Verwaltungsrecht

Entlassung eines Soldaten auf Zeit wegen Ausübung einer nicht genehmigten Tätigkeit als Tippgeber

Aktenzeichen  6 CS 19.940

Datum:
19.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13803
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 3, § 7, § 11, § 17 Abs. 2 S. 1, § 20 Abs. 1, § 55 Abs. 4
VwGO § 146 Abs. 4
BGB § 652

 

Leitsatz

1. Bei der von einem Soldaten ausgeübten, durch Provisionen abgegoltenen Tätigkeit als Tippgeber handelt es sich zweifelsfrei um eine vorab genehmigungsbedürftige Nebentätigkeit, da jede entgeltliche Nebentätigkeit eines Soldaten der vorherigen Genehmigung bedarf; die Ausnahmeregelung des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SG erfasst nur bestimmte unentgeltliche Nebentätigkeiten. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kann dahinstehen, ob die vom Dienstherrn erteilte Belehrung über nicht genehmigungsfähige Nebentätigkeiten die Tätigkeit als Tippgeber umfasst, da der Belehrung eindeutig zu entnehmen ist, dass die Aufnahme der Ausübung einer Nebentätigkeit bei Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit grundsätzlich der vorherigen Genehmigung (Genehmigungspflicht) bedarf. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 S 18.3695 2019-03-28 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 28. März 2019 – M 21 S 18.3695 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.841,28 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller trat am 1. Juli 2014 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Bundeswehr ein. Seine Dienstzeit wurde zunächst auf sechs Monate, im weiteren Verlauf auf drei Jahre und schließlich auf sechs Jahre mit einem Dienstzeitende am 30. Juni 2020 festgesetzt.
Mit Bescheid vom 28. November 2017 entließ die Antragsgegnerin den Antragsteller gemäß § 55 Abs. 4 Satz 2 SG mit Ablauf eines Monats nach Zustellung der Verfügung (4.12.2017/4.1.2018). Zur Begründung führte sie aus, er habe dadurch seine Dienstpflichten gemäß §§ 7, 11 und 20 SG verletzt, dass er seit mindestens November 2015 im Rahmen einer unangemeldeten Nebentätigkeit als Tippgeber für die Firma P. GmbH Kameraden in Liegenschaften der Bundeswehr angesprochen, deren Daten als Interessenten für Versicherungsprodukte der P. GmbH an diese weitergeleitet und dafür eine Provision in Höhe von 6.561,64 Euro erhalten habe. Der Antragsteller entspreche nicht den an die charakterliche Integrität eines angehenden Offiziers zu stellenden Anforderungen, der seiner Vorbildfunktion und besonderen Verantwortung gegenüber einer Vielzahl anderer Soldaten gerecht werden müsse. Dass er trotz Kenntnis des Verbotes der Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit fortgesetzt und beharrlich für die P. GmbH gearbeitet und dafür hohe Provisionen erhalten habe, lasse auf eine Disziplinlosigkeit und charakterliche Mängel schließen, die bei einem künftigen Offizier und Vorgesetzten nicht geduldet werden könnten.
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2017 legte der Kläger Beschwerde gegen den Entlassungsbescheid ein, über die bisher noch nicht entschieden worden ist.
Am 14. März 2018 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Minden beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde gegen den Entlassungsbescheid anzuordnen. Dieses hat sich mit Beschluss vom 12. Juli 2018 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München verwiesen.
Mit Beschluss vom 28. März 2019 hat das Verwaltungsgericht München den Antrag abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen die Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit zu Recht abgelehnt und sich darauf gestützt, dass die angefochtene Entlassungsverfügung bei summarischer Prüfung nach § 55 Abs. 4 Satz 1 und 2 SG rechtmäßig ist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache deshalb voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), führen zu keiner anderen Beurteilung.
Nach § 55 Abs. 4 Satz 1 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er die Anforderungen, die an ihn in seiner Laufbahn zu stellen sind, nicht mehr erfüllt. Hierbei handelt es sich um eine Entlassung wegen mangelnder Eignung in Bezug auf die geistige, körperliche und charakterliche Eignung im Sinn von § 3 SG. Die Beurteilung der Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei welcher der zuständigen Stelle ein sog. Beurteilungsspielraum zuerkannt wird (BVerwG, B.v. 14.6.2006 – 1 WB 8/06 – juris Rn. 21). Die ge-richtliche Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder allgemein gültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden. Die Entscheidung über die Entlassung wegen fehlender Eignung steht im pflichtgemäßen Ermessen der personalführenden Stelle (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2013 – 6 ZB 12.376 – juris Rn. 4; B.v. 26.8.2013 – 6 CS 13.1459 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Gemessen an diesem Maßstab ist die Entlassung des Antragstellers aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten gerechtfertigt.
Der Antragsteller ist, obwohl er – ergänzend zu den bestehenden gesetzlichen Regelungen, deren Kenntnis von einem Offizier(sanwärter) erwartet werden kann – mehrfach über das Verbot einer unangemeldeten Nebentätigkeit belehrt worden war, wiederholt für die P. GmbH als Tippgeber tätig geworden und hat damit seine Dienstpflichten, insbesondere das Verbot der Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten (§ 20 Abs. 1 SG) und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) schuldhaft verletzt.
Die vom Verwaltungsgericht zu Recht angenommene Verletzung des Verbots der Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten bestreitet der Antragsteller mit der Begründung, es liege schon keine gewerbliche oder freiberufliche Nebentätigkeit oder Mitarbeit einer solchen im Sinn von § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SG vor. Das lässt jedoch außer Acht, dass diese Bestimmung nur bestimmte unentgeltliche Nebentätigkeiten erfasst. Da der Antragsteller für seine Tätigkeit als Tippgeber Provisionen erhalten hat, kommt jedoch die Grundvorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 1 SG zur Anwendung, wonach die Ausübung „jeder entgeltlichen Nebentätigkeit“ – mit den in Absatz 6 abschließend aufgeführten und hier nicht einschlägigen Ausnahmen – der vorherigen Genehmigung bedarf. Nebentätigkeit ist jede Tätigkeit innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes, die neben der Haupttätigkeit (Hauptverwendung) gegen Entgelt ausgeübt wird. Dass die vom Antragsteller ausgeübte, durch Provisionen abgegoltene Tätigkeit als Tippgeber von dieser Vorschrift erfasst wird, kann nicht zweifelhaft sein.
Der weitere Einwand, die von der Antragsgegnerin erteilte Belehrung über nicht genehmigungsfähige Nebentätigkeiten habe die vom Antragsteller ausgeübte Tätigkeit als Tippgeber nicht umfasst, die Antragsgegnerseite habe sich vielmehr verbindlich
auf eine Maklertätigkeit als nicht genehmigungsfähige Nebentätigkeit festgelegt, kann ebenfalls nicht überzeugen. Abgesehen davon, dass er inhaltlich nicht zutrifft, ließen Hinweise zur Genehmigungsfähigkeit die Genehmigungsbedürftigkeit der Tippgebertätigkeit nicht entfallen. Wie der Belehrung eindeutig zu entnehmen ist, bedarf die Aufnahme der Ausübung einer Nebentätigkeit bei Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit grundsätzlich der vorherigen Genehmigung (Genehmigungspflicht); darüber hinaus ist jede Form der Nebentätigkeit auf dem Campus der UniBW untersagt, sofern diese nicht in einem engen akademischen/dienstlichen Zusammenhang stehen. Die Frage, ob die danach zweifellos grundsätzlich erforderliche Genehmigung für die Tätigkeit als Tippgeber erteilt werden kann (Genehmigungsfähigkeit), stellt sich erst nach einem entsprechenden Antrag, den der Antragsteller aber trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht gestellt hat. Darauf, ob die entgeltliche Tätigkeit des Antragstellers „lediglich“ als Tippgebertätigkeit oder als Maklertätigkeit gemäß § 652 BGB einzuordnen ist, kommt es demnach nicht an. Es steht fest, dass sich der Antragsteller trotz entsprechender schriftlicher und mündlicher Belehrungen über das gesetzliche Verbot einer unangemeldeten Nebentätigkeit hinweggesetzt hat und damit vorsätzlich entgegen seinen soldatischen Pflichten über einen längeren Zeitraum seiner Beschäftigung als Tippgeber im Rahmen der Partnervereinbarung mit der P. GmbH bis zum 21. Oktober 2016 weiter nachgegangen ist.
Ein Soldat, der vorsätzlich gesetzeswidrig eine nicht genehmigte Nebentätigkeit innerhalb des Dienstes ausübt, erschüttert seine persönliche und dienstliche Integrität und zeigt charakterliche Eigenschaften, die eine mangelnde Eignung für die Offizierslaufbahn begründen. Er bietet nicht mehr die Gewähr dafür, dass er zukünftig die geforderte militärische Disziplin zeigen und sich innerhalb der Bundeswehr an Regeln und Vorschriften halten wird. Als zukünftiger Offizier mit Vorbild- und Führungsfunktion ist dies jedoch unabdingbare Voraussetzung.
Die Antragsgegnerin hat schließlich das ihr eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Bedenken hiergegen sind nicht vorgetragen (und auch nicht ersichtlich).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG (i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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