Aktenzeichen Au 1 S 16.1264
StAG § 4 Abs. 3
PassG § 4 Abs. 1 Nr. 10, § 11, § 12 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 114 S. 1
Leitsatz
Ein im Inland geborenes Kind ausländischer Eltern erwirbt nicht nach § 4 Abs. 3 S. 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn der gewöhnliche Aufenthalt keines der Elternteile zum Zeitpunkt der Geburt im Inland lag, sondern eine familiäre Lebensgemeinschaft in der Türkei geführt wurde und durch ein Elternteil nur kurzfristige Aufenthalte zu Besuchszwecken oder für die Niederkunft im Inland gemacht wurden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerinnen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerinnen begehren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung der Einziehung von Kinderreisepässen.
Die Antragstellerin zu 1, eine türkische Staatsangehörige, wurde am … 1988 in … geboren. Sie ist in … aufgewachsen und hat hier die Schule besucht. Am 16. Dezember 2004 wurde ihr eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die ab 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fort galt. Am … 2012 heiratete sie einen in der Türkei wohnhaften türkischen Staatsangehörigen. Ihre Töchter, die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3, wurden am … 2013 und am … 2015 in … geboren. Ihnen wurden deutsche Kinderreisepässe ausgestellt. Die Antragstellerin zu 1 hielt sich mit kurzen Unterbrechungen für jeweils mehrere Monate bei ihrem Ehemann in der Türkei auf (vgl. Übersicht der Auslandsaufenthalte im Bescheid vom 16.8.2016, Blatt 179 der Behördenakte). Seit dem 18. Februar 2016 befinden sich die Antragstellerinnen in …. Aus dem Rentenversicherungsverlauf der Antragstellerin zu 1 ergeben sich seit November 2011 keine Eintragungen mehr. Sie bezog in der Vergangenheit und bezieht aktuell Leistungen nach dem SGB II (vom 24. März 2013 bis zum 31. Januar 2015, vom 1. Juli 2015 bis zum 30. November 2015, ab 1. April 2016). Die Antragstellerinnen sind krankenversichert. Sie sind in … bei den Eltern bzw. Großeltern gemeldet.
Am 22. Juni 2016 beantragte die Antragstellerin zu 1, ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG zu erteilen. Weiter beantragte sie festzustellen, dass ihre Niederlassungserlaubnis und ihr Aufenthaltsrecht aus ARB 1/80 weiter bestehen. Mit Antrag vom 6. Juli 2016 begehren die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 die Feststel 1 lung, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Hilfsweise beantragten sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2016 wurden sie zur beabsichtigten Ablehnung ihrer Anträge angehört. Mit den Schreiben vom 18. Juli 2016, vom 1. August 2016 und vom 6. August 2016 führte ihr Bevollmächtigter hierzu aus, dass die Sechs-Monats-Frist bei den Ein- und Ausreisen immer gewahrt worden sei, so dass die Niederlassungserlaubnis nicht erloschen sei. Bezogen auf den Aufenthalt der Antragstellerin zu 1 in der Türkei vom 26. Oktober 2012 bis zum 24. Februar 2013 legte er dar, dass es Schwierigkeiten zwischen ihr und ihrer Schwiegermutter gegeben habe. Sie habe nicht geplant, für einen längeren Zeitraum als den eines üblichen geringfügig verlängerten Urlaubs in die Türkei zu reisen. Sie habe an der Ehe zum damaligen Zeitpunkt nicht festhalten wollen. Deshalb habe sie der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass sie getrennt lebend sei. Der Vater der Antragstellerin zu 1 könne den Unterhalt seiner Tochter für fünf Jahre garantieren.
Mit Bescheid vom 16. August 2016 – dem Bevollmächtigten am 18. August 2016 zugegangen – forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1 auf, die Bundesrepublik Deutschland spätestens einen Monat nach Zustellung dieses Bescheids zu verlassen (Ziffer 1). Weiter wurde festgestellt, dass die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besitzen. Sie wurden ebenfalls aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland spätestens einen Monat nach Zustellung dieses Bescheids zu verlassen (Ziffer 2). Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG für die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 wurde abgelehnt (Ziffer 3). Die Abschiebung in die Türkei oder jeden anderen Staat, der zu ihrer Übernahme verpflichtet oder bereit ist, wurde angedroht (Ziffer 4). Weiter wurde die Einziehung der Kinderreisepässe Nr. G …9 und Nr. E …0 angeordnet. Der Antragstellerin zu 1 wurde auferlegt, die Kinderreisepässe innerhalb von 7 Tagen nach Zustellung des Bescheids bei der Passstelle abzugeben (Ziffer 5). Die sofortige Vollziehung der Ziffer 5 des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer 6). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der Kinderreisepässe wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,-EUR je Pass angedroht (Ziffer 7).
Der Bescheid wurde damit begründet, dass die Antragstellerin zu 1 zur Ausreise verpflichtet sei, da sie kein Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland besitze. Ihre Niederlassungserlaubnis sei sowohl gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG als auch gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen. Sie habe sich seit 2012 in drei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils mehr als sechs Monate in der Türkei aufgehalten. Kurzfristige Aufenthalte in Deutschland könnten das Erlöschen des Aufenthaltsrechts nicht verhindern. Die Ausreise sei zu keinem seiner Natur nach vorübergehenden Grund, sondern wegen ihrer Eheschließung erfolgt. Sie habe die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann in der Türkei aufgenommen und dort geführt. Sie könne auch nicht geltend machen, dass ihre Niederlassungserlaubnis auf Grund der Regelung des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erloschen sei. Für die Beurteilung, ob der Lebensunterhalt gesichert sei, sei auf den Eintritt der Erlöschensvoraussetzungen, d.h. im vorliegenden Fall April 2012, abzustellen. Da sie seit April 2012 weder rentenversicherungsfähig beschäftigt noch krankenversichert gewesen sei, müsse die Prognose über künftige Lebensunterhaltssicherungen negativ ausfallen, zumal sie in den folgenden Jahren über einen erheblichen Zeitraum Leistungen nach dem SGB II bezogen habe. Spätestens mit der Ausreise zur Hochzeit und der anschließenden Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Türkei habe sie ihr Daueraufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 verloren, da sie ihren Lebensmittelpunkt in die Türkei verlegt habe. Die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 hätten die deutsche Staatsangehörigkeit nicht gemäß § 4 Abs. 3 StAG erworben. Der Vater habe noch nie über einen Aufenthaltstitel bzw. einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt und erfülle die Voraussetzungen offenkundig nicht. Die Antragstellerin zu 1 habe zum Zeitpunkt der Geburten der Kinder über kein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG mehr verfügt. Mangels eines entsprechenden Aufenthaltsrechts und auf Grund des überwiegenden Auslandsaufenthalts habe zu diesem Zeitpunkt auch kein rechtmäßiger und gewöhnlicher Aufenthalt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG mehr vorgelegen. Andere Rechtsgrundlagen bezüglich des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit der Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 seien nicht ersichtlich. Es sei somit vom ausschließlichen Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit auszugehen. Beide Kinder hätten darüber hinaus kein Aufenthaltsrecht, weil sie von ihrer Mutter ein solches für sich nicht mehr ableiten könnten. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG für die Kinder sei abzulehnen gewesen. Keiner der Elternteile besitze eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt -EU. Da das Ermessen gar nicht erst eröffnet gewesen sei, habe der Antrag abgelehnt werden müssen. Andere Rechtsgrundlagen seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Einziehung der Kinderreisepässe stütze sich auf § 12 Abs. 1 PassG. Die Kinderreisepässe seien gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 PassG ungültig. Die Eintragung der deutschen Staatsangehörigkeit sei unzutreffend. Die Einziehung stünde im Ermessen der Behörde. Gründe, die in der Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Einziehung zu einem Übergewicht des privaten Interesses an der Beibehaltung führen könnten, seien nicht ersichtlich. Die sofortige Vollziehung werde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet, denn das öffentliche Interesse an einer baldigen Einziehung der deutschen Kinderreisepässe überwiege das Interesse an der aufschiebenden Wirkung einer Klage. Diese würde dazu führen, dass die Kinder für einen derzeit unabsehbaren Zeitraum in der Öffentlichkeit durch Vorlage ihres Kinderausweises weiterhin die Vermutung begründen würden, sie seien deutsche Staatsangehörige. Dies würde dazu führen, dass sie auch künftig Rechte und Vergünstigungen in Anspruch nehmen könnten, die nur Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG vorbehalten seien. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
Gegen diesen Bescheid ließen die Kläger am 1. September 2016 Klage (Au 1 K 16.1263) erheben, über die noch nicht entschieden ist. In der Hauptsache begehren sie, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheids zu verpflichten, festzustellen, dass die Antragstellerin zu 1 über eine Niederlassungserlaubnis sowie über die Rechtsstellung des § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 6 bzw. Art. 7 ARB 1/80 verfüge, die durch ihre Aufenthalte in der Türkei nicht erloschen seien. Weiter begehren sie die Verpflichtung der Antragsgegnerin festzustellen, dass die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, hilfsweise die Verpflichtung, den Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 Aufenthaltserlaubnisse nach § 33 AufenthG für jedenfalls ein Jahr zu erteilen.
Mit gleichem Schriftsatz beantragten sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der für sofort vollziehbar erklärten Anordnung der Einziehung 7 der Kinderreisepässe. Hierfür begehren sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Ihr Bevollmächtigter führte hierzu aus, dass die Niederlassungserlaubnis der Antragstellerin zu 1 nicht erloschen sei, da sie jeweils vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist nach Deutschland eingereist sei. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erlösche der Aufenthaltstitel zwar auch dann, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreise. Ein solcher Grund müsse sich aber aus besonderen Umständen ergeben. Hier reiche es keinesfalls aus, dass die Antragstellerin zu 1 zweimal relativ kurz vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und dann wieder in die Türkei geflogen sei. Ferner werde in der Rechtsprechung gefordert, dass sich der Wunsch zum dauerhaften Verlassen der Bundesrepublik manifestiert haben müsse. Dies sei hier nicht erfolgt. Sie sei in … geboren, habe ihre gesamte Schulzeit hier absolviert und abgeschlossen. Ein Leben im stark orientalisch geprägten … in der erneut vom Krieg heimgesuchten Südosttürkei sei für sie nicht vorstellbar. Hier stünde nicht objektiv fest, dass die Ausländerin nicht nur vorübergehend das Bundesgebiet verlassen habe. Sie habe weder ihre Wohnung aufgegeben, noch ihr Eigentum mit in die Türkei genommen. Sie wollte weder einer drohenden Ausweisung zuvorkommen noch vor drohender Strafverfolgung fliehen. Auch sonst seien keinerlei objektive Anhaltspunkte für eine dauernde Verlassensabsicht erkennbar. Die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 würden die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einziehungsanordnung der Kinderreisepässe. § 33 AufenthG sei eine intendierte Ermessensvorschrift. Hier sei kein Aspekt ersichtlich, der gegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis spreche.
Mit Schreiben vom 15. September 2016 führte der Bevollmächtigte weiter aus, dass von einem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis jedenfalls im Jahr 2013 nicht ansatzweise ausgegangen werden könne. Der Grund für den längeren Auslandsaufenthalt vom 26. Oktober 2012 bis zum 24. Februar 2013 liege darin begründet, dass sie ursprünglich nicht an der Ehe festhalten wollte. Sie habe nicht geplant, für einen längeren Zeitraum als den eines üblichen Urlaubs in die Türkei zu reisen. Es habe damals noch tiefste Auseinandersetzungen und Streitigkeiten zwischen ihr und ihrer Schwiegermutter gegeben. Zu diesem Zeitpunkt sei die Niederlassungserlaubnis auf keinen Fall erloschen gewesen. Ihre Angabe im Juni 2016, dass sie „eigentlich im mer mit ihrem Mann zusammen gewesen sei“, sei vor dem Hintergrund einer befürchteten Visumablehnung wegen dauerhaften Getrenntlebens erfolgt. Sie habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht einer dauernden Niederlassung in der Türkei gehabt. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich bei ihren längeren Türkei-Aufenthalten um letztlich vorübergehende Aufenthalte bis zum erfolgreichen Abschluss des Ehegat-tennachzugsverfahrens gehandelt habe. Die deutlich und erkennbar mitteleuropäisch geprägte Antragstellerin zu 1 habe sich zu keinem Zeitpunkt eine Zukunft in der Türkei vorstellen können. Dies gelte erst recht für … im Südosten der Türkei. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund habe sich ihr Ehemann im Zeitraum vom 26. Mai 2015 bis zum 22. August 2015 in Deutschland aufgehalten. Die Rechtsstellung nach Art. 6 und Art. 7 ARB 1/80 sei im Zeitpunkt der Geburt der Antragstellerin zu 2 am … 2013 nicht erloschen gewesen. Die Antragstellerin zu 1 habe ihr Daueraufenthaltsrecht nach ARB 1/80 nicht verloren. Ob ein türkischer Staatsangehöriger das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen und dadurch sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verloren habe, richte sich danach, ob er seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert habe. Im Umkehrschluss ergebe sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2015 (1 C 19.14), dass bei einer Unterbrechung eines Türkeiaufenthalts vor Ablauf von einem Jahr das Aufenthaltsrecht nicht erloschen sei. Die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 seien deutsche Staatsangehörige. Im Zeitpunkt ihrer Geburt sei die Niederlassungserlaubnis ihrer Mutter nicht erloschen. Erst recht gelte dies für das Aufenthaltsrecht nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. ARB 1/80. Aus Gründen der Rechtssicherheit müsse es der Antragsgegnerin verwehrt sein, nachträglich die deutsche Staatsangehörigkeit der Kinder in Zweifel zu ziehen. Daraus ergebe sich ein Anspruch der Antragstellerin zu 1 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Denn sie habe zusammen mit ihrem Ehemann die elterliche Sorge für mindestens ein Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit inne.
Die Antragstellerinnen beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 6 des angegriffenen Bescheids vom 16.8.2016 wird angeordnet.
Zugleich begehren sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie meint, die Klage sei unbegründet. Hierzu werde auf die Begründung des gegenständlichen Bescheids verwiesen.
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakte.
II.
Die zulässigen Anträge haben in der Sache keinen Erfolg.
1. Gegenstand der Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nach dem eindeutigen Wortlaut nur die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung der Einziehung der Kinderreisepässe unter Ziffer 6 des Bescheids vom 16. August 2016. Der Bevollmächtigte der Antragstellerinnen hat dies auch ausdrücklich in seinem Schreiben vom 28. September 2016 klargestellt.
2. Die Anträge sind unbegründet, da überwiegende Interessen der Antragstellerinnen nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben sind und die Anordnung des Sofortvollzugs auch keinen formellen Bedenken begegnet.
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wurde zunächst den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend schriftlich begründet.
Die Vollziehbarkeitsanordnung muss mit einer auf den konkreten Fall abgestell21 ten und nicht lediglich formelhaften schriftlichen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts versehen werden. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von den von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 84 und 85).
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen im angegriffenen Bescheid gerade noch gerecht. Auf der Seite 7 wird sehr knapp dargelegt, warum ein weiteres Zuwarten im öffentlichen Interesse nicht mehr vertretbar ist. Eine aufschiebende Wirkung der Klage würde dazu führen, dass die Antragstellerinnen zu 2 und 3 für einen unabsehbaren Zeitraum in der Öffentlichkeit durch die Vorlage der Kinderausweise weiterhin den Anschein begründen könnten, deutsche Staatsangehörige zu sein.
b) Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen der Antragstellerinnen und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Besondere Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu, soweit sie im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits beurteilt werden können.
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zu Ungunsten der Antragstellerinnen aus. Die Klage wird diesbezüglich in der Hauptsache keinen Erfolg haben.
aa) Die Einziehung der Kinderreisepässe ist rechtmäßig.
Nach § 12 Abs. 1 PassG kann ein nach § 11 PassG ungültiger Pass eingezogen werden. Ein Pass ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 PassG ungültig, wenn Eintragungen nach diesem Gesetz fehlen oder – mit Ausnahme der Angaben über den Wohnort oder die Größe – unzutreffend sind. Ein Pass enthält nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 PassG Angaben über die Staatsangehörigkeit des Passinhabers. Ergibt sich nach Ausstellung des Passes, dass der Passinhaber entgegen der Eintragung im Pass nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, so ist die Eintragung im Pass unzutreffend und dessen Einziehung rechtmäßig.
bb) Vorliegend haben die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 entgegen der Eintragung in ihren Kinderreisepässen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Geburt im Inland, wenn ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Nr. 1) und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt (Nr. 2). Beide Kinder wurden zwar in Deutschland geboren. Die Antragstellerin zu 1 hatte aber weder bei der Geburt der Antragstellerin zu 2 am 1. Mai 2013 noch bei der Geburt der Antragstellerin zu 3 am 26. Juli 2015 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Ein Ausländer hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit im Inland lebt und die Beendigung seines Aufenthalts mithin ungewiss ist (vgl. Marx in GK-StAR, Stand Juni 2016, § 4 Rn. 243). Diese Anforderungen erfüllte die Antragstellerin zu 1 bei der Geburt ihrer Kinder nach Auffassung der Kammer nicht. Sie hat sich spätestens seit 16. April 2012 bis Februar 2016 mit lediglich kurzen Unterbrechungen überwiegend bei ihrem Verlobten bzw. Ehemann in der Türkei aufgehalten. Die Aufenthalte in Deutschland betrugen in der Regel nur 2 bis 3 Wochen zu Besuchszwecken, abgesehen von den Zeiten, in welchen sie ihre Kinder in Deutschland geboren hat (jeweils 2 bis 3 Monate). Sie hat überwiegend bei ihrem Ehemann in der Türkei gelebt, um dort ihre familiäre Lebensgemeinschaft zu führen. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt lag somit zum Zeitpunkt der Geburten ihrer Kinder nach Überzeugung der Kammer nicht in Deutschland, sondern bei ihrem Ehemann in der Türkei. Die jeweils kurzfristigen Besuchsaufenthalte in Deutschland – auch die längeren Aufenthalte zur Geburt ihrer Kinder -konnten demgegenüber keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründen. Somit haben die Antragsteller zu 2 und 3 bei ihrer Geburt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Die Eintragung der deutschen Staatsangehörigkeit in ihren Pässen war unzutreffend und deren Einziehung daher rechtmäßig. Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen stehen der Einziehung Gründe der Rechtssicherheit nicht entgegen. Die Antragsgegnerin hat auch das ihr zustehende Ermessen ausgeübt. Ausgehend von dem durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Prüfungsrahmen bestehen hiergegen keine rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin hat erkannt, dass und in welcher Art und Weise sie Ermessen auszuüben hat. Sie hat sämtliche Gesichtspunkte in ihre Entscheidung einbezogen. Sie hat diese Aspekte vertretbar gewichtet und ein sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung haltendes Ergebnis gefunden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Antragstellerinnen haben als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Die Kammer hat sich am Regelstreitwert orientiert (Nr. 30.1 VwGStreitwert Anh) und hiervon im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hälfte angesetzt.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann gleichfalls keinen Erfolg haben.
Nach § 167 VwGO i.V.m. § 115 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren wirt31 schaftlichen und persönlichen Verhältnissen die Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind, wie oben ausgeführt, nicht erfüllt.