Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines Folgeantragstellers aus Ägypten

Aktenzeichen  Au 6 K 17.35743

Datum:
1.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3842
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 71 Abs. 1
VwVfG § 51 Abs. 1

 

Leitsatz

Die ägyptische Regierung will Christen weiterhin schützen und ist dem Grunde nach auch schutzfähig.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die wegen des übereinstimmenden Verzichts der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens noch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG noch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Ägyptens (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, so dass sich die Ablehnung seines entsprechenden Antrags als unzulässig als rechtmäßig erweist.
Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen. Ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG setzt voraus, dass sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich – nach Abschluss des früheren Asylverfahrens – zu Gunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung über sein Asylbegehren herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
a) Eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zu Gunsten des Betroffenen im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist nicht glaubhaft gemacht.
Soweit der Kläger auf die Anschläge auf koptische Christen im Lauf des Jahres 2017 verweist, handelt es sich insofern um keine nachträgliche Änderung, als er jedenfalls die Anschläge vom April und Mai 2017 noch im Berufungszulassungsverfahren zu seinem Asylerstverfahren vor Antragsrücknahme hätte geltend machen können (zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Berufungsgerichts nach § 77 Abs. 1 AsylG); das Berufungszulassungsverfahren wurde erst mit Beschluss vom 2. November 2017 eingestellt. Der Anschlag am 29. Dezember 2017 hat sich zwar nachträglich ereignet, ändert aber nichts an der Bewertung im Asylerstbescheid und im dieses bestätigenden Urteil (VG Augsburg, U.v. 15.2.2017 – Au 6 K 17.30079), wonach eine Gruppenverfolgung koptischer Christen in Ägypten mangels der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte und unter Verweis darauf, dass sich die Situation seit der Wahl von Abdelfattah El-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014 in Bezug auf die Sicherheit koptischer Christen im Lande grundlegend verändert habe, nicht vorliege. Insbesondere Präsident El-Sisi sei darum bemüht, die gesellschaftliche Diskriminierung der koptischen Christen zu bekämpfen und setze sich dafür ein, dass diese ungestört ihre Religion ausüben können. Auch unter Berücksichtigung und Würdigung der aktuellen Auskunftslage bzw. einzelner gewaltsamer Übergriffe sowie der klägerseits angeführten Rechtsprechung ergebe sich keine abweichende rechtliche Bewertung. Zudem stehe dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Dies bestätigen die aktuellen Meldungen, wonach die Kopten in Ägypten Heiligabend begleitet von strengen Sicherheitsvorkehrungen gefeiert haben und der koptische Papst eine Messe in einer neuen Kathedrale zelebrierte im Beisein von Staatspräsident Al-Sisi, der ein Zeichen gegen den Terror im Land setzen wollte (vgl. als allgemein zugängliche Quelle www.tagesschau.de/ ausland/kopten-weihnachten-109.html). Al-Sisi habe nach einem schweren Anschlag auf eine Kirche nahe der Markus-Kathedrale in Kairo im Dezember 2016 mit mehr als 25 Toten die Errichtung der neuen Christi-Geburt-Kathedrale angeordnet. Sie solle ein Symbol für die Koexistenz und die Einheit des nordafrikanischen Landes sein. Die koptischen Christen in Ägypten haben Heiligabend gefeiert. Zu einer Messe mit dem koptischen Papst Tawadros II. und Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi in Kairo kamen Hunderte Gläubige erstmals in einer neuen Kathedrale östlich von Kairo zusammen. Zwar bezweifelten immer mehr Kopten, dass Al-Sisis Sicherheitsapparat überhaupt dazu fähig sei, sie zu beschützen; bei einem Angriff auf eine Kirche bei Kairo kurz vor dem Jahreswechsel seien sieben Menschen getötet worden, darunter ein Polizist, der die Kirche bewachte (ebenda). Dies zeigt, dass die ägyptische Regierung – wie im Asylerstverfahren des Klägers bereits gewürdigt – Christen weiterhin schützen will und dem Grunde nach auch schutzfähig ist; ein lückenloser Schutz kann freilich nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.1985 – C 33/85 u.a. – BVerwGE 72, 269, juris Rn. 20) – auch in Deutschland gab es mittlerweile mehrere islamistische Anschläge.
Ebenso wenig hat sich die Richtigkeit der Bewertung des Verwaltungsgerichts im Asylerstverfahren des Klägers geändert, dass eine etwaige Strafverfolgung wegen Wehrdienstentziehung keine Verfolgung im Sinne von § 3a AsylG ist. Zudem hat das Bundesamt nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger offenbar vom Wehrdienst befreit worden sein müsse, sonst hätte er keinen Reisepass ausgestellt erhalten. Dies liegt auch deswegen nahe, weil die Gültigkeit des Passes bis zum 31. August 2020 reicht, also noch deutlich in die Zukunft hinein, so dass die ägyptischen Behörden gar nicht mit seiner früheren Rückkehr rechnen und ein Strafverfolgungsinteresse auch unter diesem Gesichtspunkt nicht plausibel ist.
b) Ebenso liegt kein neues Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vor, das eine für den Kläger günstigere Entscheidung über sein Asylbegehren herbeigeführt haben würde.
Ein Beweismittel ist neu (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG), wenn es während des vorangegangenen Verfahrens entweder noch nicht existierte oder dem Asylbewerber nicht bekannt oder von ihm ohne Verschulden nicht beizubringen war (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.1982 – 8 C 75/80 – NJW 1982, 2204). Erforderlich ist aber stets, dass sich das Beweismittel auf den im ersten Verfahren entschiedenen Sachverhalt bezieht, weil es anderenfalls keine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Ein solches hat der Kläger nicht vorgelegt.
c) Für Wiederaufnahmegründe im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG fehlt es an jeglichem Vortrag.
2. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Ablehnung des Wiederaufgreifens hinsichtlich der Feststellung, dass nationale Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.
Für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) kommt im Folgeantragsverfahren die allgemeine Regelung des § 51 VwVfG unmittelbar zur Anwendung (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33; BayVGH, U.v. 8.3.2012 – 13a B 10.30172 – juris Rn. 21; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 71 Rn. 42). Demnach kommt ein Wiederaufgreifen des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG oder aber des § 51 Abs. 5 VwVfG in Verbindung mit §§ 48, 49 VwVfG in Betracht (vgl. BVerfG (Kammer), B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – NVwZ 2007, 1046). Nach § 51 VwVfG ist u.a. erforderlich, dass neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Ausländer günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Der Antrag ist nach § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Ferner muss der Antrag nach § 51 Abs. 3 VwVfG binnen drei Monaten ab dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Die Voraussetzungen ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG liegen aus den soeben dargelegten Gründen nicht vor. Insbesondere ist eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zu Gunsten des Klägers im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht glaubhaft gemacht.
Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ermessens Weg nach § 51 Abs. 5 VwVfG durch Widerruf des im Asylerstverfahren erlassenen Bescheides bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG sind ebenso wenig glaubhaft gemacht. Eine Reduzierung des behördlichen Ermessensspielraums der Antragsgegnerin auf Null mit der Folge ihrer Verpflichtung zu einem solchen Wiederaufgreifen ist auch mit Blick auf die zu schützenden Grundrechte des Klägers nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG nicht ersichtlich.
3. Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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