Verwaltungsrecht

Erbengemeinschaft – Flurbereinigungsverfahren

Aktenzeichen  13 A 18.533

Datum:
6.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 37515
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG § 1, § 4, § 37, § 59, § 115 Abs. 2, § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
AGFlurbG Art. 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 2
BGB § 187 Abs. 1
BayVwVfG Art. 38 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Der Anhörungstermin nach § 59 Abs. 2 FlurbG ist in Bayern kein Termin, in dem Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan vorgebracht werden können. (Rn. 16)
2. Die Zwei-Wochen-Frist des Art. 15 Abs. 2 AGFlurbG zur Einlegung eines Widerspruchs gegen den Flurbereinigungsplan beginnt erst am Tag nach dem Anhörungstermin, da gemäß § 115 Abs. 2 FlurbG, § 187 Abs. 1 BGB der Terminstag bei der Fristberechnung nicht mitzuzählen ist. Das schließt eine Übergabe des schriftlichen Widerspruchs im Anhörungstermin oder auch eine Einlegung zur Niederschrift aus. (Rn. 15 und 16)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 30,- Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
Der gegen den angefochtenen Verwaltungsakt erhobene Widerspruch (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FlurbG) als Prozessvoraussetzung ist verspätet. Der Kläger hat ausweislich der vorgelegten Akten Widerspruch erst mit Telefax vom 1. Mai 2014 eingelegt, nachdem die Widerspruchsfrist bereits am Donnerstag, 17. April 2014 abgelaufen war.
Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan oder seine Bestandteile können gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AGFlurbG, § 59 FlurbG nur innerhalb von zwei Wochen nach dem Anhörungstermin beim Amt für Ländliche Entwicklung schriftlich vorgebracht werden. Gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 FlurbG gelten für die Berechnung der Fristen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Danach ist bei der Fristberechnung der Terminstag nicht mitzuzählen, so dass die Zwei-Wochen-Frist erst am Tag nach dem Anhörungstermin beginnt (§ 115 Abs. 2 FlurbG, § 187 Abs. 1 BGB). Da der Anhörungstermin vorliegend am Donnerstag, 3. April 2014 stattgefunden hat und damit gemäß § 187 Abs. 1 BGB ein Ereignis für den Anfang der Frist maßgebend ist, wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet (BayVGH, U.v. 22.10.2014 – 13 A 14.1109 – juris m.w.N.). Danach hat die Widerspruchsfrist zwei Wochen später am Donnerstag, 17. April 2014 um 24.00 Uhr geendet (§ 188 Abs. 1 und 2 BGB), wohingegen das Widerspruchsschreiben erst mit Telefax vom 1. Mai 2014 bei der beklagten Teilnehmergemeinschaft einging. Die Widerspruchsfrist hatte auch zu laufen begonnen, weil der Kläger über die Rechtsbehelfsmöglichkeit ordnungsgemäß belehrt worden war (§ 58 VwGO).
Soweit der Kläger vorträgt, er habe bereits beim Anhörungstermin am 3. April 2014 einen schriftlichen Widerspruch vom 31. März 2014 übergeben, was der Vorsitzende mit handschriftlichem Vermerk bestätigt habe, vermag dies an der Unzulässigkeit nichts zu ändern. Schon aus der Formulierung in Art. 15 Abs. 2 AGFlurbG „nach dem Terminstag“ ergibt sich, dass eine Widerspruchseinlegung am Terminstag nicht möglich ist. Widerspruch kann erst am Tag nach dem Anhörungstermin innerhalb der genannten Frist eingelegt werden. In der Rechtsbehelfsbelehrung:ist das sogar neben dem Hinweis „schriftlich“ mit Unterstreichung hervorgehoben. Mit dieser Regelung hat der bayerische Gesetzgeber von der Möglichkeit des § 59 Abs. 5 FlurbG Gebrauch gemacht und nur den schriftlichen Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan innerhalb von zwei Wochen nach dem Terminstag zugelassen (Mayr in Linke/Mayr, AGFlurbG, 2012, Art. 15 Rn. 5). Das schließt eine Übergabe des schriftlichen Widerspruchs im Anhörungstermin oder auch eine Einlegung zur Niederschrift, die bis zur Novellierung der gesetzlichen Regelung im Jahr 1977 möglich war, aus. Der Wegfall dieser Möglichkeit wurde mit einem praktischen Bedürfnis erklärt. Die Beteiligten sollten vor übereilten und unnötigen Rechtsmitteln bewahrt werden; auch seien derartige unbedachte Erklärungen oftmals von sachfremden Aspekten beeinflusst (siehe Mayr in Linke/Mayr, a.a.O., Art. 15 Rn. 5). Der Anhörungstermin nach § 59 Abs. 2 FlurbG ist in Bayern damit kein Termin, in dem Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan vorgebracht werden können; er dient lediglich der Klärung noch offener Fragen der Beteiligten und gibt diesen die Möglichkeit, sich die Planregelungen (noch einmal) erklären zu lassen. Die eigentliche Anhörung der Teilnehmer hat bereits erheblich früher, insbesondere im „Wunsch“-Termin nach § 57 FlurbG, stattgefunden.
Dem entsprechen die Vermerke des Vorsitzenden des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft auf dem vom Kläger im Anhörungstermin übergebenen Schreiben (Hinweis auf Bekanntmachung und Ladung! Antrag zum Anhörungstermin!). Letztendlich bestätigt auch der Kläger im Schreiben vom 29. Dezember 2014 an den Verwaltungsgerichtshof, dass ihn der Vorstandsvorsitzende richtig über die Rechtslage informiert habe, wenn er vorträgt, jener habe behauptet, dass „ein Widerspruch noch nicht eingelegt werden könne“. Der Kläger hält das lediglich nicht für „nachvollziehbar, weil bekanntlich Widersprüche jederzeit, insbesondere bei einer Anhörung zu einer Festsetzung eingelegt und erklärt werden könnten“. Diese Auffassung des Klägers widerspricht jedoch der geltenden Rechtslage.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, ihm sei vom Vorstandsvorsitzenden eine Fristverlängerung bis 6. Mai 2014 rechtsverbindlich zugesagt worden. Ungeachtet der Frage, ob der Teilnehmergemeinschaft überhaupt die Verlängerung einer gesetzlichen Widerspruchsfrist möglich ist, fehlt es zum einen an der für eine Zusicherung nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG erforderlichen Schriftform. Zum anderen können weder Vorstandsmitglieder noch der Vorstandsvorsitzende ohne entsprechenden Vorstandsbeschluss eine rechtsverbindliche Zusage erteilen (BayVGH, U.v. 23.5.2011 – 13 A 10.1273 – juris). Ein derartiger Beschluss wurde ersichtlich nicht gefasst. Schon nach seinem eigenen Vortrag wurde dem Kläger im Hinblick auf das Erfordernis einer Absprache mit den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft lediglich für die Begründung des Widerspruchs eine längere Frist eingeräumt.
Schließlich hat die Beklagte auch zu Recht abgelehnt, im Ermessenswege Nachsicht zu gewähren. Nach § 134 Abs. 2 FlurbG können spätere Erklärungen trotz Versäumung zugelassen werden. Wenn bei unverschuldeter Versäumung Erklärungen unverzüglich nach Behebung des Hindernisses nachgeholt werden, muss Nachsicht gewährt werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Wie aus den Akten ersichtlich ist, wurde der Kläger, als er im Anhörungstermin seine „Vorlage zum Anhörungstermin“ übergeben hat, richtig darauf hingewiesen, dass das Schreiben nicht als Widerspruch behandelt werden könne, weil eine Widerspruchseinlegung erst am Folgetag möglich sei. Angesichts dessen liegen keine Anhaltspunkte für eine unverschuldete Fristversäumung vor, bei der gemäß § 134 Abs. 2 Satz 2 FlurbG zwingend Wiedereinsetzung zu gewähren wäre. Ob der Kläger diese gesetzliche (Fristen-) Regelung für nachvollziehbar hält, spielt keine Rolle. Schuldhaft handelt der Teilnehmer, der ohne Hindernis die ihm gewährte Möglichkeit zur Information und zur Überlegung innerhalb der gesetzlichen Fristen nicht nutzt (Wingerter in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 134 Rn. 5 m.w.N.). Hinzu kommt, dass der Kläger die Widerspruchseinlegung auch nicht unverzüglich nachgeholt hat, weil er trotz gegenteiliger (richtiger) Information der irrigen Rechtsauffassung war, mit der Übergabe des Schreibens am Anhörungstermin bereits Widerspruch einlegen zu können. Im Widerspruchsbescheid wird zutreffend darauf hingewiesen, der Kläger habe auf die Information über die Fristversäumung vom 3. Juni und 29. Juli 2014 hin erstmals anlässlich der Widerspruchsbehandlung durch den Spruchausschuss am 30. November 2017 einen Antrag auf Nachsichtgewährung gestellt. Bei dieser Ausgangslage bestand auch keine Veranlassung, nach § 134 Abs. 2 Satz 1 FlurbG im Ermessensweg Nachsicht zu gewähren, insbesondere ist kein Fehler der Behörde ersichtlich, der im Fall des Klägers zu einer offenbaren Härte führen würde (Wingerter in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 134 Rn 6 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 23.5.2011 – 13 A 10.1835 – RdL 2012, 45).
Angesichts der Unzulässigkeit der Klage kommt es auf die inhaltlichen Rügen des Klägers nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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