Verwaltungsrecht

Entscheidung über Berufungszulassung bei Tod des Bevollmächtigten

Aktenzeichen  24 ZB 18.1511

Datum:
26.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36158
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 244 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
VwGO § 67 Abs. 4, § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 5 S. 2, § 152 Abs. 1, § 154 Abs. 2, § 173 S. 1

 

Leitsatz

Ist wie beim Berufungszulassungsantrag keine mündliche Verhandlung vorgesehen, kann eine Entscheidung auch während der Unterbrechung des Verfahrens durch Tod eines Bevollmächtigten ergehen, wenn keine Fristen mehr laufen, alle Prozesshandlungen vorgenommen wurden, der Kläger wegen des Ablaufs der Begründungsfrist vor Eintritt der Unterbrechung mit weiterem Vortrag ausgeschlossen ist und durch die Zustellung der Entscheidung keine Frist in Lauf gesetzt wird.  (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 17.634 2018-04-24 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Das Gericht ist nicht gehindert, über den Antrag auf Zulassung der Berufung zu entscheiden, obwohl der Bevollmächtigte des Klägers mittlerweile verstorben ist. In einem solchen Fall tritt im sog. Anwaltsprozess zwar grundsätzlich die Unterbrechung des Verfahrens ein, bis sich ein neuer Bevollmächtigter bestellt (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das ist zwar bisher nicht erfolgt, obwohl der Kläger von der insoweit bestehenden Notwendigkeit mit gerichtlichem Schreiben vom 11. Dezember 2019 informiert wurde. Der Beklagte hat aber auch keinen Antrag nach § 244 Abs. 2 Satz 1 ZPO gestellt, in dessen Folge das Gericht den Kläger hätte auffordern müssen, binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist einen neuen Anwalt zu bestellen.
Dem Vertretungserfordernis vor dem Oberverwaltungsgericht des § 67 Abs. 4 VwGO ist trotz der Unterbrechung des Verfahrens hinreichend Genüge getan, sodass eine Entscheidung durch den Senat ergehen kann. Zwar darf das Gericht grundsätzlich keine Entscheidung zur Hauptsache mehr treffen, wenn das Verfahren unterbrochen ist. Ist aber wie im Fall des Berufungszulassungsantrags keine mündliche Verhandlung vorgesehen, so kann in entsprechender Anwendung von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 249 Abs. 3 ZPO eine Entscheidung auch während der Unterbrechung des Verfahrens ergehen, wenn – wie hier – keine Fristen mehr laufen, alle erforderlichen Prozesshandlungen vor Eintritt der Unterbrechung vorgenommen worden sind, der Kläger wegen des Ablaufs der Begründungsfrist vor Eintritt der Unterbrechung mit weiterem Vortrag zur Begründung des Zulassungsantrags ausgeschlossen ist und darüber hinaus durch Zustellung der Entscheidung keine Frist in Lauf gesetzt wird (OVG Schleswig-Holstein, B.v. 26.7.2019 – 4 LA 171/18; zur Nichtzulassungsbeschwerde: BFH, B.v. 27.5.2015 – X B 72/14; BGH, B.v. 20.12.2018 – IX ZR 82/16).
2. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot gestaltet das Zulassungsverfahren dahingehend, dass das gerichtliche Prüfungsprogramm im Zulassungsverfahren jedenfalls im Wesentlichen darauf beschränkt ist zu klären, ob der Rechtsmittelführer seine Darlegungslast erfüllt hat und die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung tragen (BVerfG, B.v. 23.7.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die Darlegung nur in einer Weise gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt mit zumutbarem Aufwand noch erfüllt werden können (BVerfG, B.v. 8.1.22009 – 2 BvR 758/07 – BVerfGE 125, 104). Dem Darlegungsgebot ist genügt, wenn der dargelegte Zulassungsgrund in der Sache auf einen der gesetzlichen Tatbestände zielt (BVerwG, B.v. 2.10.2003 – 1 B 33/03 – NVwZ-RR 2004, 220). Das Oberverwaltungsgericht muss sich aber nicht aus einem Darlegungsgemenge das heraussuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (BVerfG, B.v. 24.8.2010 – 1 BvR 2309/09 – BayVBl. 2011, 338). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
Der Kläger macht ausschließlich den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) geltend. Innerhalb der Frist für die Begründung der Zulassung der Berufung hat er nur vorgetragen, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche von der Entscheidung des VGH Mannheim vom 10. Oktober 2017 (Aktenzeichen 1 S 1470/17) ab, da es zu Unrecht eine pauschale Zuordnung zu einer äußerst heterogenen Anzahl von Bürgern ohne konkretes Eingehen auf seine Person vornehme. Die Divergenzrüge soll die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sichern. Eine Divergenz ist gegeben, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung eines Divergenzgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht (Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl. 2018, § 124, Rn. 50). Zwar kann auch ein Oberverwaltungsgericht ein Divergenzgericht im Sinne der Vorschrift sein. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn es sich um das für das fragliche Erstgericht zuständige Oberverwaltungsgericht handelt, sodass für die Begründung der Divergenzrüge im hier zu entscheidenden Fall eine Abweichung des Erstgerichts von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs dargelegt werden müsste, was der Kläger jedoch nicht getan hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertentscheidung folgt aus § 52 Abs. 1 i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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