Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines Afghanen tadschikischer Volkszugehörigkeit

Aktenzeichen  M 26 K 17.35166

Datum:
19.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 10667
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Alleinstehende, leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter sind in Afghanistan grundsätzlich in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kann derzeit für keine der Regionen Afghanistans angenommen werden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für alleinstehende männliche Afghanen besteht keine extreme Gefahrenlage, weil arbeitsfähige, gesunde Männer auch ohne besondere Qualifikation, ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage sind, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erwirtschaften und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 16. April 2018 trotz Ausbleibens der Beklagtenseite entschieden werden. Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Dieser hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes bzw. auf die Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Das Gericht nimmt zunächst auf die Ausführungen im Bescheid vom 10. März 2017 Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger sowie dessen Vater informatorisch gehört wurde, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ihm im Falle einer Einreise nach Afghanistan Verfolgung i.S.d § 3 AsylG oder ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG droht. Nationale Abschiebungsverbote ergeben sich ebenfalls nicht.
1. Ein eigenes Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist aus dem Vortrag des Klägers nicht erkennbar. Der Kläger befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Heimatlandes. Die vom Kläger auch in der mündlichen Verhandlung geschilderte Familienfehde mit B … hat, das Zutreffen der Schilderung unterstellt, keine flüchtlingsrechtliche Relevanz. Der Streit zwischen dem Vater des Klägers und jenem rührt nach den teils unklar und widersprüchlich gebliebenen Angaben des Klägers wie auch der schriftlichen Erklärung seines Vaters von der vermeintlichen Entführung der Tochter des B … durch den Vater her, teils beruht sie auf der Tötung des Großvaters des Klägers durch B … oder auf Betreiben des B …, wobei das Motiv für diese Tötung letztlich im Dunkeln bleibt. Jedenfalls hat die seither angeblich herrschende Feindschaft zwischen den Familien keinen politischen Hintergrund. Dass B … … den Kläger im Auftrag des afghanischen Staates verfolge oder ein Anführer der Taliban sei, wurde nicht vorgetragen.
2. Die Beklagte hat auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG abgelehnt. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes scheitert vorliegend jedenfalls am Vorhandensein einer inländischen Fluchtalternative gemäß § 3e i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG.
Soweit der Kläger auf eine Bedrohung durch B … und C … verweist, die in ganz Afghanistan Macht und gute Verbindungen hätten, ist das Gericht zunächst davon überzeugt, dass es die dabei um eine Bedrohung handelt, der sein Vater, nicht aber der Kläger ausgesetzt ist. Der Kläger hat nach seinen Angaben persönlich keine Bedrohung von diesen Personen erlebt. Er ist allenfalls reflexhaft als Sohn des Klägers mitgefährdet, was aber nicht rechtfertigt, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen. Jedenfalls ist es für den Kläger in seiner konkreten Situation zumutbar, vor den Verfolgern der Familie Schutz in anderen Landesteilen zu suchen.
Nach § 3e i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG wird der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor der Gefahr eines ernsthaften Schadens oder Zugang zu Schutz vor einem ernsthaften Schaden hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Das setzt voraus, dass dort nicht andere, unzumutbare Nachteile drohen. Dabei sind auch nicht verfolgungsbedingte Gefahren zu berücksichtigen und zwar – im Unterschied zu Art. 16a GG – auch dann, wenn diese am Herkunftsort in gleicher Weise bestehen (vgl. BVerwG, U.v. 29. Mai 2008 – 10 C 11.07 – juris Rn. 31, 32, 16; Heilbronner, Ausländerrecht, Stand: Dezember 2016, Anm. zu § 3e AsylVfG Rn. 10 ff. und zu Art. 16a GG Rn. 216). Zumutbar ist eine Rückkehr daher insbesondere nur dann, wenn der Ort der inländischen Schutzalternative ein wirtschaftliches Existenzminimum ermöglicht. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein verfolgungssicherer Ort dem Ausländer das wirtschaftliche Existenzminimum grundsätzlich immer dann bietet, wenn er dort durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und der Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, etwa in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor ausgeübt werden. Nicht mehr gesichert ist wirtschaftliche Existenzminimum, wenn der Ausländer am Ort der inländischen Fluchtalternative bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.2006 – 1 B 100/05 – juris Rn. 11; BVerwG, B.v. 21.5.2003 – 1 B 298/02 – juris Rn. 3; U.v. 1.2.2007 – 1 C 24/06 – juris Rn. 11; U.v. 31.3.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20).
Gemessen daran ist das Gericht davon überzeugt, dass sich der Kläger in Afghanistan für ihn zumutbar an einem Ort niederlassen kann, an dem er nach seinem individuellen Risikoprofil verfolgungssicher ist und an dem er sein Existenzminimum sicherstellen kann.
Für den Kläger ist es auf der einen Seite zumutbar, sich z.B. in Kabul oder Mazar-e-Sharif niederzulassen, wo er aufgrund der Anonymität der Großstadt und unter Berücksichtigung des Zeitablaufs seit der Ausreise sowie der Entfernung zu seinem Heimatort Herat von den Verfolgern der Familie nicht aufgefunden würde. Warum diese ihn auch in der Anonymität einer Großstadt auffinden würden, wurde nicht plausibel dargelegt. Diese Einschätzung entspricht auch der aktuellen Auskunftslage. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes bieten größere Städte aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleinere Städte oder Dorfgemeinschaften (AA, Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 19. Oktober 2016 – Stand September 2016 – S. 16). Daher könnte sich der Kläger z.B. in Kabul oder Mazar-e-Sharif niederlassen, ohne einer Verfolgung ausgesetzt zu sein.
Dass es der Kläger bisher versucht habe, innerhalb von Afghanistan über einen längeren Zeitraum Schutz zu suchen, wurde nicht vorgetragen. Es ist auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger nach seiner Rückkehr in das Visier etwaiger Verfolger gelangen sollte. Die landesweiten Kontakte und der Einfluss von B … und C … sind nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt worden, sondern unsubstantiiert behauptet worden. Ihr Einfluss dürfte kaum über die Provinz Herat hinausgehen. Hinsichtlich der Person I. K., einem bedeutenden Politiker Afghanistans, hält es das Gericht zwar grundsätzlich für möglich, dass er über landesweiten Einfluss verfügt; es ist allerdings nicht überzeugend dargetan, dass und inwiefern dieser mit der Verfolgerfamilie in Verbindung steht und vor allem nicht, welches Eigeninteresse dieser an der Verfolgung des Klägers haben sollte. Auch ist zu berücksichtigen, dass schon nach dem durchgängigen Vortrag des Klägers den Verfolgern weniger an ihm als vielmehr an seinem Vater gelegen ist, so dass er bei einer von seiner Familie unabhängigen Rückkehr nach Afghanistan, die ihm als volljährigem Mann, der nicht in besonderer Weise auf die Unterstützung seiner Familie angewiesen ist, grundsätzlich auch zumutbar ist, nicht in den Fokus der Verfolger geraten dürfte. Dasselbe gilt hinsichtlich der angeblichen Bedrohung durch den Mann seiner Schwester. Auch in Bezug auf diesen ist nicht dargelegt und nicht nachvollziehbar, dass und wie dieser den Kläger in einer Großstadt wie Kabul auffinden will.
Es bestehen auf der anderen Seite keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland in der Lage wäre, z.B. in Kabul oder Mazar-e-Sharif einen Lebensunterhalt oberhalb des Existenzminimums zu verdienen, so dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich dort aufzuhalten. In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter grundsätzlich in der Lage sind, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 13a ZB 17.30099 – juris Rn. 12). Davon ist auch im Fall des Klägers als einem jungen Mann, der körperlich und seelisch gesund ist, bis zur achten Klasse die Schule besucht hat und bereits über berufliche Erfahrungen verfügt, auszugehen. Der Kläger ist nach dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ein besonders lebhafter, intelligenter und kommunikativer junger Mensch, dem es nicht schwerfallen dürfte, in Afghanistan beruflich und sozial Anschluss zu finden.
Die allgemeine Gefährdungslage in Afghanistan kann weder der vorgenannten Annahme einer inländischen Fluchtalternative entgegengehalten werden noch für sich genommen zu der Zuerkennung subsidiären Schutzes führen. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für keine der Regionen Afghanistans angenommen und die Lage dort nicht derart eingeschätzt, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 13a ZB 17.30099 – juris Rn. 11). Diese Einschätzung ist auch mit Blick auf die jüngsten Erkenntnismittel, namentlich der Vereinten Nationen (vgl. UNAMA: Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2017), noch aktuell. Insbesondere ergibt sich für die Provinz Kabul, die als Zielort einer Abschiebung in Betracht kommt (vgl. zum örtlichen Bezugspunkt der Gefahrenprognose BVerwG, B.v. 14.11.2012 – 10 B 22/12 – juris), bei einer Bevölkerung von 4,5 Millionen Einwohnern (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan i.d.F.v. 30.1.2018, S. 56) und einer Zahl von 1.831 im Jahr 2017 getöteten und verletzten Zivilpersonen ein Risiko von 1 zu 2.470 bzw. eine Gefahrendichte von 0,04%, die erheblich unter der Schwelle beachtlicher Wahrscheinlichkeit liegt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris Rn. 7). Vergleichbares gilt für die Provinz Balkh mit der Provinzhauptstadt Mazar-e-Sharif. Dort ergibt sich bei einer Einwohnerzahl von 1,38 Millionen (vgl. EASO, Afghanistan: Security Situation, Dezember 2017, S. 88) und 129 zivilen Opfern im Jahr 2017 (vgl. UNAMA) ein Risiko von 1 zu 10.697 und eine Gefahrendichte von 0,009%. Damit ist auch bei einer wertenden Gesamtbetrachtung (vgl. dazu BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – juris Rn. 23) nicht von einer erheblichen individuellen Gefahr im genannten Sinne auszugehen, zumal die medizinische Versorgungslage in den Nord- und Zentralprovinzen besser ist (vgl. AA, Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 19. Oktober 2016 – Stand September 2016 – S. 23). Individuell gefahrerhöhende Umstände liegen beim Kläger nicht vor. Er erfüllt kein persönliches Merkmal, das ihn in besonderer Weise der Gefahr, Opfer von Anschlägen zu werden, aussetzen würde.
3. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen nicht vor.
§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Maßgeblich sind die Gesamtumstände des jeweiligen Falls und Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (vgl. z.B. VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017, 3 A 140/16 – juris Rn. 53 m.w.N.). Ein Abschiebungsverbot infolge der allgemeinen Situation der Gewalt im Herkunftsland kommt nur in Fällen ganz extremer Gewalt in Betracht und auch schlechte humanitäre Bedingungen können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen.
In Afghanistan ist die allgemeine bzw. humanitäre Lage aber nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31287 – UA Rn. 5; B.v. 2.11.2017 – 13 a ZB 17.31033 – juris Rn. 5; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris Rn. 5; VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017 – 3 A 140/16 – juris Rn. 55 ff.). Arbeitsfähige, gesunde Männer wie der Kläger sind auch ohne besondere Qualifikation, nennenswertes Vermögen und familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erwirtschaften und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten, so dass für alleinstehende männliche Staatsangehörige keine extreme Gefahrenlage besteht (BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – juris Rn. 12; B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044 – juris Rn. 5; B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30929 – juris Rn. 2; B.v. 22.12.2016 – 13a ZB 16.30684 – juris Rn. 7; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17; VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017 – 3 A 140/16 – juris Rn. 60). Gerade Rückkehrer aus dem Westen sind dabei in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch die Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in Nachbarländer Afghanistans geflohen sind, wesentlich höher (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 21). Zudem hat der Kläger acht Jahre die Schule besucht und war beruflich tätig, sodass er über eine gewisse Schulbildung und Berufserfahrung verfügt, was es ihm erleichtern dürfte, Arbeit zu finden. Auf ein unterstützendes Netzwerk kommt es nicht an.
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor.
Die allgemeine Gefahr in Afghanistan hat sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Wann allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssten nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Dies setzt voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Ausreise in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann, der Ausländer somit gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – juris Rn. 15).
Für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige ist im Allgemeinen nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen, die zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (in entsprechender Anwendung) führen würde (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31287 – UA Rn. 5; B.v. 2.11.2017 – 13 a ZB 17.31033 – juris Rn. 5; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris Rn. 13; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris Rn. 5; B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044 – juris Rn. 5). Wie bereits ausgeführt, sind alleinstehende, arbeitsfähige junge Männer auch ohne besondere Qualifikation, nennenswertes Vermögen und familiäre Unterstützung grundsätzlich in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erwirtschaften und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden dabei nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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