Verwaltungsrecht

Einzelfall eines unglaubhaften Vortrags

Aktenzeichen  RO 5 K 16.33413

Datum:
8.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 141759
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3c, § 4 Abs. 1, Abs. 3
AufenthG § 60 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Grundsätzlich besteht in Nigeria die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung ebenso wie Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Landesteil auszuweichen.  (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Versorgungslage in Nigeria mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Strom ist nicht derart schlecht, dass ein Rückkehrer „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod“ ausgeliefert wäre; Rückkehrer finden in den Großstädten Nigerias zudem medizinische Versorgung.  (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) eingehalten.
Sie ist aber nicht begründet. Die Entscheidung des Bundesamtes, den Kläger nicht als Asylberechtigten anzuerkennen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 – 7 AufenthG zu verneinen und den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Nigeria zur Ausreise aufzufordern, ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die vom Bundesamt gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG getroffene Entscheidung ist auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht zu beanstanden. Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind zu Recht ergangen.
1. Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht das Asylrecht im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 Grundgesetz nicht zu. Nach Art. 16 a Abs. 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer zur Überzeugung des Gerichts über einen sicheren Drittstaat im Sinne des § 26 a AsylG eingereist ist. Die Kläger tragen selbst vor, dass sie auf dem Landweg über Italien in die Bundesrepublik Deutschland einreist sind. Sie können sich deshalb nicht auf das Asylrecht berufen.
2. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG. Ihnen droht bei ihrer Rückkehr nach Nigeria gegenwärtig keine Verfolgung im Sinne dieser Vorschrift.
Gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG in der seit 1.1.2014 bis 30.11.2014 geltenden Fassung darf in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgung kann nach § 3 c AsylG ausgehen von
a) dem Staat,
b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, oder
c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Die Flüchtlingseigenschaft kann allerdings nicht zuerkannt werden, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylG hat und sicher und legal in diesem Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3 e AsylG).
a. Den Klägern drohen keine politischen Verfolgungsmaßnahmen wegen der Umstände, die zu ihrer Ausreise aus Nigeria geführt haben. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisquellen stellt sich für das Gericht die Lage in Nigeria gegenwärtig wie folgt dar:
Nigeria ist mit etwa 150 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat Afrikas. Seit der Unabhängigkeit 1960 hat sich die Bevölkerungszahl Nigerias mehr als verdreifacht. Seit der Unabhängigkeit wurde Nigeria bis 1966 und dann wieder von 1979 bis 1983 von zivilen Regierungen geführt. Am 29.5.1999 endete mit der Vereidigung des vom Volk demokratisch gewählten Präsidenten Olesegun Obasanjo sowie der gewählten zivilen Gouverneure der 36 Bundesstaaten eine mehr als 15 Jahre dauernde Periode fast ununterbrochener Militärdiktatur. Am 29.5.2007 gelang mit der Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten Yar Ádua, der am 5. Mai 2010 starb, erstmals in der Geschichte des unabhängigen Nigeria ein demokratischer Regierungswechsel. Bei den Wahlen zum Bundesparlament am 9. April 2011 errang die damalige Regierungspartei PDP, der auch der Präsident angehörte, eine Mehrheit. Zum Präsidenten wurde im April 2011 mit nahezu 60% der Stimmen Goodluck Jonathan gewählt. Bei der Präsidentenwahl am 28.3.2015 wurde aber der CPC-Kandidat Muhammadu Buhari zum Präsidenten gewählt. Der Machtwechsel erfolgte friedlich. Auch die Wahl am 28.3.2015 wurde von internationalen und nationalen Wahlbeobachtern als weitgehend transparent gewertet. In Nigeria besteht ein Mehrparteiensystem. Die Parteizugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen (so Lagebericht des AA vom 6.5.2012). Die politische Opposition kann sich grundsätzlich gewaltfrei betätigen. Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt festzustellen. Gegen sezessionistische Gruppierungen gehen die Sicherheitsorgane allerdings teilweise massiv vor (so Lagebericht des AA vom 6.5.2012 S. 10 z.B. gegen die MASSOB). Die Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die Verfassung von 1999 garantiert und finden sich auch in der Verfassungswirklichkeit grundsätzlich wieder. Die Verfassung von 1999 gewährleistet auch die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, ebenso wie das Recht, einer politischen Partei oder Gewerkschaft anzugehören. Gewerkschaften berichten aber davon, dass die Sicherheitskräfte gegen sie bei Arbeitsniederlegungen Anfangs 2012 teilweise mit äußerster Härte vorgehen (so Lagebericht des AA vom 6.5.2012). Die Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Ethnie ist durch die Verfassung verboten. In Nigeria gibt es mehr als 250 Ethnien. Keine dieser Gruppen stellt landesweit eine Mehrheit dar. Die drei größten ethnischen Gruppen, die in der Summe rund zwei Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind die Hausa-Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Eine vierte große, durch Gewalttaten im Niger-Delta prominente Ethnie, die Ijawa, der auch Präsident Jonathan angehört, lebte überwiegend in den ölreichen Regionen des Deltas (so Lagebericht des AA vom 6.5.2012).
In den Ölfördergebieten in der Region des Niger-Deltas, das die nigerianischen Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers und Agwa Ibom umfasst, kam es seit Jahren immer wieder zu Kämpfen zwischen paramilitärisch organisierten Banden und Sicherheitskräften, aber auch von bewaffneten Gruppen untereinander. Dadurch bestand ein hohes Anschlagsrisiko und ein Entführungsrisiko. Seit Anfang Oktober 2009 hat sich die Sicherheitslage aber beruhigt, da die Mehrzahl bewaffneter Gruppen ein Amnestieangebot der Regierung angenommen und ihre Waffen abgegeben hat (so Lagebericht des AA vom 6.5.2012 und 28.8.2013). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes gingen aber die früher vorkommenden Entführungen und Geiselnahmen in der Mehrzahl auf das Konto von kriminellen Banden und Splittergruppen von NDPVF (Niger Delta Peoples Volunteer Force) oder der MEND (Movement for Emancipation of the Niger Delta). Der frühere Staatspräsident Yar Àdua hat die Delta-Region zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht. Aufgrund des Amnestieprogramms haben aber die im Niger-Delta aktiven Rebellengruppen ihre Waffen abgegeben und einen unbefristeten Waffenstillstand erklärt (FAZ vom 27.10.2009 „MEND-Gruppe erklärt Waffenruhe“ und NZZ vom 6.10.2009 „Erfolg der Amnestie in Nigeria“). Der neue Präsident Jonathan, selbst aus dem Ölstaat Bayelsa stammend, setzt das Amnestieprogramm fort (so Lagebericht AA vom 6.5.2012). Seit dem Auslaufen des Amnestie-Programms unter Präsident Buhari hat sich aber die Lage im Niger-Delta verschlechtert. Es kam zu zahlreichen Anschlägen auf Öl-Pipelines. Die staatliche Seite scheint in dem Konflikt vornehmlich auf militärische Lösungen und weniger auf Dialog zu setzen (so Lagebericht des AA vom 21.11.2016).
Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit und verbietet, eine bestimmte Religion zur Staatsreligion zu machen. Im Vielvölkerstaat Nigeria mit einer überwiegenden muslimischen Bevölkerung im Norden und einer christlich bzw. traditionellen Religionen verpflichteten Bevölkerung im Süden ist die Garantie der Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z.B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Allerdings ist die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen – lokal unterschiedlich – nur schwach ausgeprägt. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlich bzw. muslimischen Minderheiten problematisch. Häufig liegen immer wieder vorkommenden lokalen religiösen Auseinandersetzungen jedoch wirtschaftliche, soziale und ethnische Konflikte zugrunde (so Lagebericht des AA vom 6.5.2012 und 28.8.2013).
In den zwölf nördlichen Bundesstaaten wurde im Jahr 2000 die Sharia eingeführt. Von der Anwendung von Sharia-Vorschriften (Verbot des gemischten Schulunterrichts, kein Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit, Geschlechtertrennung in Bussen, Verbot der Beförderung von Frauen auf Motorrädern), sind auch Nicht-Muslime betroffen. Im Norden Nigerias sind radikal-islamische Sekten entstanden. Bei Kämpfen mit den Sicherheitskräften kam es bereits zu Hunderten Todesopfern (so FAZ vom 30.12.2009). Seit Anfang 2011 hat sich die Lage im Nordosten und in Teilen Zentralnigerias deutlich zugespitzt. In einigen Regionen kommt es fast täglich zu Anschlägen der islamistischen Gruppe Boko Haram (so Lagebericht des AA vom 6.5.2012, 28.8.2013 und 28.11.2014).
Die Sicherheitskräfte gehen insbesondere seit Verhängung des Ausnahmezustandes in Yobe, Borno und Adamawa im Mai 2013 gegen mutmaßliche Terroristen mit äußerster Härte vor (so Lagebericht des AA vom 28.8.2013 und 28.11.2014). Im Nordosten und Zentrum Nigerias hat sich aber die Sicherheitslage insgesamt verbessert (so Lagebericht des AA vom 21.11.2016).
Bezüglich des Nordostens häufen sich die Befürchtungen, dass das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Christen und Muslimen, vor allem im Nordosten durch den BokoHaram-Konflikt schwer beschädigt worden ist. In der zweiten Hälfte 2014 gelang es den terroristischen Islamisten von Boko Haram, im Nordosten Nigerias ein eigenes „Kalifat“ zu errichten, das bis Januar 2015 die territoriale Fläche von Belgien erreicht hatte. Erst seit Februar 2015 konnte die nigerianische Armee mit Unterstützung von Truppen der Nachbarstaaten den größten Teil dieses Territoriums zurück erobern. Boko Haram ist zwar nicht mehr in der Lage, größere Gebiete zu kontrollieren, ebenso wenig gelingt es jedoch den Sicherheitskräften, die befreiten Gebiete auch im ländlichen Raum dauerhaft zu sichern (so Lagebericht des AA vom 21.11.2016).
In der nigerianischen Verfassung ist die Gleichberechtigung der Frau verankert. Frauen werden aber in der Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Die Praxis der Genitalverstümmelung ist nach wie vor verbreitet, aber rückläufig (so Lagebericht des AA vom 21.11.2016). Frauen und Kinder werden auch verstärkt Opfer von Menschenhändlern, die sie zur Ausübung der Prostitution ins Ausland verschleppen. Diskriminierung im Arbeitsleben ist nach wie vor an der Tagesordnung. Alleinstehende Frauen begegnen besonderen Schwierigkeiten. In dem traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familien ausgesetzt und können diesem nur durch Umzug in eine Stadt umgehen, in der weder Familienangehörige noch Fremde der Familie leben (so AA vom 28.8.2013 S. 17).
Gewalt ist in der nigerianischen Gesellschaft alltäglich. Armut, mangelnde Bildung, Korruption der Staatsorgane und damit einhergehende Perspektivlosigkeit, vor allem junger Männer, bilden ideale Voraussetzungen für eine latente Gewaltbereitschaft aus politischen, religiösen oder wirtschaftlichen Motiven. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität befriedigend zu kontrollieren. Zudem geht ein Teil der Kriminalität nach allgemeiner Auffassung auf das Konto der Polizei bzw. des Militärs selbst. Um der verunsicherten Bevölkerung ein gewisses Maß an Schutz angedeihen zu lassen, treten in den Regionen bestimmte Organisation in Form von ethnischen Vigilantengruppen in der Bevölkerung auf (so Lagebericht des AA vom 6.5.2012 und 28.8.2013). Abgelegene Gebiete im Niger-Delta sind aber noch bis heute ein rechtsfreier Raum.
Es gibt in Nigeria keine Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien. Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Niger-Delta handelte es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen Gruppen einerseits und Ölfirmen bzw. der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten der unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Allerdings hat der Amnestie-Prozess, der Ende 2015 ausgelaufen ist, im Ganzen wesentlich zu einer Befriedigung der Sicherheitslage im Niger-Delta beigetragen (so Lagebericht des AA vom 3.12.2015, S. 18). Nach dem Auslauf des Amnestieprogramms am 15.12.2015 unter Busari kommt es aber zu willkürlichen Verhandlungen, extralegalen Hinrichten und Folter (so Lagebericht des AA vom 21.11.2016).
Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage bis Februar 2015 auch im Zusammenhang mit der Ausrufung eines „Kalifats“ von Boko Haram (Juli/August 2014 und dem Wahljahr 2015) weiter verschlechtert. Es ist der nigerianischen Armee in Kooperation mit seinen regionalen Nachbarn inzwischen aber gelungen ist, das „Kalifat“ zu zerschlagen und den größten Teil seines Territoriums zurückzugewinnen. Es gelang aber noch nicht, die rückeroberten Gebiete dauerhaft zu sichern. (so Lagebericht des AA vom 21.11.2016, S. 17).
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil Nigerias auszuweichen. Dies kann allerdings zu wirtschaftlichen und sozialen Problemen führen, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie, der erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der anhaltenden schlechten Wirtschaftslage und der Bedeutung derartiger Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es schwierig, an Orten, in denen kein solches soziales Netz besteht, Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung zu erhalten (so Lagebericht des AA vom 6.5.2012, 28.8.2013, 3.12.2015 und 21.11.2016). Erkenntnisse darüber, dass abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftungen bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt (so Lagebericht des AA vom 6.5.2012, 28.8.2013, 3.12.2015 und vom 21.11.2016).
b. Unter Gewichtung und Abwägung all dieser Umstände kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass den Klägern bei einer Rückkehr in ihre Heimat durch die Machthaber und/oder andere Akteure keine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG droht.
Die Voraussetzungen einer politischen Verfolgung durch den Staat oder Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (§ 3 c AsylG) liegen bei der Klagepartei nicht vor. Dafür, dass die Klagepartei in ihrer Heimat asylerhebliche Nachstellungen befürchten müsste, konnte dem Vorbringen vor dem Bundesamt und im gerichtlichen Verfahren nichts entnommen werden.
Ebenso wenig kann dem Vorbringen entnommen werden, dass eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure nach § 3 c Nr. 3 AsylG droht. Ein individuelles Verfolgungsschicksal hat die Klagepartei weder vor dem Bundesamt noch im gerichtlichen Klageverfahren glaubhaft geltend gemacht.
Der Vortrag der Kläger, dass der Kläger zu 1) im Dorf O… ein Anführer der Dorfjugend gewesen sei und diese gegen einen reichen Mann gekämpft habe, weil er ihr Land habe wegnehmen wollen, ist nicht glaubhaft. Dazu ist der Vortrag der Kläger zu vage und ungenau. In der mündlichen Verhandlung konnten sie auch nicht aufklären, warum sie von einem Dorf O… sprechen. O… ist eine Stadt in Nigeria mit 70.000 Einwohnern. Das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Foto über ein zerstörtes Haus beweist nicht, dass die Kläger dieses Haus besessen haben und es in diesem Ort steht oder dass es bei den Kämpfen durch den reichen Mann zerstört worden ist. Das Foto zeigte nur ein zerstörtes Haus, das vom Busch überwachsen war. Es kann sich um jedes beliebige Haus in Nigeria handeln, das zur Ruine geworden ist. Zudem ist auch die Darstellung der Kläger, wie sie von einem zweiten Anführer gewarnt worden seien und dann entkommen konnten, sehr realitätsfremd. Wäre der Kläger zu 1) tatsächlich als Anführer verfolgt worden, hätte er nicht so einfach entkommen können. Das Gericht folgt im Übrigen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid und sieht gemäß § 77 Abs. 2 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab. Auch die ins gerichtliche Verfahren vorgelegten Bestätigungen beweisen nichts, sondern sind Vordrucke zur vielfältigen Verwendung in Europa.
Es wird der Klägerin zu 2) nicht abgenommen, dass sie Biafra-TShirte in ihrem eigenen Laden gedruckt und verkauft habe und deshalb verfolgt werde. Dies hat die Klägerin zu 2) erst im gerichtlichen Verfahren vorgetragen. Vor dem Bundesamt hat sie dies aber nicht erwähnt. Es handelt sich hier um ein gesteigertes Vorbringen. Zudem ergab die Befragung der Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung, dass sie keine Kenntnisse über die Unabhängigkeitsbewegung für Biafra hat. Sie konnte nicht einmal die in Nigeria sehr bekannte Organisation für die Befreiung Biafras nennen. Es wird der Klägerin deshalb nicht abgenommen, dass sie aus diesem Grunde verfolgt würde.
Das weitere Vorbringen der Klägerin zu 2) im gerichtlichen Verfahren, das das Schicksal der Klägerin zu 2) in der ersten Ehe darstellt, ist zwischenzeitlich überholt. Die Klägerin zu 2) lebt derzeit offenbar mit ihrem gegenwärtigen Mann in einer guten Ehe und hat mit ihm gemeinsame Kinder.
Die Zugehörigkeit zu der Gruppe der Christen oder Muslime oder anderen Religionsgruppen begründet für Nigeria keinen Verfolgungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Es fehlt an einer Verfolgungshandlung mit asylrelevanten Merkmalen. Nur wenn die begründete Furcht vor Verfolgung im Wesentlichen auf die asylrelevanten Merkmale (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politische Überzeugung im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AsylG zurückzuführen ist, begründet sie Verfolgungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. den in § 3 b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3 a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3 a Abs. 3 AsylG), ansonsten ist allenfalls der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen. Angesichts der Größe der Religionsgemeinschaften fehlt es an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 21.4.2009 – 10 C 11.08 die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen für die Feststellung einer Gruppenverfolgung auch für die neue Rechtslage bestätigt. Danach setzt die Annahme einer Gruppenverfolgung voraus, dass die gegen diese Gruppe gerichteten Verfolgungshandlungen so intensiv und zahlreich sind, dass jedes einzelne Mitglied der Gruppe daraus die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit herleiten kann. Um diese Verfolgungsdichte festzustellen, müssen die Anzahl und Intensität der Verfolgungshandlungen gegenüber der gesamten Gruppe ermittelt und zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden (s. Pressemitteilung des BVerwG Nr. 22/2009). Eine Gruppenverfolgung wäre nur dann gegeben, wenn für jeden Angehörigen der jeweiligen Gruppe nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht. Dies ist in Nigeria nicht der Fall.
3. Der Klagepartei stehen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 AufenthG zu. Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht (subsidiärer Schutz).
Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG kann der Klägerpartei nicht zugebilligt werden. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage, wonach eine Schutzgewährung nach dieser Vorschrift Verfolgungsmaßnahmen einer staatlichen oder staatsähnlichen Gewalt voraussetzten, kann nach geltender Rechtslage in Umsetzung des Art. 6 Buchstabe c der Richtlinie 2004/83/EG, nunmehr Richtlinie 2011/95/EU, ein den subsidiären Schutz auslösender ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen (vgl. § 3 c Nr. 3 und § 4 Abs. 3 AsylG und auch zur früheren Rechtslage BVerwG vom 12.6.2007 Az. 10 C 24/07). Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Klägers im Herkunftsstaat (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Außerdem dürfte keine interne Schutzmöglichkeit nach § 3e AsylG bestehen (§ 4 Abs. 3 AsylG).
Im vorliegenden Fall liegt ein subsidiärer Schutzanspruch § 60 Abs. 2 AufenthG nicht vor. Denn dies setzt voraus, dass eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht (§ 4 Abs. 3 AsylG). Eine allgemeine Bedrohung genügt dafür nicht (vgl. Erwägungsgrund 26 der Richtlinie 2004/83/EG).
a. Eine tatsächliche Gefahr für die Verhängung der Todesstrafe oder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ist nicht glaubhaft gemacht worden.
b. Der Kläger kann sich auch nicht auf § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG berufen. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist dieser Begriff völkerrechtlich zu verstehen und setzt eine gewisse Qualität eines Konfliktes voraus (vgl. BVerwG vom 24.6.2008 a.a.O.). Das Bundesverwaltungsgericht stellt zur Präzisierung des Begriffs auf Artikel 1 Ziffer 1 des am 8. Juni 1977 abgeschlossenen Zusatzprotokolls II (ZP II) zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte ab (BGBl 1990 II S. 1637). Danach findet das Protokoll auf alle bewaffneten Konflikte Anwendung, die von Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfasst sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen.
Das Bundesverwaltungsgericht folgert hieraus, dass ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts dann nicht vorliege, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt seien, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handele wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Der Konflikt müsse ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele seien Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liege auch dann vor, wenn die oben genannten Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebiets erfüllt seien. Ein aus seinem Herkunftsstaat Geflohener könne nur dann auf eine landesinterne Schutzalternative verwiesen werden, wenn diese außerhalb des Gebietes eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikt liege. Damit werde anerkannt, dass sich ein innerstaatlicher Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken müsse.
Art. 15 Buchstabe c der Richtlinie verlangt dem Wortlaut nach „eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.“ Dies entspricht den Tatbestandsmerkmalen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG „ernsthafte individuelle Bedrohung“. Demnach lässt diese Vorschrift keine allgemeine Bedrohung genügen, sondern setzt eine individuelle Bedrohung voraus (vgl. BVerwG vom 24.6.2008 a.a.O., vom 15.5.2007 Az. 1 B 217/06 zur früheren Rechtslage). Nach dem Erwägungsgrund 26 der Qualifikationsrichtlinie stellen Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre.
Nach einer Vorabentscheidung des EuGH vom 17. Februar 2009 Az. C 465/07 ist Art. 15 Buchst. c der Richtlinie wie folgt auszulegen:
„ – Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung eines Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.
– Das Vorliegen einer solchen Bedrohung kann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf subsidiären Schutz befasst sind, oder der Gerichte eines Mitgliedsstaats, bei denen eine Klage gegen die Ablehnung eines solchen Antrags anhängig ist, ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder ggf. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.“ (s. EuGH a.a.O., Rz 35 und 43).
Dabei kann der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Kläger Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (so EuGH a.a.O., Rz 39).
Im Niger-Delta besteht derzeit kein bewaffneter Konflikt mehr. Im Norden Nigerias kommt es bei Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und islamischen Sektenmitgliedern immer wieder zu Todesopfern. Doch besteht dieser Konflikt nicht landesweit und beschränkt sich auf drei Provinzen im Nordosten Nigerias.
Selbst wenn man für die Herkunftsregion der Klagepartei vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausginge, hat aber auch dort der Grad der willkürlichen Gewalt nicht ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson allein durch ihre Anwesenheit dort tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne des Art. 15 c der Richtlinie ausgesetzt zu sein. Eine solche individuelle Bedrohung kann vorliegen, wenn entweder besondere gefahrenerhöhende individuelle Umstände vorliegen oder – wenn ausnahmsweise ein besonders hohes Niveau allgemeiner Gefahren im Rahmen des bewaffneten Konflikts vorliegt, und die betreffende Person in anderen Teilen des Herkunftslandes keinen internen Schutz finden kann (so BVerwG vom 14.7.2009 – 10 C 13.08).
Zu diesem Personenkreis, der besonders gefährdet wäre, gehört die Klagepartei nicht.
Außerdem könnte die Klagepartei in anderen Landesteilen Nigerias, in denen derartige Gefahren nicht bestehen, internen Schutz finden (§ 4 Abs. 3 AsylG).
c. Auf § 60 Abs. 5 AufenthG kann sich die Klagepartei ebenfalls nicht berufen. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dieses Abschiebungsverbot erfasst nicht nur Gefahren für Leib und Leben, die seitens eines Staates oder staatsähnlichen Organisation drohen (so BVerwG vom 13.6.2013 – 10 C 13.12). Aber die Klagepartei hat keine konkrete individuelle Gefahr geltend gemacht hat. Eine allgemeine Bedrohung genügt nicht.
d. Der Klagepartei steht auch kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind aber bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG).
Allerdings verlangt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG das Bestehen einer konkreten Gefahr ohne Rücksicht darauf ab, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zumindest zuzurechnen ist. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ genügt aber ebenso wenig wie im Asylrecht die theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Die Gefahr muss vielmehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit vorliegen, wobei das Element der „Konkretheit“ der Gefahr für „diesen“ Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation statuiert.
Eine Verdichtung allgemeiner Gefahren zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung liegt im Falle des Klägers bei einer Rückkehr nach Nigeria nicht vor. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine solche liegt nicht vor. Aus den von der Klägerin zu 2) vorgelegten ärztlichen Attesten ergibt sich keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Aus dem Attest von Dr. med. P…vom 2.1.2017 (Bl. 22 GA) ergeben sich zwar Feststellungen zu bestehenden Misshandlungsfolgen. Diese Misshandlungen liegen aber nach dem Vortrag der Klägerin zu 2) lange zurück. Es handelt sich hier um keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung. Nach einem Befundbericht vom 13.10.2015 leidet die Klägerin zu 2) offenbar auch noch an Hämorriden. Auch hier handelt es sich um keine lebensbedrohliche Erkrankung. Auch die bei der Klägerin geplante Operation wegen einer Bauchwandhernie begründet kein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen. Nach der Operation wird die Klägerin erfahrungsgemäß wieder gesund sein.
e. Es besteht unter Würdigung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch keine solche extreme Gefahrenlage im Zielstaat, die die Feststellung eines Abschiebeverbotes in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen würde. Der Kläger hat bisher nicht vorgetragen und dargelegt, dass ihm bei Rückkehr nach Nigeria eine extrem zugespitzte Gefahr droht, die die Feststellung eines Abschiebeverbotes nach dieser Bestimmung in verfassungskonformer Anwendung rechtfertigen würde (vgl. dazu BVerwG vom 23.8.2006 Az. 1 B 60/01). Wie oben ausgeführt, hat sich die allgemeine Gefahr in der Herkunftsregion des Klägers nicht so verdichtet, dass für sie eine individuelle Gefahr besteht oder gar, dass der Kläger „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. dazu BVerwG vom 14.11.2007 Az. 10 B 47/07). Auch die Versorgungslage in Nigeria mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Stromversorgung ist nicht derartig schlecht, dass eine solche Gefährdung angenommen werden müsste. Rückkehrer finden in den Großstädten eine ausreichende medizinische Versorgung vor, wenn auch in der Regel weit unter europäischem Standart (so Lagebericht des AA vom 21.11.2016). Wenn der Rückkehrer über ein soziales Geflecht verfügt, kann ein Rückkehrer auch angesichts der schlechten Wirtschaftslage bei generalisierender Betrachtungsweise ein zumutbares Existenzminimum finden. Es kann dann davon ausgegangen werden, dass er durch die Unterstützung der Großfamilie oder des sonstigen sozialen Geflechts die dafür notwendige finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung erhält.
Der Kläger zu 1) hat in Nigeria nach eigenen Angaben als Karrosseriebauer gelernt und gearbeitet. Bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise kann deshalb davon ausgegangen werden, dass er bei einer Rückkehr nach Nigeria die Familie versorgen und ihren Lebensunterhalt sichern kann.
4. Die in Ziffer 5) des Bundesamtsbescheides enthaltene Abschiebungsandrohung und Ausreiseaufforderung sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Eine Verletzung von Rechten des Klägers liegt nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ziffer 5) des Bundesamtsbescheides beruht auf §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG und trägt den Erfordernissen dieser Vorschrift Rechnung.
5. Die Befristungsentscheidung des Beklagten (Ziffer 6 des Bescheides) entspricht den gesetzlichen Vorgaben von § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind erfüllt, denn der Beklagte hat seine Entscheidung von Amts wegen zusammen mit der Abschiebungsandrohung für den Fall der Abschiebung getroffen. Auch die Ermessensentscheidung begegnet keinen rechtlichen Bedenken und beachtet Art. 11 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG), wonach die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalles festgesetzt und grundsätzlich nicht fünf Jahre überschreiten soll.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO.
Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 RVG.


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