Verwaltungsrecht

Einwand der chancenlosen Bewerbung

Aktenzeichen  3 CE 18.618

Datum:
18.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6957
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 4
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Erscheint die Vergabe des Dienstpostens an den Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung nicht ernstlich möglich, greift der Einwand des Antragsgegners durch, der Antragsteller sei ein chancenloser Bewerber. (Rn. 1 – 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, wenn sich der Kläger nach seiner Beförderung von BesGr A 10 in ein Amt der BesGr A 11 den gestiegenen Anforderungen einer neuen Vergleichsgruppe stellen muss und dementsprechend schlechter als bisher beurteilt wird. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Antragsgegner ist nicht gehalten, die Beurteilung zu plausibilisieren, solange der Antragsteller seine Einwände hiergegen selbst nicht substantiiert darlegt. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 E 17.3836 2018-02-13 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 13. Februar 2018 wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 13.141,95 € festgesetzt.

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Der Einwand des Antragsgegners, der Antragsteller sei ein chancenloser Bewerber, greift durch (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), weil die Vergabe des Dienstpostens an den Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung nicht ernstlich möglich scheint (vgl. dazu BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 43 m.w.N.).
Die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung unterstellt, hätte der Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung keine Chance, weil er die Richtigkeit seiner dienstlichen Beurteilung 2015 mit einem Gesamturteil von 9 Punkten in der BesGr A 11 nicht substantiiert in Frage stellen konnte und somit jedenfalls gegenüber zwei Mitbewerbern – dem Beigeladenen und einem weiteren Beamten – mit jeweils einem Gesamturteil von 11 Punkten ebenfalls in BesGr A 11 chancenlos wäre (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2018 – 3 CE 17.2188 – juris Rn. 2).
Der Antragsteller, der in seiner vorhergehenden Beurteilung in BesGr A 10 12 Punkte im Gesamturteil erhielt, wendet gegen seine Beurteilung ein, eine Verschlechterung um drei Punkte lasse sich nicht mit einem anderen Beurteilungsmaßstab begründen. Die Neubeurteilung mit 9 Punkten, nachdem er zunächst 6 Punkte erhalten habe, sei nicht plausibel. Es seien nicht alle zu beteiligenden Personen einbezogen worden. Mit diesen pauschalen Angriffen gegen die Beurteilung kann er nicht durchdringen.
1.1 Soweit der Antragsteller rügt, dass nicht sämtliche zu beteiligenden Personen im Rahmen seiner Beurteilung einbezogen worden seien, trifft dies nicht zu (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2018 a.a.O. Rn. 4 ff.).
1.2 Soweit der Antragsteller meint, eine Verschlechterung um drei Punkte lasse sich nicht mit dem Anlegen eines anderen Beurteilungsmaßstabs begründen, begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, dass er sich nach seiner Beförderung von BesGr A 10 in ein Amt der BesGr A 11 den gestiegenen Anforderungen einer neuen Vergleichsgruppe stellen musste (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2018 a.a.O. Rn. 3) und dementsprechend schlechter als bisher beurteilt worden ist (vgl. VG München, B.v. 25.9.2017 – 5 E 17.3839 – S. 7 f.). Der Antragsteller hat auch nicht dargelegt, warum eine Bewertung mit 9 anstatt wie bisher mit 12 Punkten im Gesamturteil unzutreffend sein sollte. Der Abteilungsführer, LPD Sch., als nach Ziff. 11.2.2 der Bek. des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 8. April 2011 Az. IC3-0371.0-41 (AllMBl S. 129), geändert durch Bek. vom 10. April 2012 (AllMBl S. 256), zuständiger Beurteiler hat den Antragsteller auf Grundlage seiner eigenen Kenntnisse, der Beurteilungsbeiträge von EPHK St. (6 Punkte), EPHK K. (6 Punkte), PHK M. (7 Punkte) und EPHK L. (9 Punkte) sowie der Angaben von PHK M. und PHK M1. im Vergleich mit den übrigen in BesGr A 11 befindlichen Beamten der VI. BPA als leistungsschwächsten Beamten angesehen und ihn unter Vergabe von 17 mal 9 und 7 mal 10 Punkten mit 9 Punkten im Gesamturteil bewertet. Der Beurteiler hat das Gesamturteil in der Beurteilung in Ziff. 3. auch hinreichend begründet. Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssen in dem Sinn miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden; die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil sind dabei umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2017 – 2 C 21.16 – juris Rn. 63 f.). Dem ist der Beurteiler nachgekommen. Der Antragsgegner war auch nicht gehalten, die Beurteilung zu plausibilisieren, solange der Antragsteller seine Einwände hiergegen selbst nicht substantiiert darlegt. Der Dienstherr muss Einzelbewertungen nämlich erst auf ein entsprechendes Verlangen im weiteren Verfahren plausibilisieren (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – juris Rn. 11). Konkrete Einwendungen hiergegen hat der Antragsteller jedenfalls im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens aber nicht glaubhaft gemacht.
1.3 Die Rechtswidrigkeit der Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom 5. Dezember 2017. Darin legt der Antragsgegner dar, dass eine Leistungsreihung aller damals in der BesGr A 11 befindlichen Beamten der VI. BPA im Rahmen einer Beurteilungskommission unter Leitung von LPD Sch. erarbeitet und mit der Empfehlung, diese umzusetzen, an den damaligen Führer der VI. BPA als zuständigen Beurteiler, LPD O., übermittelt worden sei. Der Antragsteller – als leistungsschwächster Beamter – sei von LPD O. auf Platzziffer 12 von 12 Beamten gereiht und entsprechend beurteilt worden. Für die neue Beurteilung des Antragstellers sei keine neue Leistungsreihung vorgenommen worden, da die Bewertungsgrundlage gleich geblieben sei, weil der Antragsteller für den gleichen Beurteilungszeitraum, für den bereits eine Leistungsreihung vorgelegen habe, erneut beurteilt worden sei. Das Ergebnis der ursprünglichen Leistungsreihung habe deshalb vom neuen Beurteiler, LPD. Sch., ohne Neubewertung übernommen werden können, so dass es bei der ursprünglich festgelegten Reihung verblieben sei.
Dieses Vorgehen ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit es meint, es sei unklar, aus welchem Grund der Antragsteller gerade mit 9 und nicht etwa mit 8 bzw. 10 Punkten beurteilt worden sei, nachdem er ursprünglich 6 Punkte erhalten habe, ergibt sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen, die der Antragsteller nicht substantiiert angegriffen hat. Im Übrigen spielt die Frage, ob eine Bewertung mit einem Punkt mehr oder weniger möglich gewesen wäre, für die Rechtmäßigkeit der Beurteilung keine Rolle, sondern unterfällt dem Beurteilungsspielraum. Zu Recht hat LPD Sch. dabei auf die Leistungseinschätzung, wie sie sich aus den Beurteilungsbeiträgen sowie der vom früheren Beurteiler LPD O. erstellten Reihung ergab, zurückgegriffen und sich diese für seine Neubeurteilung zu eigen gemacht. Der Antragsteller war von LPD O. als leistungsschwächster Beamter der Beamten seiner Vergleichsgruppe gereiht und infolgedessen schlechter als der vor ihm gereihte, auch mit 9 Punkten bewertete Beamte beurteilt worden. Hieran hat LPD Sch. rechtsfehlerfrei ohne eine erneute Leistungsreihung und Neubewertung festgehalten, weil er sie als inhaltlich richtig erachtet und deshalb seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2013 – 3 ZB 11.1531 – juris Rn. 3), zumal sich die vom Antragsteller im bereits abgeschlossenen Beurteilungszeitraum gezeigte Leistung nicht geändert hat. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass er überhaupt keine eigene Beurteilung vorgenommen, sondern die ursprüngliche Einschätzung einfach übernommen hat.
Soweit das Verwaltungsgericht Zweifel daran hat, ob die ursprüngliche Beurteilung mit 6 Punkten formal fehlerfrei zu Stande gekommen ist, und hieraus den Schluss zieht, dass sich ein evtl. Fehler bei einer schlichten Übernahme der ursprünglichen Leistungsreihung ohne Neubewertung perpetuieren würde, ist hiervon gerade nicht auszugehen. Im Übrigen ist der Antragsteller zutreffend vom damaligen Führer der VI. BPA, LPD O., als dem zuständigen Beurteiler gereiht und beurteilt worden. Nach Ziff. 11.2.2 der Bek. vom 8. April 2011 Az. IC3-0371.0-41 ist in gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LlbG zulässiger Abweichung von Art. 60 Abs. 1 Satz 1 LlbG nicht der Leiter des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei, sondern der Abteilungsführer für die Beurteilung von Beamten ab BesGr A 10 zuständig. LPO O. konnte sich dazu auch einer Beurteilungskommission unter Leitung von LPD Sch. bedienen, ohne ihr anzugehören, da er die Reihung und Beurteilung eigenverantwortlich vorgenommen hat (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2017 – 3 ZB 15.2274 – juris Rn. 7).
2. Nach alledem war der Beschwerde stattzugeben und der Antrag abzulehnen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 GKG. Dieser beträgt 1/4 der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des vom Antragsteller angestrebten Amtes (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2018 a.a.O. Rn. 12), d.h. des Grundgehalts gemäß Anlage 3 zum BayBesG in BesGr A 12/08 im Zeitpunkt der Antragstellung in Höhe von 4.143,26 € zzgl. der ruhegehaltsfähigen Struktur- und Polizeizulage in Höhe von 89,06 € bzw. 148,33 € gemäß Art. 33 Satz 1, Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBesG i.V.m. Anlage 4 zum BayBesG = 4.380,65 € x 12 = 52.567, 80 €, mithin 13.141,95 €. Die jährliche Sonderzahlung nach den Art. 82 ff. BayBesG, die vom Verwaltungsgericht weiter in Ansatz gebracht wurde, ist hingegen nicht zu berücksichtigen, da sie nicht ruhegehaltsfähig und damit im Rahmen des § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG außer Betracht zu lassen ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.8.2017 – 3 CS 17.512 – Juris Rn. 7). Da sich damit gegenüber der Festsetzung des Streitwerts von 14.055,11 € durch das Verwaltungsgericht kein Gebührensprung ergibt, bedurfte es einer Berichtigung des erstinstanzlichen Streitwerts nicht.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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