Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines ivorischen Staatsangehörigen mangels Glaubhaftmachung flüchtlingsschutzrechtlich relevanter Vorverfolgung

Aktenzeichen  W 2 K 18.30263

Datum:
12.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28088
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a Abs. 1
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S.1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S.1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung kann nicht pauschal unterstellt werden, dass die ivorischen Sicherheitskräfte den Kläger nicht schützen wollen oder können. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist ein überregionales Agieren weder vorgetragen noch plausibel, so kann der Kläger auch innerhalb der Elfenbeinküste in einer anderen Region, jedenfalls in einer der zahlreichen Metropolen, Sicherheit finden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandelt werden konnte, ist unbegründet.
1. Der Bundesamtsbescheid vom 24. Januar 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, noch auf Anerkennung als Asylberechtigter oder auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
Das Gericht folgt der Begründung im Bescheid vom 24. Januar 2018 und verweist auf die entsprechenden Ausführungen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
1.1 Die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Gemäß § 3a AsylG gelten dabei Handlungen als Verfolgung, die gemäß Nr. 1 auf Grund ihrer Art oder Wiederholungsgefahr so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichungen zulässig ist, oder die gem. Nr. 2 in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat der Kläger eine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Vorverfolgung in der Elfenbeinküste nicht glaubhaft gemacht. Schon nach eigenem Vortrag des Klägers, der mangels Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung lediglich den Bundesamtsakten entnommen werden kann, kommt eine Anknüpfung an ein flüchtlingsschutzrechtliches Merkmal nicht in Betracht. Selbst bei Wahrunterstellung seines Vortrags beruhte die Bedrohungslage durch den Vater der jungen Frau, mit der er einen gemeinsamen Sohn hat, allein auf persönliche Animositäten und knüpft an kein flüchtlingsrelevantes Verfolgungsmerkmal im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG an. Die Einlassungen des Kläger deuten auch nicht darauf hin, dass ihm seitens des Militärkommandanten eine politische Gesinnung entsprechend § 3b Abs. 2 AsylG zugeschrieben worden sei soll.. Zurecht ordnet das Bundesamt die behauptete Bedrohung deshalb lediglich als kriminelles Unrecht ein. Auch für eine Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten soziale Gruppe, ist dem Vortrag des Klägers nichts Substantiiertes zu entnehmen. Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz kommt deshalb schon mangels Anknüpfungsmerkmals nicht in Betracht.
Da die Voraussetzungen der Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG enger sind als die Voraussetzungen der Flüchtlingsanerkennung kommt eine solche ebenfalls nicht in Betracht.
1.2 Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG.
Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Weder für die Vollstreckung noch Verhängung der Todesstrafe noch die Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommen in Betracht. Für eine eventuell drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung liegen ebenfalls keine Anhaltspunkte vor.
Soweit der Kläger vorträgt, er fürchte bei einer Rückkehr in die Elfenbeinküste wieder Nachstellungen von den Militärkommandanten, kann der Kläger – selbst bei Wahrunterstellung seines sehr oberflächlichen und lückenhaften Vorbringens beim Bundesamts – einen Anspruch auf subsidiären Schutz nicht begründen. Denn, wie der Bundesamtsbescheid vom 24. Januar 2018 zu Recht ausführt, ist der Kläger gem. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3d AsylG auf die ivorischen Sicherheitsbehörden zu verweisen. Denn ein Ausländer ist nicht subsidiär schutzberechtigt, wenn er im Heimatland wirksamen und nicht nur vorübergehenden Schutz vor der Bedrohung finden kann. Dabei ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die staatlichen Organe geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine entsprechende Bedrohung darstellen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die vom Kläger vorgetragene Korruption im Polizeibereich der Elfenbeinküste laut Auswärtigem Amt (Lagebericht v. 15. Januar 2018, S. 2) zwar ein anhaltendes Problem. Ausbildung und Struktur der Polizei konnten jedoch über die letzten Jahre deutlich verbessert werden, so dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht pauschal unterstellt werden kann, dass die ivorischen Sicherheitskräfte den Kläger nicht schützen wollen oder können. Allein die Einlassung, der Militärkommandant habe einen sehr großen Einfluss und er habe sich deswegen nicht an die Polizei wenden können, überzeugt nicht. Auch die pauschale, nachgeschobene Behauptung, dass man ohne Geld in der Elfenbeinküste nicht vor Gericht gehen könne und kein Recht habe, überzeugt nicht.
Darüber hinaus scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes auch wegen des Vorrangs der internen Fluchtalternative aus. Denn gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG wird dem Ausländer der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und er legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Die behauptete Verfolgungsgefahr durch den Militärkommandanten ist auch nach dem Vortrag des Klägers rein lokal auf sein Heimatdorf bzw. die Heimatregion begrenzt. Ein überregionales Agieren ist weder vorgetragen, noch plausibel, so dass der Kläger auch innerhalb der Elfenbeinküste in einer anderen Region, jedenfalls in einer der zahlreichen Metropolen, hätte Sicherheit finden können. Denn gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG wird dem Ausländer der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und er legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Ein landesinternes Ausweichen wäre dem gut gebildeten, erwachsenen, gesunden und im Berufsleben stehenden Kläger auch zumutbar gewesen. So ist der Kläger bereits vor seiner Flucht erwerbstätig gewesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
1.3 Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2000 – 9 C 34/99 -, juris Rn. 11).
Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05, U.v. 28.6.2011 – 8319/07). Solche Umstände sind beim Kläger nicht ersichtlich.
Gesundheitsbedingte Einschränkungen im für ein Abschiebungsverbot relevanten Schweregrad sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.4 Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.5 Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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