Verwaltungsrecht

Erfolglose Anhörungsrüge – Überraschungsentscheidung

Aktenzeichen  22 ZB 18.1944

Datum:
23.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1031
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 152a
GG Art. 80, Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn eine Entscheidung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf Gesichtspunkte gestützt wird, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht rechnen musste. Dies ist der Fall, wenn ein Gericht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nicht zu rechnen brauchte (BVerfG BeckRS 2017, 103188). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Umstand, dass ein Gericht den Schriftsatz eines Beteiligten der Gegenseite nur „zur Kenntnis“ übersendet, nicht aber zur Stellungnahme, ggf. verbunden mit einer Frist für eine solche Stellungnahme, rechtfertigt nicht den Schluss, das Gericht messe dem Schriftsatz keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 15.666 2017-12-01 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Kläger ist Nuklearmediziner mit eigener Praxis. Er wendet sich gegen einen Bescheid des Bayerischen Landesamts für Umwelt (nachfolgend: LfU) vom 21. August 2015, mit dem seine am 13. September 2004 durch das LfU erteilte strahlenschutzrechtliche Genehmigung zum Umgang mit radioaktiven Stoffen und zu deren Anwendung am Menschen widerrufen wurde, und gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 1. Dezember 2017, das seine Anfechtungsklage gegen diesen Widerruf abgewiesen hat.
Den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 17. August 2018 abgelehnt.
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger die Anhörungsrüge erhoben. Der Beklagte hat sich zur Anhörungsrüge nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie des Verfahrens 22 ZB 18.581 Bezug genommen.
II.
Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge des Klägers hat keinen Erfolg.
Aus den Darlegungen des Klägers (auf die es ankommt, vgl. § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO) ergibt sich nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 17. August 2018 den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Der Kläger benennt in seiner Anhörungsrüge keinen konkreten Vortrag, der in der Begründung seines Berufungszulassungsantrags zwar ausdrücklich enthalten gewesen, vom Verwaltungsgerichtshof aber übergangen worden sei.
2. Der Kläger beanstandet vielmehr zum Einen das Ergebnis der Würdigung seines Vortrags durch den Verwaltungsgerichtshof, indem er in der Anhörungsrüge versucht, die Bedeutung der mit Schriftsatz vom 6. April 2018 angebrachten Begründung des Zulassungsantrags zu verdeutlichen; insoweit hält es der Kläger für möglich, dass der Verwaltungsgerichtshof diesen Vortrag missverstanden habe (Anhörungsrüge vom 11.9.2018 S. 3 und 4 Buchst. b bzw. S. 5 unten). Außerdem beanstandet der Kläger, dass der Verwaltungsgerichtshof den „Schriftsatz der Gegenseite nebst ihm anhängenden Schreiben v. 14.01.2015“ (gemeint ist offenbar die Antragserwiderung vom 29.5.2018 mit dem als Anlage beigefügten Schreiben der Ärztlichen Stelle vom 14.10.2015, nicht „14.01.2015“) verwertet habe. Dies sei geschehen, obwohl der Beklagte seinen Vortrag in der Antragserwiderung (vom 29.5.2018) außerhalb einer Frist von zwei Monaten „nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung“ angebracht habe und der Verwaltungsgerichtshof sodann diese Antragserwiderung dem Kläger nicht zugestellt, sondern mit einfacher Post nur zur Kenntnis, nicht aber zur Äußerung binnen einer gesetzten Frist übermittelt habe. Hätte dagegen der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger aufgegeben, sich zum Schriftsatz des Beklagten – ggf. innerhalb einer bestimmten Frist – zu äußern, so hätte der Kläger – so sein Argument – weiter vorgetragen (diesen weiteren Vortrag führt der Kläger sodann in seiner Anhörungsrüge aus; vgl. Schriftsatz vom 11.9.2018 S. 4 Buchst. c, Nr. 2 auf S. 5 und 6).
Sinngemäß macht der Kläger demnach geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, mit der er – der Kläger – nicht habe rechnen müssen und die er, wäre damit zu rechnen gewesen, mit zusätzlichem Vortrag hätte abwenden können. Dem ist nicht zu folgen.
2.1. Eine mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbare Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn eine Entscheidung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf Gesichtspunkte gestützt wird, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht rechnen musste (BVerfG, B.v. 15.2.2017 – 2 BvR 395/16 – juris; BVerfG, B.v. 5.4.2012 – 2 BvR 2126/11 – NJW 2012, 2262 unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 14.7.1998 – 1 BvR 1640/97 – BVerfGE 98, 218/263). Im Hinblick auf (geltend gemachte) „überraschende“ Rechtsauffassungen eines Gerichts ist anerkannt, dass ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör erst dann anzunehmen ist, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nicht zu rechnen brauchte; eine solche gerichtliche Handhabung könnte im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen (BVerfG, B.v. 15.2.2017, a.a.O., Rn. 6 m.w.N.). Für das Abstellen auf tatsächliche, nicht rechtliche Gesichtspunkte, kann das Gleiche gelten.
2.2. Diese im Hinblick auf die Handhabung durch den Verwaltungsgerichtshof und auf die Würdigung des Beteiligtenvortrags erhobenen Vorwürfe ermöglichen dem Verwaltungsgerichtshof keine genaue Beurteilung, inwieweit die behaupteten Mängel eine – nach Ansicht des Klägers überraschende – Tatsachenannahme oder eine überraschende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs betreffen sollen. Dies gereicht dem Kläger aber nicht zum Nachteil. Nicht berechtigt ist indes der Vorwurf des Klägers, die vom Verwaltungsgerichtshof gegebene Begründung sei in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht überraschend und der Verwaltungsgerichtshof hätte, um eine verbotene Überraschungsentscheidung zu vermeiden, dem Kläger den Schriftsatz des Beklagten nicht lediglich zur Kenntnis zusenden dürfen, sondern den Kläger zur (etwaigen) Äußerung auffordern, ihm ggf. sogar dazu eine Frist setzen müssen. Hierfür bestand kein Anlass, wie sich aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Nichtzulassungsbeschluss vom 17. August 2018 ergibt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Einwände des Klägers dahingehend, dass das Verwaltungsgericht rechtsfehlerhaft die im Zeitpunkt des Bescheidserlasses (21.8.2015) schon bekannten dem Kläger günstigen Umstände außer Acht gelassen habe, unter Rn. 10 ff. behandelt und hierbei auszugsweise den Vortrag des Klägers zitiert (nachfolgende Hervorhebungen durch Unterstreichen sind nicht im Beschluss vom 17.8.2018 enthalten):
„… Der Kläger selbst fasst seine Einwände wie folgt zusammen:
‚Zusammengefasst: Es geht im vorliegenden Fall nicht um die Frage, ob der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachlage derjenige des Behördenbescheides ist und daher eine erst danach sich einstellende Veränderung der Sachlage nicht mehr zu berücksichtigen ist. Es geht vielmehr darum, dass im Zeitpunkt der Behördenentscheidung sich die Faktenlage substantiell anders ergeben hatte, als sie im angefochtenen Urteil zugrunde gelegt wird: Im Urteil wird zentral auf fehlende Kooperationsbereitschaft des Klägers in Zusammenarbeit mit der ÄrSt [gemeint ist: die Ärztliche Stelle] und daraus folgend eine fehlende Änderung seiner bemängelten Verfahrensweisen abgestellt. Dass eine nachhaltige Änderung eingetreten war, hatte die ÄrSt bei ihren Prüfungen der 5. Regelanforderung vom April und August 2015 festgestellt. Das hat sie dann in ihrem späteren Prüfbericht schriftlich niedergelegt. Die schriftliche Niederlegung ist nicht die Sachlage, auf die abzustellen ist. Denn die Erkenntnisse sind ja bereits in der Durchführung der Prüfung (und nicht erst in ihrer schriftlichen Fixierung) gesammelt worden. Hätte das Vordergericht die vorstehenden Überlegungen beachtet, dann hätte es den unstrittigen Vortrag hinsichtlich der substantiellen Veränderung in der Kooperation des Klägers, wie sie in der 5. Regelanforderung festgestellt wurde, berücksichtigt. Die Beurteilung, wegen der fehlenden Kooperationsbereitschaft sei der Kläger unzuverlässig, weshalb die Genehmigung zu Recht widerrufen worden sei, wäre dann anders ausgefallen.‘
(vgl. Schriftsatz vom 6.4.2018 S. 4 unten, S. 5 oben). …“)
Diesem Vortrag hat der Verwaltungsgerichtshof (unter Rn. 14 ff.) entgegengehalten, dass der genannten, vom Kläger nicht angegriffenen Antragserwiderung (Schriftsatz vom 29.5.2018 Nrn. 1.3 und 1.4 ab S. 4) zufolge der Kläger erstmals mit dem – der Erwiderung beigefügten – Schreiben der Ärztlichen Stelle vom 14. Oktober 2015 zur Vorlage von Unterlagen im Rahmen der fünften Regelanforderung aufgefordert worden sei, so dass nicht nachvollziehbar sei, wie das LfU Erkenntnisse aus dieser Regelanforderung schon im Zeitpunkt des Widerrufs (21.8.2015) hätte haben sollen.
2.3. Den oben zitierten Vortrag des Klägers hat der Beklagte ersichtlich dahingehend verstanden, dass das Verfahren zur 5. Regelanforderung – nach der Behauptung des Klägers – schon im April 2015 begonnen habe. Dieser Behauptung hat der Beklagte mit den oben geschilderten Argumenten widersprochen und damit den Wahrheitsgehalt des Klägervortrags infrage gestellt, zumindest aber den diesbezüglichen Vortrag des Klägers für erklärungsbedürftig gehalten. Diese Zweifel an der tatsächlichen Richtigkeit des Klägervortrags waren nachvollziehbar, und zwar schon aufgrund des oben zitierten Abschnitts, insbesondere aufgrund der unterstrichenen Textpassagen. Noch stärker nachvollziehbar erscheinen sie, wenn man den Inhalt des dem Kläger vorgehaltenen Schreibens der Ärztlichen Stelle (vom 14.10.2015) berücksichtigt, wie dies der Verwaltungsgerichtshof unter Rn. 15 seines Beschlusses getan und insbesondere auf den Umstand hingewiesen hat, dass (1) die Regelüberprüfungen regelmäßig alle zwei Jahre stattfinden, (2) der Kläger mit Schreiben vom 15. Oktober 2013 – also ziemlich genau zwei Jahre zuvor – über das Ergebnis der vorherigen Regelüberprüfung unterrichtet worden und (3) für die nun anstehende Regelüberprüfung aufgefordert worden sei, unabhängig von eventuell zwischenzeitlich erfolgten Zusatzanforderungen verschiedene Unterlagen vorzulegen.
Angesichts dieser geschilderten Antragserwiderung des Beklagten nebst dem Schreiben der Ärztlichen Stelle vom 14. Oktober 2015 konnte der Kläger nicht davon ausgehen, der Verwaltungsgerichtshof werde diesem Verteidigungsvorbringen des Beklagten keine entscheidungserhebliche Bedeutung beimessen. Denn es betraf offensichtlich die im Zeitpunkt des Bescheidserlasses maßgebliche Sach- und Rechtslage, zu welcher der Kläger die Rechtsauffassung vertrat, sie werde nicht nur durch den (erst nach dem Bescheidserlass angefertigten und dem LfU bekannt gewordenen) Bericht der Ärztlichen Stelle mitbestimmt, sondern auch durch tatsächlich schon vor dem Bescheidserlass beim LfU vorhandene, aber (nur) noch nicht in einem schriftlichen Bericht niedergelegte Erkenntnisse. Eines Hinweises des Verwaltungsgerichtshofs an den Kläger auf die mögliche Entscheidungserheblichkeit dieses Vortrags bedurfte es nicht. Der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof den Schriftsatz eines Prozessbeteiligten – wie vorliegend die Antragserwiderung des Beklagten nebst Anlage – der Gegenseite nur „zur Kenntnis“ übersendet, nicht aber zur Stellungnahme oder zur „etwaigen“ Stellungnahme, ggf. verbunden mit einer Frist für eine solche Stellungnahme, rechtfertigt weder im Allgemeinen noch im vorliegenden Fall des Klägers den Schluss, der Verwaltungsgerichtshof messe dem Inhalt des Schriftsatzes keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei und es erübrige sich daher für die gegnerischen Beteiligten, auf die in dem Schriftsatz enthaltenen Tatsachen- oder Rechtsausführungen einzugehen. Eine verfahrensfehlerhafte Handhabung durch den Verwaltungsgerichtshof, wie sie der Kläger anscheinend sieht (Schriftsatz vom 11.9.2018 S. 4 Buchst. c), liegt nicht vor. Die förmliche Zustellung (statt der Übersendung mit einfacher Post) von Schriftsätzen der Beteiligten ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren weder vorgeschrieben noch üblich; eine – wie der Kläger formuliert – Zweimonatsfrist „nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung“ gibt es folglich hierfür nicht. Die vom Kläger wohl gemeinte Zweimonatsfrist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) gilt nur für diesen Anwendungsfall, nicht – auch nicht analog – dagegen für die Antragserwiderung der Gegenseite. Vielmehr kann der Rechtsmittelgegner das angefochtene Urteil ohne Bindung an Fristen verteidigen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 83). Ein allgemeiner Rechtssatz dahingehend, dass ein Vorbringen des Rechtsmittelgegners, mit dem dieser sich auf einen Schriftsatz des Rechtsmittelführers länger als zwei Monate Zeit lässt, kein oder ein geringeres Gewicht hätte oder dass es nicht ohne ausdrücklichen Hinweis des Gerichts zu Lasten des Rechtsmittelführers berücksichtigt werden dürfte, besteht nicht und lässt sich aus keiner Vorschrift ableiten. Es obliegt vielmehr – wie ausgeführt – dem Rechtsmittelführer, gegnerische Schriftsätze auf möglicherweise entscheidungserheblichen Vortrag zu untersuchen und solchem Vortrag – falls geboten – entgegen zu treten. Dies hat der Kläger vorliegend nicht getan. Nicht geltend gemacht hat der Kläger, dass der Verwaltungsgerichtshof verfrüht entschieden habe, weil er – der Kläger – sich noch zur Antragserwiderung des Beklagten hätte äußern wollen, hierzu aber nicht mehr gekommen sei, weil schon vorher der Beschluss vom 17. August 2018 ergangen sei.
2.4. Unabhängig davon, dass nach Obigem eine das rechtliche Gehör nicht verletzende Überraschungsentscheidung nicht vorliegt, ergibt sich aus der Anhörungsrüge auch nicht überzeugend, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Berücksichtigung desjenigen Vortrags die Berufung hätte zulassen sollen, den der Kläger nunmehr nachgereicht hat. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat auch darauf abgestellt, dass der Widerruf der dem Kläger erteilten strahlenschutzrechtlichen Umgangsgenehmigung nicht aufgrund einzelner Beanstandungen der Ärztlichen Stelle, sondern wegen einer Vielzahl von Aspekten verfügt worden sei, die in die Gesamtwürdigung der Tatbestandsvoraussetzungen (§ 17 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AtG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 StrISchV) eingeflossen seien, und dass außerdem auch die fünfte Regelanforderung Mängel in maßgeblichen Bereichen aufgezeigt habe, wie dies in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2017 ausgeführt und in der Niederschrift festgehalten worden sei (Beschluss vom 17.8.2018 Rn. 16). Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof durchaus in Betracht gezogen, dass es vor Erlass des angefochtenen Widerrufsbescheides vom 21. August 2015 beim Beklagten Erkenntnisse gegeben haben könnte, die für eine Besserung der in der Vergangenheit beanstandeten Praxisverhältnisse beim Kläger gesprochen haben. Der Verwaltungsgerichthof hat solchen Verbesserungen aber kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen; er hat (Rn. 17) ausgeführt:
„Angesichts dieses erwiesenen zeitlichen Ablaufs der fünften Regelanforderung (Einleitung erst am 14.10.2015) und der hierbei erneut festgestellten Mängel im Praxisbetrieb des Klägers kann es sich bei den vom Kläger eingewandten, vor Erlass des angefochtenen Bescheids eingetretenen positiven Änderungen allenfalls um nicht repräsentative Eindrücke handeln, die bei zwischenzeitlichen Zusatzanforderungen gewonnen wurden, keinesfalls aber um die Bewertung aufgrund der turnusmäßigen regulären fünften Regelanforderung und auch nicht um eine Bewertung, die ein vergleichbares Gewicht wie eine solche Regelanforderung haben könnte. Dass das Verwaltungsgericht rechtsfehlerhaft gehandelt haben soll, indem es diesen etwaigen günstigen Änderungen keine Bedeutung gegenüber den – im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses erst vorhandenen – negativen Bewertungen aus den zurückliegenden vier Regelanforderungen beigemessen hat, ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers nicht.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat also im angegriffenen Beschluss vom 17. August 2018 – entgegen der Anhörungsrüge (S. 2 unten, S. 3 oben) – diesen Teil des Klägervortrags nicht übergangen.
3. Unter Nr. 3 (S. 6 und 7) seiner Anhörungsrüge bemängelt der Kläger, dass der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 17. August 2018 (Rn. 25) seinen zur Darlegung eines Zulassungsgrunds nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO angebrachten Vortrag, wonach es keine normative Grundlage und keine „legitimierende Konstitutionsnorm“ für die konkreten Prüfmaßnahmen der Ärztlichen Stelle gebe und damit gegen das Rechtsstaatsprinzip und gegen Art. 80 GG verstoßen werde, nicht anerkannt habe mit der Begründung, diese Behauptung des Klägers stehe „im luftleeren Raum“ und ein Bezug zu § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sei nicht erkennbar. Der Kläger erklärt diesbezüglich, dass dieser Vortrag in einem Abschnitt seiner Antragsbegründung steht, dessen Überschrift (sie lautet: „2. Grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit [§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO]“) nur versehentlich aus einem Entwurf stehen geblieben sei. Er meint aber, der Verwaltungsgerichtshof hätte erkennen müssen, dass dieser Vortrag eigentlich nicht dem Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, sondern dem nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO („ernstliche Zweifel“) zugeordnet und im Kontext mit denjenigen Ausführungen des Klägers gesehen werden müsse, die in der Antragsbegründung (vom 6.4.3028) im letzten Drittel auf S. 8 stünden.
Auch diesen Vortrag des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof aber im Beschluss vom 17. August 2018 nicht übergangen; er hat ihm lediglich nicht entnehmen können, inwiefern sich hieraus ergebnisbezogene ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des klageabweisenden Urteils ergeben sollten. Der Verwaltungsgerichtshof hat (unter Rn. 21) ausgeführt:
„Innerhalb seiner Darlegung ernstlicher Zweifel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kritisiert der Kläger den Umgang des Verwaltungsgerichts mit den schriftlichen und mündlichen Angaben der Ärztlichen Stelle (Schriftsatz vom 6.4.2017 Buchst. d ab S. 6 unten). Hierbei wird aber nicht deutlich, welchen tragenden Rechtssatz oder welche erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts der Kläger in Zweifel zieht. Seine allgemeinen Ausführungen zur historischen Entwicklung der Ärztlichen Stelle, zu den sie betreffenden gesetzlichen Regelungen, zu ihren Pflichten und Befugnissen und schließlich ihrem Verhältnis zum LfU mögen für sich genommen zutreffen. Sie sind aber ohne Belang, solange der Kläger (wie dies hier der Fall ist) nicht darzulegen vermag, welche Vorschrift oder welchen ungeschriebenen Rechtsgrundsatz das Verwaltungsgericht missachtet oder falsch angewandt haben soll und inwiefern sich hieraus ernstliche Zweifel daran ergeben sollen, dass das Urteil im Ergebnis richtig ist. Der Vortrag des Klägers unter Buchst. d (S. 6 unten bis 9 oben des Schriftsatzes vom 6.4.2018) verfehlt weitgehend die Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.“
Hinzu kommt, dass auch unter Berücksichtigung des – ohnehin weitestgehend die frühere Begründung nur wiederholenden – Vortrags des Klägers in der Anhörungsrüge die diesbezüglichen Defizite der Darlegung nicht geringer werden. Der Kläger moniert nämlich einzelne Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf S. 22 des angegriffenen Urteils, mit denen das Verwaltungsgericht der Ärztlichen Stelle eine – ihr in Wirklichkeit nicht verliehene – Befugnis zuerkannt und deshalb rechtsfehlerhaft dem Kläger vorgeworfen habe, er habe „Vorgaben“ dieser Stelle so nachhaltig missachtet, dass seine Genehmigung habe widerrufen werden dürfen. An der Herausarbeitung eines entscheidungserheblichen ernstlichen Zweifels durch den Kläger fehlt es aber immer noch, weil der Kläger sich – weiterhin – nicht damit befasst, dass das Verwaltungsgericht (im Weg des § 117 Abs. 5 VwGO) sich die Begründung des angegriffenen Bescheids zu eigen gemacht und somit darauf abgestellt hat, dass der Kläger über Jahre hinweg Grund zu Beanstandungen seiner Arztpraxis gegeben habe, dass die Berechtigung dieser Beanstandungen (soweit sie Gegenstand verwaltungs- oder amtsgerichtlicher Verfahren gewesen sind) sogar rechtskräftig festgestellt worden und dass durch die beanstandeten Mängel teilweise auch die Gesundheit von Patienten gefährdet gewesen und – weil keine Besserung in Aussicht sei – auch weiterhin gefährdet sei, dass schließlich der Kläger sogar sofort vollziehbare und/oder bestandskräftige Anordnungen nicht befolgt habe und auch durch Zwangs- und Bußgelder, die hätten beigetrieben werden müssen, nicht zur vollständigen Erfüllung seiner Pflichten habe angehalten werden können, obwohl ihm mehrmals und insgesamt ausreichend Gelegenheit zur Abhilfe gewährt worden sei. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 17. August 2018 unter Rn. 14 und 23 ausgeführt.
Nicht der Verwaltungsgerichtshof ist es demnach, der potentiell relevanten Vortrag übergangen hat. Vielmehr hat der Kläger sich nur selektiv mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts befasst. In diesem selektiven Vortrag liegende Defizite kann der Kläger (ganz unabhängig davon, ob sein Zulassungsantrag ohne diese Defizite erfolgreich gewesen wäre) nicht beheben, indem er mit der Anhörungsrüge geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe seinen Vortrag unzureichend erfasst, missverstanden oder falsch gewürdigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.


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