Verwaltungsrecht

Entzug und Widerruf waffenrechtlicher und jagdrechtlicher Erlaubnisse

Aktenzeichen  24 ZB 19.69

Datum:
18.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14662
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1b, § 45 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 2, § 124a Abs. 5 S. 4
BJagdG § 18 S. 3

 

Leitsatz

1. Ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung (hier: § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG) kommt – zumal im Sicherheitsrecht – nur bei Fallgestaltungen in Betracht, die vollkommen aus dem Rahmen fallen. Dies trifft auf die erst- und einmalige Verurteilung des Inhabers der waffenrechtlichen Erlaubnis zu 60 Tagessätzen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (BAK 2,14 Promille) nicht zu. (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Wiedererteilung der waffenrechtlichen Erlaubnisse ist die Möglichkeit der Festsetzung einer Sperrfrist durch die Behörde gesetzlich nicht vorgesehen.  Für die gerichtliche „Herabsetzung“ bzw. Festsetzung einer solchen Sperrfrist ist daher kein Raum. (Rn. 10) (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 K 18.630 2018-11-27 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 18.250 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den mit Bescheid des Beklagten vom 26. März 2018 ausgesprochenen Widerruf seiner waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse und beantragt hilfsweise, die Sperrfrist für die Wiedererteilung des Jagdscheins und der Waffenbesitzkarten auf ein Jahr herabzusetzen.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 27. November 2018 im Haupt- und Hilfsantrag abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies folge aus der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1b WaffG. Aufgrund des gegen ihn wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verhängten, rechtskräftigen Strafbefehls über 60 Tagessätze besitze der Kläger die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht. Ein Ausnahmefall, in dem die Regelvermutung waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit ausgeräumt werde, liege nicht vor. Ein Anspruch auf Festsetzung bestimmter Sperrfristen bestehe auch nicht.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er ist der Auffassung, an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel. Außerdem weise die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten auf und habe grundsätzliche Bedeutung. Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG ermessensfehlerhaft ausgelegt und letztendlich als „Muss-Vorschrift“ betrachtet. Außerdem habe es die in seinem Fall bestehenden konkreten Umstände nicht korrekt gewürdigt.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Bescheid des Beklagten vom 26. März 2018, mit dem u.a. der Widerruf der zugunsten des Klägers erteilten, waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse verfügt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Rechtsgrundlage für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Zu den unabdingbaren Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis gehört auch, dass der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG), was in der Regel u.a. dann nicht der Fall ist, wenn er wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG).
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, die Voraussetzungen dieser (wie auch der jagdrechtlichen) Vorschriften seien im Fall des Klägers aufgrund des gegen ihn wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr ergangenen, rechtskräftigen Strafbefehls erfüllt und ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der gesetzlichen Regelvermutung rechtfertigen könnte, liege nicht vor. Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht sehe diese gesetzliche Regelvermutung zu Unrecht als zwingend an und gehe rechtsfehlerhaft insbesondere davon aus, dass bereits eine einzige Verurteilung in entsprechender Höhe die Regelvermutung begründe, ohne indes die für ihn streitenden, positiven Umstände seines konkreten Falles zu berücksichtigen, verfängt demgegenüber nicht. Denn das Verwaltungsgericht hat unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien sowie die einschlägige ober- und höchstgerichtliche Rechtsprechung zutreffend ausgeführt, unter welchen Umständen ausnahmsweise die Regelvermutung waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit ausgeräumt werden kann. Ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung komme – zumal im Sicherheitsrecht – nur bei Fallgestaltungen in Betracht, die vollkommen aus dem Rahmen fallen. Dies treffe auf die (erst- und einmalige) Verurteilung des Klägers, die mit den ausgesprochenen 60 Tagessätzen ein erhebliches Unwerturteil enthalte und der keine Bagatelltat zugrunde liege, nicht zu (UA S. 5 ff.). Es lägen auch keine Umstände vor, die die Tat in einem besonders milden Licht erscheinen ließen. Vielmehr habe die beim Kläger festgestellte Blutalkoholkonzentration 2,14 Promille betragen und damit die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille um beinahe das Doppelte überschritten. Auch die erheblichen, alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Klägers und das Lenken des von ihm gesteuerten Pkw in den Straßengraben stellten keine mildernden oder atypischen Umstände einer Trunkenheitsfahrt dar. Dagegen ist aus zulassungsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers weist die Rechtssache auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Der Kläger macht insoweit geltend, das Gericht habe verkannt, dass es über seinen gestellten Hilfsantrag – Herabsetzung der Sperrfrist für die Wiedererteilung des Jagdscheins und der waffenrechtlichen Erlaubnis auf ein Jahr – nicht nur hätte entscheiden, sondern dem Antrag auch hätte stattgeben müssen. Damit sind aber keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache dargelegt, sondern allenfalls der Umstand, dass der Kläger das erstinstanzliche Urteil auch in dieser Hinsicht im Ergebnis für falsch hält. Letzteres trifft aber schon deshalb nicht zu, weil für die Wiedererteilung der waffenrechtlichen Erlaubnisse die Möglichkeit der Festsetzung einer Sperrfrist durch die Behörde gesetzlich gar nicht vorgesehen und deshalb im streitgegenständlichen Bescheid auch nicht erfolgt ist und der Beklagte im Übrigen im Hinblick auf eine eventuelle Wiedererteilung des Jagdscheins von der gem. § 18 Satz 3 BJagdG grundsätzlich erlaubten behördlichen Festsetzung einer Sperrfrist keinen Gebrauch gemacht hat. Eine im Wege gerichtlicher Kontrolle stattfindende „Herabsetzung“ einer solchermaßen gar nicht festgesetzten Frist war deshalb weder möglich noch veranlasst.
3. Schließlich weist die Rechtssache auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) auf.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob das Gericht nur eine Entscheidung über Rechtmäßigkeit die Entziehung selbst oder auch über die Länge der Sperrfrist zu entscheiden hat“.
Damit ist indes eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Richtig verstanden zielt die aufgeworfene Frage darauf ab, ob das Gericht befugt oder gar verpflichtet ist, die vom Kläger beantragte Sperrfrist von einem Jahr festzusetzen. Die so verstandene Frage lässt sich jedoch ohne weiteres anhand der Gesetzeslage verneinen und ist damit nicht klärungsbedürftig. Wie oben unter 2. bereits ausgeführt, hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid in zutreffender Anwendung der gesetzlichen Vorschriften keine Sperrfristen festgesetzt, für deren gerichtliche „Herabsetzung“ bzw. Festsetzung ist daher ebenfalls kein Raum.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 47 Abs. 1 u. 3 GKG und Nr. 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019 und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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