrift beigefügt noch wurde diese – trotz gerichtlicher Anforderungen mit Schreiben vom 8. Juni 2016 und 11. Juli 2016 – bislang mit den nachfolgenden Schriftsätzen vorgelegt.
Mit (mit Namenswiedergabe des Geschäftsleiters der Antragsgegnerin und dem Kürzel i.A. versehenem) Schreiben vom 22. Juni 2016, das dem Verwaltungsgericht München am 24. Juni 2016 in Abdruck zuging, bestätigte die Antragsgegnerin dem Antragsteller, dass er nach Räumung seiner an den Vermieter herauszugebenden Wohnung seitens der Antragstellerin „als zuständiger Obdachlosenbehörde eine Obdachlosenunterkunft im sog. … zugewiesen erhalten werde“.
Der Antragsteller wurde daraufhin mit gerichtlichem Schreiben vom 29. Juni 2016, dem eine Kopie des Schreibens der Antragsgegnerin vom 22. Juni 2016 beigefügt war, um Mitteilung gebeten, ob Eilverfahren und Klage angesichts der Unterbringungszusage der Beklagten und Antragsgegnerin für erledigt erklärt werden.
Mit Schreiben vom 5. Juli 2016, bei Gericht eingegangen am 14. Juli 2016, teilte der Antragsteller dem Gericht mit, dass zu keinem der im Schriftsatz vom 25. Mai 2016 gestellten Anträgen, insbesondere nicht zu den Anträgen ab Ziffer sieben, ernsthaft ein Erledigungsgrund erkennbar wäre. Das Gericht wolle dem Antragsteller durch Vorspiegelung falscher Tatsachen verfassungswidrig die verfassungsrechtlich geschuldete Rechtsprechung vorenthalten. Das Schreiben der Antragsgegnerin, dass er nur als einfache Abschrift erhalten habe, stelle keine Urkunde im Sinne von Art. 38 BayVwVfG dar. Dem Ansinnen des Gerichts könne daher nicht gefolgt werden.
Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom 7. Juni 2016 und 15. Juli 2016 die ihr zu dem Verfahren vorliegenden Unterlagen (Schreiben des Antragstellers vom 19. Mai 2016 nebst Anlagen; Endurteil des Amtsgerichts München vom 13. Mai 2016, Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin … … vom 12. Juli 2016) vor und teilte ergänzend mit, dass der Zuweisungsbescheid für die Obdachlosenunterkunft an der … mit Blick auf die von der Obergerichtsvollzieherin für 11. August 2016 terminierte Zwangsräumung zeitnah erlassen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 123 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) bleibt ohne Erfolg. Er ist unzulässig geworden.
Ungeschriebene Voraussetzung für eine jede Inanspruchnahme des Gerichts, ob durch Klage oder Antrag, ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfGE 61, 126/135; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Vor §§ 40-53 Rdn. 11). An diesem fehlt es, wenn der Kläger/Antragsteller keiner gerichtlichen Hilfe (mehr) bedarf.
Dies ist hier nach der mit Schreiben vom 22. Juni 2016 abgegebenen schriftlichen Bestätigung der Antragsgegnerin, den nach Räumung seiner Wohnung obdachlosen Antragsteller in einer Obdachlosenunterkunft im „…“ an der … unterzubringen, der Fall. Durch diese mit Namenswiedergabe und dem Zusatz „i.A.“ versehene Erklärung, die die Antragsgegnerin mit Bekanntgabewillen in den Verkehr gebracht hat und die dem Antragsteller spätestens durch Verfügung des Gerichts vom 29. Juni 2016 abschriftlich bekannt wurde, hat sich die Antragsgegnerin als sachlich und örtlich zuständige Obdachlosenbehörde verbindlich verpflichtet, den Antragsteller obdachlosenrechtlich unterzubringen und diese Verpflichtung mit Schriftsatz vom 15. Juli 2016 nochmals bekräftigt. Die Aushändigung einer Urkunde ist insoweit – entgegen der Ansicht des Antragstellers – nicht erforderlich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008, § 38 Rdn. 20; Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG). Es bestehen auch weder Anhaltspunkte für die Annahme, die Antragsgegnerin würde ihre Zusicherung nicht erfüllen wollen, noch dafür, dass die dem Antragsteller von der Antragsgegnerin zugesagte Unterkunft im „…“ den Mindestanforderungen an eine vorübergehende Obdachlosenunterkunft nicht genügt.
Hiervon ausgehend besteht kein rechtlich geschütztes Interesse des Antragstellers mehr, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihn obdachlosenrechtlich unterzubringen.
Nachdem es der Antragsteller gleichwohl abgelehnt hat, seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für erledigt zu erklären, ist der Antrag deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 35.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Da der Eilantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Anordnungsverfahren – unabhängig davon, dass der Antragsteller mangels vollständiger Unterlagen bislang auch keinen ordnungsgemäßen Antrag gestellt hat – ebenfalls abzulehnen.
Über den Antrag auf Reisekostenentschädigung war im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes mangels Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu befinden.


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