Verwaltungsrecht

Entzug des akademischen Grades wegen Plagiats

Aktenzeichen  7 ZB 15.1072

Datum:
4.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 42649
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 1, S. 2, Art. 67, Art. 69
BayHSchG Art. 28 Abs. 5
VwGO § 86 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5

 

Leitsatz

1 Bei der Einholung eines externen Gutachtens, der Durchführung einer Anhörung und der Befassung der Promotionskommission mit einem Plagiatsvorwurf handelt es sich noch nicht um das eigentliche Verfahren zur Entziehung eines akademischen Grades, sondern hierdurch wird das Verfahren nur eingeleitet. Dementsprechend stellen diese Handlungen auch keine Eilentscheidungen im Sinne des Art. 28 Abs. 5 BayHSchG dar. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Sitzung eines Promotionsausschusses ist nicht als mündliche Verhandlung im Sinne von Art. 67 BayVwVfG in einem förmlichen Verfahren zu qualifizieren. (redaktioneller Leitsatz)
3 Im Verfahren zur Entziehung eines akademischen Grades verjährt eine arglistige Täuschung nicht in Anlehnung an straf- oder zivilrechtliche Vorschriften, sondern insofern ist Art. 48 BayVwVfG als spezielle Regelung anzuwenden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 K 13.954 2015-03-25 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger, der im Jahr 2000 an der Universität W. zum Doktor der Zahnmedizin promoviert wurde, wendet sich gegen den Entzug des ihm verliehenen akademischen Grades „Dr. med. dent.“. Mit Bescheid vom 15. November 2012, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 22. August 2013, hatte die Beklagte dem Kläger seinen Titel sinngemäß mit der Begründung aberkannt, seine Doktorarbeit sei in weiten Teilen ein Plagiat.
Seine dagegen gerichtete Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg abgewiesen: Das Entziehungsverfahren leide nicht an den geltend gemachten Mängeln und die – durch ein entsprechendes Gutachten bestätigte – Auffassung der Beklagten, dass die eingereichte Arbeit keine selbstständige wissenschaftliche Leistung darstelle, sei zutreffend.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter.
II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des streitgegenständlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Insoweit nimmt der Senat zunächst Bezug auf die zutreffenden Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Antragsvorbringen zu bemerken:
a) Der Entzug der Promotion ist keine – gemessen an Art. 28 Abs. 5 BayHSchG – fehlerhafte Eilentscheidung des Dekans, denn eine „Entscheidung in einer unaufschiebbaren Angelegenheit“ im Sinne dieser Vorschrift hat es nicht gegeben. Gemäß Art. 28 Abs. 5 BayHSchG kann der Dekan oder die Dekanin im Benehmen mit der Hochschulleitung in unaufschiebbaren Angelegenheiten Entscheidungen und Maßnahmen an Stelle des Fakultätsrats, der unverzüglich zu unterrichten ist, treffen. Der Kläger selbst räumt ein, dass eine derartige Entscheidung des Dekans in den Akten nicht dokumentiert ist. Lediglich in dem Protokollauszug der Sitzung des Fakultätsrats vom 24. Oktober 2011 (Bl. 93, 94 VA) ist die Rede von „Eilentscheiden“ bzw. einem „Eilentscheid“ des Dekans. Dieser in der Niederschrift ersichtlich untechnisch verwendete Ausdruck (der sich im Gesetz nicht findet) meint indes, wie das Verwaltungsgericht bereits ausführlich dargelegt hat und wie sich aus dem Gesamtkontext der Verwaltungsakten ergibt, allein das Vorgehen des Dekans nach Eingang des anonymen Schreibens mit den u. a. gegen den Kläger erhobenen Plagiatsvorwürfen im März 2011. Der Dekan hatte zur Klärung des Sachverhalts und der erhobenen Anschuldigungen zunächst ein externes Gutachten einholen lassen, sodann den Kläger angehört (Schreiben vom 13. Oktober 2011) und die Promotionskommission mit der Angelegenheit befasst. Mit diesem Vorgehen zeigten sich die Mitglieder der – für den Entzug einer Promotion zuständigen – Promotionskommission am 24. Oktober 2011 nicht nur einverstanden („Bestätigung der Eilentscheide“), sondern sprachen sich überdies für die Durchführung eines Entziehungsverfahrens („Entzug des Doktorgrades“) aus.
Dagegen ist aus rechtlicher Sicht nichts einzuwenden.
b) Das Entziehungsverfahren begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Möglichkeit der Akteneinsichtnahme durch die Mitglieder des Promotionsausschusses. Ausweislich des Protokolls der Sitzung des Promotionsausschusses der Medizinischen Fakultät der Universität W. am 5. November 2012 lagen die relevanten Unterlagen nicht nur zur Einsichtnahme im Dekanat aus und standen im Rahmen der Sitzung zur Verfügung, sondern es wurden überdies im Rahmen der Sitzung die Stellungnahme des Klägers und das externe Gutachten verlesen. Die Mitglieder des Promotionsausschusses waren damit ausreichend informiert. Soweit der Kläger hier im Übrigen den – zusätzlichen – Verweis des Verwaltungsgerichts auf den Rechtsgedanken des Art. 69 BayVwVfG (Grundsatz der eingeschränkten Unmittelbarkeit) für rechtsfehlerhaft hält, weil er nicht für Entscheidungen von Kollegialorganen gelte, übersieht er, dass es sich bei der Sitzung des Promotionsausschusses nicht um eine mündliche Verhandlung im Sinne von Art. 67 BayVwVfG in einem förmlichen Verfahren gehandelt hat (vgl. zum Ganzen: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 69, 5; § 71, 5).
c) Die Eröffnung des Entziehungsverfahrens erfolgte auch fristgerecht, da die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG hier nicht gilt. Mit dem Verwaltungsgericht ist auch der erkennende Senat der Auffassung, dass der Kläger seine Promotionsschrift, anders als er am 27. Februar 2000 ehrenwörtlich und schriftlich erklärt hat, nicht selbstständig angefertigt und deshalb den Doktorgrad aufgrund arglistiger Täuschung erlangt hat. Sein Vertrauen auf die Verleihung des Doktorgrades ist deshalb gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG nicht schutzwürdig. Die Behauptung des Klägers, nicht er habe bei einem früheren Promovenden seines Doktorvaters abgeschrieben, vielmehr sei es gerade umgekehrt gewesen, dieser habe bei ihm abgeschrieben, hält der Senat für nicht glaubwürdig: Abgesehen davon, dass der frühere Promovend bereits am 16. Dezember 1998 mündlich geprüft wurde und die ersten Exemplare seiner Doktorarbeit am 15. April 1999 bei der Universität ablieferte, während das Rigorosum des Klägers erst am 7. Juli 2000 stattfand und er seine Pflichtexemplare am 20. September 2000 bei der Uni abgab, zitiert der Kläger die Dissertation des früheren Promovenden mehrfach nicht nur im 26-seitigen Textteil seiner Promotionsschrift, sondern auch in deren 14-seitigen Literaturverzeichnis.
d) Im Übrigen ist die „angebliche Unrechtshandlung“ des Klägers auch nicht, wie er meint, „in Anlehnung an straf- oder zivilrechtliche Vorschriften“ verjährt. Art. 48 BayVwVfG stellt insoweit eine – rechtsstaatlich unbedenkliche (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 48, 5) – spezielle Regelung für die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts dar.
2. Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO darin, dass das Verwaltungsgericht davon abgesehen hat, den Professor des Klägers als Zeugen zu laden und zur zeitlichen Reihenfolge der Bearbeitung der eingereichten Doktorarbeiten zu befragen. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich dann nicht geltend gemacht werden, wenn ein anwaltlich vertretener Beteiligter davon abgesehen hat, in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag zu stellen (BayVGH, B.v. 7.12.2009 – 7 ZB 09.146 m. w. N. – juris). Die vom Klägerbevollmächtigten schriftsätzlich beantragte Zeugeneinvernahme ist lediglich als Beweisanregung, nicht aber als förmlich abzulehnender Beweisantrag im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO anzusehen (vgl. Geiger in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Rn. 24 zu § 86). Kommt das Gericht einer solchen Anregung nicht nach, verletzt es dadurch seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nur dann, wenn sich ihm die Beweiserhebung schlechthin aufdrängen musste. Dass war hier angesichts des Umstands, dass der Kläger aus der Dissertation des anderen Promovenden zitiert hat und nicht umgekehrt und des aus den Akten ersichtlichen zeitlichen Ablaufs der beiden Promotionsverfahren nicht der Fall.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 18.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014).
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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