Verwaltungsrecht

Entzug waffenrechtlicher und jagdrechtlicher Erlaubnis

Aktenzeichen  24 CS 20.1226, 24 CS 20.1260

Datum:
23.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16927
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 1 b, § 45 Abs. 2
JagdG § 18 Abs. 1b

 

Leitsatz

1. Eine Ausnahme von § 5 Abs. 1 Nr. 1 b WaffG aufgrund des Einwands, rechtlich falsch beraten worden zu sein und deshalb keine Rechtsmittel gegen einen verhängten, nach Ansicht des Antragsteller aber unrichtigen Strafbefehl eingelegt zu haben, kommt nicht in Betracht. Die Auswahl und Inanspruchnahme rechtlicher Beratung fallen in die Sphäre und den Verantwortungsbereich des Antragstellers. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsbehörde oder des Verwaltungsgerichts, rechtskräftige Strafurteile oder -befehle auf entsprechenden Vorhalt der Betroffenen hin inhaltlich zu überprüfen. Vielmehr darf die Behörde (ebenso wie das zu ihrer Kontrolle aufgerufene Verwaltungsgericht) grundsätzlich von der Richtigkeit eines rechtskräftigen Strafurteils einschließlich der darin enthaltenen Feststellungen ausgehen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 S 19.5905 2020-04-23 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Verfahren 24 CS 20.1226 und 24 CS 20.1260 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
IV. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird auf insgesamt 8.375,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klagen gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 28. Oktober 2019 und vom 11. Dezember 2019, mit denen unter anderem seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse widerrufen wurden.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechenden Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 23. April 2020 abgelehnt. Der Antragsteller, gegen den wegen Unterschlagung in neun Fällen in Tatmehrheit mit Untreue in 15 Fällen ein Strafbefehl über eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt worden ist, sei auf Grund dessen nachträglich im waffen- und jagdrechtlichen Sinn unzuverlässig geworden. Es lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 b WaffG vor, woraus zwingend folge, dass der Antragsteller die für eine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Nach der gebotenen summarischen Prüfung würden sich die angefochtenen Bescheide deshalb aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen; ein überwiegendes privates Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klagen bestehe nicht.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er hat beantragt,
„die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichts aufzuheben und nach Maßgabe dieses Gerichts zu entscheiden und die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 27.11.2019 erhobenen Klage gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarte und die hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid des Landratsamts vom 28.10.2019 sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner am 15.01.2020 erhobenen Klage gegen die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins und die hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid des Landratsamts vom 11.12.2019 anzuordnen.“
Zur Begründung lässt er unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens erklären, der Strafbefehl gegen ihn sei verhängt worden, obwohl er nicht vorbestraft gewesen sei und der Tatvorwurf maximal eine Geldstrafe von unter 60 Tagessätzen gerechtfertigt hätte. Es liege eine Ausnahme von der Regelvermutung vor. Die strafgerichtliche Entscheidung sei rechtlich zweifelhaft und er sei von seinem damaligen Rechtsbeistand hinsichtlich der Rechtswirkungen des Strafbefehls falsch beraten worden.
Der Antragsgegner – Landesanwaltschaft Bayern – hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
II.
1. Die Verfahren konnten aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden, da sie den gleichen Gegenstand betreffen.
2. Die zulässigen Beschwerden haben keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen die begehrte Abänderung der angefochtenen Entscheidung nicht. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon ausgegangen, dass der Antragsteller auf Grund des gegen ihn verhängten Strafbefehls sowohl im waffenwie im jagdrechtlichen Sinne unzuverlässig geworden ist, dass sich die angefochtenen Bescheide aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen werden und eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klagen gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht kommt. Der Senat nimmt deshalb insoweit zunächst Bezug auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Waffenbesitzkarte des Antragstellers ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Zu den unabdingbaren Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis gehört auch, dass der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG), was unter anderem dann nicht der Fall ist, wenn er wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 b WaffG).
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht nach summarischer Prüfung festgestellt, die Voraussetzungen dieser Vorschriften seien im Fall des Antragstellers erfüllt. Es bestünden keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide und die begehrte Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen des Antragstellers komme auf Grund dessen nicht in Betracht. Daran ändert der Einwand des Antragstellers, in seinem Fall sei eine „Ausnahme von der Regevermutung“ anzunehmen, weil er rechtlich falsch beraten worden sei und deshalb keine Rechtsmittel gegen den verhängten, seiner Ansicht nach aber unrichtigen Strafbefehl eingelegt habe, nichts. Die Auswahl und Inanspruchnahme rechtlicher Beratung fallen in die Sphäre und den Verantwortungsbereich des Antragstellers; ihre Konsequenzen sind diesem daher zuzurechnen. Im Übrigen lässt der Antragsteller mit seiner Argumentation außer Acht, dass bereits auf Grund der Höhe der rechtskräftig verhängten Strafe von seiner „absoluten Unzuverlässigkeit“ (vgl. dazu: Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 WaffG, Rn. 4) gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 b WaffG auszugehen ist, was die von ihm geforderte Annahme einer „Ausnahme von Regelvermutung“ rechtlich ausschließt. Denn die sogenannte „Regelvermutung“ greift – ebenso wie ihre eventuellen Ausnahmen – nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur in den weniger schweren Fällen des § 5 Abs. 2 WaffG. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend macht, der gegen ihn verhängte Strafbefehl sei unrichtig, weil der erhobene Tatvorwurf maximal eine Geldstrafe von unter 60 Tagessätzen (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 1 a WaffG) gerechtfertigt hätte und er nicht vorbestraft gewesen sei, verkennt er, dass es nicht Aufgabe der Verwaltungsbehörde oder des Verwaltungsgerichts ist, rechtskräftige Strafurteile oder -befehle auf entsprechenden Vorhalt der Betroffenen hin inhaltlich zu überprüfen. Vielmehr darf die Behörde (ebenso wie das zu ihrer Kontrolle aufgerufene Verwaltungsgericht) grundsätzlich von der Richtigkeit eines rechtskräftigen Strafurteils einschließlich der darin enthaltenen Feststellungen ausgehen (Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 WaffG, Rn. 4 m.w.N; vgl. auch BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 21 CS 17.856).
Da der Antragsteller somit nach vorläufiger Einschätzung die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt, war sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auch im Hinblick auf die verfügte Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins (§ 18 Abs. 1 BJagdG) abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedruckt b. Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anh.) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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