Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage einer geringfügig politisch aktiven Äthiopierin

Aktenzeichen  W 3 K 16.30179

Datum:
29.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135405
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 34 Abs. 1
AufenthG § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Für die Annahme einer politischen Exponierung reicht nicht aus, dass ein Asylbewerber Mitglied äthiopischer Exilorganisationen ist und an deren Veranstaltungen regelmäßig teilnimmt, vielmehr ist erforderlich, dass der Asylbewerber tatsächlich ein politisches Engagement entfaltet, das ihn als eine sich von der Masse äthiopischer Asylsuchender abhebende Person herausstellt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen.
Soweit die Klage aufrechterhalten wurde, ist die zulässige Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte, unbegründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes oder die Feststellung, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Der Bescheid des Bundesamts vom 1. Februar 2016 erweist sich im angegriffenen Umfang als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Klägerin kann die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.
Rechtsgrundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, gemäß § 3 Abs. 4 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i.S. des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S. des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundliegenden Menschenrechte darstellen, sowie Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. § 3a Abs. 2 AsylG nennt Handlungen, die als Verfolgung in diesem Sinne gelten können, z.B. die Anwendung physischer oder psychischer einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden oder Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. In § 3b Abs. 1 AsylG werden die in § 3 Abs. 1 AsylG verwendeten Begriffe Rasse, Religion, Nationalität, Gruppe und politische Überzeugung näher definiert. Gemäß § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung ausgehen vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder unter bestimmten Voraussetzungen von nichtstaatlichen Akteuren. Demgegenüber kann gemäß § 3b AsylG Schutz vor Verfolgung vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, geboten werden, sofern sie willens und in der Lage sind, wirksamen Schutz vor Verfolgung nicht nur vorübergehender Art zu bieten. Auf dieser Grundlage wird gemäß § 3e AsylG dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG wird gewährt, wenn dem Schutzsuchenden bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale Rechtsverletzungen aufgrund von Handlungen i.S. von § 3a AsylG durch einen Akteur i.S. von § 3c AsylG in seinem Herkunftsland drohen, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzen, so dass ihm nicht zuzumuten ist, in sein Herkunftsland zurückzukehren (BVerfG, B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502, 1000, 961/86 – NVwZ 1990, 151 f; BVerwG, U.v. 29.11.1987 – 1 C 33/71 – BVerwGE 55, 82, 83 m.w.N.).
Für den Erfolg des Antrags muss das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass diese die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Demgemäß setzt ein Anspruch auf der Grundlage von § 3 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei ist es seine Sache, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141.83 – Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnisse entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, U.v. 30.10.1990 – 9 C 72.89 – Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 135).
Gemessen an den dargestellten Voraussetzungen konnte die Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) glaubhaft machen, dass ihr in Äthiopien Verfolgung i.S. des § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG droht.
Soweit sich die Klägerin zur Begründung ihres individuellen Verfolgungsschicksals darauf beruft, dass ihr staatliche Verfolgungshandlungen drohen, die an ihre politische Überzeugung anknüpfen, weil sie bereits vor ihrer Ausreise aus Äthiopien politisch tätig gewesen sei, ist das Vorbringen der Klägerin nicht glaubhaft. Ihr Vorbringen hinsichtlich ihrer Verfolgungsgeschichte ist in wesentlichen Punkten oberflächlich, widersprüchlich und in sich unstimmig. Dies steht nach Überzeugung des Gerichts der Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens entgegen, da die Widersprüche und Unstimmigkeiten nicht überzeugend erklärt und aufgelöst werden konnten.
Befragt nach den Gründen für ihr politisches Engagement in Äthiopien konnte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung lediglich sehr allgemein gehaltene Angaben machen. Insoweit gab sie lediglich an, von einem Freund ihres Vaters angeworben bzw. um Hilfe gebeten worden zu sein und hinter den gleichen politischen Zielen wie dieser zu stehen, ohne diese allerdings in diesem Zusammenhang näher beschreiben zu können. Auch auf Nachfrage des Gerichts beschränkten sich ihre Ausführungen insoweit im Wesentlichen auf die pauschale Angabe, dass über „Dinge“ geschrieben würde und bekannt gemacht würde, was die Regierung im Verborgenen tue.
In der Anhörung beim Bundesamt am 8. April 2014 schilderte die Klägerin zu Beginn der Befragung, ihre Tante, die in den USA lebe, sei zum Zeitpunkt der Organisation der Ausreise der Klägerin aus Äthiopien in Äthiopien gewesen. Im weiteren Verlauf der Anhörung gab sie dagegen an, ihre Mutter habe sich mit der Tante in Amerika in Verbindung gesetzt, um das weitere Vorgehen nach dem angeblichen Aufbruch des Ladens der Klägerin abzusprechen. In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin zwar auf Nachfrage des Gerichts über die widersprüchlichen Angaben des Aufenthaltsorts der Tante zum Zeitpunkt der Organisation der Ausreise an, ihre Tante habe in den USA mit der Organisation der Ausreise begonnen und diese dann in Äthiopien abgeschlossen. Weshalb sie dies nicht von Anfang an so angab, wenn dies tatsächlich so gewesen sein sollte, blieb allerdings für das Gericht nicht nachvollziehbar.
Die insoweit bestehenden Zweifel am Vorbringen der Klägerin werden noch dadurch bestärkt, dass die Angaben der Klägerin zu ihrer Ausreise auch im Übrigen widersprüchlich erscheinen. So gab sie in ihrer Erstbefragung beim Bundesamt am 16. Januar 2013 an, nie einen Pass in der Hand gehabt zu haben und nach Ankunft in Frankfurt am Main mit dem Zug nach Gießen gefahren zu sein. Bei der Befragung durch die Regierung von Mittelfranken am 30. Januar 2013 (also noch im selben Monat wie die Erstbefragung beim Bundesamt) führte sie dagegen aus, sie habe die Papiere immer für sich vorgezeigt und sei mit dem Zug vom Flughafen zum Hauptbahnhof und vom Hauptbahnhof mit dem Taxi nach Gießen gefahren. In der mündlichen Verhandlung schilderte sie, dass sie vom Frankfurter Flughafen mit der U-Bahn zum Frankfurter Hauptbahnhof und von dort mit der Bahn nach Gießen gefahren sei. In Gießen sei sie vom Bahnhof mit dem Taxi zu der Stelle, wo sie Asyl beantragt habe. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Erklärung der unterschiedlichen Angaben ausführte, sie habe ihre Ausführungen schon bei den Anhörungen bei der Regierung von Mittelfranken und beim Bundesamt so gemeint, wie sie es jetzt in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, und nur deshalb beim Bundesamt gesagt, den Pass nie in der Hand gehabt zu haben, weil sie diesen nie für längere Zeit gehabt habe und das deshalb so empfunden habe, vermag dies die dargestellten Widersprüche und Unstimmigkeiten für das Gericht nicht nachvollziehbar aufzulösen. Es ist nicht überzeugend, dass jemand mit dem Bildungsstand der Klägerin, die nach eigenen Angaben die Schule in Äthiopien bis zur 12. Klasse besuchte, nicht in der Lage sein will, von vornherein auch zu Details der Aus- und Einreise differenzierte und in sich stimmige Angaben zu machen.
Auch das Vorbringen der Klägerin zum angeblichen Aufbruch ihres Ladens durch äthiopische Sicherheitskräfte ist unstimmig. So gab die Klägerin zum Beispiel in der mündlichen Verhandlung an, am Abend des angeblichen Einbruchs drei Anrufe von Herrn … erhalten zu haben, während sie in der Anhörung beim Bundesamt am 8. April 2014 nur zwei Anrufe schilderte. Zudem erscheint lebensfremd, dass ihr Laden erst nach Ladenschluss durchsucht worden sein soll. Nach ihren eigenen Angaben weiß die Klägerin auch gar nicht mit Sicherheit, ob ihr Laden von staatlichen Sicherheitskräften aufgebrochen wurde. So führte sie in der mündlichen Verhandlung aus, es müssten Sicherheitsleute von der Regierung gewesen sein, weil es keine typische Zeit für Einbrüche gewesen sei. Zwar hat die Klägerin auch behauptet, dass am selben Abend ein Mann, der von ihr vorbereitete Schriftstücke abgeholt habe, verschwunden sei und jemand bei der Mutter der Klägerin gewesen sei, um nach der Klägerin zu fragen. Dies erscheint jedoch nicht glaubhaft, nachdem das gesamte Vorbringen der Klägerin zu ihrer angeblichen (Schreib-) Tätigkeit für den Freund ihres Vaters (angeblich Mitglied der EPPF) oberflächlich gehalten ist, ohne von Einzelheiten oder tiefgehendem Wissen geprägt zu sein. Die Schilderung ihrer Tätigkeit ist geprägt von Detailarmut und auch die von ihr angeblich abgetippten und gedruckten Schriftstücke hat die Klägerin nur mit pauschalen Floskeln über deren Inhalt und der Angabe, es seien DIN A4-Blätter gewesen, beschreiben können.
Des Weiteren erscheint auch das Vorbringen der Klägerin zur angeblichen Verhaftung ihres Vaters durch äthiopische Sicherheitskräfte nicht glaubhaft. So hat die Klägerin bei ihrer Befragung bei der Regierung von Mittelfranken am 31. Januar 2013 angegeben, ihr Vater sei 2001 äthiopische Zeit verstorben. Sowohl in der Anhörung beim Bundesamt am 8. April 2014 als auch in der mündlichen Verhandlung gab sie dagegen an, ihr Vater sei – vermutlich Ende 2002 äthiopische Zeit – verhaftet worden und sie habe seither nichts mehr von ihm gehört. Diese Diskrepanzen in ihren Angaben vermochte die Klägerin auch auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugend aufzulösen. Soweit die Klägerin zur Erklärung der widersprüchlichen Angaben in der mündlichen Verhandlung ausführte, zu vermuten, dass ihr Vater nicht mehr am Leben sei, weil sie so lange nichts mehr von ihm gehört habe und bei ihren Anhörungen im Verwaltungsverfahren äthiopische Zeit und europäische Zeit durcheinander gebracht zu haben, vermag dies die zeitlichen Widersprüche schon deshalb nicht überzeugend aufzulösen, weil die Zeitangaben (Tod des Vaters im 9. Monat 2001, Verhaftung des Vaters etwa Ende 2002) sich auf die äthiopische und damit das der Klägerin bekannte Zeitrechnungssystem bezogen.
Gegen die behauptete Verfolgungsfurcht spricht zur Überzeugung des Gerichts auch, dass zwischen dem Abend des angeblichen Einbruchs in den Laden der Klägerin und ihrer Ausreise aus Äthiopien ca. vier bis fünf Monate später kein Interesse der Sicherheitskräfte an der Klägerin erkennbar war. Lediglich am Abend des Einbruchs selbst sollen bei der Mutter der Klägerin Erkundigungen nach der Klägerin eingezogen worden sein. Weitere Ereignisse, die auf eine Suche staatlicher Stellen nach der Klägerin schließen lassen würden, wurden nicht vorgetragen.
Die widersprüchlichen und unstimmigen Angaben der Klägerin sind nach alledem für deren Verfolgungsgeschichte derart wesentlich, dass die diesbezüglichen Widersprüche bzw. Unstimmigkeiten die Verfolgungsgeschichte der Klägerin auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Ereignisse, von denen sie vorgab zu berichten, einige Jahre zurückliegen, insgesamt als unglaubhaft erscheinen lassen. Insgesamt konnte das Gericht nicht den Eindruck gewinnen, dass die Klägerin über etwas tatsächlich Erlebtes berichtet. Damit ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin in Äthiopien keiner politischen Verfolgung ausgesetzt war.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG wegen ihrer in der Bundesrepublik Deutschland entfalteten exilpolitischen Aktivitäten. Denn das Gericht konnte sich nicht hinreichend davon überzeugen, dass der Klägerin die in § 3 Abs. 1 AsylG beschriebenen Gefahren aufgrund ihrer exilpolitischen Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
Das Gericht geht auf der Grundlage der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel davon aus, dass staatliche äthiopische Stellen Kenntnis von den oppositionellen Tätigkeiten im Ausland lebender äthiopischer Staatsangehöriger zu erlangen suchen. Die von der äthiopischen Regierung erstellte Direktive „Richtlinie für den Aufbau der Wählerschaft für den Rest des Jahres 2005/2006“ (vgl. amnesty international, Auskunft an das VG Köln vom 28.4.2008 mit einer auszugsweisen Übersetzung des Wortlauts der Direktive) zielt darauf, möglichst umfassend alle im Ausland lebenden Äthiopier namentlich zu erfassen und zu registrieren (vgl. im Einzelnen OVG NW, U.v. 17.8.2010 – 8 A 4063/06.A – juris Rn. 57). Die Informationsbeschaffung erfolgt u.a. durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Methoden, insbesondere mit Hilfe von Spitzeln. Dabei richtet sich das besondere Augenmerk auf die Aktivitäten der Auslands-CUD, deren Nachfolgeorganisation UDJ und Ginbot 7, der OLF, der ONLF und der EPRP (vgl. Günter Schröder, Auskunft vom 11.5.2009 an das VG Köln, S. 19). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die äthiopische Exilgemeinde in Deutschland so klein ist, dass auch Organisationen mit örtlich begrenztem Wirkungskreis einer Beobachtung durch staatliche äthiopische Stellen ausgesetzt sind. Dabei bezieht sich das Interesse des äthiopischen Staates nicht nur auf die Mitglieder der beobachteten Parteien, sondern auch auf deren Sympathisanten (BayVGH, Ue.v. 25.2.2008 – 21 B 07.30363 und 21 B 05.31082 – jeweils juris; OVG NW, a.a.O. – juris Rn. 64; Institut für Afrika-Kunde, GIGA, Auskunft vom 24.4.2008 an das VG Köln).
Unter welchen Voraussetzungen ein exilpolitisches Engagement eine beachtliche Verfolgungsgefahr auslöst, wird in den ins Verfahren eingeführten Berichten und Gutachten unterschiedlich bewertet. Nach Auswertung dieser Berichte und Gutachten ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die Toleranzschwelle des äthiopischen Staates gegenüber exilpolitischen Aktivitäten seiner Staatsangehörigen sehr gering ist, so dass nicht nur medienwirksam exponierte Führungspersönlichkeiten der als terroristisch angesehenen illegalen Opposition bedroht sind. Die Gefahrenabschätzung des Auswärtigen Amtes, dass nur erheblich exponierte Mitglieder von als terroristisch angesehenen Parteien verfolgt würden (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 18.12.2012), lässt sich nicht durch tatsächliche Erkenntnisse belegen. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse ist – im Anschluss an die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, Ue.v. 25.2.2008 – 21 B 05.31082 und 21 B 07.30363 – beide juris) – davon auszugehen, dass jedenfalls Personen, die sich exponiert politisch betätigt haben, mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Ausgehend von der niedrigen Toleranzschwelle des äthiopischen Staates kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls von einer Verfolgungsgefahr bereits dann ausgegangen werden, wenn sich der Asylsuchende aus dem Kreis der bloßen Mitläufer als ernsthafter Oppositioneller hervorhebt (BayVGH, U.v. 25.2.2008 – 21 B 07.30363 – juris; OVG NW, U.v. 17.8.2010 – 8 A 4063/06.A – juris Rn. 94; VG Würzburg, U.v. 17.3.2014 – W 3 K 14.30042 – und U.v. 13.2.2012 – W 3 K 10.30350 – beide juris; VG Bayreuth, U.v. 18.1.2003 – B 3 K 11.30156 – juris; VG Ansbach, U.v. 29.8.2011 – AN 18 K 10.30507 – juris; VG München, U.v. 9.8.2012 – M 12 K 12.30424 – juris).
Für die Annahme einer politischen Exponierung ist es demnach nicht ausreichend, dass ein Asylbewerber Mitglied äthiopischer Exilorganisationen ist und an deren Veranstaltungen regelmäßig teilnimmt. Vielmehr ist erforderlich, dass der Asylbewerber tatsächlich ein politisches Engagement entfaltet, das ihn als eine sich von der Masse äthiopischer Asylsuchender abhebende Person herausstellt. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall.
Die Klägerin hat zwar nachgewiesen, dass sie Mitglied der EPPFG (bzw. der aus dem Zusammenschluss mit Ginbot 7 hervorgegangenen Nachfolgeorganisation) und der EPCOU ist, diverse Versammlungen und Demonstrationen dieser Organisationen besucht hat und Texte in Exilzeitschriften veröffentlicht hat. Außerdem ist sie bei dem Internet-Radio Netsannet Le Ethiopia Radio tätig, in der EDFM bayernweit zuständig für Medien und Kommunikation („Bayer Media and communication head“) und Executive Editor bei der Zeitschrift Mekelet sowie „Head of Media and Communication“ in der EPCOU.
Dennoch erweist sich die Klägerin nicht als exilpolitisch exponierte Person. Das Gericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu ihren politischen Aktivitäten einschließlich ihrer Veröffentlichungen und ihrer Tätigkeit beim Radiosender Netsannet Le Ethiopia Radio befragt. Aufgrund ihrer Angaben erweist sich die Klägerin als weitgehend unpolitischer Mensch, der sich trotz der dargestellten exilpolitischen Aktivitäten dem äthiopischen Staat nicht als ernst zu nehmende Regimegegnerin darstellt. Die exilpolitischen Tätigkeiten der Klägerin bewegen sich vielmehr in dem Rahmen, den äthiopische Asylbewerber nach den Erkenntnissen des Gerichts regelmäßig ausfüllen. Teilnahmen an Veranstaltungen und Demonstrationen sowie Veröffentlichungen von regierungskritischen Beiträgen in Exilzeitschriften sind zum Massenphänomen geworden. Soweit die Klägerin geltend macht „Bayer Media and communication head“ der EDFM und „Head of Media and Communication“ der EPCOU zu sein, verhilft dies ihrer Klage ebenso wenig zum Erfolg wie die Tätigkeit bei dem Internet-Radio Netsannet Le Ethiopia Radio und die Position als Executive Editor bei der Zeitschrift Mekelet. Die Angaben der Klägerin lassen nicht darauf schließen, dass es sich bei diesem Posten und Tätigkeiten um real entsprechend ausgefüllte Funktionen mit echtem politischem Profil jenseits einfacher Verwaltungs-, Koordinations- und Layout-Aufgaben handelt. In ihrer Funktion als „Bayer Media and communication head“ der EDFM ist die Klägerin bislang praktisch nicht oder jedenfalls kaum nach außen in Erscheinung getreten. Den Angaben der Klägerin lassen sich diesbezüglich keine Tätigkeiten entnehmen, die über die Durchführung einfacher Telefonkonferenzen innerhalb der Organisation und die nicht näher konkretisierte, noch nicht abgeschlossene Überarbeitung der Website der Organisation gemeinsam mit anderen hinausgehen. Befragt nach ihrer Tätigkeit in der EPCOU gab die Klägerin lediglich an, „soziale Arbeit“ zu leisten, worunter sie im Wesentlichen versteht, bei Versammlungen durch das Programm zu führen. Angesichts der inzwischen massenhaft stattfindenden exilpolitischen Veranstaltungen vermag ihr all dies auch in der Gesamtschau keine exponierte Stellung im Vergleich zu anderen äthiopischen Asylsuchenden zu verschaffen.
Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin als Executive Editor einer exilpolitischen Zeitschrift. Die Klägerin vermochte weder die Struktur der Zeitschrift noch ihre eigenen Aufgaben bei der Zeitschrift transparent darzustellen. So hat sie zwar ausgeführt, für die Einsendung von Zeitschriftenbeiträgen zu werben, diese digital zu verarbeiten und gemeinsam mit einem Stellvertreter zu korrigieren und zu filtern. Allerdings hat sie auch angegeben, es würden alle eingesendeten Beiträge veröffentlicht. Eine tatsächliche Filterung der Beiträge findet also nicht statt. Aufgrund der Schilderung ihrer Tätigkeiten bei der Zeitschrift kommt das Gericht daher zu dem Schluss, dass die Aufgaben der Klägerin sich im Wesentlichen auf das Einwerben von Beiträgen, einfache redaktionelle Korrekturen der eingesendeten Beiträge vor der Veröffentlichung und das Layout beschränken. Im Hinblick auf die Angabe der Klägerin, gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Texte zu filtern, ist zudem zu berücksichtigen, dass sie zugleich ausführte, es sei ihr Stellvertreter, der für die Veröffentlichung seinen Segen geben müsse. Bei der Bezeichnung der Klägerin als „Executive Editor“ (übersetzt: Chefredakteur) handelt es sich mithin um keine real entsprechend ausgefüllte Funktion.
Das Veröffentlichen eigener Beiträge der Klägerin in dieser Zeitschrift (nach Angaben der Klägerin „manchmal“) ist auch eher die Ausnahme als die Regel. Auch ihre sonstigen Veröffentlichungen in Exilzeitschriften heben die Klägerin weder aufgrund ihrer Anzahl, noch aufgrund ihrer Länge oder ihres Inhalts aus der Masse äthiopischer Asylsuchender hervor. Auch insoweit vermag das Gericht daher keine exponierte Stellung der Klägerin in der exilpolitischen Szene zu erkennen.
In diesem Gesamtkontext begründet auch die Tätigkeit der Klägerin beim Radio keine exponierte Stellung der Klägerin im dargestellten Sinne. Nach Angaben der Klägerin sendet das Radio nur einmal die Woche ein Programm von 40 bis 60 Minuten, wobei gegenwärtig überhaupt nicht gesendet werde. Der Beitrag der Klägerin nimmt in der Regel 10 bis 20 Minuten ein, wobei sie zum Beispiel Artikel, die sie in (exilpolitischen) Zeitschriften veröffentlicht hat, oder Nachrichten vorliest. Auch in der Gesamtschau der exilpolitischen Tätigkeiten der Klägerin ist angesichts der massenhaften Veröffentlichungstätigkeit der äthiopischen exilpolitischen Szene nicht ersichtlich, dass die Klägerin mit ihrer Internetradio-Tätigkeit eine exponierte Stellung innehätte, die sie aus dem Kreis der anderen exilpolitisch tätigen Asylbewerber heraushebt.
Das Gericht geht bei dieser Bewertung davon aus, dass der Radiosender Netsannet Le Ethiopia Radio, der dem Gericht bereits aus anderen Asylverfahren bekannt ist, auch in Äthiopien zu empfangen ist bzw. gewesen ist, durch das äthiopische Regime überwacht wird und daher die für diesen Radiosender Tätigen und somit auch die Klägerin dem äthiopischen Regime bekannt sind. Da diese von der Klägerseite unter Beweis gestellten Tatsachen somit als wahr unterstellt werden, musste den entsprechenden Beweisanträgen der Klägerseite nicht weiter nachgegangen werden. Letztlich sind diese Behauptungen auch nicht entscheidungserheblich, weil allein die Verfügbarkeit des Radiosenders in Äthiopien und seine Überwachung durch äthiopische Behörden wie bei anderen exilpolitischen Medien wie Zeitschriften oder Internetseiten auch, von deren Beobachtung durch den äthiopischen Geheimdienst das Gericht ausgeht, nicht dazu führt, dass sich die beim Radio Tätigen allein hierdurch exilpolitisch exponieren.
Auf dieser Grundlage war auch dem weiteren Beweisantrag der Klägerseite nicht nachzugehen, mit dem eine Beweiserhebung beantragt wurde hinsichtlich der Behauptung, dass den für den Radiosender Netsannet Le Ethiopia Radio Aktiven bei einer Rückkehr nach Äthiopien aufgrund ihrer Tätigkeiten für dieses Radio und der damit verbundenen regimefeindlichen Aktivitäten eine menschenrechtswidrige Behandlung drohe.
Soweit der Klägerbevollmächtigte davon ausgehen sollte, hierbei handele es sich um Tatsachenbehauptungen, hat er keinen Zeugen benannt, sondern lediglich die Einholung einer Auskunft einer sachverständigen Stelle begehrt. Ein Zeugenbeweis scheidet daher schon deshalb aus, weil kein Zeuge benannt wurde und letztlich eine Bewertung bzw. ein rechtliches Subsumtionsergebnis unter Beweis gestellt werden soll. Dennoch war auch kein Sachverständigengutachten einzuholen, da sich das Gericht aufgrund der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Unterlagen selber ausreichend in der Lage sieht, eine derartige Risikoprognose zu erstellen.
Aufgabe des Sachverständigen ist es, dem Gericht anhand festgestellter Tatsachen besondere Erfahrungssätze und Kenntnisse des jeweiligen Fachgebiets zu vermitteln und aufgrund von besonderen Erfahrungssätzen oder Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen (VG Würzburg, U.v. 2.8.2013 – W 3 K 11.30103 – n.v.). Wegen der Ungewissheiten über die rechtserhebliche Situation im Herkunftsland des Asylsuchenden verwenden die Verwaltungsgerichte regelmäßig zur Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse im Herkunftsland eine Vielzahl von Erkenntnisquellen, die dem Gericht eine eigene Sachkunde vermitteln.
Im vorliegenden Fall hat das Gericht verschiedene im Einzelnen in einer Liste festgehaltene Erkenntnismittel, welche dem Klägerbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zugestellt worden ist, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Hierauf stützt sich das Gericht in seiner Einschätzung der Verfolgungsgefährdung.
Ein Beweisantrag mit dem Ziel, einen Sachverständigenbeweis zu erheben, muss zunächst die präzise Formulierung der Beweistatsachen enthalten, dazu die Darlegung, dass die Beweistatsachen sich auf die allgemeinen Verhältnisse im Herkunftsland oder auf die spezifischen individuellen Verhältnisse des Beweisführers beziehen sowie die Darlegung, dass das Verwaltungsgericht aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse die Beweisfrage nicht aus eigener Sachkunde beantworten kann. Grundlage hierfür ist eine Darlegung, dass die bereits vorhandenen Erkenntnismittel hinsichtlich der Beweisfrage wegen unlösbarer Widersprüche oder Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters mit erkennbaren Mängel behaftet sind oder wegen unzutreffender tatsächlicher Grundlagen unverwertbar sind oder wegen der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht geeignet sind, eine abschließende und zuverlässige, auf mehreren und insoweit widerspruchsfreien Erkenntnissen beruhende Bewertung sicherzustellen (VG Würzburg, U.v. 2.8.2013 – W 3 K 11.30103 – n.v.).
Diese Voraussetzungen erfüllt der Beweisantrag der Klägerseite nicht.
Damit ist das Gericht – auch unter Berücksichtigung der nicht glaubhaften Fluchtgeschichte der Klägerin und in Gesamtschau aller exilpolitischen Aktivitäten der Klägerin – davon überzeugt, dass sie bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, wegen ihrer exilpolitischen Aktivitäten von äthiopischen Behörden in asylrelevanter Weise belangt zu werden. Die auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG gerichtete Klage ist somit unbegründet.
Kann der Schutzsuchende kein Bleiberecht auf der Grundlage von Art. 16a GG oder § 3 AsylG finden, ist subsidiärer Schutz nach § 4 AsylG zu prüfen. Gemäß Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.
Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland ein ernsthafter Schaden in diesem Sinne droht.
Kann der Schutzsuchende keinen subsidiären Schutz erlangen, sind weiter hilfsweise die nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 AufenthG und des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 – BVerwGE 136, 360).
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Diese Vorschrift verweist auf die EMRK, soweit sich aus dieser zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse ergeben. Vorliegend ist nicht erkennbar, welches nicht bereits bei der vorrangigen Prüfung zu berücksichtigende Recht der EMRK im vorliegenden Fall ein Abschiebungshindernis begründen soll.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei der Klägerin kann eine solche erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nicht erkannt werden. Zwar ist es nach der Auskunftslage für eine alleinstehende Frau ohne familiären Rückhalt in Äthiopien kaum möglich, das Existenzminimum zu sichern (VG Ansbach, U.v. 8.8.2013 – AN 3 K 12.30425 – Asylmagazin 2013, 333; VG Ansbach, U.v. 24.9.2010 – AN 18 K 10.30270 – n.V.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Rückkehr einer jungen, alleinstehenden Frau, 13.10.2009; accord, Anfragebeantwortung zu Äthiopien: Informationen zur Lage von Frauen mit und ohne familiäre Anknüpfungspunkte bei einer Rückkehr, 24.10.2014). Allerdings ist die Klägerin nicht als alleinstehend in diesem Sinne anzusehen. Vielmehr leben ihre Mutter und ihr Bruder noch in Äthiopien. Zudem lässt sich den Angaben der Klägerin entnehmen, dass sie eine Tante in den USA hat, die die Ausreise der Klägerin finanzierte und gegenwärtig jedenfalls die noch in Äthiopien lebende Mutter der Klägerin finanziell unterstützt. Auch wenn die Mutter der Klägerin gegenwärtig nach Angaben der Klägerin über keine eigenen Einkünfte verfügt, ist somit nicht ersichtlich, dass die Klägerin nicht durch ihren Bruder und ihre in den USA lebende Tante unterstützt werden könnte, wenn sie nach Äthiopien zurückkehrt. Zudem hat die Klägerin angegeben, vor ihrer Ausreise etwa 1.500,00 Birr monatlich durch Schreibtätigkeiten eingenommen zu haben, mit denen sie zum gemeinsamen Haushalt beigetragen habe. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Klägerin zumindest mithilfe ihrer Familie in der Lage sein wird, sich nach einer Rückkehr nach Äthiopien eine bescheidene Existenz zu schaffen. Jedenfalls kann keine Gefahr der Verelendung der Klägerin erkannt werden; dies auch nicht unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin hochschwanger ist und daher im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien nicht nur sich, sondern auch ein Kleinkind bzw. Säugling zu versorgen haben wird. Zumindest im städtischen Raum drohen der Klägerin auch keine Benachteiligungen aufgrund ihrer Stellung als ledige Mutter, da zahlreiche Mütter in Äthiopien nicht verheiratet sind (D-A-CH, Bericht zur Fact Finding Mission Äthiopien/Somaliland 2010, Mai 2010, S. 19).
Soweit die Klägerin aufgrund der Schwangerschaft gegenwärtig nicht reisefähig sein sollte (im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung befand sie sich nach eigenen Angaben etwa in der 35. Schwangerschaftswoche) handelt es sich um ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das die Ausländerbehörde bei Vollstreckung der Abschiebung zu berücksichtigen hat, § 60a Abs. 2 AufenthG, während das Bundesamt im Rahmen der Prüfung von Abschiebungsverboten auf das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen beschränkt ist.
Das etwaige Vorliegen eines solchen inlandsbezogenen Abschiebungsverbots steht dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegen, § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Auch im Übrigen bestehen keinen rechtlichen durchgreifenden Bedenken gegen die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung, die den Anforderungen der § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis Abs. 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG genügt.
Nach alledem erweist sich der Bescheid des Bundesamts vom 1. Februar 2016 im angegriffenen Umfang als rechtmäßig. Die Klage ist daher abzuweisen.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ergibt sich die Kostenfolge – wie bereits ausgeführt – aus § 155 Abs. 2 VwGO. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.


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